Aktenzeichen 34 Wx 199/18
GBO § 13, § 22, § 29 Abs. 3, § 38, § 53 Abs. 1 S. 1, § 71 Abs. 2
Leitsatz
Nach § 38 GBO ist in den Fällen, in denen nach gesetzlicher Vorschrift eine Behörde befugt ist, das Grundbuchamt um eine Eintragung zu ersuchen, die Eintragung aufgrund dieses Ersuchens vorzunehmen. Ob alle Voraussetzungen für den materiellen Übergang bzw. -untergang von Rechten (hier gemäß § 91 ZVG), um deren Löschung ersucht wird, gegeben sind, liegt in der Verantwortung der ersuchenden Behörde (hier des Vollstreckungsgerichts als ersuchende Behörde gem. § 130 ZVG). Nur wenn einem Ersuchen jede Rechtsgrundlage fehlt und das Grundbuchamt davon sichere Kenntnis hat, darf es das Ersuchen zurückweisen. (Rn. 11 – 12) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Beschwerde des Beteiligten gegen die am 10. April 2018 im Grundbuch des Amtsgerichts Weilheim i. OB von … Bl. … und dem vormaligen Bl. … vorgenommenen Eintragungen wird zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.147.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Beteiligte war als Eigentümer von Grundbesitz im Grundbuch eingetragen.
Im Grundbuch waren vor Übertragung auf ein neues Grundbuchblatt in Abteilung II unter lfd Nr. 4 ein Zwangsversteigerungsvermerk, unter lfd. Nr. 5 eine Vormerkung eingetragen sowie in Abteilung III lfd. Nrn. 2 bis 13 und 15 bis 19 diverse Grundschulden und Zwangssicherungshypotheken.
Am 4.4.2018 ersuchte der Rechtspfleger der Abteilung für Zwangsversteigerungssachen beim Grundbuchamt des eigenen Amtsgerichts um die Löschung der oben angeführten Vermerke und Rechte sowie die Eintragung der Ersteherin des Grundstücks unter Bezugnahme auf den vorgelegten Zuschlagsbeschluss vom 10.6.2016.
Daraufhin nahm das Grundbuchamt am 10.4.2018 die beantragten Eintragungen und Löschungen unter Übertragung des Grundstücks auf ein neues Grundbuchblatt vor.
Am 30.4.2018 wandte sich der Beteiligte mit „Einspruch sowie Beschwerde und Widerspruch“ gegen die am 10.4.2018 vorgenommenen Eintragungen. Das Zwangsversteigerungsverfahren sei nämlich noch nicht abgeschlossen.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Der Senat hat die Akten des Zwangsversteigerungsverfahrens beigezogen. Nach den dortigen Schreiben hält der Beteiligte den Zuschlag für unwirksam, da sittenwidrig. Aus den Akten ergibt sich, dass das OLG München am 2.8.2017 die Beschwerde des Beteiligten gegen eine Entscheidung des Landgerichts vom 12.6.2017, mit der der Zuschlag bestätigt wurde, zurückgewiesen hat.
II.
1. Das Rechtsmittel ist als beschränkte Beschwerde (§ 71 Abs. 2 GBO) statthaft, soweit es sich gegen die Eintragung der neuen Eigentümerin aufgrund Zuschlags und gegen die Löschung der Eigentümergrundschulden (Abt. III lfd. Nr. 3 bis 11 des ursprünglichen Grundbuchblattes) richtet. Gegen eine Eintragung im Grundbuch kann der betroffene Eigentümer nach § 11 Abs. 1 und 3 RPflG, § 71 Abs. 2 GBO Beschwerde nur mit dem Ziel einlegen, gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO die Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit der beanstandeten Eintragung oder gemäß § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO deren Löschung wegen inhaltlicher Unzulässigkeit herbeizuführen (Hügel/Kramer GBO 3. Aufl. § 71 Rn. 150 m. w. Nachweisen). Bei der Eintragung des Erstehers als Eigentümer auf Grund des vollstreckungsgerichtlichen Ersuchens vom 4.4.2018 handelt es sich ebenso wie bei der am selben Tag vorgenommenen Eintragungen in Abteilungen II und III um Eintragungen in diesem Sinne (Demharter GBO 31. Aufl. § 71 Rn. 51); an sie kann sich nämlich ein gutgläubiger Erwerb anschließen (Demharter § 71 Rn. 1 mit 37).
Insofern ist die Beschwerde zulässig erhoben, § 73 GBO. Der Beteiligte ist nämlich in diesem Umfang auch beschwerdeberechtigt. Im Amtsverfahren ist beschwerdeberechtigt nur, wer, falls die Eintragungen unrichtig wären, nach § 894 BGB den Berichtigungsanspruch hätte, zu dessen Gunsten also ein Widerspruch gebucht werden müsste (vgl. Demharter § 71 Rn. 69). Die behauptete Rechtsstellung muss dabei nicht positiv feststehen, jedoch die ernsthafte Möglichkeit der Rechtsbeeinträchtigung muss gegeben sein (Senat vom 24.9.2010, 34 Wx 120/10 = NJWRR 2011, 235; Hügel/Kramer § 71 Rn. 198). Da der Beteiligte den Zuschlagbeschluss für sittenwidrig und daher nichtig hält und vorträgt, die Eintragung der Zwangsversteigerung sei nicht zulässig gewesen, erscheint insofern seine Rechtsbeeinträchtigung zwar zweifelhaft, jedoch zumindest möglich. Auf alle Fälle hätte der Beteiligte im Hinblick auf die gelöschten Eigentümergrundschulden ein eigenes Antragsrecht nach §§ 13, 22 GBO (vgl. Senat vom 25.1.2017, 34 Wx 345/16 = FGPrax 2017, 111).
