IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch

Aktenzeichen  34 O 7857/22

Datum:
2.8.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 19086
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag der Verfügungsklägerinnen auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 08.07.2022 wird zurückgewiesen.
2. Die Verfügungsklägerinnen haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerinnen können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagten zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 100.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Der zulässige Antrag ist ohne Erfolg.
I.
Es kann offen bleiben, ob die Verfügungsklägerinnen einen Verfügungsanspruch haben. Denn es fehlt jedenfalls an einem Verfügungsgrund.
1. Für das Vorliegen eines Verfügungsgrundes gilt hier folgender rechtlicher Maßstab:
Bei einer im Wege einstweiliger Verfügung geltend gemachten Auskunft handelt es sich um eine Leistungsverfügung. Ein solcher Verfügungsantrag ist nach dem Sinn und Zweck des Eilverfahrens grundsätzlich nicht zuzulassen, weil in der Auskunftserteilung eine Vorwegnahme der Hauptsache läge. Ausnahmen hiervon können nur dann gemacht werden, wenn der Gläubiger auf die Erfüllung dringend angewiesen ist. An die Dringlichkeit sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen. Sie kann grundsätzlich nur angenommen werden, wenn die Realisierung des Hauptanspruchs für den Gläubiger von existenzieller Bedeutung ist und von der umgehenden Erteilung der Auskunft abhängt (OLG Bremen, Beschluss vom 21.9.2018 – 1 W 25/18, NJW-RR 2019, 182; OLG Hamburg, Beschluss vom 16.11.2018 – 12 W 6/18, BeckRS 2018, 37434 Rn. 17; OLG München, Urteil vom 28.11.2007 – 7 U 4498/07, NZG 2008, 230, 234; OLG Hamm, Beschluss vom 29.11.1991 – 26 W 15/91, NJW-RR 1992, 640; KG, Urteil vom 28.08.1987 – 5 U 3581/87, GRUR 1988, 403, beck-online; a.A. Drescher in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auf. 2020, § 938 Rn. 42). Mit einer existentiellen Bedeutung sind etwa die Gefährdung des Lebensunterhalts, der Bestand der Gesundheit oder der beruflichen Existenz gemeint (OLG Hamburg, Beschluss vom 16.11.2018 – 12 W 6/18, BeckRS 2018, 37434 Rn. 17).
Zur Überzeugung des Gerichts ist diese zur Auskunftserteilung ergangene Rechtsprechung auf das streitgegenständliche Einsichtsrecht übertragbar (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 940 ZPO Rn. 8).
Die tatsächlichen Voraussetzungen für den Verfügungsgrund sind nicht zu beweisen, sondern nur glaubhaft zu machen (§§ 920 Abs. 2, 936, 294 ZPO). Die Glaubhaftmachung erfordert einen geringeren Grad der richterlichen Überzeugung gegenüber dem vollen Beweis nach § 286 ZPO. Ausreichend für die Glaubhaftmachung ist eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, nicht erforderlich ist eine vollständige Überzeugung.
2. Gemessen an diesem rechtlichen Maßstab haben die Verfügungsklägerinnen einen Verfügungsgrund weder dargelegt noch glaubhaft gemacht.
Der Geschäftsführer der Verfügungsklägerinnen erklärte hierzu in der mündlichen Verhandlung vom 28.07.2022, es bestehe eine Fremdfinanzierung, welche die Antragstellerseite bedienen müsse. Wenn diese nicht bedient werde, dann komme es zu einer Existenzbedrohung. Die Verfügungsbeklagten haben dies mit Nichtwissen bestritten.
Dieser klägerische Vortrag ist zur Überzeugung des Einzelrichters ungenügend. Bei den Verfügungsklägerinnen handelt es sich um Kapitalgesellschaften. Soweit die Verfügungsklägerinnen offenbar meinen, das Gericht könne bei solchen aus dem bloßen Umstand, dass ein Ausfall von Mieteinnahmen droht, auf eine Existenzgefährdung rückschließen, geht dies fehl. Ohne einschlägige und glaubhaft gemachte Angaben zu Geschäfts- und Unternehmenszahlen der Verfügungsklägerinnen ist dies nicht möglich. Die Verfügungsklägerinnen tragen hierzu jedoch nichts vor. Insbesondere werden einschlägige Jahresabschlüsse, Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen usw. nicht vorgelegt.
