Europarecht

Anfechtungsklage, Kürzung von Direktzahlungen wegen Cross, Compliance-Verstoß, Verstoß gegen die Vogelschutzrichtlinie, Beseitigung mehrerer Landschaftsbestandteile, schwerer Verstoß, keine Ermessensfehler, Biotop, Zeugeneinvernahme

Aktenzeichen  W 8 K 20.1022

Datum:
19.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 8455
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
MOG § 10
BNatSchG § 29
BNatSchG § 30
BNatSchG § 44
BayNatSchG Art. 16
Verordnung – EG – Nr. 1122/2009
Verordnung – EU – Nr. 1306/2013, 48 Abs. 4 BayVwVfG
Verordnung – EG – Nr. 147/2009

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da der Bescheid des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) vom 12. November 2018, mit dem die Direktzahlungen für das Jahr 2014 um 4.006,81 EUR gekürzt und entsprechend zurückgefordert werden, in der Fassung des Widerspruchsbescheides der staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (FüAk) vom 30. Juni 2020, rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Beklagte hat die durchgeführten streitgegenständlichen Rodungen bzw. Hecken- und Gehölzschnitte zutreffend als Verstoß gegen die „Cross-Compliance“-Vorschriften angesehen und diesen ermessensfehlerfrei als schweren Verstoß gegen die Vogelschutzrichtlinie im Sinne von Teil B der Bewertungsmatrix für Verstöße gegen Anforderungen der Vogelschutzrichtlinie, mit der Folge einer Kürzung der streitgegenständlichen Förderung um fünf Prozent, bewertet. Ein atypischer Fall, der eine Abweichung von dieser Regelbewertung rechtfertigen würde, liegt nicht vor. Insoweit kann auf die streitgegenständlichen Bescheide Bezug genommen werden (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Die Rückforderung der gewährten Direktzahlungen findet ihre Rechtsgrundlage in § 10 Abs. 1 und 3 Marktorganisationsgesetz (MOG) i.V.m. Art. 80 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 i.V.m. Art. 43 Abs. 1 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014.
Nach § 10 Abs. 1 und 3 MOG sind rechtswidrige begünstigende Bescheide zurückzunehmen und zu erstattende Beträge durch Bescheid festzusetzen. Art. 80 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 regelt, dass bei zu Unrecht bezahlten Beträgen der Betriebsinhaber zur Rückzahlung dieser Beträge zuzüglich etwaiger Zinsen verpflichtet ist. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Kläger hat die Direktzahlungen für das Jahr 2014 zu Unrecht in voller Höhe erhalten, da er mit dem Rückschnitt der streitgegenständlichen Hecken und Gehölze gegen die Vorgaben der Cross-Compliance verstoßen hat, welche nach Art. 91 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 zu sanktionieren waren.
Die Gewährung der Direktzahlungen ist an die Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen (sog. „Cross-Compliance“) geknüpft.
Dies ergibt sich aus Art. 91 und 92 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013, wonach bei Direktzahlungen gemäß der Verordnung Nr. 1307/2013 die Cross-Compliance Vorschriften gemäß Art. 93 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 zu beachten sind, welche im Einzelnen in Anhang II der Verordnung aufgeführt sind und insbesondere Art. 3 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b sowie Art. 4 Abs. 1, 2 und 4 der RL 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung wildlebender Vogelarten (Vogelschutzrichtlinie) und die Grundsätze über die sieben Standards für die Erhaltung von Flächen in gutem landwirtschaftlichem und ökologischem Zustand (GLÖZ) umfassen.
Die dem Kläger mit Bescheid vom 15. Dezember 2014 für das Jahr 2014 bewilligten Zahlungen waren damit grundsätzlich von der Einhaltung der Cross-Compliance-Vorschriften nach Anhang II der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 abhängig.
Der vom Kläger an den streitgegenständlichen Landschaftsbestandteilen vorgenommene Rückschnitt stellt einen Verstoß gegen die Anforderungen der Vogelschutzrichtlinie dar und war deshalb gemäß Art. 93 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 mit einer Verwaltungssanktion zu sanktionieren.
Der Kläger hat vorliegend im Umfang von 333 m² (148 m² Feldgehölz + 185 m² Heckenteilfläche, vgl. Klageerwiderung vom 29. Oktober 2020) ohne Genehmigung mehrere Landschaftselemente beseitigt, bei denen es sich zudem um ein gesetzlich geschütztes Biotop und damit einen geschützten Landschaftsbestandteil im Sinne von § 29 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG i.V.m. Art. 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG handelt.
Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus der vorgelegten Lichtbilddokumentation, insbesondere aus den in der Behördenakte der FüAk (Bl. 204 ff.) enthaltenen bzw. vorgelegten Lichtbildern vom Tag der Vorortkontrolle und dem Luftbild der streitgegenständlichen Fläche (Bl. 214 der Behördenakte) mit den Anmerkungen „Hecke Bestand“, „Feldgehölz“ und „Hecke beseitigt vor 2014“ und den überzeugenden und nachvollziehbaren Erläuterungen der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung.
Die Ausführungen des Zeugen in der mündlichen Verhandlung sind nicht geeignet, zu einer anderen Beurteilung zu führen und die Einschätzung der Beklagtenvertreter, insbesondere des Vertreters der Unteren Naturschutzbehörde Miltenberg als Fachbehörde, zu entkräften. Die Erklärung des Zeugen, sie hätten einen Baum, einzelne Äste und auch einen Reisighaufen reingedrückt und er habe höchstens mal einen Ast beseitigt, stellt lediglich eine beschönigende Darstellung der tatsächlich als Heckenbeseitigung zu bewertenden durchgeführten Hecken- bzw. Gehölzschnitte dar. So hat der Vertreter der Unteren Naturschutzbehörde anhand der vorliegenden Bilder überzeugend dargelegt, dass großflächige Heckenbeseitigungen erfolgt sind. Es seien auf den Bildern auch teilweise Wurzeln erkennbar. Der Erklärung des Zeugen, der Reisighaufen (vgl. Bl. 210 f. der Behördenakte) habe schon zwei bis drei Jahre dagelegen und es sei nicht systematisch gerodet worden, ist zu entgegnen, dass auf dem Bild erkennbar ist, dass es sich wegen des frischen Laubs und der Holzteile um frische Bäume handelt, wie auch der Vertreter der Unteren Naturschutzbehörde ausgeführt hat. Auch hinsichtlich der weiteren Maßnahmen zeigen die vorliegenden Bilder (vgl. Bl. 208, 213 der Behördenakte), dass an den beseitigten Gehölzen teilweise noch frisches Laub hängt, so dass es sich um frischen Schnitt handeln muss.
Auch das Vorbringen des Klägers führt zu keiner abweichenden Sichtweise in Bezug auf das grundsätzliche Vorliegen eines Verstoßes gegen die Cross-Compliance Vorgaben.
Die Größe der gerodeten Heckenteilfläche beträgt 185 m² (Bl. 213 der Behördenakte; Stellungnahme des Landratsamtes Miltenberg an die FüAk vom 22.10.2020), die des Feldgehölzes am Waldrand 148 m² (Bl. 211 der Behördenakte). Entgegen dem Vorbringen des Klägerbevollmächtigten handelt es sich insoweit nicht lediglich um kleinere Flächen.
Hinsichtlich der Heckenbeseitigungen am Waldrand ist darauf hinzuweisen, dass diese laut der Klageerwiderung des Beklagten vom 29. Oktober 2020 mangels Cross Compliance-Relevanz nicht in den Umfang der gerodeten Fläche miteinbezogen wurden (vgl. auch Bl. 90 der Behördenakte).
Der Annahme eines Cross Compliance-Verstoßes durch den Kläger stehen auch nicht die Feststellungen des Amtsgerichts Obernburg am Main in seinem im Bußgeldverfahren gegen den Sohn des Klägers ergangenen Beschluss vom 29. März 2016 entgegen. Darin wird ausgeführt, nach derzeitiger Aktenlage könne nicht von einem hinreichenden Tatverdacht ausgegangen werden, es kämen sowohl der Sohn des Klägers als auch der Kläger als potentielle Täter in Betracht. Vom Kläger wurde jedoch nicht bestritten, dass ein Rückschnitt vorgenommen wurde (vgl. klägerischer Schriftsatz vom 5.10.2020). Auch der in der mündlichen Verhandlung als Zeuge einvernommene Sohn des Klägers bestreitet letztlich nicht, dass er an den streitgegenständlichen Hecken und Gehölzen Äste beseitigt bzw. „reingedrückt“ habe. Diese Handlungen des Sohnes sind in Abstimmung bzw. mit Wissen des Klägers erfolgt und diesem als verantwortlichem Betriebsinhaber im Rahmen des Förderrechts – im Gegensatz zum Ordnungswidrigkeitenverfahren – zuzurechnen, was vom Kläger auch nicht bestritten wurde.
