Arbeitsrecht

Widerruf eines Teilzeitverlangens nach § 8 TzBfG – abändernde Annahme iSv. § 150 Abs. 2 BGB

Aktenzeichen  9 AZR 312/20

Datum:
9.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2021:090321.U.9AZR312.20.0
Normen:
§ 8 Abs 5 S 1 TzBfG vom 21.12.2000
§ 8 Abs 1 TzBfG vom 21.12.2000
§ 150 Abs 2 BGB
§ 130 BGB
§ 145 BGB
§ 147 BGB
Spruchkörper:
9. Senat

Leitsatz

1. Der Arbeitnehmer ist an sein Verlangen, die Arbeitszeit nach § 8 Abs. 1 TzBfG zu verringern, bis zum Ablauf der Stellungnahmefrist des Arbeitgebers aus § 8 Abs. 5 Satz 1 TzBfG in der bis zum 31. Dezember 2018 geltenden Fassung vom 21. Dezember 2000 (TzBfG aF) (juris: § 8 Abs 5 S 1 TzBfG F: 2000-12-21) gebunden. Ein Widerrufsrecht steht dem Arbeitnehmer nach Zugang seines Verringerungsantrags nicht zu.
2. Will der Arbeitgeber einen Teilzeitantrag nach § 8 Abs. 1 TzBfG aF (§ 8 Abs 1 TzBfG F: 2000-12-21) nicht uneingeschränkt, sondern nur unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen iSv. § 150 Abs. 2 BGB annehmen, muss er dies in seiner Stellungnahme eindeutig zum Ausdruck bringen. Andernfalls kommt eine Vertragsänderung nach Maßgabe des Teilzeitbegehrens des Arbeitnehmers zustande.

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Solingen, 7. Mai 2019, Az: 2 Ca 1159/18 lev, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 28. April 2020, Az: 8 Sa 403/19, Urteil

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 28. April 2020 – 8 Sa 403/19 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über den Umfang der Arbeitszeit des Klägers.
2
Der Kläger ist seit dem 1. September 1993 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt. Seine monatliche Vergütung betrug 6.055,32 Euro brutto bei einer Vollzeitbeschäftigung mit wöchentlicher Arbeitszeit von 37,5 Stunden.
3
Unter Bezugnahme auf § 8 TzBfG beantragte der Kläger bei der Beklagten mit Schreiben vom 14. Juni 2018 die Verringerung seiner wöchentlichen Arbeitszeit auf 20 Stunden bei einer Verteilung auf fünf Tage in der Woche mit Wirkung zum 1. Oktober 2018. Gesprächstermine über das Teilzeitverlangen kamen aufgrund krankheitsbedingter Abwesenheit des Klägers nicht zustande.
4
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 27. Juli 2018 ließ der Kläger die Beklagte auffordern, bis zum 31. August 2018 über seinen Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit zu entscheiden. Unter dem 2. August 2018 antwortete die Beklagte, weiterhin für Gespräche zur Verfügung zu stehen. Nach einem Telefonat mit der „Legal Counsel“ der Beklagten, in dem der Klägervertreter erklärte, der Kläger wünsche kein Gespräch über sein Teilzeitverlangen, kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 22. August 2018 an, dem Kläger ihre Entscheidung über den Teilzeitantrag fristgerecht in einem gesonderten Schreiben mitzuteilen. Mit einem der Beklagten am 29. August 2018 zugegangenen Schreiben vom 24. August 2018 zog der Kläger seinen Antrag auf Teilzeit „mit sofortiger Wirkung“ zurück.
5
Das Schreiben der Beklagten vom 30. August 2018, mit dem sie den Antrag des Klägers auf Teilzeitbeschäftigung beschied, hat auszugsweise folgenden Inhalt:
        
„… wir nehmen Bezug auf Ihren Antrag auf Teilzeitbeschäftigung vom 14. Juni 2018.
        
Hiermit möchten wir Ihnen mitteilen, dass wir Ihrem Antrag auf Teilzeitbeschäftigung stattgeben. Die von Ihnen gewünschte Teilzeittätigkeit von 20 Wochenstunden ist auf Ihrer derzeitigen Stelle Business Processes aus betrieblichen Gründen nicht möglich.
        
Aus diesem Grund werden wir Sie ab dem 1. Oktober 2018 innerhalb der L GmbH in Ihrer derzeitigen Abteilung Product Costing auf der Position eines Business Partners beschäftigen. Wir führen Sie künftig in Ihrer dann ausgeübten Tätigkeit als Business Partner International in der bisherigen Entgeltgruppe E12K 72 der für uns gültigen Tarifverträge.
        
Ihrem Wunsch entsprechend, vereinbaren wir mit Ihnen ab 1. Oktober 2018 zudem folgende Vertragsänderung:
        
wöchentliche Arbeitszeit
20 Stunden
        
durchschnittliche tägliche Arbeitszeit
4 Stunden
        
Arbeitstage
montags bis freitags
        
Sie nehmen weiterhin an der Gleitenden Arbeitszeit teil. Grundlage hierfür bildet die Betriebsvereinbarung zur Gleitenden Arbeitszeit (GLAZ) für Tarifmitarbeiter an den Standorten Le und La vom 12. Juni 2013.
        
Für die mit Ihnen vereinbarte Arbeitszeit von 20,00 Stunden pro Woche erhalten Sie ein Entgelt in der Tarifgruppe E12K (Endsatz) in Höhe von 2988,08 EUR brutto im Monat.
        
Eventuell geänderte Zuschläge und/oder Zulagen entnehmen Sie bitte Ihrer Entgeltabrechnung. Gegebenenfalls gezahlte Übertarifliche Leistungen sind freiwillig und begründen keinen Rechtsanspruch für die Zukunft; sie können bei einer Tariferhöhung oder bei einer Änderung der Entgeltgruppe bzw. Tätigkeitsjahre ganz oder teilweise angerechnet werden.
        
Alle sonstigen Vertragsbestandteile Ihres Arbeitsvertrages behalten weiterhin ihre Gültigkeit.
        
Bitte bestätigen Sie uns diese Vereinbarung auf der beigefügten Zweitschrift. Eine Ausfertigung ist für Ihre Unterlagen bestimmt. …“
6
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, das Vollzeitarbeitsverhältnis bestehe fort. Er habe sein Teilzeitverlangen wirksam zurückgenommen. Zudem habe die Beklagte seinen Antrag auf Teilzeitbeschäftigung nicht unverändert angenommen.
7
Der Kläger hat zuletzt beantragt
        
festzustellen, dass zwischen den Parteien über den 30. September 2018 hinaus ein Vollzeitarbeitsverhältnis besteht.
8
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, der Kläger sei für die Dauer der Stellungnahmefrist des Arbeitgebers nach § 8 Abs. 5 Satz 1 TzBfG an seinen Teilzeitantrag gebunden. Dem Teilzeitbegehren habe sie vor deren Ablauf am 31. August 2018 mit Schreiben vom 30. August 2018 zugestimmt.
9
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.


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