Aktenzeichen 14 ZB 16.280
Leitsatz
1. Der Verwaltungsakt über die Ausübung des Vorkaufsrechts kann trotz seiner Fristgebundenheit nachgebessert werden bzw. es können im Prozess weitere (Ermessens-) Gründe nachgeschoben werden; insbesondere kann eine bisher unvollständige Begründung ergänzt werden, indem die bereits im Ansatz vorgetragene naturschutzrechtliche Rechtfertigung untermauert wird. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Ausübung des Vorkaufsrechts, dass bereits eine konkretisierte Planung über durchzuführende naturschutzfachliche Optimierungsmaßnahmen vorliegt. Es reicht vielmehr aus, dass der Vorkaufsberechtigte eine ökologische Aufwertung eines Grundstücks im Sinn der von ihm benannten Zielrichtung durchführen will. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine mangelnde Darlegung im Sinne des § 124a Abs. 4 S. 4 VwGO innerhalb der Antragsbegründungsfrist kann nicht durch weitere Darlegungen außerhalb dieser Frist geheilt werden. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 1 K 15.1222 2016-01-12 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 1.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der ausschließlich geltend gemachte Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegt jedenfalls nicht vor.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind anzunehmen, wenn in der Antragsbegründung ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. etwa BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548). Welche Anforderungen an Umfang und Dichte der Darlegung zu stellen sind, hängt wesentlich von der Intensität ab, mit der die Entscheidung begründet worden ist (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 64 m.w.N.).
Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage der Klägerin gegen den Bescheid des Beklagten vom 10. März 2015, mit dem das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht nach Art. 39 BayNatSchG für das von ihr gekaufte Grundstück FlNr. 86/7 der Gemarkung F* … mit einer Fläche von 900m² zugunsten des Beigeladenen zu 2 ausgeübt wurde, mit der Begründung abgewiesen, der Bescheid sei rechtmäßig. Neben den formellen Voraussetzungen seien auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts gegeben. Bei der streitgegenständlichen Fläche handle es sich um ein Grundstück, das an ein oberirdisches Gewässer, den Mauerner Bach, angrenze. Die Ausübung des Vorkaufsrechts sei auch gerechtfertigt im Sinne des Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG. Nach den Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid in Anlehnung an die Ausführungen im Schreiben des Beigeladenen zu 2 vom 30. Januar 2015 solle mit der Überführung der Fläche in die öffentliche Hand die vielseitige naturbelassene Uferbepflanzung des Bachlaufs mit seinen zukünftigen Ausschwemmungen und Bepflanzungen zur Verbesserung des Habitats für die Fisch- und Insektenfauna geschützt werden. In den ergänzenden Ausführungen vom 3. September 2015 zur Rechtfertigung der Ausübung des Vorkaufsrechts habe das Landratsamt vorgetragen, es sei in nicht ferner Zukunft mit der Ansiedlung von Bibern zu rechnen, deren Verhaltensweise erfahrungsgemäß zur Beeinflussung sowohl der Gewässerdynamik als auch der Ufervegetation führen könne. Diese Zielsetzung entspreche den in Art. 1 BayNatSchG in Verbindung mit §§ 1, 2 Abs. 2 BNatSchG normierten Zielen und Grundsätzen des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Die vom Beklagten ergänzend vorgetragenen Gründe bestätigten die bereits im Bescheid genannten, zur Rechtfertigung der Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts ausreichenden naturschutzbezogenen Gründe. Dies gelte umso mehr, als die genannten Ziele und Maßnahmen nach der vom Landratsamt in zulässiger Weise nachgeholten naturschutzfachlichen Bewertung dem Arten- und Biotopschutzprogramm dienten. Einer weiteren Konkretisierung der Vorstellungen über die Verbesserungen bedürfe es nicht. Die von der Klägerin im Einzelnen vorgebrachten Einwände zu den tatsächlichen (baulichen) Verhältnissen auf dem streitgegenständlichen Grundstück (Zaun, Holzhaus, Treppe) und die Erwähnung solcher baulicher Anlagen im naturschutzfachlichen Gutachten stünden der vorgenommenen Einschätzung nicht entgegen. Zudem habe das Landratsamt im angefochtenen Bescheid hinreichend deutlich zu erkennen gegeben, dass es von einer im Ermessenswege zu treffenden Entscheidung ausgehe. Dieses Ermessen sei jedoch regelmäßig naturschutzrechtlich intendiert, wenn Rechtfertigungsgründe im Sinne des Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG für die Ausübung eines Vorkaufsrechts vorlägen. Deshalb sei es zulässig und im vorliegenden Fall auch in ausreichendem Umfang geschehen, dass die zur Ausübung des Vorkaufsrechts zuständige Behörde das im Bescheid angelegte Ermessen gemäß § 114 Satz 2 VwGO im gerichtlichen Verfahren durch Vortrag weiterer Ermessenserwägungen und Rechtfertigungsgründe ergänzt habe.