Letztlich verfängt auch der klägerische Einwand, die Fläche habe keine Beeinträchtigung erfahren, sondern sogar eine Aufwertung, nicht. Denn es kommt zum einen nach oben Gesagtem maßgeblich darauf an, dass durch den Rückschnitt an sich Landschaftselemente beseitigt wurden. Dies ist unter Zugrundelegung der Behördenakte und den Ausführungen des Beklagten zur Überzeugung der Kammer der Fall. Zum anderen wurde schon nicht substantiiert dargelegt, worin die Aufwertung bestanden haben soll. Dies gilt umso mehr, als das Landratsamt Miltenberg in seiner Stellungnahme vom 22. Oktober 2020 gegenüber der FüAk ausführt, dass die Heckenbeseitigung zugunsten einer intensiven Ackernutzung erfolgt ist.
Die Einordnung der Verstöße als schwerer Verstoß anhand von Teil B der vorgelegten Bewertungsmatrix für Verstöße gegen Anforderungen der Vogelschutz-Richtlinie (Kontrolljahr 2014) ist rechtmäßig und insbesondere ermessensfehlerfrei erfolgt. Die Einordnung der Verstöße dahingehend, dass mit Wissen des Klägers im vorliegenden Fall mehrere Landschaftselemente ohne Genehmigung, vollständig oder teilweise beseitigt wurden, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Gründe für die Abweichung von der Regelbewertung als schwerer Verstoß liegen im konkreten Einzelfall nicht vor.
Aus Art. 91 Abs. 1, Art. 97 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 sowie § 10 Abs. 2 MOG ergibt sich, dass festgestellte Verstöße zu sanktionieren sind und die Kürzung an sich eine gebundene behördliche Entscheidung darstellt. Gemäß Art. 99 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 i.V.m. Art. 47 der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 sind bei der Berechnung der Höhe der Kürzungen die Schwere, das Ausmaß und die Dauer der jeweiligen Verstöße zu berücksichtigen. Insoweit kommt der Behörde ein gewisser Ermessensspielraum hinsichtlich der Beurteilung des Verstoßes als „schwer“, „mittel“ oder „leicht“ und der damit verbundenen Höhe des Kürzungssatzes zu, wobei sich die Behörden diesbezüglich in rechtmäßiger Weise einer im Wege einer Bund-Länder-Abstimmung beschlossenen Bewertungsmatrix für das jeweilige Kontrolljahr (hier 2014) bedienen (vgl. auch VG Regensburg, U.v. 21.3.2019 – RN 5 K 17.1365 – juris Rn. 35; zur Frage des Ermessens: VG Augsburg, U.v. 3.6.2020 – Au 8 K 19.1968; VG Würzburg, U.v. 3.8.2020 – W 8 K 19.1448 – juris).
Gemäß Teil B der Bewertungsmatrix für Verstöße gegen Anforderungen der Vogelschutz-Richtlinie für das Kontrolljahr 2014 stellt die vollständige oder teilweise Beseitigung mehrerer Landschaftselemente nach der Regeleinstufung einen schweren Verstoß dar. Bei dieser Bestimmung wurden die Kriterien „Schwere“, „Dauer“ und „Ausmaß“ des Verstoßes bereits berücksichtigt. Die Regeleinstufung von Verstößen soll der Sicherstellung einer einheitlichen Verwaltungspraxis in den verschiedenen Bundesländern dienen.
Ausgehend hiervon ist der erfolgte Rückschnitt der streitgegenständlichen Landschaftselemente im Umfang von 333 m² als vollständige bzw. teilweise Beseitigung mehrerer Landschaftselemente und damit als Verstoß gegen das Verbot der Rodung und Beseitigung von – als gesetzlich geschütztes Biotop einzustufenden Hecken – nach § 29 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG i.V.m. Art. 16 Abs. 1 Nr. 1 BayNatSchG zu werten, welcher im Sinne der Bewertungsmatrix als schwer einzustufen ist. Die Beseitigung mehrerer Landschaftselemente ergibt sich wiederum aus den vorgelegten Lichtbildern und wird durch die Ausführungen des Vertreters der Unteren Naturschutzbehörde bzw. der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung gestützt. Laut den Ausführungen der Beklagtenvertreter handelt es sich bei den streitgegenständlichen Hecken um seit Jahrzehnten nicht mehr genutzte Obstbaumgrundstücke, auf denen sich über die Jahre durch natürliche Sukzession heimische Bäume und Sträucher angesiedelt haben und die innerhalb der Ackerflur wichtige Struktur- und Vernetzungselemente für die heimische Fauna und Flora waren und als Fortpflanzungs- und Ruhestätte wild lebender Tiere dienten. Die Flächengröße der beseitigten Landschaftselemente beträgt insgesamt 333 m².
Durch die Beseitigung der Hecken und Gehölze liegt zudem tateinheitlich ein Verstoß gegen das Rodungsverbot innerhalb des Zeitraums vom 1. März bis zum 30. September nach § 39 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG und gegen das Verbot, Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere zu beschädigen oder zu zerstören nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG, vor.
