Erbrecht

Anwendung der Regeln zur Behandlung einer Falschbezeichnung im Grundbuchverfahren

Aktenzeichen  34 Wx 104/17

Datum:
5.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZfIR – 2017, 631
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 133
GBO GBO §§ 20, 28, 29 Abs. 1

 

Leitsatz

Wird der Gegenstand der Auflassung von den Beteiligten falsch bezeichnet, finden auch im Grundbuchverfahren die allgemeinen Regeln zur rechtlichen Behandlung einer Falschbezeichnung (falsa demonstratio) Anwendung. (Rn. 27)
2. Es ist zumindest ausreichend, wenn sich der Wille der Vertragsparteien aus der Urkunde – gegebenenfalls nach Auslegung gemäß den grundbuchverfahrensrechtlichen Grundsätzen – eindeutig ergibt. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts Starnberg – Grundbuchamt – vom 21. Februar 2017 aufgehoben.
II. Das Amtsgericht Starnberg – Grundbuchamt – wird angewiesen, die Eintragungsanträge nicht wegen unklarer Bezeichnung des aufgelassenen Teileigentums zurückzuweisen.

Gründe

I.
Der Beteiligte zu 1 ist als Miteigentümer von acht Wohnungs- und Teileigentumseinheiten in einem Anwesen im Grundbuch eingetragen. Diese Einheiten, bezeichnet mit Nummern 2 bis 9, befinden sich alle in einem Ärztehaus. Die ursprünglich im Aufteilungsplan als Nr. 5 bezeichnete Einheit im 1. OG wurde mit Urkunde vom 19.10.1995 unterteilt in die Teileigentumseinheiten 5 und 9, die im 2. OG befindlichen Räume, die zunächst als Einheit 6 bezeichnet waren, erhielten nach Unterteilung die Bezeichnungen 6 und 8. Die entsprechende Eintragung im Grundbuch erfolgte am 3.1.1996.
Im Überlassungsvertrag vom 16.11.2016 zwischen dem Beteiligten zu 1 und seinen beiden Söhnen (Beteiligte zu 2 und 3) sind die vertragsgegenständlichen Einheiten wie folgt beschrieben (Ziff. I. Vorbemerkung, Vertragsobjekt):
Im Grundbuch … Bl. X ist Herr … (Beteiligter zu 1) Alleineigentümer eines 180/1000 Miteigentumsanteils an dem Grundstück … verbunden mit Sondereigentum an den Praxis- und Büroräumen im Aufteilungsplan bezeichnet mit Nr. 4.
Im Grundbuch … ist Herr … (Beteiligter zu 1) Alleineigentümer eines 72/1000 Miteigentumsanteils an dem Grundstück … verbunden mit Sondereigentum an den Büro- und Laborräumen im Aufteilungsplan bezeichnet mit Nr. 5.
Im Grundbuch … ist Herr … (Beteiligter zu 1) Alleineigentümer eines 72/1000 Miteigentumsanteils an dem Grundstück … verbunden mit Sondereigentum an den Büro- und Laborräumen im Aufteilungsplan bezeichnet mit Nr. 6.
B)
In demselben Grundbuch … ist Herr … (Beteiligter zu 1) Alleineigentümer eines 78/1000 Miteigentumsanteils am vorgenannten Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an Räumen im Aufteilungsplan mit Nr. 8 bezeichnet.

