Arbeitsrecht

Vertretungsbefristung – “Abordnungsvertretung”

Aktenzeichen  7 AZR 833/11

Datum:
10.7.2013
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 14 Abs 1 S 2 Nr 3 TzBfG
Spruchkörper:
7. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Aachen, 17. Juni 2010, Az: 9 Ca 1544/10, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Köln, 16. März 2011, Az: 9 Sa 1308/10, Urteil

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 16. März 2011 – 9 Sa 1308/10 – aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung des zuletzt zwischen ihnen geschlossenen Arbeitsvertrags.
2
Die Klägerin war seit dem 8. Mai 2006 aufgrund von vier aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt nach Maßgabe des Arbeitsvertrags vom 12. November 2008 für das Jahr 2009. Nach § 2 des Arbeitsvertrags bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit (TV-BA) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung. Nach einem von den Parteien unterzeichneten Vermerk zum Arbeitsvertrag sollte die Klägerin als Arbeitsvermittlerin mit Beratungsaufgaben bei der Agentur für Arbeit A eingesetzt werden. Der Befristungsgrund wird wie folgt angegeben: § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG (Haushaltsmittel).
3
Der Agentur für Arbeit A standen für die Jahre 2007 bis einschließlich 2009 jeweils für ein Kalenderjahr Haushaltsmittel aus dem Programm WeGebAU (Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen) für Personalausgaben zur Verfügung. Im Dezember 2007 übertrug die Beklagte dem Arbeitsvermittler K die Tätigkeit eines Weiterbildungsberaters im Rahmen dieses Programms, letztlich für die Zeit bis zum 31. Dezember 2010. Herr K hatte an sich eine Stelle als Arbeitsvermittler bei der Agentur für Arbeit A inne. Dort war er dem Team 123 „Arbeitgeber-Service“ zugeordnet. Im Jahr 2009 wurde die Klägerin in diesem Team eingesetzt. Im Jahr 2010 stellte die Agentur für Arbeit A für Herrn K keine Ersatzkraft ein; dessen Aufgaben als Arbeitsvermittler wurden von anderen Beschäftigten „aufgefangen“.
4
Mit der Klage vom 4. November 2009 hat sich die Klägerin gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund der Befristung gewandt. Zugleich hat sie die Weiterbeschäftigung während der Dauer des Beendigungsrechtsstreits sowie Zahlung von Arbeitsentgelt aus Annahmeverzug für die Monate Januar 2010 bis einschließlich März 2010 verlangt.
5
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Befristung sei mangels eines Sachgrunds unwirksam. Der Sachgrund der Vertretung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG liege nicht vor. Er setze den „Ausfall“ einer Stammkraft voraus. Bei der Vertretung eines mit anderen Aufgaben beauftragten Mitarbeiters sei diese Anforderung nicht erfüllt, weil die Stammkraft weiterhin Arbeitsleistungen für den Arbeitgeber erbringe. Die Befristung sei auch nicht nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG gerechtfertigt. Der Arbeitskräftebedarf habe nicht nur vorübergehend bestanden. Die Weiterbildung Geringqualifizierter und älterer Arbeitnehmer in Unternehmen zur Verhinderung von Arbeitslosigkeit sei eine Daueraufgabe. Allein die Ungewissheit, ob der künftige Haushaltsplan finanzielle Mittel zur Verfügung stelle, genüge zur Rechtfertigung der Befristung nicht.
6
Die Klägerin hat beantragt
        
1.    
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung mit Ablauf des 31. Dezember 2009 geendet hat,
        
2.    
die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin als Arbeitsvermittlerin bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag zu 1. weiterzubeschäftigen,
        
3.    
hilfsweise, für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1., die Beklagte zu verurteilen, an sie 9.337,71 Euro brutto abzüglich gezahltem Arbeitslosengeld in Höhe von 3.235,20 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
7
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat den Standpunkt eingenommen, die Befristung des zuletzt mit der Klägerin geschlossenen Vertrags sei nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG gerechtfertigt, da die Klägerin zur Vertretung des Mitarbeiters K eingestellt worden sei. Der Ausfall eines Mitarbeiters liege nicht nur vor, wenn dieser zeitweise überhaupt keine Arbeitsleistung mehr für den Arbeitgeber erbringe, sondern auch dann, wenn er innerhalb der Dienststelle vorübergehend mit anderen Aufgaben betraut werde. Hier habe die Klägerin Herrn K vertreten, während dieser als Weiterbildungsberater beschäftigt worden und deshalb auf seinem Stammarbeitsplatz ausgefallen sei. Außerdem sei die Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG wegen vorübergehenden Mehrbedarfs an der Arbeitsleistung gerechtfertigt. Bei der Beschäftigung der Weiterbildungsberater im Rahmen des bis Ende des Jahres 2009 zeitlich befristeten Sonderprogramms WeGebAU habe es sich um eine zusätzliche, nicht auf Dauer angelegte Aufgabe gehandelt.
8
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin dem Befristungskontrollantrag entsprochen und die Beklagte zu vorläufiger Weiterbeschäftigung sowie zur Zahlung von Entgelt aus Annahmeverzug verurteilt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.


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