Erbrecht

2 VA 1/21

Aktenzeichen  2 VA 1/21

Datum:
3.1.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt 2. Zivilsenat
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:OLGNAUM:2021:0103.2VA1.21.00
Spruchkörper:
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Leitsatz

1. Wird im Rahmen einer Nachlasspflegschaft ein Sparkonto für die unbekannten Erben eröffnet und werden die Erlöse aus der Verwertung der Nachlassgegenstände auf diesem Sparkonto angelegt, so wird mit der Hinterlegung des kontozugehörigen Sparbuchs beim Amtsgericht eine hinreichende Sicherung des Nachlasses bewirkt.
2. Für eine (zusätzliche) Hinterlegung des Kontoguthabens besteht regelmäßig kein Hinterlegungsgrund i.S.v. § 7 HintG LSA 2010.

Tenor

Der Antrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die gerichtlichen Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Geschäftswert wird auf 21.269,20 € festgesetzt.

Gründe

A.
Mit Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Magdeburg vom 06.10.2006 (Beiakte 193 VI 219/06) wurde M. K. zur Nachlasspflegerin für die unbekannten Erben nach der am 21.07.2006 verstorbenen I. Sp. mit dem Wirkungskreis „Sicherung und Verwaltung des Nachlasses“ bestellt. Sie eröffnete bei der hiesigen Antragstellerin am 16.10.2006 das Sparkonto Nr. … für die Durchführung der Nachlasspflegschaft und verwendete es für die Sammlung des Nachlassvermögens.
Auf den Antrag der Nachlasspflegerin vom 29.03.2012 wurde das zum Sparkonto gehörende Sparbuch bei dem Amtsgericht – Hinterlegungsstelle – Magdeburg zum Aktenzeichen HL 113/12 hinterlegt. Mit Beschluss vom 15.11.2012 hob das Nachlassgericht die Nachlasspflegschaft auf.
Mit Schreiben vom 31.07.2020 teilte die hiesige Antragstellerin der Hinterlegungsstelle mit, dass sie als das kontoführende Institut das Sparkonto aufgelöst und das Guthaben von 21.269,11 € an die Landeshauptkasse zu dem o.g. Aktenzeichen überwiesen habe. Zugleich bat sie darum, im Hinterlegungsverfahren den Zahlungseingang und im Sparbuch die Kontoauflösung zu vermerken. Die Landeskasse verweigerte die Annahme der Überweisung mangels Anlage eines Hinterlegungsvorgangs und überwies den Betrag zurück.
Mit Schreiben vom 28.08.2020 hat die hiesige Antragstellerin ihren Antrag auf Annahme des vorgenannten Geldbetrages zur Hinterlegung beim Amtsgericht – Hinterlegungsstelle – Magdeburg vom 26.08.2020 übersandt (Eingang: 03.09.2020); dieses Verfahren wird unter dem Aktenzeichen 77 HL 194/20 geführt.
Die Hinterlegungsstelle hat den Antrag mit seinem Beschluss vom 09.11.2020 als unzulässig und hilfsweise als unbegründet zurückgewiesen. Der Antrag sei unzulässig, weil die Antragstellerin kein Rechtsschutzbedürfnis für die Hinterlegung habe. Er sei unbegründet, weil das Sparbuch zu diesem Sparkonto bereits hinterlegt sei. Dieses Sparbuch sichere den Bargeldbestand. Zudem sei die Hinterlegungsstelle nicht berechtigt, das bereits hinterlegte Sparbuch aus der Hinterlegung herauszugeben.
Gegen diese, ihr am 13.11.2020 zugestellte Entscheidung hat die Antragstellerin mit einem 26.11.2020 beim Amtsgericht eingegangenen Schreiben vom 19.11.2020 Beschwerde eingelegt. Sie widerspricht der Rechtsauffassung, wonach das Sparbuch eine hinreichende Sicherung des Bargeldbestandes darstelle, und verweist auf die höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach nicht der Inhaber des Sparbuchs, sondern der Kontoinhaber bzw. dessen Rechtsnachfolger Gläubiger des Kontoguthabens sei.
Die Hinterlegungsstelle hat dem Rechtsmittel mit Beschluss vom 02.12.2020 nicht abgeholfen.
Das Amtsgericht hat durch seine Präsidentin mit Beschluss vom 10.12.2020 die Beschwerde kostenpflichtig zurückgewiesen. Die Hinterlegungsstelle habe zu Recht darauf abgestellt, dass die Antragstellerin keine Tatsachen angegeben habe, welche eine Hinterlegung rechtfertigten. Die von der Nachlasspflegerin veranlasste Hinterlegung habe der Sicherung des Sparguthabens für die unbekannten Erben gedient. Die von der Antragstellerin vorgebrachte Argumentation greife nicht durch, weil zwar die Bank das Guthaben an den Inhaber eines Sparbuches mit schuldbefreiender Wirkung auszahlen könne – was durch die Hinterlegung des Sparbuches ausgeschlossen worden sei –, sie aber zu einer schuldbefreienden Auszahlung an den Kontoinhaber nur unter weiteren Voraussetzungen berechtigt sei. Zu einer Auflösung des Sparkontos sei die Antragstellerin ohne Mitwirkung des Kontoinhabers nicht berechtigt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe der Entscheidung Bezug genommen.
Die Antragstellerin, welcher die Entscheidung im Beschwerdeverfahren am 15.12.2020 zugestellt worden ist, hat mit ihrem Schreiben vom 11.01.2021, beim Amtsgericht vorab per Fax eingegangen am selben Tage, Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Antragsschrift Bezug genommen.
Sie beantragt,
den Beschluss der Präsidentin des Amtsgerichts Magdeburg vom 10.12.2020 aufzuheben und
die Hinterlegungsstelle anzuweisen, die mit Hinterlegungsantrag vom 26.08.2020 beantragte Hinterlegung des Guthabens in Höhe von 21.269,20 € anzunehmen.
B.
Der Antrag der Antragstellerin ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
I. Allerdings ist der Antrag vom 11.01.2021 als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen Justizverwaltungsakte nach § 5 Abs. 3 HintG LSA 2010 i.V. mit §§ 23 ff. EGGVG zulässig.
1. Die Antragstellerin begehrt die Verpflichtung des Amtsgerichts zur Vornahme von Maßnahmen, die von dem Gericht im Rahmen der allgemein zugewiesenen öffentlich-rechtlichen Aufgabe als Hinterlegungsstelle getroffen werden können, was nach § 23 Abs. 2 EGGVG statthaft ist.
2. Die Antragstellerin ist durch die Zurückweisung ihres Antrags auf Annahme des zu hinterlegenden Geldbetrages, formell und materiell i.S. von § 24 Abs. 1 EGGVG beschwert.
3. Der Rechtsweg im Hinterlegungsverfahren ist von der Antragstellerin ausgeschöpft worden (§ 24 Abs. 2 EGGVG), insbesondere hat sie ein Beschwerdeverfahren betrieben.
4. Der Antrag ist schließlich auch form- und fristgerecht nach § 26 Abs. 1 EGGVG eingereicht worden. Die Monatsfrist ab Zustellung der Entscheidung der Präsidentin des Amtsgerichts im Beschwerdeverfahren wurde durch den rechtzeitigen Eingang des Antrages beim Amtsgericht gewahrt.
II. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Die Antragstellerin ist durch die Zurückweisung ihres Hinterlegungsantrages nicht in ihren Rechten verletzt. Die Hinterlegungsstelle hat zu Recht auf das bereits geführte Hinterlegungsverfahren und darauf abgestellt, dass durch die Hinterlegung des Sparbuches eine hinreichende Sicherung des Nachlasses für die unbekannten Erben nach I. Sp. erreicht wird. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden und durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräfteten Gründe der Entscheidung der Präsidentin des Amtsgerichts Bezug und macht sich diese zu eigen. Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen in der Antragsschrift lediglich Folgendes anzuführen:
