Erbrecht

Grundstücksentnahme bei Bestellung von Erbbaurechten

Aktenzeichen  VI R 30/18

Datum:
31.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2021:U.310321.VIR30.18.0
Normen:
§ 13 EStG 2009
§ 7 Abs 1 EStDV 1981
§ 163 AO
§ 227 AO
§ 6 Abs 3 EStG 2009
§ 1 ErbbauV
§§ 1ff ErbbauV
§ 6 Abs 1 Nr 4 EStG 2009
§ 4 Abs 1 EStG 2009
EStG VZ 2012
Spruchkörper:
6. Senat

Leitsatz

1. Die Bestellung von Erbbaurechten an land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken und die anschließende Bebauung durch die Berechtigten führt zur Entnahme der Grundstücke, falls die endgültige Nutzungsänderung mehr als 10 % der Gesamtfläche des Betriebs betrifft.
2. Ist die Geringfügigkeitsgrenze von 10 % überschritten, kommt es für das Vorliegen einer Entnahme regelmäßig nicht auf einen Vergleich der Erträge aus der Vermögensverwaltung und der Land- und Forstwirtschaft oder auf die Anwendung anderer Abgrenzungskriterien an.

Verfahrensgang

vorgehend FG Münster, 26. April 2018, Az: 6 K 4135/14 F, Urteil

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 26.04.2018 – 6 K 4135/14 F wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.
1
Die Kläger und Revisionskläger zu 1. bis 3. (Kläger) sind die Erben nach ihrer während des Revisionsverfahrens verstorbenen Mutter IV, und die Nacherben nach ihrem Vater DV.
2
IV veräußerte mit notariell beurkundetem Vertrag von September 2012 die im Grundbuch von V, Blatt 0001, verzeichneten Grundstücke Flur 01, Flurstücke (FlSt) 02, 03 und 04 sowie Flur 02, FlSt 05, 06 und 07 mit einer Gesamtfläche von 74 001 qm an die Stadt V zu einem Kaufpreis von … €.
3
Diese Grundstücke hatte IV im Jahr 2009 von ihrem Ehemann DV geerbt, der bis zum Jahr 2005 als Rechtsanwalt tätig gewesen war. Zuvor standen die Grundstücke im Eigentum des Vaters von DV, FWV.
4
FWV hatte einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb geführt, den er bis zum ersten Weltkrieg selbst bewirtschaftet hatte. Infolge einer Kriegsverletzung stellte FWV die Bewirtschaftung ein und verpachtete die landwirtschaftlich genutzten Flächen, nicht jedoch die forstwirtschaftlichen Flächen, an verschiedene Landwirte. Laut Einheitswertfeststellung auf den 01.01.1964 umfasste der Betrieb 77 476 qm landwirtschaftlich genutzte Flächen einschließlich Hof- und Gebäudeflächen sowie 13 000 qm forstwirtschaftliche Flächen. Diese Flächen waren zunächst im Grundbuch von X Band 01 Blatt 0002 verzeichnet.
5
Erben des 1981 verstorbenen FWV waren sein Sohn DV und seine Enkel, die Kläger. Die Erbengemeinschaft setzte sich mit notariell beurkundetem Vertrag von November 1984 auseinander. Der Vertrag enthielt u.a. folgende Regelungen:
“II. Bestand des Nachlasses
Der Nachlaß besteht aus
a)  
dem in W, W-Straße 1, … W, gelegenen, im Grundbuch von W Band 02 Blatt 0004 eingetragenen Grundbesitz, das mit einem Verkehrswert von … DM angegeben wird,
b)  