Vertragsobjekt:
Herr … (Beteiligter zu 1) möchte den 1. Stock des Anwesens seinem Sohn … (Beteiligter zu 3) schenken. Es handelt sich um die Wohnungen 4 und 5 seiner Meinung nach. Herr … (Beteiligter zu 1) möchte den 2. Stock des Anwesens seinem Sohn … (Beteiligter zu 2) schenken. Es handelt sich um die Wohnungen 6 und 8 seiner Meinung.
Sollte dies nicht richtig sein, ist der Notar ermächtigt, die Vertragsobjekte näher nach Vorliegen der Pläne zu bezeichnen, falls es sich um die Wohnungen 7 und 9 handeln sollte. …
Nach Ziff. II. der Urkunde überließ der Beteiligte zu 1 jeweils unentgeltlich einem Sohn, dem Beteiligten zu 3, „die Wohnungen 4 und 5“ zum Alleineigentum, sowie „die Wohnungen 6 und 8“ seinem weiteren Sohn, dem Beteiligten zu 2. Jeweils behielt sich der Beteiligte zu 1 den Nießbrauch vor. In Ziff. IV. (Auflassung) erklärten sich die Vertragsteile einig über den Eigentumsübergang hinsichtlich des in Abschnitt II. bezeichneten Erwerbsvorganges.
Zum (Teil-)Vollzug legte der Notar dem Grundbuchamt am 29.12.2016 diese Urkunde zusammen mit folgender von ihm gesiegelter und unterschriebener Feststellung vom 30.11.2016 vor:
Zu der Urkunde … wird folgendes festgestellt bzw. berichtige ich gemäß § 44a BeurkG:
Vertragsobjekt:
Herr … (Beteiligter zu 1) möchte den 1. Stock des Anwesens seinem Sohn … (Beteiligter zu 3) schenken. Es handelt sich richtig um die Wohnungen 5 und 9.
Bezeichnung der Wohnung Nr. 9:
In demselben Grundbuch … Bl. Y ist Herr … (Beteiligter zu 1) Alleineigentümer eines 78/1000 Miteigentumsanteils an dem … Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an Räumen im Aufteilungsplan mit Nr. 9 bezeichnet.
Die Urkunden werden an allen einschlägigen Stellen diesbezüglich berichtigt und ergänzt.
Daher ist nicht die Einheit 4 Vertragsobjekt …
Das Grundbuchamt hat den Antrag mit Beschluss vom 21.2.2017 zurückgewiesen. Für die vorgenommene Bezeichnung der Einheit 4 als richtigerweise Wohnung 9 habe der Notar keine Ermächtigung. Diese sei eng auszulegen und nicht umzudeuten. Im Übrigen könne von einem Schreibversehen nicht ausgegangen werden, da den Beteiligten die mögliche Divergenz bewusst war.
Dagegen wendet sich der Notar für die Beteiligten mit Beschwerde vom 6.3.2017. Die an den Beteiligten zu 2 aufgelassenen Wohnungen 6 und 8 seien korrekt bezeichnet gewesen, so dass die Auflassung wegen des beantragten Teilvollzugs hätte eingetragen werden müssen. Die Feststellung sei im Übrigen von der Ermächtigung gedeckt.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Der Teilvollzug sei auch nicht möglich, da die Auflassung aufgrund der Einschränkung „seiner Meinung nach“ den Vertragsgegenstand im Unklaren lasse. Die Ermächtigung beziehe sich nur auf zwei Wohnungen und könne daher nicht den gesamten Vertrag retten.
II.
Die nach § 11 Abs. 1 RPflG mit § 71 Abs. 1 GBO statthafte unbeschränkte Beschwerde ist nach §§ 73, 15 Abs. 2 GBO vom Notar für die Beteiligten zu 1 bis 3 in zulässiger Weise eingelegt.
Sie hat auch Erfolg, da die Auflassung nach den Grundsätzen der falsa demonstratio klar den Einheiten zuzuordnen ist.
1. Beantragt hat der Notar in Ausübung der Vollzugsvollmacht unter Bezugnahme auf die Urkunde vom 16.11.2016 mit beigefügter Feststellung vom 30.11.2016 die Eintragung der Auflassung von Teileigentumseinheiten 5 und 9 an den Beteiligten zu 3 und von Einheiten 6 und 8 an den Beteiligten zu 2.
2. Die entsprechenden Auflassungen, § 20 GBO, liegen in der grundbuchrechtlich notwendigen Eindeutigkeit (§ 28 GBO) vor.
a) In der Urkunde vom 16.11.2016 werden die an den Beteiligten zu 3 aufgelassenen Teileigentumseinheiten mit den Nummern 4 und 5 benannt und damit beschrieben, dass sie im ersten Stock des Anwesens liegen. Zu Einheit 4 wird zudem ein Miteigentumsanteil von 180/1000 und das Grundbuchblatt X genannt.
b) Der Wortsinn einer Erklärung – hier der Bezugnahme auf das Grundbuch und Bezeichnung der Nummer der Einheit – ist nicht maßgeblich, wenn feststeht, dass die Vertragsparteien in der Erklärung bei der Beschreibung eines Teileigentums eine andere Vorstellung haben, als die dazu in Bezug genommenen Urkunden erwarten lassen. Denn dann handelt es sich bei der Bezeichnung des Teileigentums im Vertragstext um eine sog. versehentliche Falschbezeichnung (falsa demonstratio). Eine solche Falschbezeichnung ändert nach § 133 BGB nichts daran, dass – wie auch sonst – nicht das fehlerhaft Erklärte, sondern das wirklich Gewollte gilt (BGH NJW 2002, 1038; NJW-RR 2013, 789; Rpfleger 2017, 263). Die Wirksamkeit des schuldrechtlichen Vertrags wie auch der Auflassung bleibt davon unberührt (BGHZ 87,150/153; Senat vom 28.4.2016, 34 Wx 378/15, juris; Palandt/Bassenge BGB 76. Aufl. § 925 Rn. 14).
