Baurecht

4 B 69/22

Aktenzeichen  4 B 69/22

Datum:
1.2.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG Halle (Saale) 4. Kammer
Dokumenttyp:
Beschluss
Spruchkörper:
undefined

Verfahrensgang

nachgehend Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt 2. Senat, 28. März 2022, 2 O 27/22, Beschluss

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Der sinngemäß gestellte Antrag des Antragstellers,
festzustellen, dass das von der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 2. Dezember 2021 ihm gegenüber ausgesprochene Verbot des Betretens der Grundstücke in der Gemarkung K., Flur 6, Flurstücke 60/1 und 60/2 wegen Verstoßes gegen das Landeswaldgesetz Sachsen-Anhalt rechtswidrig ist,
hat keinen Erfolg.
Die Kammer legt das Begehren des Antragstellers sachdienlich nach den §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO aus. Der Antragsteller macht mit dem vorliegenden Eilantrag ein Recht zum Betreten der Grundstücke in der Gemarkung K., Flur 6, Flurstücke 60/1 und 60/2 gegenüber der Antragsgegnerin geltend. Aus der Bezeichnung im Antrag und der Antragsbegründung ergibt sich, dass er sein Begehren aus dem Landeswaldgesetz Sachsen-Anhalt (LWaldG) und damit aus einer öffentlich-rechtlichen Norm ableitet. Hierfür ist der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet.
Soweit er in der Begründung seines Antrags zugleich auf das von der Antragsgegnerin ausgesprochene Betretensverbot hinweist, wäre eine Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO als Hauptsacheverfahren ebenso wie ein hierauf gerichteter Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO nicht statthaft. Bei dem mit Schreiben vom 2. Dezember 2021 ausgesprochenen Verbot, die Grundstücke zu betreten, handelt es sich nicht um einen (anfechtbaren) Verwaltungsakt i. S. v. § 35 Satz 1 VwVfG. Gemeinden können sowohl im öffentlich-rechtlichen Unter-/Überordnungsverhältnis gegenüber dem Bürger im Rahmen ihrer öffentlichen Aufgaben tätig werden, als auch im Gleichordnungsverhältnis – ohne hoheitlich tätig zu werden – Verträge schließen. Die Antragsgegnerin hat gegenüber dem Antragsteller eindeutig ihre zivilrechtlich begründeten Eigentümerrechte an den Grundstücken nach Kündigung des Pachtvertrages aus dem vor dem Oberlandgericht B-Stadt geschlossenen Vergleich geltend gemacht. Indem sie sich in ihrem Schreiben vom 2. Dezember 2021 allein auf die zivilrechtlichen Grundlagen bezogen hat, ist sie nicht hoheitlich, sondern nur im Gleichordnungsverhältnis tätig geworden. Die Durchsetzung dieser Eigentümerrechte obliegen der Antragsgegnerin. Hierfür ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben, §§ 12, 13 GVG.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses nicht zulässig. Ein Rechtsschutzbedürfnis hat derjenige, der mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt und einen Anspruch auf eine gerichtliche Sachentscheidung hat. Das vom Antragsteller geltend gemachte Recht zum Betreten der freien Landschaft zum Zwecke der Erholung ergibt sich aus dem LWaldG und wird dem Bürger durch Gesetz zugestanden.
Das Betreten und Nutzen der freien Landschaft wird in Teil 6. LWaldG geregelt. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 ist das Betreten der freien Landschaft zum Zwecke der Erholung gestattet, soweit dieses Recht nicht in den nachfolgenden Regelungen eingeschränkt wird. Als freie Landschaft werden Flächen des Waldes und des Feldes bezeichnet, § 21 Nr. 1 LWaldG. Die betreffenden Flächen sind vorliegend zunächst nicht als Wald zu qualifizieren, weil es sich offenkundig nicht um mit Waldbäumen bestockte Grundflächen i. S. v. § 2 Abs. 1 Satz 1 LWaldG handelt. Unter dem Begriff Feld versteht man gemäß § 21 Nr. 2 LWaldG außerhalb einer geschlossenen Bebauung gelegene unbebaute Flächen, insbesondere alle landwirtschaftlich genutzten Flächen, soweit sie nicht öffentliche Straßen, Wald oder Gewässer sind. Die hier in Rede stehenden Flächen stellen sich nach den der Kammer vorliegenden Unterlagen als Feld dar. Sie werden ausweislich des Pachtvertrages vom 1. September 2021 als Weideflächen für Pferde genutzt, sodass es sich um eine bewachsene landwirtschaftliche Fläche handelt, die dem Feldbegriff unterliegt. Das Gesetz gestattet danach allgemein das Betreten der freien Landschaft zum Zwecke der Erholung. Hiervon umfasst ist gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 LWaldG das Begehen, das Befahren und das Reiten unter den Einschränkungen der §§ 22 Abs. 2, 23 bis 25 LWaldG.
Ein rechtsschutzwürdiges Interesse auf Feststellung des sich aus dem Gesetz ergebenden Rechtes besteht vorliegend nicht. Denn eine Einschränkung dieses Rechts durch eine behördliche Maßnahme ist vorliegend nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin macht dem Kläger das öffentlich-rechtliche Betretensrecht der freien Landschaft weder durch Verwaltungsakt oder durch sonst eine hoheitliche Maßnahme streitig und hat auch sonst keine Veranlassung zu dem Verfahren gegeben.
Die nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LWaldG für Feldflächen zuständige Gemeinde, hier die Antragsgegnerin, hat gegenüber dem Antragsteller kein auf öffentlich-rechtlichen Regelungen basierendes Betretensverbot ausgesprochen. Soweit sie ihm gegenüber mit Schreiben vom 2. Dezember 2021 zivilrechtlich das Betreten der betroffenen Grundstücke verboten hat, ist hiermit nicht zugleich ein Betreten zum Zwecke der Erholung nach öffentlichem Recht, konkret nach den Regelungen des 6. Teils LWaldG, ausgeschlossen worden. Dies lässt sich weder dem Schreiben selbst noch dem Vortrag der Beteiligten in irgendeiner Weise entnehmen. Die Antragsgegnerin beruft sich ausschließlich auf zivilrechtlich begründete Rechte, ohne ausdrücklich eine öffentlich-rechtliche Einschränkung geltend zu machen. Soweit sich die Antragsgegnerin in ihrer Erwiderungsschrift vom 24. Januar 2022 darauf beruft, dass der Antragsteller keinerlei Rechte habe, die Grundstücke der Gemeinde zu betreten/ zu nutzen, so beruft sie sich im Sachzusammenhang mit der weiteren Begründung ebenfalls nur auf Rechte, die im Zivilrecht fußen. Die Rüge des Antragstellers, das am 2. Dezember 2021 erlassene Betretensverbot verstoße gegen das LWaldG, geht damit ins Leere und ist im Übrigen zivilrechtlich zwischen den Beteiligten zu klären.
Ergänzend und klarstellend ist auszuführen, dass ein Betreten der Grundstücke, ohne die jeweiligen Zulässigkeitsvoraussetzungen der §§ 23 ff. LWaldG zu erfüllen, eine ordnungswidrige Handlung i. S. d. § 37 Abs. 2 LWaldG darstellt. Nicht vom Begriff des Betretens zu Erholungszwecken umfasst ist dabei die vom Antragsteller angeführte Haltung und Versorgung von Tieren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben