Baurecht

Anordnung einer Untersuchung zur Gefährdungsabschätzung nach § 9 Abs. 2 BBodSchG, Adressatenauswahl, Ermessensnichtgebrauch

Aktenzeichen  7 K 578/17 We

Datum:
6.1.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG Weimar 7. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:VGWEIMA:2022:0106.7K578.17WE.00
Normen:
§ 4 Abs 3 BBodSchG
§ 4 Abs 5 BBodSchG
§ 4 Abs 6 BBodSchG
§ 9 Abs 2 S 1 BBodSchG
§ 3 Abs 1 BBodSchV
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Spruchkörper:
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Leitsatz

1. Kommen mehrere potentiell Sanierungspflichtige im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG i.V.m. § 4 Abs. 3, 5 und 6 BBodSchG (unabhängig von ihrer Verantwortlichkeit als Verhaltens- oder als Zustandsstörer) als Adressaten einer Untersuchungsanordnung in Betracht, hat die zuständige Behörde von ihrem Auswahlermessen Gebrauch zu machen.(Rn.37)

2. In dem konkreten Fall, dass neben dem Adressaten der Untersuchungsanordnung, welcher als Verhaltensverantwortlicher in Anspruch genommen wird, sich weitere, bisher unbekannt gebliebene Verursacher der schädlichen Bodenveränderung aufdrängen, hat die anordnende Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung zur Auswahl des Adressaten der Untersuchungsanordnung zumindest auch den Grundstückseigentümer als Zustandsverantwortlichen und potentiell Sanierungspflichten mit einzubeziehen.(Rn.39)

3. Andernfalls liegt ein Ermessensnichtgebrauch vor, welcher im Rahmen des Klageverfahrens nicht nach § 114 Satz 2 VwGO geheilt werden kann.(Rn.49)

4. Bei der behördlichen Auswahlentscheidung hinsichtlich des in Anspruch zu nehmenden Verantwortlichen für eine Detailuntersuchung nach § 9 Abs. 2 BBodSchG kommt es allein auf die Effektivität der Maßnahme zur Beseitigung einer schädlichen Bodenveränderung an (Anschluss an BVerwG, Beschlüsse vom 16.02.2017, Az.: 7 B 16/16, und vom 07.08.2013, Az.: 7 B 9/13).(Rn.39)

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 26.11.2013 (Gz.: 3471-Ze-073/13) in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom 28.04.2017 (Gz.: 400.206-8748/WS UH-14-01/17) wird aufgehoben.
Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen eine Untersuchungsanordnung zur Gefährdungsabschätzung des Beklagten nach dem Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (sog. Bundesbodenschutzgesetz – BBodSchG).
Die Klägerin ist ein metallverarbeitendes Unternehmen, welches am 30.03.2011 ins Handelsregister eingetragen wurde. Ausweislich ihres Internetauftritts (http://…) gründete sie sich aus dem seit 1999 bestehenden Einzelunternehmen H… e.K. Der Betriebsstandort befand sich bis 2014 bzw. längstens bis 24.04.2015 in der K… in … S… im Ortsteil D… (vgl. Handelsregisterauszug vom 21.09.2020).
Zum Betriebsgelände gehörte auch ein nicht im Eigentum der Klägerin stehender, angrenzender Containerstellplatz in der K… in … S… im Ortsteil D… (Flur 4, Flurstück a, der Gemarkung D…). Das als Industrie- und Gewerbefläche zum Teil auch von der Klägerin genutzte 2.328 m2 umfassende Grundstück ist seit 1996 Eigentum der D… GmbH E…, dessen Betriebsstandort sich bis heute ebenfalls auf dem verfahrensgegenständlichen Flurstück (K…, … D…) befindet.
Entsprechend dem Vorbringen der Klägerin im Klageverfahren verkaufte diese nach ihrem Umzug an den heutigen Betriebsstandort am 01.01.2016 ihr ehemaliges Betriebsgrundstück in der K… in S…, Ortsteil D…, an einen Dritten.
Im Dezember 2012 ging bei der Staatsanwaltschaft Mühlhausen eine Strafanzeige gegen die beiden damaligen Geschäftsführer der Klägerin (Herr M… und Herr H…) ein (Strafanzeige mit Schreiben vom 05.12.2012). Ihnen wurde vorgeworfen, bei der Produktion anfallende Bohr- und Frässpäne, welche mit Kühlschmiermitteln behaftet seien, in Containern ohne besondere Schutzvorkehrungen auf der Freifläche vor dem Betriebsgebäude nicht fachgerecht zu sammeln, zu lagern und zu entsorgen. Aus den Containern auslaufende Flüssigkeiten würden ungehindert im Erdreich versickern und/oder in die öffentliche Kanalisation gelangen. Ein durch den Anzeigeerstatter an die Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie gerichtetes weiteres Schreiben mit der beigefügten Strafanzeige leitete die genannte Thüringer Landesanstalt im Dezember 2012 an den Beklagten weiter.
Am 02.05.2013 führten Ermittlungsbeamte der Kriminalpolizeistation Mühlhausen und ein Mitarbeiter des Beklagten (Herr B…) im Beisein des Geschäftsführers der Klägerin Herr M… eine Vorortbesichtigung durch. Folgende Feststellungen dokumentierte Herr B… in seinem Aktenvermerk vom 15.05.2013 (siehe auch Lichtbilder Bl. 33-35 der Verwaltungsakte):
„Auf einer Fläche von ca. 40 m², welche teilweise mit Schotter befestigt und teilweise betoniert ist, waren drei Absetzcontainer der Fa. M… GmbH zum Zweck der Sammlung, Lagerung und späteren Entsorgung von Produktionsabfällen der Fa. H… GmbH abgestellt. Der Zustand der Container, sowohl die Abdeckung als auch die Dichtheit am Boden, war ohne Mängel.
Die Betonfläche in unmittelbarer Nähe der Container wies eine rostigbraune bis helle Verfärbung auf. Die Fläche im abschüssigen Bereich direkt vor den abgestellten Containern, welche durch feinen Schotter und Erdreich befestigt ist, zeigte hingegen deutlich erkennbare dunkle Stellen. Durch eine oberflächliche Probenahme von losem Bodenmaterial per Hand konnte festgestellt werden, dass dieses Material beim zerreiben einen deutlichen Schmierfilm auf der Handfläche hinterlässt. Die organoleptische Prüfung im Weiteren ergab einen ausgeprägten Geruch nach Schmiermittel bzw. Mineralöl. […]
Ohne eine fachkundige Begutachtung und Beprobung des entsprechenden Areals kann allerdings nicht detailliert gefolgert werden, in welchem Umfang (Fläche, Tiefe und Zeitraum) diese Verschmutzung zu einer tatsächlichen Schädigung des Schutzgutes Boden geführt hat. “
Im Rahmen der Besichtigung gab Herr M… ausweislich des Aktenvermerkes vom 15.05.2013 an, dass diese Fläche bereits seit 12 Jahren als Sammelplatz für die entstehenden Gewerbeabfälle genutzt werde. „Als im vergangenen Winter die Undichtigkeit festgestellt“ worden sei, habe er „beim Entsorgungsunternehmen einen Austausch des betreffenden Containers gegen einen dichten“ veranlasst. Die Stellflächen der Container seien Eigentum der benachbarten Firma und seien der Klägerin lediglich zur Nutzung überlassen worden.
Mit Schreiben vom 29.05.2013 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass aufgrund der Anzeigeerstattung und der Vorortbesichtigung konkrete Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass am Betriebsstandort der Klägerin schädliche Bodenveränderungen vorhanden seien und der Beklagte den Erlass einer Untersuchungsanordnung zur Gefährdungsabschätzung nach § 9 Abs. 2 BBodSchG beabsichtige.
Daraufhin ließ die Klägerin durch ihren anwaltlichen Vertreter und späteren Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 12.07.2013 u.a. vortragen, dass die Klägerin nicht Verursacherin der rostig braunen Ablagerungen auf dem betonierten Teil der Fläche sei. Diese könnten auch vom alten Betrieb oder alten Containern stammen, da dort immer Container gestanden hätten. Die Voraussetzungen für eine Anordnung nach § 9 Abs. 2 BBodSchG gegenüber der Klägerin als potentiell Sanierungspflichtige lägen nicht vor. Im Rahmen des zweistufigen Systems der Gefährdungsabschätzung nach § 9 BBodSchG fehle es bereits an konkreten Anhaltspunkten für eine schädliche Bodenveränderung.
Bei einer weiteren Vorortbesichtigung am 30.07.2013 durch die Untere Bodenschutzbehörde des Beklagten (Herr Z…) stellt diese am Betriebsstandort der Klägerin u.a. drei „Spänecontainer“ teilweise auf unbefestigtem Boden fest, welcher Flecken mit auffällig dunkler Verfärbung aufwies. Deutlich sichtbar lief aus einem Container Bohr-/Schneideölemulsion aus. Herr H… (Geschäftsführer der Klägerin), auf die auslaufende Flüssigkeit hingewiesen, erklärte, dies noch nicht bemerkt zu haben. Er erklärte, einen sofortigen Austausch der Container veranlassen zu wollen.
Auf das Schreiben des Beklagten vom 05.11.2013, mit welchem dieser u.a. die Klägerin auf den geplanten Erlass eines Sanierungsbescheides hinwies, übermittelte die Klägerin dem Beklagten das Produktblatt zu dem von ihr verwendeten Kühlschmierstoff KADESOL HP 50. Ausweislich des Sicherheitsdatenblattes handelt es sich dabei u.a. um einen schwach wassergefährdenden Stoff (Wassergefährdungsstufe 2 – wassergefährdend).
Mit Bescheid vom 26.11.2013 verpflichtete der Beklagte die Klägerin auf dem „Grundstück … S…/OT D… in der Gemarkung D…, Flur 4, Flurstück a Containerstellplatz, Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung durchzuführen“ und ordnete mittels Nebenbestimmungen konkret beschriebene Detailuntersuchungen an, u.a. Sondierungsbohrungen mit der Entnahme von Bodenproben sowie der Entnahme von Feststoffproben aus dem Mischwasserkanal einschließlich chemischer Analysen. Der Beklagte stützt seine Anordnung auf § 9 Abs. 2 BBodSchG i.V.m. § 3 Abs. 4 Satz 2 der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV). Aufgrund „sonstiger Feststellungen“ bestehe der hinreichende Verdacht, dass schädliche Bodenveränderungen auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück vorliegen. Es sei eindeutig erkennbar, dass durch den fahrlässigen Umgang mit umweltgefährdenden Stoffen durch die Klägerin Bodenverunreinigungen am Standort vorkommen. Die vorliegende Dokumentation, einschließlich der Fotos und Rückstellproben, beweise eindeutig, dass die Klägerin als „Zustandsstörerin“ die schädlichen Bodenverunreinigungen am Standort zu verantworten habe. Da nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG u. a. der Verursacher der schädlichen Bodenveränderungen genannt werde und deshalb keine andere Person zu Durchführung der notwendigen Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung in Betracht komme, verpflichtete die Beklagte die Klägerin, die notwendigen Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung durchzuführen. Zur weiteren Begründung wird auf den Inhalt des verfahrensgegenständlichen Bescheides verwiesen.
Einen eingelegten Widerspruch gegen den Bescheid vom 16.11.2013 begründete die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, damit, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 BBodSchG gegenüber der Klägerin als potentiell Sanierungspflichtige im Sinne von § 4 Abs. 3 BBodSchG zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorlägen, da es bereits an einer den Eingriff rechtfertigenden Sachverhaltsermittlung nach § 9 Abs. 1 BBodSchG mangele. Die Klägerin bestritt weiterhin, Verursacherin der rostig braunen Ablagerungen auf dem betonierten Teil der verfahrensgegenständlichen Fläche zu sein. Soweit bekannt, hätten dort immer Container gestanden, sodass die Verfärbungen vom alten Betrieb oder von alten Containern stammen könnten. Hinsichtlich des undichten Containers habe der Geschäftsführer der Klägerin, … M…, den Austausch durch die Fa. M… veranlasst, nachdem im letzten Winter (2012) Undichtigkeiten festgestellt worden seien. Der Klägerbevollmächtigte wiederholte außerdem im Wesentlichen seine Ausführungen aus dem Schriftsatz vom 12.07.2013 und trug Ergänzendes vor. Die Klägerin könne die angeordneten Maßnahmen nicht durchführen, da sie nicht Eigentümerin der betroffenen Flächen sei. Vorrangig seien daher seitens des Beklagten  Maßnahmen nach § 9 Abs. 1 BBodSchG in Erwägung zu ziehen gewesen.
Am 10.12.2013 führte der Beklagte eine weitere Ortsbesichtigung durch.
Mit Widerspruchbescheid vom 28.04.2017, zugestellt am  04.05.2017, wies das Thüringer Landesverwaltungsamt den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Die Untersuchungsanordnung sei weiterhin materiell rechtmäßig. Anhand der ermittelten Daten, Untersuchungen und Informationen (Strafanzeige mit Fotos, Vor-Ort-Termine am 15.03.2013 und 30.07.2013, Datenblatt des Kühlschmiermittels Kadesol HP 50) habe der Beklagte davon ausgehen müssen, dass das umweltgefährdende Kühlmittel Kadesol HP 50 mit mehr als geringer Wahrscheinlichkeit wiederholt über einen längeren Zeitraum in einer nicht unbeachtlichen Menge in das Erdreich und die Kanalisation gelangt sei und somit eine orientierende Untersuchung nach § 9 Abs. 1 BBodSchG entbehrlich erscheine. Aufgrund sonstiger Feststellungen habe somit ein hinreichender Verdacht für eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast im Sinne von § 3 Abs. 4 Satz 2 BBodSchV vorgelegen. Der Klägerin sei vom Grundstückseigentümer die von der Anordnung betroffene Fläche zur Lagerung ihrer Produktionsabfälle überlassen worden. Die Container seien im Auftrag der Klägerin dort abgestellt worden. Sie habe im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht sicherzustellen gehabt, dass von den in den abgestellten Containern abgelagerten Abfällen keine Gefahr für die Umwelt ausgehe und kein umweltgefährdendes Kühlmittel in den Boden und die Kanalisation gelange. Daher sei die Klägerin bei der Störerauswahl nach § 4 Abs. 3 BBodSchG als Verursacherin der schädlichen Bodenveränderung und Inhaberin der tatsächlichen Gewalt über das Grundstück heranzuziehen. Dass die Klägerin zwischenzeitlich ihren Firmensitz an einen anderen Standort verlegt hat und damit nicht mehr über die tatsächliche Gewalt hinsichtlich der betroffenen Stellfläche verfüge, sei unschädlich. Im Rahmen der Effektivität der Störerauswahl sowie im Interesse der Grundstückseigentümerin an einem Grundstück frei von schädlichen Bodenveränderungen sei die Klägerin als Verhaltensstörerin heranzuziehen. Aufgrund der Ermessensreduzierung in § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG i. V. m. § 3 Abs. 4 Satz 2 BBodSchV sei der Beklagte verpflichtet, eine Detailuntersuchung und Gefährdungsabschätzung gegenüber der Klägerin anzuordnen.
Am 02.06.2017 hat die Klägerin, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigten, Klage zum Verwaltungsgericht Weimar gegen die Untersuchungsanordnung des Beklagten erhoben. Die Klägerin hat zunächst im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend vorgetragen, der Beklagte müsse zunächst selbst eine orientierende Untersuchung im Sinne von § 2 Nr. 3 BBodSchV durchführen, um selbst konkrete Messergebnisse zu erhalten, bevor sie überhaupt in Anspruch genommen werden könne. Zudem sei die Störerauswahl des Beklagten unabhängig von fehlenden Eigenermittlungen ermessensfehlerhaft. Sowohl der Beklagte als auch die Widerspruchsbehörde hätten übersehen, dass die Fläche für jedermann frei zugänglich sei und auch von anderen Firmen vor Ort genutzt würde. Sie sei nicht Verursacherin der rostig braunen Ablagerungen auf dem betonierten Teil der Fläche, welche bereits seit Jahren vorhanden seien. Weshalb das im Betrieb der Klägerin verwendete Kadesol zu einer rostig braunen Verfärbung führen soll, erschließe sich nicht, zumal Kadesol zu keinen rostbraunen Verfärbungen auf Beton führen könnte oder Betonflächen aufhellen würde. Die Klägerin sei auch nicht Eigentümerin und Inhaberin der tatsächlichen allgemeinen Gewalt über das Grundstück. Allein die damalige Nutzung des Containerstandplatzes mache sie nicht zur Störerin. Bei der Störerauswahl wäre es überdies naheliegend gewesen, aufgrund der tatsächlichen Nutzung des Grundstücks durch eine Vielzahl von Unternehmen und aufgrund des Zu- und Abfahrtverkehrs aus dem gesamten Areal vorrangig die Grundstückseigentümerin in Anspruch zu nehmen. Der Beklagte habe übersehen, dass die Klägerin allenfalls untergeordnete Nutzerin des Grundstücks gewesen sei und hier zahlreiche weitere Unternehmen tätig seien.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 26.11.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2017 aufzuheben und
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klägerin werde als Handlungsstörerin in Anspruch genommen. Aus den Schilderungen des Anzeigeerstatters, den diese bestätigenden Ausführungen des ehemaligen Geschäftsführers zu den Produktionsabläufen und der Lagerung der mit dem Kühlschmiermittel Kadesol HP 50 verunreinigten Metallspänen in den Containern am Kontaminierungsort als auch aus den weiteren Feststellungen durch die Mitarbeiter des Beklagten am 30.07.2013 über die Undichtigkeit der eingesetzten Container ergebe sich die Störereigenschaft der Klägerin. Es obliege dem Verantwortungsbereich der Klägerin, die Produktionsabläufe einschließlich der Lagerung von Produktionsabfällen so zu gestalten, dass keine schädlichen Bodenveränderungen hervorgerufen werden. Die Heranziehung der Klägerin als Handlungsstörerin sei auch nicht ermessensfehlerhaft. Aufgrund der festgestellten Verhaltensverantwortung für das Eindringen der Kühlrückstände sei davon auszugehen, dass die Klägerin alleiniger oder überwiegender Träger eventueller Sanierungslasten sein werde. Ein Rückgriff auf die Grundstückseigentümerin als Zustandsstörerin sei hingegen in Anbetracht der zuzuordnenden Kausalität fehlerhaft. Daran ändere auch die zwischenzeitliche Nutzungsaufgabe hinsichtlich des Grundstücks durch die Klägerin nichts. Im Übrigen verweist der Beklagte auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Bereits mit Verfügung vom 20.04.2016 stellte die Staatsanwaltschaft Mühlhausen das Ermittlungsverfahren gegen die beiden damaligen Geschäftsführer der Klägerin wegen unerlaubten Umgangs mit Abfällen (§ 326 Strafgesetzbuch – StGB) nach § 153 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) ein.
Mit Schreiben vom 10.07.2017 und 16.12.2021 haben die Beteiligten einer Entscheidung des Gerichts im schriftlichen Verfahren zugestimmt.
Zur Vervollständigung des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die durch den Beklagten übermittelte Verwaltungsakte (ein Ordner inkl. einer Heftung der Widerspruchsverwaltungsakte) sowie auf die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Mühlhausen zu dem Az.: … verwiesen. Sämtliche Unterlagen waren Gegenstand der Beratung und Entscheidung.

Entscheidungsgründe

Aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten konnte das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 26.11.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom 28.04.2017 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Begründetheit der Anfechtungsklage gegen die Untersuchungsanordnung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. Dem maßgeblichen materiellen Recht des BBodSchG und den darauf basierenden Rechtsvorschriften lässt sich nicht entnehmen, dass nachträgliche – also nach der Entscheidung über den Widerspruch eingetretene – Veränderungen der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts zu berücksichtigen wären (vgl. OVG NRW, Urteil vom 20.05.2015, Az.: 16 A 1686/09, Rn. 65 ff. m. w. N.; OVG Thüringen, Urteil vom 26.03.2012, Az.: 3 KO 843/07, Rn. 46 – Fundstellen: juris).
Ausgehend hiervon beurteilt sich die Rechtmäßigkeit des bodenschutzrechtlichen Bescheides vom 26.11.2013 nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. Dies ist die Fertigung des Widerspruchsbescheides am 28.04.2017.
Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG kann die zuständige Behörde anordnen, dass  die in § 4 Abs. 3, 5 und 6 BBodSchG genannten Personen die notwendigen Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung durchzuführen haben, sofern auf Grund konkreter Anhaltspunkte der hinreichende Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder einer Altlast besteht.
Vorliegend kann es dahinstehen, ob „hinreichend“ konkrete Anhaltspunkte für eine schädliche Bodenveränderung auf dem ehemaligen Containerstandplatz der Klägerin (K… in … S… im Ortsteil D…) im Zeitpunkt der Abfassung des Widerspruchsbescheides am 28.04.2017 vorlagen. Auf die Klärung dieses Tatbestandsmerkmals, welches in § 3 Abs. 4, Abs. 1 und 2 BBodSchV näher definiert ist, kam es entgegen des umfangreichen streitigen Vortrages der Beteiligten im Ergebnis nicht an.
