Baurecht

Ermessen der Gemeinde bezüglich Einleitung eines Bebauungsplanverfahrens

Aktenzeichen  Au 4 K 17.953

Datum:
6.12.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 12 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Die Gemeinde hat es auch bei Anwendung des § 12 BauGB letztlich in der Hand, ob sie das Vorhaben eines Investors vorbereiten lassen will oder nicht. Entspricht ein Vorhaben nicht ihrer Konzeption und ihrem Planungswillen, so besteht für sie keine Notwendigkeit, auf entsprechende Absichten von potentiellen Vorhabenträgern einzugehen. Sie nimmt dann an der Abstimmung iSd § 12 Abs. 1 S. 1 BauGB nicht teil, so dass der Weg zur Erarbeitung eines Vorhaben- und Erschließungsplans nicht eröffnet ist. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2 So wenig die Gemeinde ein vorhabenbezogenes Bebauungsplanverfahren ohne vorausgehende Kooperation mit einem Projektträger „von Amts wegen“ einleiten und diesem gleichsam aufzwingen kann, so wenig kann ein Projektträger ohne vorausgehenden Grundkonsens mit der Gemeinde einen statthaften Einleitungsantrag im Sinne des § 12 Abs. 1 BauGB stellen. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Gegenstand des Verfahrens ist ein Antrag auf Neuverbescheidung eines Antrags nach § 12 Abs. 2 BauGB.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf erneute Verbescheidung bezüglich der von ihr bei der Beklagten vorgelegten Antragsunterlagen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.
Dabei kann im Ergebnis dahinstehen, ob vorliegend eine Versagungsgegenklage statthaft ist (so etwa Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2017, § 12 Rn. 165; Mitschang in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Auflage 2016, § 12 Rn. 44) oder eine Leistungsklage hätte erhoben werden müssen (so VGH Mannheim, B.v. 22.3.2000 – 5 S 444/00 – juris Rn. 2 ff; Jäde in Jäde/Dirnberger/Weis, BauGB/BauNVO, 7. Auflage 2013, § 12 Rn. 64 m.w.N.).
Denn jedenfalls mangelt es nach Auffassung der Kammer bereits an den Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 Abs. 2 BauGB (i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Nach dieser Vorschrift hat die Gemeinde auf Antrag des Vorhabenträgers über die Einleitung des Bebauungsplanverfahrens nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Eine Form ist für den Antrag des Vorhabenträgers zwar nicht vorgeschrieben. Allerdings ergibt sich sein Inhalt nach systematischer Auslegung aus § 12 Abs. 1 BauGB. Danach kann die Gemeinde durch einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan die Zulässigkeit von Vorhaben bestimmen, wenn der Vorhabenträger auf der Grundlage eines mit der Gemeinde abgestimmten Plans zur Durchführung der Vorhaben- und der Erschließungsmaßnahmen (Vorhaben- und Erschließungsplan) bereit und in der Lage ist und sich zur Durchführung innerhalb einer bestimmten Frist und zur Tragung der Planungs- und Erschließungskosten ganz oder teilweise vor dem Beschluss nach § 10 Abs. 1 verpflichtet (Durchführungsvertrag). Damit hat der Gesetzgeber ein zusätzliches Planungsinstrument geschaffen, das im Kern auf die Initiative und Planausarbeitung durch den Vorhabenträger für ein bestimmtes Vorhaben sowie auf die Sicherung der Planverwirklichung zielt. Dabei kommt dem Erfordernis des § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB, dass der vom Vorhabenträger erstellte Vorhaben- und Erschließungsplan ein mit der Gemeinde abgestimmter Plan ist, besondere Bedeutung zu. Gleichwohl bleibt es bei dem Grundsatz, dass – unbeschadet der vom Gesetzgeber erwünschten und unterstützten privaten Initiative – die „Verfahrensherrschaft“ uneingeschränkt bei der Gemeinde liegt. Die Gemeinde hat es daher auch bei Anwendung des § 12 BauGB letztlich in der Hand, ob sie das Vorhaben eines Investors vorbereiten lassen will oder nicht. Entspricht ein Vorhaben nicht ihrer Konzeption und ihrem Planungswillen, so besteht für sie keine Notwendigkeit, auf entsprechende Absichten von potentiellen Vorhabenträgern einzugehen. Sie nimmt dann an der Abstimmung i. S. des § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht teil, so dass der Weg zur Erarbeitung eines Vorhaben- und Erschließungsplans nicht eröffnet ist (vgl. VGH Mannheim, B.v. 22.3.2000 – 5 S 444/00 – juris Rn. 3). Der Vorhabenträger darf die Gemeinde nicht mit einem Plan „überfallen“ bzw. ihr für das gegebenenfalls bereits über den Antrag eines Konkurrenten eröffnete Einleitungsverfahren den Plan eines Konkurrenzprojekts aufdrängen, an dem die Gemeinde niemals ein Interesse gezeigt hat. Das beruht auf dem der Regelung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans zu Grunde liegenden Gedanken kooperativer Planung: so wenig die Gemeinde ein vorhabenbezogenes Bebauungsplanverfahren ohne vorausgehende Kooperation mit einem Projektträger „von Amts wegen“ einleiten und diesem gleichsam aufzwingen kann, so wenig kann ein Projektträger ohne vorausgehenden Grundkonsens mit der Gemeinde einen statthaften Einleitungsantrag im Sinne des § 12 Abs. 1 BauGB stellen (vgl. Dolderer, Die Einleitung des vorhabenbezogenen Bebauungsplanverfahrens: Rechtsgrundsätze und Rechtsschutz, UPR 2/2001, S. 41 (44)).
