Erbrecht

Kraftfahrzeugsteuervergünstigungen für Schwerbehinderte – Antragsrecht der Erben; Feststellungsbescheid über Eigenschaft als Behinderter als Grundlagenbescheid für Kraftfahrzeugsteuerbescheid

Aktenzeichen  IV R 38/19

Datum:
10.2.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2021:U.100221.IVR38.19.0
Normen:
§ 171 Abs 10 AO
§ 69 Abs 1 SGB 9
§ 69 Abs 4 SGB 9
§ 69 Abs 5 SGB 9
§ 152 Abs 1 SGB 9 2018
§ 152 Abs 2 SGB 9 2018
§ 152 Abs 5 SGB 9 2018
§ 3a KraftStG 2002
§ 45 AO
§ 7 Abs 1 KraftStDV 2017
§ 7 Abs 4 KraftStDV 2017
§ 150 AO
Spruchkörper:
4. Senat

Leitsatz

1. Das Antragsrecht für die Gewährung kraftfahrzeugsteuerrechtlicher Vergünstigungen für Schwerbehinderte steht nach dem Tod des Berechtigten seinen Erben zu (entgegen Ziff. 8.7 DV-KraftSt).
2. Der Feststellungsbescheid über das Vorliegen einer Behinderung, den GdB und über das Vorliegen weiterer gesundheitlicher Merkmale ist hinsichtlich dieser Feststellungen Grundlagenbescheid für den Kraftfahrzeugsteuerbescheid über Vergünstigungen für Schwerbehinderte.

Verfahrensgang

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 18. Oktober 2019, Az: 13 K 1012/18, Urteil

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 18.10.2019 – 13 K 1012/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.
1
Streitig ist, ob für ein bereits abgemeldetes Kfz noch nach dem Tod des Berechtigten auf Antrag von dessen Rechtsnachfolgern die Steuerbefreiung für Schwerbehinderte (§ 3a Abs. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes –KraftStG–) zu gewähren ist.
2
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Miterben in ungeteilter Erbengemeinschaft des im Juli 2017 verstorbenen B. B war bis zur Abmeldung des Fahrzeugs am 07.05.2017 Halter eines PKW gewesen. Aufgrund der Abmeldung hatte der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt –HZA–) die bisherige Kraftfahrzeugsteuerfestsetzung mit Bescheid vom 18.05.2017 nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 KraftStG geändert und von bisher jährlich 100 € für den nunmehr verkürzten Zeitraum von nur noch 278 Tagen auf 75 € reduziert. Der Bescheid war bestandskräftig geworden.
3
Im Januar 2018 beantragten die Kläger als Rechtsnachfolger des B beim HZA, den PKW nach § 3a Abs. 1 KraftStG rückwirkend für die Zeit ab dem 24.02.2017 vollständig von der Kraftfahrzeugsteuer zu befreien. Dem Schreiben war ein Bescheid des Landratsamts X vom 22.06.2017 beigefügt, mit dem festgestellt worden war, dass bei B seit dem 24.02.2017 ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 vorgelegen hatte. Ferner waren für B seit diesem Zeitpunkt die Merkzeichen G, B, H, aG und RF festgestellt worden. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der PKW seit dem 24.02.2017 bis zu seiner Abmeldung nicht zweckfremd verwendet wurde.
4
Mit Bescheid vom 26.01.2018 lehnte das HZA die Gewährung der Steuervergünstigung ab. Bei dieser handele es sich um ein höchstpersönliches Recht, welches nicht auf die Erben übergehen könne. Die Steuerbefreiung diene der Förderung der Mobilität behinderter Menschen. Dieser Zweck könne nach dem Tod des Halters nicht mehr erreicht werden.
5
Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglos durchgeführtem Einspruchsverfahren erhobenen Klage mit Urteil vom 18.10.2019 – 13 K 1012/18 statt. Es verpflichtete das HZA, den Steuerbescheid vom 18.05.2017 dahin zu ändern, dass die Steuerbefreiung nach § 3a Abs. 1 KraftStG rückwirkend ab dem 24.02.2017 bis zum 07.05.2017 gewährt und die Kraftfahrzeugsteuer demgemäß für die Zeit vom 03.08.2016 bis zum 23.02.2017 auf 55 € und vom 24.02.2017 bis zum 07.05.2017 auf 0 € festgesetzt wird. Dies begründete das FG im Wesentlichen wie folgt:
6
Die Kläger hätten nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) einen Anspruch auf die beantragte Änderung des Kraftfahrzeugsteuerbescheids vom 18.05.2017. Als Gesamtrechtsnachfolger des B seien sie insbesondere auch berechtigt gewesen, den für die Gewährung der Steuerbefreiung nach § 3a KraftStG erforderlichen Antrag zu stellen. Bei diesem Antrag handele es sich –anders als bei der Steuerbefreiung selbst– nicht um ein höchstpersönliches Recht.
7
Mit seiner Revision rügt das HZA die Verletzung von § 3a Abs. 1 und Abs. 3 KraftStG.
8
Entgegen der Auffassung des FG handele es sich bei dem in § 3a Abs. 3 KraftStG vorgesehenen Antragsrecht um ein höchstpersönliches Recht des Halters, das nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Kläger übergegangen sei. Nach dem Zweck des § 3a Abs. 1 KraftStG sei ein Übergang des Antragsrechts des § 3a Abs. 3 Satz 1 KraftStG auf die Erben der schwerbehinderten Person ausgeschlossen. § 3a Abs. 1 KraftStG bezwecke die Förderung der Mobilität schwerbehinderter Personen. Die Steuererleichterung sei als persönliche Vergünstigung zugunsten schwerbehinderter Personen konzipiert und könne deshalb nicht auf andere Personen übertragen werden. Aus diesem Normzweck folge die Rechtsnatur des Antragsrechts nach § 3a Abs. 3 Satz 1 KraftStG als höchstpersönliches Recht. Sei der schwerbehinderte Halter bereits verstorben, könne durch eine rückwirkende Gewährung der Steuerbefreiung dessen Beförderung/Fortbewegung nicht mehr unmittelbar zugunsten seiner Person gefördert werden. Ginge das Antragsrecht auf die Erben über, erhielten diese einen steuerlichen Vorteil, der nach dem Normzweck des § 3a Abs. 1 KraftStG dem Erblasser zustehe. Zudem würde das Steuerrechtsverhältnis des Erblassers nachträglich so modifiziert, dass die Erben günstiger behandelt würden als der Erblasser. Auch könnten dann Dritte über ein höchstpersönliches Recht der schwerbehinderten Person disponieren.
9
Entgegen der Auffassung des FG sei § 3a KraftStG mit den Fällen der §§ 33, 33b des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht vergleichbar, denn bei den dort geregelten Abzugsbeträgen handele es sich nicht um höchstpersönliche Rechte.
10
Das HZA beantragt,das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
11
Die Kläger beantragen,die Revision zurückzuweisen.


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