1. Nach § 7 HintG LSA 2010 setzt eine Hinterlegung auf den Antrag eines Hinterlegers, welcher nicht eine hierfür zuständige Behörde ist bzw. von einer solchen Behörde zur Hinterlegung berechtigt oder verpflichtet worden ist, die Angabe von Tatsachen voraus, die die Hinterlegung rechtfertigen. Die Antragstellerin hat sich hier auf den Hinterlegungsgrund der Sicherung des Nachlasses nach I. Sp. zugunsten der unbekannten Erben berufen.
2. Dieser Sicherungsgrund liegt objektiv nicht vor. In Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Bestimmung des Kontoinhabers eines Sparkontos (vgl. BGH, Beschluss v. 17.07.2019, XII ZB 425/18, BGHZ 222, 376, in juris ab Rz. 14 m.w.N.) schloss die Antragstellerin hier am 16.10.2006 einen Sparkontovertrag mit den unbekannten Erben nach I. Sp. . Die Erben sind – z.Zt. in ungeteilter Erbengemeinschaft – Gläubiger des Kontoguthabens und die Antragstellerin ist zu einer schuldbefreienden Auszahlung des Guthabens nur entweder an diese Gläubigergemeinschaft, regelmäßig nur unter Vorlage des Sparbuchs, oder gemäß § 808 Abs. 1 BGB an den Inhaber des Sparbuches berechtigt. Mit der Hinterlegung des Sparbuchs ist dieses sog. qualifizierte Legitimationspapier einer jeweiligen Verwendung gegenüber der Antragstellerin entzogen. Die Präsidentin des Amtsgerichts hat die Antragstellerin auch auf die Vorzüge dieser Vorgehensweise hingewiesen, weil die Anlage des Nachlassvermögens auf einem Sparkonto gegenüber der Hinterlegung des Geldbetrages die Möglichkeit einer Verzinsung einschließt.
3. An einer (weiteren) Sicherung auch des Geldbetrages besteht objektiv kein Interesse. Denn die Antragstellerin hat sich vertraglich dazu verpflichtet, das Geld entsprechend den Vertragsbedingungen des Kontovertrags – zeitlich unbeschränkt – zu verwahren und nach den vorgenannten Grundsätzen grundsätzlich nur an den Kontoinhaber bzw. den Inhaber des Sparbuchs auszuzahlen. Die Antragstellerin kann nicht mit Erfolg geltend machen, dass sie letztlich die von ihr übernommene Verpflichtung zur Verwahrung des Geldbetrages auf die Hinterlegungsstelle übertragen möchte. Insoweit besteht, anders als die Antragstellerin meint, keine zur Gleichbehandlung mit der Nachlasspflegerin verpflichtende Ausgangssituation. Aus der Vorgehensweise eines anderen Amtsgerichts kann die Antragstellerin ohnehin keinen Anspruch auf Gleichbehandlung herleiten.
4. Es ist schließlich nicht ersichtlich, dass eine Hinterlegung aus anderen, von der Antragstellerin nicht angeführten Gründen gerechtfertigt sein könnte. Zwar kann eine Hinterlegung auch zur Erfüllung von Verbindlichkeiten gegenüber dem Nachlass gerechtfertigt sein; eine solche Situation liegt hier jedoch nach dem mitgeteilten Vertragsinhalt nicht vor. Der Sparkontovertrag unterscheidet sich von anderen Leistungsbeziehungen dadurch, dass die Bank zur Auszahlung nur auf Anforderung durch den Kontoinhaber bzw. durch den Inhaber des Sparbuchs berechtigt ist. Eine Verpflichtung zur Auszahlung kann ihr im Übrigen nur aus einer wirksamen Vertragsbeendigung erwachsen, hierfür genügt eine eigenmächtige Auflösung des Kontos nicht.
C.
I. Die Kostenentscheidung für das Antragsverfahren ist deklaratorisch und beruht auf § 22 GNotKG; außergerichtliche Kosten sind nicht angefallen (vgl. Herget, Lückemann in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 30 EGGVG Rn. 1 m.w.N.).
II. Der Geschäftswert des Verfahrens war nach § 36 Abs. 1 GNotKG entsprechend der Höhe des hinterlegten Betrages festzusetzen.


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