Durch das Vorbringen der Klägerin im Zulassungsverfahren werden die Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht ernstlich in Frage gestellt und keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die weiterer Klärung in einem Berufungsverfahren bedürften.
1. Die Klägerin wendet gegen die Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zunächst ein, die Ausübung des Vorkaufsrechts sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht gerechtfertigt. Wenn das Gericht auf Seite 11 des Urteils ausführe, dass die auf der Grundlage der naturschutzfachlichen Vorgaben im Bescheid wiedergegebenen Ziele und Maßnahmen jedenfalls den Anforderungen für die Annahme einer Rechtfertigung genügten, da das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht schon dann ausgeübt werden könne, wenn der Naturzustand auf den Flächen verbessert werden könne, stehe dies im Widerspruch zum richterlichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung, wonach die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids nicht als ausreichend zur Rechtfertigung angesehen und eine Beteiligung der unteren Naturschutzbehörde gefordert worden sei. Der besondere naturschutzrechtliche Wert eines Grundstücks müsse viel deutlicher bei der Begründung des das Vorkaufsrecht ausübenden Bescheids im Vordergrund stehen, als es hier der Fall gewesen sei. Insbesondere habe die Behörde ihre Zielvorstellungen im Rahmen eines naturschutzrechtlichen Konzepts im konkreten Einzelfall darzulegen, was bisher nicht geschehen sei. Die Ausübung des Vorkaufsrechts erfolge vielmehr planlos. Dieser Fehler in der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids sei auch nicht durch eine Ergänzung im Schreiben des Landratsamts vom 3. September 2015 geheilt worden. Die nachgeholte naturschutzrechtliche Bewertung beziehe sich, wie bereits in erster Instanz im schriftlichen Verfahren ausführlich vorgetragen worden sei, auf das falsche, nämlich auf das Nachbargrundstück. Die naturschutzrechtliche Bewertung der unteren Naturschutzbehörde sei damit untauglich, die fehlerhafte Begründung des streitgegenständlichen Bescheids zu heilen.
Mit diesem Vortrag kann die Klägerin die Richtigkeit der Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Rechtfertigung der Vorkaufsrechtsausübung nicht in durchgreifender Weise in Frage stellen. Den Ausführungen im Urteil ist zu entnehmen, dass das Verwaltungsgericht die Rechtfertigung der Vorkaufsrechtsausübung erst im Hinblick auf die ergänzenden Ausführungen des Landratsamts im Schreiben vom 3. September 2015 als ausreichend dargelegt angesehen hat. Ein Widerspruch zum richterlichen Hinweis zur diesbezüglichen Rechtsauffassung des Gerichts vor Ergänzung der Begründung im o.g. Schreiben ergibt sich damit nicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kann auch der Verwaltungsakt über die Ausübung des Vorkaufsrechts trotz seiner Fristgebundenheit nachgebessert bzw. es können im Prozess weitere (Ermessens-)Gründe nachgeschoben werden; insbesondere kann eine bisher unvollständige Begründung ergänzt werden, indem die bereits im Ansatz vorgetragene naturschutzrechtliche Rechtfertigung untermauert wird (vgl. BayVGH, U.v. 3.5.2016 – 14 B 15.205 – BayVBl 2016, 846 Rn. 43).
Die Klägerin rügt mit ihrem rechtzeitigen Zulassungsvorbringen im Schriftsatz vom 22. März 2016 nicht, dass eine Ergänzung der Begründung des Bescheids vorliegend unzulässig gewesen sei, etwa weil entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts in der ursprünglichen Begründung des Bescheids keine Ziele und Maßnahmen angegeben gewesen seien, die vom Landratsamt im gerichtlichen Verfahren zulässigerweise ergänzt werden konnten, oder weil im Schreiben des Landratsamts vom 3. September 2015 nunmehr vollständig andere Ziele und Maßnahmen erstmals benannt worden seien. Erst im außerhalb der Zweimonatsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO eingegangenen Schriftsatz vom 19. Mai 2016 trägt sie vor, dass hier ein vollständiger Austausch der Begründung erfolgt sei. Diese Rüge ist verspätet und daher unbeachtlich.