Das Gericht merkt jedoch an dieser Stelle an, dass sich das Vorliegen eines hinreichenden Verdachtes einer schädlichen Bodenveränderung im Sinne des § 9 Abs. 2 BBodSchG i.V.m. § 3 Abs. 4 BBodSchV im vorliegenden Fall nicht ohne weiteres aufdrängt. § 3 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 1 Satz 1 BBodSchV definieren die Anforderungen an „das Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung“ näher. Anhaltspunkte für eine schädliche Bodenveränderung liegen danach vor, wenn auf Grundstücken über einen längeren Zeitraum oder in erheblicher Menge mit Schadstoffen umgegangen wurde und die jeweilige Betriebs-, Bewirtschaftungs- oder Verfahrensweise oder Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebs nicht unerhebliche Einträge solcher Stoffe in den Boden vermuten lassen. Auch die in § 3 Abs. 2 Satz 2 BBodSchV dargelegten weiteren Hinweise/Anhaltspunkte für eine schädliche Bodenveränderung beinhalten z.B. den Eintrag von Schadstoffen über einen längeren Zeitraum und in erheblicher Menge (siehe Nr. 1) oder eine erhebliche Freisetzung (siehe Nr. 2) oder erhebliche Frachten an Schadstoffen (siehe Nr. 4). Ob gemessen an den beschriebenen Größenordnungen Anhaltspunkte für eine Schädigung des Bodens im Sinne einer schädlichen Bodenveränderung – entweder (nur) durch die Klägerin oder durch diese gemeinsam mit vorherigen Nutzern des Containerstellplatzes verursacht – (konkret) gegeben sind und seitens des darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten der verfahrensgegenständliche Bescheid den Anforderungen des § 3 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 1 Satz 1 und auch des Abs. 4 BBodSchV genügt, ist zweifelhaft. So hat auch der Gesetzgeber im Rahmen der Gesetzesbegründung zu § 9 Abs. 2 BBodSchG beispielhaft das Auslaufen von umweltgefährdenden Stoffen aus alten Fässern oder undichten Rohrleitungen (nur) „in nennenswertem Umfang“ als hinreichend für einen Inanspruchnahme des potentiell Sanierungspflichtigen genügen lassen (BT-Drs. 13/6701, S. 40). Ob das seitens des Beklagten vorgetragene und lediglich in zwei Fällen belegte Auslaufen des wasser- und damit umweltgefährdenden Kühlschmiermittels Kadesol HP 50 aus undichten Containern (Winter 2012 [Aktenvermerk vom 15.05.2013, Bl. 32 der Verwaltungsakte, und Strafanzeige vom 05.12.2012] und am 30.07.2013 [Aktenvermerk vom 30.07.2013, Bl. 67 der Verwaltungsakte]) – ohne ergänzende Ausführungen zu den weiteren Betriebsabläufen, ohne eine orientierende Untersuchung des Bodens bzw. ohne Ermittlungen zu weiteren, in den Boden eingedrungenen Schadstoffen (z.B. hinsichtlich Art, Umfang und Zeitraum) ggf. verursacht durch andere Nutzer der Containerstellfläche – hinreichend konkrete Anhaltspunkte für eine schädliche Bodenveränderung darstellen, kann jedoch offen bleiben.
Die vom Beklagten getroffene Ermessensentscheidung, (nur) gegenüber der Klägerin eine Untersuchungsanordnung in Erwägung zu ziehen, hält im maßgeblichen Zeitpunkt der Abfassung des Widerspruchsbescheides (28.04.2017) einer gerichtlichen Überprüfung des Auswahlermessens nach § 114 Satz 1 VwGO nicht stand.
Nach § 114 Satz 1 VwGO dürfen und müssen die Gerichte bei einer Ermessensentscheidung (nur) prüfen, ob die Behörde die rechtlichen Grenzen eingehalten und das Ermessen insbesondere entsprechend dem gesetzlichen Zweck ausgeübt hat. Die Begrenzung der gerichtlichen Kontrolle auf Rechtsfehler verbietet es daher dem Gericht, an Stelle der Behörde zu entscheiden, mithin eigene Ermessenserwägungen zu Grunde zu legen (vgl. Riese in: Schoch/Schneider, VwGO-Kommentar, 41. EL, Juli 2021, § 114 Rn. 51 – abgerufen bei beck-online). Die Verwaltungsbehörde kann jedoch ihre Ermessenserwägungen bis zum Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen (vgl. § 114 Satz 2 VwGO).
Das behördliche Ermessen umfasst im hiesigen Fall neben dem Entschließungsermessen und der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch die ermessensfehlerfreie Auswahl des Adressaten des Bescheides (Auswahlermessen).
So regelt § 9 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG durch den Verweis auf „die in § 4 Abs. 3, 5 und 6 BBodSchG genannten Personen“ abschließend (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.05.20200, Az.: 3 C 2/00, Rn. 38 – Fundstelle: juris) den Personenkreis, welcher von einer Untersuchungsanordnung zur Gefährdungsabschätzung betroffen sein kann. Dem entsprechend kommen der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast sowie dessen Gesamtrechtsnachfolger, der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück, aber auch der handels- und gesellschaftsrechtlich Einstandspflichtige, der frühere Eigentümer eines Grundstücks und derjenige, der sein Eigentum aufgibt (Derelinquent) als zur Untersuchung Verpflichteter in Frage (vgl. Müggenborg, jurisPK-UmwR 10/2021, Anm. 3 zu VG Augsburg, Urteil vom 07.06.2021, Az.: Au 9 K 21.314 – Fundstelle: juris).
