Aktenzeichen 10 AZR 695/09
§ 10 Abs 1 VersÄmtEinglG NW 2007
§ 10 Abs 5 S 2 VersÄmtEinglG NW 2007
§ 4 Abs 1 VersÄmtEinglG NW 2007
§ 20 Abs 1 VersÄmtEinglG NW 2007
§ 20 Abs 4 VersÄmtEinglG NW 2007
§ 4 Abs 3 TV-L
§ 106 GewO
Art 9 Abs 3 GG
Art 12 Abs 1 GG
Art 20 Abs 1 GG
Art 70 Abs 1 GG
Art 74 Abs 1 Nr 12 GG
Art 75 Abs 1 Nr 1 GG
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Hamm, 8. Dezember 2008, Az: 5 Ca 2337/07, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), 13. August 2009, Az: 11 Sa 74/09, Urteil
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 13. August 2009 – 11 Sa 74/09 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Berechtigung des beklagten Landes, den Kläger im Wege der Personalgestellung dem Märkischen Kreis in Altena zur Erbringung der Arbeitsleistung zur Verfügung zu stellen.
2
Der 1960 geborene Kläger ist seit 1980 für das beklagte Land tätig. Er arbeitete im Assistenzdienst beim Versorgungsamt Soest im Aufgabenbereich des BEEG und war zuständig für die Zuordnung und Erfassung von Anträgen sowie den Transport und die Vorlage der Akten.
3
Am 21. November 2007 trat das Gesetz zur Eingliederung der Versorgungsämter in die allgemeine Verwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen (VersÄmtEinglG) als Artikel 1 des Zweiten Gesetzes zur Straffung der Behördenstruktur in Nordrhein-Westfalen vom 30. Oktober 2007 (Straffungsgesetz) in Kraft (GV NRW 2007 S. 482, ausgegeben am 20. November 2007).
4
Dort ist auszugsweise geregelt:
„§ 1
Auflösung der Versorgungsämter
(1)
Die den Versorgungsämtern übertragenen Aufgaben werden nach Maßgabe dieses Gesetzes den Kreisen und kreisfreien Städten, den Landschaftsverbänden und den Bezirksregierungen übertragen.
(2)
Die Beamten und die tariflich Beschäftigten der Versorgungsämter gehen nach Maßgabe dieses Gesetzes auf die Kreise und kreisfreien Städte, auf die Landschaftsverbände, auf die Bezirksregierungen und auf das Landesamt für Personaleinsatzmanagement über bzw. werden im Wege der Personalgestellung zur Aufgabenwahrnehmung zur Verfügung gestellt.
(3)
Die Versorgungsämter Aachen, Bielefeld, Dortmund, Düsseldorf, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Köln, Münster, Soest und Wuppertal werden mit Ablauf des 31. Dezember 2007 aufgelöst.
…
§ 5
Aufgaben nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz
(1)
Die den Versorgungsämtern übertragenen Aufgaben nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz werden mit Wirkung vom 1. Januar 2008 auf die Kreise und kreisfreien Städte übertragen.
…
§ 10
Tarifbeschäftigte
(1)
Die mit Aufgaben nach §§ 2 bis 5 und nach § 8 Abs. 2 betrauten tariflich Beschäftigten der Versorgungsämter werden kraft Gesetzes mit Wirkung vom 31. Dezember 2007 in das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales übergeleitet und nach Maßgabe der Absätze 5 bis 7 und der §§ 11 bis 21 den dort genannten kommunalen Körperschaften kraft Gesetzes mit Wirkung vom 1. Januar 2008 im Wege der Personalgestellung zur Aufgabenwahrnehmung zur Verfügung gestellt.