den Erbbaugrundstücken, eingetragen im Grundbuch von X Blatt 0005, Flur 03, Flurstücke 08, 09, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25 und 26, die mit einem Verkehrswert von … DM (Jährlicher Erbbauzins … DM x 18) angegeben werden,
den im Grundbuch von X Blatt 0005 eingetragenen landwirtschaftlich genutzten Grundstücken mit aufstehenden Gebäuden Flur 01 Flurstücke 27 und 02, sowie Flur 02 Flurstücke 05, 28 und 06 die bisher aufgrund einer noch nicht endgültig abgeschlossenen Flurbereinigung V II zugeteilt worden sind,
c)  
die land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücke mit aufstehenden Wirtschaftsgebäuden, eingetragen im Grundbuch von X Band 01 Blatt 0002, mit einem Verkehrswert von … DM
d)  
der dem Erblasser zustehende 1/2 Anteil an Bargeld, Sparbücher und Wertpapiere ca. … DM
III. Zuteilung
Wir setzen uns über diesen Nachlaß wie folgt auseinander:
1.  
Der Erschienene zu 2) bis 4) [die Kläger] erhalten den in Ziffer II unter a) und b) genannten Grundbesitz mit aufstehenden Gebäuden allein und stellen den Miterben von sämtlichen Verpflichtungen, gleich welcher Art, frei.
2.  
Der Erschienene zu 1. [DV] erhält den in Ziffer II c) genannten land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitz mit aufstehenden Wirtschaftsgebäuden zu Alleineigentum. Er stellt seine Miterben von sämtlichen Verpflichtungen, gleich welcher Art, frei.
3. 
Bargeld, Sparbücher und Wertpapiere, wie in Ziffer II d) genannt, erhält die Vermächtnisnehmerin Frau Y … Ihr steht auch der gesamte Hausrat zu. …”
6
Der notariell beurkundete Vertrag enthielt unter “IV. Übertragung” ferner die Regelung, dass der Grundbesitz W Band 02 Blatt 0004 und X Blatt 0005 auf die Kläger zu je 1/3 Miteigentumsanteil und der Grundbesitz X Band 01 Blatt 0002 auf DV zu Alleineigentum übergehen sollte. Weiter ist in dem Vertrag der Hinweis aufgenommen, dass die Grundbuchinhalte vom Notar nicht festgestellt wurden.
7
Die an die Kläger im Rahmen der Erbauseinandersetzung übertragenen Erbbaugrundstücke wiesen zum Übertragungszeitpunkt ausweislich des damaligen Grundbuchinhalts eine Fläche von 9 019 qm auf.
8
Die an DV und die Kläger im Rahmen der Erbauseinandersetzung übertragenen Grundstücke in V, die ursprünglich zu dem von FWV unterhaltenen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehörten, waren –anders als in dem notariell beurkundeten Vertrag angegeben– bereits ab dem 13.05.1970 im Grundbuch von V Blatt 0003 als laufende Nrn. 1 bis 7 erfasst. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Grundstücke:
Nr.     
Gemarkung
Flur   
FlSt   
Lage   
Größe qm
1       
V       
03    
29    
Grünland, B-Straße
14 579
2       
V       
04    
30    
Holz, C
11 237
3       
V       
04    
31    
Grünland, C
8 598 
4       
X       
01    
32    
Acker, D
11 825
5       
X       
01    
33    
Grünland, D
4 200 
6       
X       
01    
02    
Acker, D
13 704
7       
X       
01    
27    
Grünland, Beb. Hofraum, E
26 368
        
        
        