Auch wenn in der Gesetzesbegründung des Regierungsentwurfs zu § 4 Abs. 3 BBodSchG ausgeführt wird, dass die dort festgelegte Reihenfolge der Störer zugleich eine Rangfolge für die behördliche Inanspruchnahme bestimme (BT-Drs. 13/6701, S. 35), ist in der Rechtsprechung bereits geklärt, dass ein gesetzlich angeordnetes Rangverhältnis nicht besteht. Maßgeblich für die behördliche Auswahlentscheidung ist allein die Effektivität der Maßnahme zur Beseitigung der schädlichen Bodenveränderung. Die Behörde hat daher grundsätzlich den heranzuziehen, der am ehesten in der Lage ist, die Gefahr schnell und wirkungsvoll zu bekämpfen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.02.2017, Az.: 7 B 16/16, LS 1, Rn. 6, und Urteil vom Az.: 7 B 9/13, Rn. 21; OVG NRW, Urteil vom 20.05.2015, Az.: 16 A 1686/09, Rn. 185; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.02.2011, Az.: OVG 11 B 10.09, Rn. 45; BayVGH, Beschluss vom 17.03.2004, Az.: 22 CS 04.362, Rn. 12 – Fundstellen: juris). Entgegen des beklagtenseitigen Vorbringens kann daher nicht ohne Ausübung eines Auswahlermessens von einer alleinigen Inanspruchnahme des Verursachers ausgegangen werden.
Bei einer Unterstellung des Vorliegens konkreter Anhaltspunkte für eine schädliche Bodenveränderung auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück, welches zu keinem Zeitpunkt im Eigentum der Klägerin stand, kommen nach der bei Fertigung des Widerspruchsbescheides vom Beklagten festgestellten Sachlage als Adressaten der Untersuchungsanordnung einerseits die Klägerin als Verursacherin einer schädlichen Bodenveränderung und damit Verhaltensstörerin, aber auch andererseits die Grundstückseigentümerin, die D… GmbH E…, K…, … D…, zumindest als Zustandsstörerin in Betracht. Möglicherweise ist die Grundstückseigentümerin auch als Verhaltensstörerin durch Unterlassen anzusehen, indem sie seit etwa dem Jahr 2001 (siehe Aktenvermerk des Beklagten vom 15.05.2013, Bl. 32 der Verwaltungsakte) das Abstellen von undichten Containern auf ihrem Grundstück bzw. das Eindringen von unbekannten, möglicherweise umweltgefährdenden Stoffen in den Boden offensichtlich duldete. Hierfür dürften die von den Beteiligten vielfach beschriebenen rostig-braunen Flecken und hellen Verfärbungen des betonierten Bodens sprechen, welche nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin nicht von dem auslaufenden Kühlmittel stammen. Neben dem aus den im Auftrag der Klägerin aufgestellten Containern der Fa. M… GmbH ausgetretenen Kühlschmiermittel kam es daher zeitgleich oder zeitlich früher offensichtlich auch zu einem Eindringen anderer Stoffe in den Boden. Die Klägerin ergänzt insoweit, dass zahlreiche weitere Unternehmen dort tätig gewesen seien und auf dem Containerstellplatz immer Container gestanden hätten. Die Klärung der Störereigenschaft der Grundstückseigentümerin ist jedoch nicht entscheidungserheblich.
Dem verfahrensgegenständlichen Bescheid und dem Widerspruchsbescheid lässt sich nämlich nicht entnehmen, dass der Beklagte überhaupt von seinem Auswahlermessen Gebrauch gemacht hat und neben der Klägerin auch die Grundstückseigentümerin in seine Auswahlentscheidung mit einbezogen hat. Dabei kommt es nicht darauf an, ob im Ergebnis der behördlichen Ermessensentscheidung die Grundstückseigentümerin und nicht die Klägerin hätte in Anspruch genommen werden müssen.
Die fehlende Ausübung des Auswahlermessens seitens des Beklagten wird zum einen anhand der Begründung des Bescheides vom 26.11.2013 deutlich. Dort führte der Beklagte aus, dass in § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG u.a. der Verursacher der schädlichen Bodenveränderungen und damit die Klägerin als Sanierungspflichtige genannt werde und deshalb keine andere Person zur Durchführung der notwendigen Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung in Betracht komme. Die Grundstückseigentümerin wurde mithin als potentiell Sanierungspflichtige seitens des Beklagten als Ausgangsbehörde gar nicht in die Erwägung mit einbezogen.