2. Im Übrigen ist die Beschwerde jedoch nicht zulässig, da eine Beschwerdeberechtigung fehlt. Die gelöschte Vormerkung war zugunsten einer Verwandten des Beteiligten eingetragen. Im Hinblick auf die Löschungen der Zwangssicherungshypotheken in Abteilungen III des zwischenzeitlich geschlossenen Grundbuchblattes ist ebenfalls nicht ersichtlich, dass der Beteiligte Inhaber der dort eingetragenen Rechte wäre und damit einen Berichtigungsanspruch hätte. Der Beteiligte hat daher insofern jeweils kein eigenes Antragsrecht nach §§ 13, 22 GBO und ist folglich diesbezüglich nicht beschwerdeberechtigt.
3. Soweit das Rechtsmittel zulässig ist, ist es jedoch unbegründet, weil die Voraussetzungen für die Eintragung eines Amtswiderspruchs oder für eine Löschung von Amts wegen (vgl. § 53 Abs. 1 GBO) nicht gegeben sind.
Die Eintragung des Erstehers als Eigentümer (Abt. I/1 des nun angelegten Grundbuchblattes) wurde auf der Grundlage eines Ersuchens des derselben Behörde zugehörigen Vollstreckungsgerichts nach § 38 GBO vollzogen. Hiernach ist in den Fällen, in denen nach gesetzlicher Vorschrift eine Behörde befugt ist, das Grundbuchamt um eine Eintragung zu ersuchen, die Eintragung aufgrund dieses Ersuchens vorzunehmen. Das Grundbuchamt hat neben der – hier gewahrten – Form (§ 29 Abs. 3 GBO; vgl. zuletzt Senat vom 20.1.2017, 34 Wx 413/16 = NJW-RR 2017, 265) und dem Aussteller des Ersuchens – in diesem Fall das Vollstreckungsgericht als ersuchende Behörde gemäß der Ermächtigungsnorm des § 130 ZVG – nur das Vorliegen bestimmter für die Eintragung notwendiger Angaben (vgl. § 9 Buchst. d, § 15 GBV, § 47 GBO) und das Vorliegen der steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung (§ 22 Abs. 1 GrEStG) zu überprüfen (Hügel/Zeiser § 38 Rn. 32). Ob alle Voraussetzungen für den materiellen Übergang bzw. -untergang von Rechten (§ 91 ZVG), um deren Löschung ersucht wird, gegeben sind, liegt in der Verantwortung des Vollstreckungsgerichts (Hügel/Zeiser a. a. O.). Das Ergebnis der Zwangsversteigerung ist entsprechend dem Ersuchen einheitlich zu erledigen und auch durch Eigentümereintragung sowie Löschung des Zwangsversteigerungsvermerks so erledigt worden.
Für die inhaltliche Richtigkeit des maßgeblichen Ersuchens vom 4.4.2018 trägt das Vollstreckungsgericht die Verantwortung. Dabei obliegt es diesem und nicht dem ersuchten Grundbuchamt, zu überprüfen, ob alle Voraussetzungen für den materiellen Rechtsübergang auf den Erwerber gegeben sind. Das umfasst beispielsweise auch die Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses (Schöner/Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 998). Eine Verletzung von gesetzlichen Vorschriften durch das Grundbuchamt, wie sie die Eintragung eines Amtswiderspruchs voraussetzt, ist nicht ersichtlich. Nur wenn einem Ersuchen jede Rechtsgrundlage fehlen würde (zum Ganzen Demharter § 38 Rn. 74) und das Grundbuchamt davon sichere Kenntnis hätte, dürfte es das Ersuchen zurückweisen (vgl. KG FGPrax 2003, 56). Woraus sich eine Kenntnis für das Grundbuchamt erschließen sollte, das seinerseits weder den Zuschlagsbeschluss noch die Niederschrift über den Verteilungstermin, erst recht nicht die Akten über die Zwangsversteigerung, zu prüfen und auf Widersprüche hin zu untersuchen hatte, ist nicht ersichtlich.
Im Übrigen hat der Senat die Akten des Zwangsversteigerungsverfahrens beigezogen. Daraus ergibt sich nicht, dass der Zwangsversteigerungsbeschluss nichtig wäre. Vielmehr wurde mit Beschluss des OLG München vom 2.8.2017 die Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 12.6.2017 verworfen, mit dem die Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss zurückgewiesen wurde. Soweit der Beteiligte derzeit im Verteilungsverfahren noch Rechtsbehelfe ergriffen hat, über die noch nicht entschieden ist, hat das Grundbuchamt – im Beschwerdeverfahren der Senat – dagegen nach dem obenstehenden nicht zu prüfen, ob trotz des eingelegten Rechtbehelfs die Voraussetzungen für den materiellen Übergang bzw. -untergang von Rechten (§ 91 ZVG), um deren Löschung ersucht wird, gegeben sind. Jedenfalls ist nichts dafür ersichtlich, dass sich aus dem noch offenen Rechtsbehelf im Verteilungsverfahren eine Nichtigkeit des Zuschlagbeschlusses ergeben könnte.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Pflicht zur Kostentragung ergibt sich bereits aus dem Gesetz (§ 22 Abs. 1 GNotKG).
Den Geschäftswert bemisst der Senat nach dem Grundstückswert (§ 46 GNotKG) sowie nach dem Nennwert der betroffenen Eigentümergrundschulden (vgl. § 53 Abs. 1 GNotKG).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.