(2)
Die mit Aufgaben nach §§ 6 und 8 Abs. 1 betrauten tariflich Beschäftigten der Versorgungsämter gehen kraft Gesetzes mit Wirkung vom 1. Januar 2008 nach Maßgabe des Absatzes 5 und des § 13 Abs. 4 und 5 auf die Bezirksregierung Münster über. Die mit Aufgaben nach § 7 betrauten tariflich Beschäftigten der Versorgungsämter gehen kraft Gesetzes mit Wirkung vom 1. Januar 2008 nach Maßgabe des Absatzes 5 und der §§ 11 bis 21 auf die Bezirksregierungen über.
(3)
Tariflich Beschäftigte der Versorgungsämter, die nicht unmittelbar mit Aufgaben nach §§ 2 bis 8 betraut sind, gehen nach Maßgabe des Absatzes 5 kraft Gesetzes mit Wirkung vom 1. Januar 2008 auf die Bezirksregierungen über oder werden kraft Gesetzes entsprechend Absatz 1 mit Wirkung vom 31. Dezember 2007 in das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales übergeleitet und kraft Gesetzes nach Maßgabe der Absätze 5 bis 7 mit Wirkung vom 1. Januar 2008 den in §§ 11 bis 21 genannten kommunalen Körperschaften im Wege der Personalgestellung zur Aufgabenwahrnehmung zur Verfügung gestellt, sofern sie nicht nach Absatz 4 in das Landesamt für Personaleinsatzmanagement übergehen.
(4)
Die tariflich Beschäftigten der Versorgungsämter, die nicht von den Personalgestellungsverträgen nach Absatz 6 erfasst sind und nicht nach Absatz 2 oder 3 auf die Bezirksregierungen übergehen, gehen kraft Gesetzes mit Wirkung vom 1. Januar 2008 in das Landesamt für Personaleinsatzmanagement über. Betriebsbedingte Kündigungen und entsprechende Änderungskündigungen mit dem Ziel der Herabstufung sind ausgeschlossen.
(5)
Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales bereitet den Personalübergang nach den Absätzen 1 bis 4 vor der Übertragung der Aufgaben auf der Grundlage eines von ihm erstellten Zuordnungsplans vor. Der Zuordnungsplan ist unter Berücksichtigung sozialer Kriterien und dienstlicher Belange zu erstellen; eine angemessene Mitwirkung der neuen Aufgabenträger ist zu gewährleisten.
(6)
Soweit die tariflich Beschäftigten kommunalen Körperschaften zur Aufgabenwahrnehmung zur Verfügung gestellt werden, werden die Einzelheiten der Personalgestellung in den zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales, und den in §§ 11 bis 21 genannten Körperschaften für jedes Versorgungsamt geschlossenen Personalgestellungsverträgen ge-regelt.
(7)
Soweit tariflich Beschäftigte den kommunalen Körperschaften im Wege der Personalgestellung zur Auf-gabenwahrnehmung zur Verfügung gestellt werden, bleiben die Beschäftigungsverhältnisse zum Land Nordrhein-Westfalen auf der Grundlage der für das Land geltenden Tarifverträge und Vereinbarungen über die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung bestehen.
…
§ 20
Versorgungsamt Soest
(1)
Die mit Aufgaben nach §§ 2 und 5 betrauten Beamten gehen, soweit es für die Aufgabenerfüllung erforderlich ist, entsprechend den von ihnen wahrgenommenen Aufgaben anteilig auf die kreisfreie Stadt Hamm, den Hochsauerlandkreis, den Märkischen Kreis sowie die Kreise Olpe, Siegen-Wittgenstein und Soest über.
…
(4)
Die Regelungen der Absätze 1 und 2 gelten für tariflich Beschäftigte im Wege der Personalgestellung nach § 10 entsprechend.“
5
Begleitend zum Gesetzgebungsverfahren wurde im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) ein Zuordnungsplan erarbeitet. Die endgültige Fassung war am 14. November 2007 erstellt.