Die bei der Beklagten eingereichten Unterlagen und weitere Kontaktversuche seitens der Klägerin führten hier nie so weit, dass sich die Beklagte in irgendeiner Art und Weise bereit erklärte, in einen weiteren Abstimmungsprozess einzutreten. Das Verfahren ist damit in einem „informellen“ Stadium im Vorfeld steckengeblieben. Es kam somit schon nicht zur „Regel-Abfolge“ von „Vorverfahren“ (frühzeitige Erörterung mit der Gemeinde, Verhandlungen über den Durchführungsvertrag bzw. Einvernehmen zwischen Gemeinde und Vorhabenträger über Inhalt und Abschluss des Vertrages) und Bebauungsplanverfahren, da ein solches Signal von keinem Gemeindeorgan gegeben wurde. Erst danach hätte ein Antrag aus § 12 Abs. 2 BauGB gestellt werden können. Er bildet damit gerade nicht die Einleitung, sondern (nur) den Abschluss von Abstimmungsbemühungen zwischen den Beteiligten im Vorfeld (vgl. Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2017, § 12 Rn. 103 f.). Das Antragsrecht des Vorhabenträgers bezieht sich nämlich in der Regel auf die Verfahrenssituation, nachdem sich die Gemeinde mit einem Vorhabenträger hinsichtlich des Ob, Wann und Wie abgestimmt hat, also zumindest ein vorläufiger Plan und ein ausgehandelter Entwurf eines Durchführungsvertrages vorliegt und nunmehr darüber zu befinden ist, ob das Bebauungsplanverfahren eingeleitet wird. Die Regelung dient somit dem Interesse des Vorhabenträgers, der die Planung mit der Gemeinde abgestimmt und Vorarbeiten geleistet hat oder noch kostspielige Gutachten beibringen muss. Ihm wird das Recht eingeräumt, dass die Gemeinde ihn nicht über das weitere Vorgehen im Unklaren lässt, sondern sich entscheidet, ob sie das Bebauungsplanverfahren einleitet. Dadurch wird die gewünschte Privatinitiative gegenüber einer möglichen – angesichts bereits stattgefundener Abstimmungen und Vorverhandlungen unvertretbaren – „Entscheidungsunfreundlichkeit“ der Gemeinde geschützt (vgl. VGH Mannheim, B.v. 22.3.2000 – 5 S 444/00 – juris Rn. 4). Dabei ist dem Bevollmächtigten der Klägerin zwar zuzugestehen, dass es das Gesetz nicht generell ausschließt, dass ein Vorhabenträger einen Plan noch ohne nähere Abstimmung mit der Gemeinde erarbeitet und ihn gegebenenfalls zu einer solchen inhaltlichen und formellen Reife entwickelt, dass die Gemeinde bereits kurzfristig in das Satzungsverfahren eintreten kann. Die Phase der Abstimmung kann dann zeitlich verkürzt werden. Im Laufe der Abstimmungsphase wird der Vorhabenträger den Planentwurf vorlegen und diesen nach weiterer Abstimmung gegebenenfalls fortschreiben (Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2017, § 12 Rn. 103). Die eingereichten Unterlagen waren allerdings zum einen noch nicht ausreichend, da weder ein Vorhaben- und Erschließungsplan, noch ein Entwurf des Durchführungsvertrages im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB enthalten waren. Es fehlte zum anderen auch – wie eben erörtert – an einem voranschreitenden kooperativen Abstimmungsprozess, der durch irgendwie geartete Signale der Gemeinde bzw. ihrer Verwaltung genährt wurde. Gerade im Gegenteil teilte die Beklagte mit Schreiben vom 24. Oktober 2016 die einstimmige Ablehnung des Antrags durch den Stadtrat mit und begründete die Entscheidung mit einem ausführlichen Schreiben. Hinzu kommt, dass ein Vorhabenträger auch keinen Anspruch darauf hat, vor einem gemeindlichen Beschlussgremium sein Projekt erläutern zu können, mag dies im Einzelfall auch durchaus zweckdienlich und sinnvoll sein (Jäde in Jäde/Dirnberger/Weiss, BauGB/BauNVO, 7. Auflage 2013, § 12 Rn. 54). Aus diesen Gründen kommt es auf die weiter aufgeworfenen Fragen bezüglich Art. 52 GO bei der Stadtratsentscheidung vom 22. Juni 2016 nicht mehr an, da es bereits an den Tatbestandsmerkmalen einer „Abstimmung“ und zumindest vorläufigen Planung mit Durchführungsvertragsentwurf fehlt, welche den Weg für eine Entscheidung nach § 12 Abs. 2 BauGB eröffnet hätten.
Nach allem war die Klage daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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