c) Hier haben die Parteien in der Urkunde vom 16.11.2016 klar zum Ausdruck gebracht, dass die Bezeichnung der Einheiten mit Nummern 4, 5, 6 und 8 nicht sicher ist. Damit haben sie jedoch nicht – wie das Grundbuchamt meint – im Unklaren gelassen, ob diese Einheiten überhaupt Vertragsgegenstand sein sollen. Vielmehr war unzweideutig in der Urkunde zum Ausdruck gebracht, dass ein Sohn das erste Obergeschoss und der andere Sohn das zweite Obergeschoss des Anwesens komplett erhalten sollten. Die zugehörigen Einheiten lassen sich daher mit Hilfe der Bewilligung vom 19.10.1995 eindeutig zuordnen.
Somit ist die Auflassung an den Beteiligten zu 3 hinsichtlich der Teileigentumseinheiten 5 und 9 erklärt worden, auf das sich der übereinstimmende Wille erstreckte. Dagegen liegt für die vom Wortlaut der Erklärungen erfasste Einheit 4 nur scheinbar eine Einigung vor, insoweit fehlt es aber in Wirklichkeit an einer Auflassung.
d) Nichts anderes gilt für die in der Urkunde zutreffend bezeichneten Einheiten, auch wenn die Einheiten ebenfalls nur als „nach Meinung“ der Vertragsparteien mit Nummern bezeichnet sind. Auch hier ergibt sich schon eindeutig aus der Urkunde zusammen mit der Teilungserklärung, dass diese im 2. Obergeschoss gelegenen Einheiten Vertragsgegenstand sind und ohne Vorbehalt aufgelassen werden sollten.
2. Die Form der Auflassung nach § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO ist eingehalten, auch wenn die Urkunde vom 16.11.2016 von der Auflassung der Einheiten 4 und 5 an den Beteiligten zu 3 spricht.
a) Hinsichtlich der für das schuldrechtliche Kausalgeschäft geltenden Formvorschrift des § 311b BGB ist anerkannt, dass es grundsätzlich nicht darauf ankommt, ob der Wille der Parteien in der Vertragsurkunde einen ausreichenden Niederschlag gefunden hat. Vielmehr muss bei einer sog. versehentlichen Falschbezeichnung das von den Parteien Vereinbarte nicht einmal andeutungsweisen Niederschlag in der Urkunde gefunden haben (BGH NJW-RR 2013, 789).
Es kann dahingestellt bleiben, ob dies so auch im Grundbuchverfahren gilt, in dem eine Beweisaufnahme nicht stattfindet, sondern der Nachweis der materiell-rechtlich formfreien Auflassung in der Form des § 29 Abs. 1 GBO von den Beteiligten zu führen ist. Es ist zumindest ausreichend, wenn sich der Wille der Vertragsparteien aus der Urkunde – gegebenenfalls nach Auslegung gemäß den grundbuchverfahrensrechtlichen Grundsätzen – eindeutig ergibt.
b) Der tatsächliche Wille der Urkundsbeteiligten ergibt sich hier schon unzweifelhaft aus der notariellen Urkunde und der im Grundbuch in Bezug genommenen Teilungserklärung (vgl. oben 1 c)). Zudem haben die Beteiligten den Notar ermächtigt, in ihrem Namen die Bezeichnung des Vertragsgegenstandes klarzustellen. Dies hat er auch getan. Es kann daher dahinstehen, ob die Feststellung des Notars vom 30.11.2016 von § 44a BeurkG gedeckt ist; jedenfalls hält sich die im Namen der Beteiligten abgegebene notarielle Erklärung im Rahmen der Ermächtigung. Dass die Ermächtigung so zu verstehen sein sollte, dass sie nur bei einer unrichtigen Bezeichnung beider Einheiten (7 und 9 statt 6 und 8) greifen sollte, erscheint abwegig, nachdem die Beteiligten klar definiert hatten, dass die Einheiten im 1. und 2. Obergeschoss jeweils Vertragsgegenstand sein sollten.
3. Eine Anweisung an das Grundbuchamt, die Eintragung vorzunehmen, spricht der Senat nicht aus, da Zwischeneintragungen nicht ausgeschlossen werden können. Das Grundbuchamt wird vielmehr angewiesen, den Antrag nicht wegen ungenügender Bezeichnung der Einheiten in der Auflassung zurückzuweisen.
4. Eine Kostenentscheidung nicht veranlasst. Nach § 25 Abs. 1 GNotKG erlischt die Kostenhaftung grundsätzlich, wenn das Rechtsmittel ganz oder teilweise mit Erfolg eingelegt worden ist.

Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG):
…, JAng
Übergabe an die Geschäftsstelle Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle am 05.07.2017.


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