Zum anderen wird im Widerspruchsbescheid vom 28.04.2017 durch die Widerspruchsbehörde inhaltlich das Gleiche formuliert. Die Klägerin sei bei der Störerauswahl nach § 4 Abs. 3 BBodSchG als Verursacherin der schädlichen Bodenveränderung und Inhaberin der tatsächlichen Gewalt über das Grundstück heranzuziehen. Dass die Klägerin zwischenzeitlich ihren Firmensitz an einen anderen Standort verlegt hatte und damit nicht mehr über die tatsächliche Gewalt hinsichtlich der betroffenen Stellfläche verfügte, sei nach Ansicht der Widerspruchsbehörde unschädlich. Im Rahmen der Effektivität der Störerauswahl sowie im Interesse der Grundstückseigentümerin an einem Grundstück frei von schädlichen Bodenveränderungen sei die Klägerin als Verhaltensstörerin heranzuziehen gewesen. Aufgrund einer Ermessensreduzierung in § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG i. V .m. § 3 Abs. 4 Satz 2 BBodSchV sei der Beklagte daher verpflichtet gewesen, eine Detailuntersuchung und Gefährdungsabschätzung gegenüber der Klägerin anzuordnen.Ungeachtet dessen, dass sich dem Gericht nicht erschließt, weshalb es unter dem allein als maßgeblich genannten Gesichtspunkt der effektiven Gefahrenabwehr (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.02.2017, Az.: 7 B 16/16, LS 1, Rn. 6 – Fundstelle: juris) für die Auswahl der Klägerin als potentiell Sanierungspflichtige „unschädlich“ sein soll, dass sie im Zeitpunkt der Fertigung des Widerspruchsbescheides (bereits seit 2 Jahren) nicht mehr Inhaberin der tatsächlichen Gewalt über den verfahrensgegenständlichen Containerstellplatz war, hat auch die Widerspruchsbehörde die Grundstückseigentümerin „nicht einmal“ als Zustandsstörerin im Rahmen des Auswahlermessens in Betracht gezogen, obschon dies naheliegend war. Lediglich eine Rolle als Geschädigte, mithin als „Opfer“ der Sorgfaltspflichtverletzungen der Klägerin im Zusammenhang mit der Containerstellung, lässt sich der einzelfallbezogenen Begründung des Widerspruchsbescheides entnehmen.
Mithin hat der Beklagte im Rahmen seines Auswahlermessens keine Auswahl zwischen der Inanspruchnahme des Verursachers oder des Grundstückseigentümers vorgenommen, obschon er dazu im hiesigen Einzelfall verpflichtet gewesen wäre. Der Beklagte hat sich einzig auf die Klägerin als potentiell Sanierungspflichtige festgelegt.
Dass die Grundstückseigentümerin, die D… GmbH E…, neben der Klägerin jedoch auch als potentiell Sanierungspflichtige in Frage kam, wird durch Folgendes deutlich:
Die Grundstückseigentümerin betreibt seit vermutlich dem Erwerb des verfahrensgegenständlichen Grundstückes im Jahr 1996 in unmittelbarer Nähe des Containerstellplatzes auf demselben Flurstück einen Kfz-Betrieb. Sie übt folglich ununterbrochen die tatsächliche Sachherrschaft über das Grundstück aus. Es ist zudem zu vermuten, dass die Grundstückseigentümerin bereits vor der tatsächlichen Nutzung des Containerstellplatzes durch die Klägerin (30.03.2011 bis 24.04.2015) die Containerstellfläche Dritten zur Nutzung überlassen hat (vielleicht auch der H… e.K., aus welchem sich die Klägerin gründete). Im Rahmen der Vorortbesichtigung am 15.05.2013 durch Vertreter des Beklagten gab der damalige Geschäftsführer der Klägerin, Herr M…, an, dass bereits seit 12 Jahren, mithin seit dem Jahr 2001 und etwa 10 Jahre vor der Klägerin, der Stellplatz als Sammelplatz für gewerbliche Abfälle genutzt wurde. Später trug die Klägerin zudem wiederholt vor, dass auf der Stellfläche immer Container gestanden hätten und dass die auf den Lichtbildern deutlich sichtbaren rostbraunen Flecken (u.a. Lichtbilder vom 15.05.2013 – Bl. 33 der Verwaltungsakte – und vom 10.12.2013 – Bl. 124, 125 der Verwaltungsakte) nicht dem ausgelaufenen Kühlschmiermittel zugeordnet werden könnten, sodass auch die Verursachung einer Kontamination des Bodens durch Dritte – etwa durch weitere Unternehmen, die dort tätig gewesen sind und die zudem bisher unbekannt geblieben sind – ernsthaft in Betracht zu ziehen sei. All das ist beklagtenseitig unbeanstandet geblieben und wird nicht in Zweifel gezogen, was auch dadurch deutlich wird, dass der Beklagte die Sanierungspflicht der Klägerin ausschließlich mit dem Auslaufen des umweltgefährdenden Kühlschmiermittels begründet. Während dieses gesamten Zeitraums (2001 bis zur Fertigung des Widerspruchsbescheides am 28.04.2017) war die Grundstückseigentümerin – anders als die Klägerin – vor Ort. Aufgrund der räumlichen Nähe ist sie offensichtlich auch über den Zustand und die Abläufe auf dem Containerstellplatz während des gesamten Zeitraums informiert gewesen. Mithin drängt sich auch eine mögliche Inanspruchnahme der Grundstückseigentümerin als weitere potentiell Sanierungspflichtige im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG i. V. m. § 4 Abs. 3 BBodSchG unter dem allein maßgeblichen Gesichtspunkt der effektiven Gefahrenabwehr auf.
Entgegen der beklagtenseitigen Ansicht ist es dem folgend auch nicht ersichtlich, dass die Voraussetzungen gegeben wären, unter denen das behördliche Auswahlermessen ausnahmsweise zu Lasten der Klägerin auf Null reduziert wäre. Anhaltspunkte dafür, dass die Sanierungskosten den Verkehrswert des Grundstücks überschreiten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.02.2000, Az.: 1 BvR 242/91 – Fundstelle: juris), liegen zudem nicht vor.
Soweit der Beklagte im Rahmen des Klageverfahrens ergänzend (möglicherweise zum Auswahlermessen) vorträgt, dass ein Rückgriff auf die Grundstückseigentümerin als Zustandsstörerin in Anbetracht einer der Klägerin zuzuordnenden Kausalität hinsichtlich der schädlichen Bodenveränderung und deren Eigenschaft als Verhaltensstörer fehlerhaft wäre, kann es dahingestellt bleiben, ob der Beklagte mit diesen Ausführungen von seinem Auswahlermessen nachträglich Gebrauch machen wollte.