6
Für die Berücksichtigung sozialer Kriterien bei der Zuordnung der Beamten und Tarifbeschäftigten zu den verschiedenen zukünftigen Einsatzorten wurde folgendes Punkteschema zugrunde gelegt:
„Personalzuordnung: Punkteverteilung
Lebensalter:
pro Jahr (Stichtag: 1.8.07)
0,2 Punkte
Beschäftigungszeit:
pro Jahr (Stichtag: 1.8.07)
0,2 Punkte
Familienstand:
verh./zusammenlebend
2 Punkte
Kinder, pro Kind bis zum 18. Lebensjahr:
5 Punkte
Alleinerziehend:
5 Punkte
Pflege von Angehörigen:
insg.
2 Punkte
Teilzeit:
Reduzierung um 20 % und mehr
5 Punkte
+ Reduzierung um 50 % und mehr
5 Punkte
Schwerbehinderung:
5 Punkte
+ je 10 Grad
1 Punkt
Entfernungs-kilometer:
je km zum nächstmöglichen Einsatzort
0,1 Punkte
Die Beschäftigten mit der höchsten Punktzahl werden dem nächstmöglichen Einsatzort zugeordnet.
Ergeben sich nach den Ergebnissen der Interessenabfrage bei der Gesamtwürdigung aller Kriterien besondere Fälle, kann von der nach dem Punktesystem vorgenommenen Zuordnung abgewichen werden.“
7
Die Beschäftigten wurden innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des ehemaligen Versorgungsamts grundsätzlich dem jeweiligen Aufgabenbereich zugeordnet (Schwerbehindertenrecht, Soziales Entschädigungsrecht, Bundeselterngeld/Elternzeitgesetz usw.). Anschließend fand eine Zuordnung innerhalb der Dienstgruppen (höherer Dienst, gehobener Dienst, mittlerer Dienst, Assistenzdienst) statt. Die örtliche Zuordnung wurde jeweils innerhalb dieser Gruppen anhand der individuell berechneten Sozialpunkte nach dem Punkteschema vorgenommen. Zu den fixen Sozialpunkten wurden für die einzelnen Zuordnungsziele die jeweiligen Entfernungskilometer als sog. Entfernungspunkte addiert.
8
Die Zuordnung wurde sodann auf das Vorliegen eines Härtefalls überprüft. Das beklagte Land unterschied dabei zwischen sog. persönlichen Härtefällen und Entfernungshärtefällen. Es berücksichtigte sowohl Stellungnahmen der betroffenen Beschäftigten als auch des Hauptpersonalrats, der Hauptschwerbehindertenvertretung und der Amtsleitungen. Hinsichtlich der persönlichen Härtefälle wurden fünf Härtefallstufen gebildet. Berücksichtigung als persönliche Härtefälle fanden Beschäftigte der Stufen 3 bis 5. Die Berücksichtigung als Entfernungshärtefall setzte bei Vollzeitbeschäftigten im mittleren Dienst und im Assistenzdienstbereich ein Erreichen von mehr als 20 Sozialpunkten (ohne Entfernungspunkte) und eine Entfernung von mehr als 85 km voraus. Bei Teilzeitbeschäftigten im mittleren Dienst, im Assistenzdienstbereich und im gehobenen Dienst galten die entsprechenden Kriterien mit der Besonderheit, dass mehr als 50 – 85 Entfernungskilometer erreicht werden mussten und je nach Stellenanteil differenziert wurde. Insgesamt wurden 74 Beschäftigte als Härtefälle eingestuft, davon etwa 50 Beschäftigte als Entfernungshärtefälle.
9
Die zur Erstellung des Zuordnungsplans erforderlichen Daten wurden im Rahmen eines Interessenbekundungsverfahrens erhoben. Der Kläger zeigte im Rahmen der Interessenabfrage am 16. Juli 2007 an, mit seiner Lebensgefährtin auf dem landwirtschaftlichen Betrieb ihrer Eltern zusammenzuleben. Diese seien aufgrund Alters und Schwerbehinderung ihres Vaters auf die tägliche Mitarbeit angewiesen. Bei einem Nettogehalt von ca. 1.300,00 Euro im Monat könne er nicht die Benzinkosten für den weiten Anfahrtsweg tragen. Er äußerte als Ortswunsch Soest und Hamm.