Der Klägerin kann auch nicht darin zugestimmt werden, dass die Behörde bereits bei Ausübung des Vorkaufsrechts konkrete konzeptionelle Überlegungen hätte vorweisen müssen, wie die naturschutzfachliche Wertigkeit des jeweiligen Grundstücks weiter ökologisch aufgewertet werden solle, dass also bereits zu diesem Zeitpunkt naturschutzfachliche Pläne oder Programme erstellt hätten sein müssen. Das Verwaltungsgericht weist zu Recht auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs hin, wonach es nicht Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Ausübung des Vorkaufsrechts ist, dass bereits eine konkretisierte Planung über durchzuführende Optimierungsmaßnahmen vorliegt (BayVGH, U.v. 22.5.1995 – 9 B 92.1183 u.a. – NuR 1995, 554). Es reicht vielmehr aus, dass der Vorkaufsrechtsberechtigte eine ökologische Aufwertung eines Grundstücks im Sinn der von ihm benannten Zielrichtung durchführen will (vgl. BayVGH, U.v. 3.5.2016 – 14 B 15.205 – BayVBl 2016, 846 Rn. 53), was hier nicht im Zweifel steht.
2. Soweit die Klägerin der Auffassung ist, das Schreiben des Landratsamts Freising vom 3. September 2015 könne die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids schon deshalb nicht heilen, weil die nachgeholte naturschutzrechtliche (gemeint: naturschutzfachliche) Bewertung vom 2. September 2015 sich auf das falsche, nämlich das Nachbargrundstück beziehe, was in erster Instanz bereits vorgetragen worden sei, genügt dieses Vorbringen im Schriftsatz vom 22. März 2016 nicht den Darlegungsanforderungen nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. In diesem Schriftsatz wird nicht aufgezeigt, warum sich die naturschutzfachliche Bewertung auf das falsche Grundstück beziehen sollte; der bloße Hinweis der Klägerin auf den Vortrag in erster Instanz genügt den Darlegungsanforderungen nicht (vgl. etwa BVerwG, B.v. 19.8.1997 – 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328). Soweit sich im weiteren Schriftsatz vom 19. Mai 2016 hierzu Ausführungen finden, sind diese verspätet; eine mangelnde Darlegung innerhalb der Antragsbegründungsfrist kann nicht durch weitere Darlegungen außerhalb dieser Frist geheilt werden. Entsprechend sind auch die hieran anknüpfenden Ausführungen der Klägerin zum nicht ordnungsgemäß ausgeübten (bzw. ergänzten) Ermessen nicht hinreichend substantiiert. Auch hier wird im Schriftsatz vom 22. März 2016 nur angeführt, das naturschutzfachliche Gutachten basiere auf unzutreffenden Tatsachen und sei daher eine ungeeignete Grundlage für eine ordnungsgemäße Ermessensbetätigung, die die tatsächliche Grundstückssituation einstellen und bewerten müsse. Nur ergänzend ist anzumerken, dass – hierauf weist der Beklagte zu Recht hin – das Gutachten vom 2. September 2015 sich ausdrücklich auf das streitgegenständliche Grundstück bezieht. Zudem finden sich darin Aussagen dahingehend, der Mauerner Bach sei als Schwerpunktgebiet des Naturschutzes zu betrachten und es solle vordringlich an den in der Wasserrahmen-Richtlinie ausdrücklich genannten Gewässern, zu denen der Mauerner Bach gehöre, ein guter ökologischer Zustand erreicht werden, weshalb die Gemeinde jede Chance nutzen könne, dort Grundstücke zu erwerben und dauerhaft für die Fließgewässerentwicklung zu nutzen. Entsprechend hat das Verwaltungsgericht auch die von der Klägerin im Einzelnen vorgebrachten Einwände zu den tatsächlichen (baulichen) Verhältnissen auf dem streitgegenständlichen Grundstück (Zaun, Holzhaus, Treppe) und die Erwähnung solcher baulicher Anlagen im naturschutzfachlichen Gutachten nicht als durchgreifend angesehen.
Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge gemäß § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.6.1 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (wie Vorinstanz).