        
Gesamtgröße
90 511
9
Das unter der laufenden Nr. 1 verzeichnete Flurstück wurde ab 1970 bauplanungsrechtlich zu einem großen Teil als Bauland und zu einem Teil als Fläche für Erschließungsanlagen (Straßen) ausgewiesen. Das entsprechende Planungsverfahren hatte bereits im Jahr 1967 begonnen. Der Bebauungsplan wurde am 15.12.1970 rechtskräftig. In diesem Zusammenhang gingen ab dem Jahr 1970 aus dem Flurstück Flur 03 FlSt 29 durch Parzellierung 39 weitere Flurstücke hervor. Außerdem erwarb FWV drei Flurstücke mit einer Gesamtgröße von 83 qm hinzu. An 26 dieser nunmehr insgesamt 42 Flurstücke bestellte FWV von Mai 1970 bis Januar 1974 Erbbaurechte. Die Grundstücke, an denen FWV die Erbbaurechte bestellt hatte, wiesen eine Größe von insgesamt 9 739 qm auf. Die weiteren neu parzellierten Flurstücke veräußerte FWV als Baugrundstücke an Dritte bzw. als für die Erschließung des Baugebiets vorgesehene Flächen an die Stadt V.
10
Die unter den Nrn. 2 bis 7 der vorgenannten Tabelle aufgeführten Grundstücke wurden am 13.12.1985 in das Grundbuch von V, Blatt 0001 übertragen. Darin enthalten waren die Flächen, die im Erbauseinandersetzungsvertrag von November 1984 unter II. Buchst. b 2. Teil als im Grundbuch von X Blatt 0005 eingetragene, landwirtschaftlich genutzte Grundstücke mit aufstehenden Gebäuden Flur 01 FlSt 27 und 02, sowie Flur 02 FlSt 05, 28 und 06 bezeichnet worden waren, die “bisher aufgrund einer noch nicht endgültig abgeschlossenen Flurbereinigung V II zugeteilt worden sind”. Während des Flurbereinigungsverfahrens “V II” trat DV hinsichtlich dieser Flurstücke in die Stellung des FWV ein. Nach Abschluss des Flurbereinigungsverfahrens wurden die Grundstücke (Gemarkung V, Flur 04, FlSt 30 und 31, Gemarkung X Flur 01, FlSt 32 und 33) durch die Grundstücke Gemarkung V, Flur 02, FlSt 05, 28 und 06 (wie im Erbauseinandersetzungsvertrag benannt) ersetzt. Die Grundstücke Gemarkung X Flur 01, FlSt 02 und 27 verblieben ohne Veränderung durch das Flurbereinigungsverfahren im Eigentum des DV.
11
Nach dem Flurbereinigungsverfahren und der Teilung einzelner Flurstücke wurde das aufgrund der Erbauseinandersetzung nach FWV auf DV übergegangene Eigentum im Grundbuch von V Blatt 0001 wie folgt erfasst:
Nr.     
Gemarkung
Flur   
FlSt   
Lage   
Größe qm
5       
X       
01    
02    
Acker, Grünland, D
13 704
7       
V       
02    
05    
Ackerland, Grünland, C
7 882 
9       
V       
02    
06    
Mischwald, C
11 774
10    
V       
02    
07    
Ackerland, C
14 273
11    
V       
02    
34    
Gartenland, C
2 511 
12    
X       
01    
03    
Gebäude- und Freifläche, F-Straße
5 319 
13    
X       
01    
04    
Verkehrsfläche E
21 049
        
        
        
        
Gesamtgröße
76 512
12
Das Grundstück mit der laufenden Nr. 11 (Gartenland, C, 2 511 qm) veräußerte DV im Jahr 1994. Das Eigentum an den verbliebenen Grundstücken mit einer Größe von insgesamt 74 001 qm ging nach dem Tod von DV auf IV im Wege der Erbfolge über. Bewertungsrechtlich wurde der zuvor DV zugerechnete, aus dem vorstehenden Grundbesitz bestehende Betrieb der Land- und Forstwirtschaft (land- und forstwirtschaftliche Flächen einschließlich Hof- und Gebäudeflächen) der IV mit Bescheid vom 29.04.2010 im Rahmen einer Zurechnungsfortschreibung zugerechnet.
13
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) erließ gegenüber IV einen Bescheid über die gesonderte Gewinnfeststellung für 2012. Darin stellte das FA einen Veräußerungsgewinn i.S. von § 14 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 161.314 € fest. Der Einspruch der IV blieb ohne Erfolg.
14
Das Finanzgericht (FG) wies die im Anschluss von IV erhobene Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2018, 1362 veröffentlichten Gründen ab.
15
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
16
Sie beantragen sinngemäß,das Urteil des FG und den Bescheid über die gesonderte Feststellung von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft für 2012 vom 29.08.2013 sowie die Einspruchsentscheidung vom 18.11.2014 aufzuheben.
17
Das FA beantragt,die Revision zurückzuweisen.


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