Dabei verkennt der Einzelrichter nicht, dass die Verfügungsklägerinnen zu 1) bis 3) ausweislich der als Anlage AG1 vorgelegten Rahmenurkunde vom 05.01.2017 das Mietobjekt zu einem Kaufpreis von … Millionen € erworben haben. Bei einer derartigen Kaufpreishöhe wäre es nicht ungewöhnlich, wenn zumindest teilweise auch eine Fremdfinanzierung erfolgte. Die Verfügungsklägerinnen schweigen jedoch zu den Details der Fremdfinanzierung. Insbesondere zur Höhe und zur Laufzeit der Fremdfinanzierung wurde nichts vorgetragen. Es wurden auch keinerlei Finanzierungsverträge zur Glaubhaftmachung vorgelegt. Der Erwerbszeitpunkt liegt zudem schon über 5 ½ Jahre zurück und der streitgegenständliche Generalmietvertrag sah in Ziffer 4.1 erhebliche monatliche Mietzahlungen vor, die im ersten Mietjahr 416.666,67 € monatlich und im fünften Mietjahr 418.753,91 € monatlich betrugen, so dass sich die von der Verfügungsbeklagten zu 1) allein in den ersten fünf Mietjahren zu zahlende Nettokaltmiete auf über 25 Millionen € summierte. Der Einzelrichter muss daher davon ausgehen, dass eine etwaige Fremdfinanzierung, deren Höhe ja wie gezeigt noch nicht einmal mitgeteilt wurde, bereits teilweise zurückgeführt wurde.
Damit ist der Antrag bereits mangels dargelegter und glaubhaft gemachter Existenzgefährdung der Verfügungsklägerinnen für den Fall der Nichtgewährung des Einsichtsrechts zurückzuweisen. Nicht anderes gilt, wenn man es entgegen der hier vertretenen Auffassung ausreichen ließe, dass ohne die alsbaldige Einsichtnahme ein endgültiger Rechtsverlust einträte (vgl. OLG Bremen, Beschluss vom 21.9.2018 – 1 W 25/18, NJW-RR 2019, 182 Rn. 13 m.w.N.).
Die Verfügungsklägerinnen haben einen solchen noch nicht einmal dargelegt.
Ein allgemeines Interesse an einer geordneten Übergabe hat jeder Vermieter, dessen Mieter Untermietverträge abgeschlossen hat, so dass dieser Aspekt die Vorwegnahme der Hauptsache nicht rechtfertigen kann. Soweit die Verfügungsklägerinnen auf den möglichen und finanziell schmerzhaften Verlust von Unter-Untermietern abstellen bringen sie bereits selbst zum Ausdruck, dass die von ihnen begehrte einstweilige Verfügung gerade nicht der Sicherung von Räumungsansprüchen dienen soll. Zudem kann das Gericht nicht erkennen, dass die Verfügungsklägerinnen einen Anspruch darauf haben, mit den Untermietern der Verfügungsbeklagten zu 2) Folgeverträge abzuschließen. Im Übrigen schweigen die Verfügungsklägerinnen auch hier wieder dazu, ob und inwieweit ihre unstreitigen Bemühungen (A. AG 7), mit den ihnen bekannten Unter-Untermietern Kontakt aufzunehmen und Folgeverträge abzuschließen, Früchte getragen haben.
Auch der klägerische Hinweis auf Ziffer 9.2 des Generalmietvertrags verfängt nicht. Es handelt sich hier um eine Regelung im Innenverhältnis zwischen den Parteien des streitgegenständlichen Rechtsstreits, nicht jedoch im Außenverhältnis zu den Unter-Untermietern.
Soweit die Verfügungsklägerinnen meinen, sie benötigten das Einsichtsrecht um überprüfen zu können, ob die Verfügungsbeklage zu 1) Mietzahlungen in zutreffender Höhe gemäß Ziffer 4.1 (6) des Generalmietvertrags weitergeleitet habe, ist den Verfügungsklägerinnen die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens, ggf. in Form der Stufenklage, zumutbar.
Nach alledem war wie erkannt zu entscheiden.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 6, 711 S. 1 und 2 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach §§ 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, 3 ZPO. Der Streitwert für einen Anspruch auf Auskunftserteilung bemisst sich auf einen Bruchteil des Betrags, den der Kläger nach dem Inhalt der Auskunft zu erstreiten erhofft. Der Bruchteil ist umso höher anzusetzen, je geringer die Kenntnisse des Klägers von den zur Begründung des Leistungsanspruchs maßgeblichen Tatsachen sind (BGH NJW-RR 2018, 1265, beck-online). Die Verfügungsklägerinnen ließen vortragen, dass sie bei der von ihnen befürchteten ungeordneten Übergabe Schäden in Höhe von ca. 500.000,00 € befürchten und sie davon ausgehen, dass die Miet-Weiterleitungen für die Monate Mai und Juni 2022 um ca. 500.000,00 € zu niedrig waren (Bl. 17 d.A.). Es erscheint daher als angemessen, hier einen Streitwert von 100.000,00 € festzusetzen.


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