10
Nachdem das Verwaltungsgericht Düsseldorf in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes durch Beschlüsse vom 16. November 2007 und vom 13. Dezember 2007 (- 34 L 1750/07.PVL) festgestellt hatte, dass der Zu-ordnungsplan als Sozialplan infolge einer Rationalisierungsmaßnahme der Mitbestimmung des Hauptpersonalrats gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 5 LPVG NW unterliege, leitete das beklagte Land ein Mitbestimmungsverfahren ein. Zudem ist der Zuordnungsplan am 13. Dezember 2007 als vorläufige Regelung im Sinne des § 66 Abs. 8 LPVG NW bis zur endgültigen Entscheidung im laufenden Mitbestimmungsverfahren bis zum 31. Mai 2008 in Kraft gesetzt worden. Das Mitbestimmungsverfahren wurde in der Sitzung einer Einigungsstelle vom 18. April 2008 mit einem einstimmig angenommenen Beschluss abgeschlossen. In einer Anlage 1 sind 74 Mitarbeiter namentlich aufgeführt, die als Härtefälle in das Landesamt für Personaleinsatzmanagement (PEM) übergeleitet werden bzw. einen ortsnäheren Einsatz erfahren. Als Anlage 2 ist das unverändert gebliebene Punkteschema „Personalzuordnung: Punkteverteilung“ aufgenommen. In der Anlage 3 sind 90 Mitarbeiter ausgewiesen, die eine Entfernung von 80 km oder mehr zurückzulegen haben und denen zusätzlich zu evtl. bereits gegebenen Ansprüchen auf Trennungsentschädigung oder Auslagenersatz ein weiterer einmaliger Betrag in Höhe von 1.000,00 Euro brutto zur pauschalen Entschädigung der durch die Arbeitsverlagerung entstehenden Aufwendungen zuerkannt wird. Auch der Kläger ist dort aufgeführt.
11
Als Grundlage für die Erstellung des Zuordnungsplans ergaben sich für den Kläger 17,01 Sozialpunkte (ohne Entfernungskilometer). Der Kläger wurde im Zuordnungsplan dem Märkischen Kreis zugewiesen. Er wurde zunächst in Lüdenscheid eingesetzt, dann in Altena. Die Entfernung von seinem Wohnort nach Altena beträgt je nach Fahrtroute zwischen 75 und 98 km. Der Kläger wurde in Bezug auf die örtlich näher liegenden Beschäftigungsstellen in Soest, Hamm und beim Hochsauerlandkreis nicht berücksichtigt. Sein Punktwert war jeweils geringer als der der dorthin zugewiesenen Mitarbeiter/innen. Bis zum 31. Dezember 2010 stellte das beklagte Land Dienstwagen für den Arbeitsweg zur Verfügung. Daneben gelten die Regelungen der Trennungsentschädigungsverordung Nordrhein-Westfalen (TEVO NW).
12
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine Gestellung zum Märkischen Kreis in Altena sei rechtswidrig. Seine sozialen Belange seien nur unzureichend berücksichtigt worden. Der Grundsatz „Personal folgt der Aufgabe“ könne nicht für den Assistenzdienst gelten, da besondere Qualifikationen und Erfahrungen im Aufgabenbereich des BEEG insoweit nicht erforderlich seien. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass er mit seiner Lebensgefährtin den landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb ihrer Eltern unterstütze. Er werde nach Ablauf der Gestellung von Dienstfahrzeugen wegen der entstehenden Fahrtkosten nicht in der Lage sein, seinen Lebensunterhalt abzusichern. Zu berücksichtigen sei auch, dass das Ministerium seinen Wechsel zu einer anderen Dienststelle, der Kreispolizeibehörde Soest, blockiert habe.
13
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, dass er nicht verpflichtet ist, seine Arbeitsleistung in Altena im Kreishaus des Märkischen Kreises zu erbringen.
14
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.