Arbeitsrecht

Zustimmungsersetzung – Betriebsrat – außerordentliche Kündigung – behaupteter Arbeitszeitbetrug

Aktenzeichen  3 BV 7/21

Datum:
8.3.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
ArbG Gera 3. Kammer
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:ARBGERA:2022:0308.3BV7.21.00
Normen:
§ 103 Abs 2 BetrVG
§ 626 Abs 1 BGB
Spruchkörper:
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Tenor

Der Antrag, die Zustimmung des Betriebsrates zur außerordentlichen Kündigung der Beteiligten zu 3.) gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG zu ersetzen, wird abgewiesen.

Gründe

I.
Die Antragsgegnerin begehrt die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zur außerordentlichen Kündigung der Beteiligten zu 3.) wegen behaupteten Arbeitszeitbetruges.
Die Antragstellerin betreibt ein Reinigungsunternehmen. Seit dem 12.01.1999 ist die Beteiligte zu 3.) als Mitarbeiterin Reinigung bei ihr beschäftigt. Der Beteiligte zu 2.) ist der aus 3 Mitgliedern bestehende Betriebsrat. Nachdem die Beteiligte zu 3.) einfaches Betriebsratsmitglied war, wurde sie im Mai 2021 zu dessen Vorsitzenden gewählt.
Die monatlichen Arbeitszeitnachweise werden den Mitarbeitern entsprechend der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit der Mitarbeiter für die Arbeitstage Montag bis Freitag vorausgefüllt regelmäßig zum Monatsbeginn zur Verfügung gestellt. Änderungen und Abweichungen haben die Mitarbeiter handschriftlich vorzunehmen und abzuzeichnen. Zu den Arbeitszeitnachweisen wurde die Beteiligte zu 3.) am 31.07.2020 geschult.
Zum Ausgleich der Arbeit am Sonntag den 29.08.2021 beantragte die Beteiligte zu 3.) mit E-Mail vom 11.08.2021 den für den 30.08.2021 geplanten Ausgleichstag wegen eines Arzttermins am 03.09.2021 zu nehmen, was so auch gewährt wurde. Am 03.09.2021 erbrachte die Beteiligte zu 3.) keine Arbeitsleistung.
Am 02.09.2021 führte die Beteiligte zu 3.) als Betriebsratsvorsitzende ein halbstündiges Gespräch mit der Objektleiterin Frau V. wegen Unklarheiten in den aktuellen Lohnabrechnungen.
Für den Monat September 2021 erhielt die Beteiligte zu 3.) den vorausgefüllten Arbeitszeitnachweis erst am 09.09.2021. In diesem Plan war der 03.09.2021 als Arbeitsleistung voreingetragen. Die Beteiligte zu 3.) unterließ es, in den Spalten Abweichung eine Korrektur dahingehend einzutragen, dass an diesem Tag keine Arbeitsleistung aufgrund des verschobenen Ausgleichstages erbracht wurde. Anstatt die am 02.09.2021 erbrachte Tätigkeit für den Betriebsrat von einer halben Stunde am 02.09.2021 zu vermerken, trug die Beteiligte 3.) diese Betriebsratstätigkeit für den 03.09.2021 ein. Auf den Arbeitszeitnachweis wird Bezug genommen.
Die Beteiligte zu 3.) übergab den von ihr abgezeichneten Arbeitszeitnachweis am 05.10.2021 der Objektleiterin Frau V., welche den Geschäftsführer am 06.10.2021 wegen der bemerkten Unstimmigkeiten informierte. Am 07.10.2021 wurde die Beteiligte zu 3.) unter Beteiligung eines weiteren Betriebsratsmitgliedes angehört. Auf das Protokoll wird verwiesen. Mit Schreiben vom 12.10.2021 ersuchte die Antragstellerin den Betriebsrat, der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung der Beteiligten zu 3.) zuzustimmen. Auf das Schreiben wird Bezug genommen. Der Betriebsrat teilte am 14.10.2021 mit, der Kündigung nicht zuzustimmen, weshalb die Antragstellerin am 18.12.2021 das Zustimmungsersetzungsverfahren einleitete.
Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, es sei ihr unzumutbar, die Beteiligte zu 3.) wegen ihres ihrer Ansicht nach vorsätzlichen Arbeitszeitbetruges weiter zu beschäftigen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Zustimmung des zu 2.) beteiligten Betriebsrates zur außerordentlichen Kündigung der Beteiligten zu 3.) gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG zu ersetzen.
Die Beteiligten zu 2. und 3. beantragen,
den Antrag abzuweisen.
Die Beteiligte zu 3.) habe lediglich versehentlich eine Korrektur der voreingetragenen Arbeitsleistung am 03.09.2021 unterlassen und anstatt für den 02.09.2021 am 03.09.2021 die halbstündige Betriebsratstätigkeit vermerkt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und Protokolle verwiesen.
II.
Der Antrag ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Ersetzung der verweigerten Zustimmung des Betriebsrates gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG setzt voraus, dass die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist.
Ein wichtiger Grund, welcher die außerordentliche Kündigung der Beteiligten zu 3.) rechtfertigen könnte, liegt nicht vor. Zwar hat die Beteiligte zu 3.) gegen ihre arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur Führung eines korrekten Arbeitszeitnachweises verstoßen, indem sie es unterlassen hat, die unzutreffend für den 03.09.2021 voreingetragene Arbeitsleistung zu korrigieren und indem sie für den 03.09.2021 anstatt für den 02.09.2021 die geleistete halbstündige Betriebsratstätigkeit vermerkt hat.
Diese Pflichtverletzung ist jedoch im vorliegenden Fall ihrem Gewicht nach nicht geeignet eine außerordentliche Kündigung zu begründen. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist die Kammer überzeugt, dass die Pflichtverletzung nicht mit dem Willen geschah, die Antragstellerin über die geleistete bzw. nicht geleistete Arbeitszeit zu täuschen. Hier ist zu berücksichtigen, dass bereits seitens der Antragstellerin in dem von ihr erst am 09.09.2021 der Beteiligten zu 3.) ausgehändigten Arbeitszeitnachweis für den 03.09.2021 eine Arbeitsleistung voreingetragen war, obwohl die Antragstellerin wusste, dass der ursprünglich für den 30.08.2021 vorgesehene Ausgleichstag am 03.09.2021 gewährt wurde. Dies leistet einem entstehenden Irrtum bei den Eintragungen im Arbeitszeitnachweis Vorschub.
Gegen ein vorsätzliches Unterlassen der Korrektur mit Täuschungsabsicht spricht, dass die Beteiligte zu 3.) für den 03.09.2021 eine Korrektur insoweit vorgenommen hat, als sie für diesen Tag am 02.09.2021 geleistete halbstündige Betriebsratstätigkeit eingetragen hat. Dies lässt deutlich erkennen, dass die Beteiligte zu 3.), welche aufgrund der verspäteten Übergabe des Arbeitszeitnachweises die Zeiten nicht zeitnah, sondern erst 6 Tage später nachträglich prüfen und korrigieren konnte, schlicht einem Irrtum unterlag. Dafür spricht auch, dass sich die Beteiligte zu 3.) in der Anhörung an den 03.09.2021 trotz des eigenen Antrages auf Verschiebung des Ausgleichsantrages nicht zu erinnern vermochte und darauf verwies, ihr Erinnerungsvermögen durch Einsicht in ihren privaten Kalender auffrischen zu müssen.
Eine einschlägige Abmahnung liegt nicht vor.
Die unterlassene aufmerksame und sorgfältige Prüfung und Korrektur des bereits unzutreffend vorausgefüllten und erst nachträglich überreichten Arbeitszeitnachweises führt nicht zu einer Unzumutbarkeit für die Antragstellerin, das seit 1999 mit der Beteiligten zu 3.) ungestört verlaufene Arbeitsverhältnis fortzuführen.


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