Der vorliegende Ermessensnichtgebrauch kann nämlich nicht nachträglich im gerichtlichen Verfahren geheilt werden. § 114 Satz 2 VwGO schafft lediglich die prozessualen Voraussetzungen dafür, dass die Behörde defizitäre Ermessenserwägungen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen kann, nicht hingegen dafür, dass sie ihr Ermessen nachträglich erstmalig ausübt oder die Gründe einer Ermessensausübung (komplett oder in ihrem Wesensgehalt) auswechselt (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.06.2011, Az.: 8 C 4.10, Rn. 55, und Urteil vom 23.10.2007, Az.: 1 C 10.07, Rn. 30, Beschluss vom 14.01.1999, Az.: 6 B 133/98, LS 1 – Fundstelle: juris). Eine Ergänzung der Ermessenserwägungen ist daher nur zulässig, wenn die nachträglich angegebenen Gründe schon bei Erlass des Verwaltungsakts vorlagen, diese Heranziehung keine Wesensänderung des angefochtenen Verwaltungsakts bewirkt und der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.06.2013, Az.:  8 C 46.12, Rn. 32 – Fundstelle: juris). Ein wegen Ermessensnichtgebrauchs rechtswidriger Verwaltungsakt kann daher vom Gericht nicht geheilt werden und ist auch nicht einer Ergänzung nach § 114 Satz 2 VwGO zugänglich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.01.1999, Az.: 6 B 133.98, Rn. 10 – Fundstelle: juris). Die Vorschrift setzt nämlich voraus, dass bereits vorher, bei der behördlichen Entscheidung, schon „Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes” angestellt worden sind, das Ermessen also in irgendeiner Weise betätigt worden ist. Es stellt keine zulässige, bloße Ergänzung bereits angestellter Ermessenserwägungen dar, wenn völlig neue Ermessensgesichtspunkte ins Feld geführt werden, die bei der ursprünglichen behördlichen Entscheidung ersichtlich keine Rolle spielten (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14.05.2014, Az.: 3 L 354/13, Rn. 27; VGH München, Beschluss vom 13.11.2006, Az.: 19 CS 06.2383, Rn. 7 – Fundstelle: juris). So liegt der Fall auch hier. Dem Beklagten war im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (28.04.2017) bereits die tatsächliche Sachherrschaft der Grundstückseigentümerin, die nicht mehr vorhandene Sachherrschaft der Klägerin und die seit 2001 stattgefundene Nutzung des Containerstellplatzes als Sammelplatz für gewerbliche Abfälle/Container sowie die mögliche Bodenverunreinigung durch Dritte auf dem Stellplatz bekannt, bezog aber dennoch die Grundstückseigentümerin als potentiell Sanierungspflichtige bei ihrer Auswahlentscheidung nicht mit in ihre Ermessenserwägungen ein, sodass das eventuelle Ergänzen diesbezüglicher Ermessenserwägungen im Klageverfahren zur Einbeziehung eines völlig neuen Ermessensgesichtspunkts des Beklagten führen würde. Dies gestattet § 114 Satz 2 VwGO gerade nicht.
Eine Ausnahme hat das Bundesverwaltungsgericht lediglich in den Fällen angenommen, in denen sich wegen einer im materiellen Recht begründeten Verlagerung des maßgeblichen Zeitpunkts der Beurteilung der Sach- und Rechtlage von der behördlichen zur gerichtlichen Entscheidung hin aufgrund nachträglich eingetretener Umstände erstmals die Notwendigkeit einer Ermessensausübung ergibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2011, Az.: 1 C 14.10, Rn. 8 – Fundstelle: juris). Ein derartiger Fall ist vorliegend jedoch nicht einschlägig.
Dem Beklagten ist folglich – aufgrund der fehlenden Einbeziehung der Grundstückseigentümerin als neben der Klägerin weitere potentiell Sanierungspflichtige in ihre Ermessenserwägungen – ein Ermessensnichtgebrauch vorzuwerfen, welcher zur Rechtswidrigkeit des verfahrensgegenständlichen Bescheides führt. Ob die Grundstückseigentümerin tatsächlich im Ergebnis einer fehlerfreien behördlichen Ermessenausübung und damit auch im Ergebnis einer ermessensfehlerfreien Adressatenauswahl seitens des Beklagten als Untersuchungspflichtige in Anspruch zu nehmen wäre, ist dabei nicht vom Gericht zu prüfen gewesen.
Nach all dem ist der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus den § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO war notwendig. Die nicht rechtskundige Klägerin durfte die Beauftragung eines rechtskundigen Bevollmächtigten nach Erlass des Bescheides vom 26.11.2013 für erforderlich halten. Aufgrund der Komplexität der Sach- und Rechtslage war es ihr nicht zumutbar, das Verfahren selbst zu führen (vgl. Hug in: Kopp/Schenke, VwGO-Kommentar, 26. Auflage, 2020, § 162  Rn. 18).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 6.000 Eurofestgesetzt.
Gründe:
Bei der Streitwertfestsetzung nach § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) hat das Gericht die klägerseitig vorgetragenen voraussichtlichen Kosten für die verfahrensgegenständliche Detailuntersuchung zwischen 5.200 Euro und 6.000 Euro in Ansatz gebracht, nachdem der Beklagte dem nicht entgegen getreten ist.


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