Ein atypischer Fall, welcher die Abweichung von der Regelbewertung des Rückschnitts als schwerer Verstoß rechtfertigen würde, liegt nicht vor. Der klägerische Vortrag vermag einen solchen Fall nicht zur Überzeugung der Kammer zu begründen. Vorliegend wurden wie oben dargelegt mehrere Landschaftselemente beseitigt. Insoweit ist die Flächengröße der betroffenen Elemente nicht maßgeblich. Die beseitigten Hecken besaßen jedoch eine Länge von mehr als 10 m. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Direktzahlungen-Verpflichtungenverordnung i.V.m. § 2 Abs. 2 Direktzahlungen-Verpflichtungengesetz darf ein Betriebsinhaber, der Direktzahlungen beantragt, Hecken oder lineare Strukturelemente, die überwiegend mit Gehölzen bewachsen sind und eine Mindestlänge von 10 m aufweisen, nicht beseitigen. Bei den streitgegenständlichen Hecken handelt es sich zudem um ein gesetzlich geschütztes Biotop nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG und um Fortpflanzungs- und Ruhestätten wild lebender Tiere. Zudem sind die Heckenbeseitigungen entgegen § 39 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG im Verbotszeitraum (Brut- und Nistzeit) erfolgt.
Der Kläger kann sich diesbezüglich nach obigen Ausführungen nicht auf Art. 16 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 BayNatSchG berufen, da weder eine ordnungsgemäße Pflege (Nr. 1), noch ein schonender Form- oder Pflegeschnitt (Nr. 2) und auch keine Maßnahme, die zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit öffentlicher Verkehrswege oder der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Unterhaltung der Gewässer erforderlich ist (Nr. 3), vorliegt.
Vor diesem Hintergrund ist die Einordnung der maßgeblichen Rückschnitte als schwerer Verstoß im Sinne der Regelbewertung der Bewertungsmatrix, wie sie in den streitgegenständlichen Bescheiden erfolgt ist und in der Antragserwiderung vom 29. Oktober 2020 ergänzend erläutert wurde, und die Entscheidung, keinen atypischen Fall mit einer Abweichung zu Gunsten des Klägers anzunehmen, nicht als ermessensfehlerhaft (§ 114 VwGO) anzusehen.
Der Beklagte hat in den streitgegenständlichen Bescheiden und in den ergänzenden Ausführungen in der Klageerwiderung vom 29. Oktober 2020 auch grundsätzlich erkannt und zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei der Einordnung des Cross-Compliance-Verstoßes im Hinblick auf die Höhe der jeweiligen Verwaltungssanktion um eine Ermessensentscheidung handelt und dass gerade kein Fall vorliegt, der eine Abweichung der Regelbewertung rechtfertigen würde. Dies wird im Rückforderungsbescheid vom 12. November 2018 bzw. im Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2020 zwar knapp aber dennoch hinreichend deutlich, weshalb kein Ermessensausfall vorliegt. Soweit der Klägerbevollmächtigte vorbringt, es seien Ermessensfehler bei der Frage einer Heckenpflanzung als möglichen Ausgleich erfolgt, ist dem entgegenzuhalten, dass, wie oben ausgeführt, maßgeblich für die Sanktionshöhe die Einordnung und Bewertung des Verstoßes an sich – hier die Heckenbeseitigung – ist. Ersatzpflanzungen dagegen würden lediglich einen nachträglichen Ausgleich darstellen. Folglich ergibt sich insoweit aus der unterbliebenen Anhörung des Klägers zu einer etwaigen Teilabhilfe durch eine Ersatzpflanzung, wie vom Vertreter des Landratsamts Miltenberg in einer E-Mail vom 6. Dezember 2019 an die FüAk angesprochen (Bl. 201 f. der Behördenakte), die damit zudem erst auf Vorschlag der Beklagtenseite erfolgen würde, kein Ermessensfehler.
Die Rückforderung der Direktzahlungen für das Jahr 2014 aufgrund von am 25. September 2014 festgestellter Verstöße konnte auch rechtsfehlerfrei noch im Jahr 2018 erfolgen, obwohl gemäß § 10 Abs. 1 MOG i.V.m. Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG für den Widerruf grundsätzlich eine Frist von einem Jahr ab Kenntnis der den Widerruf rechtfertigenden Tatsachen gilt.
Hierbei ist auf die positive Kenntnis aller Tatsachen, die für die Entscheidung der Behörde über den Widerruf von Bedeutung sind oder sein können abzustellen (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Auflage 2020, § 49 Rn. 59). Dies ist in Konstellationen wie der hiesigen jedoch nicht zwingend der Zeitpunkt der Vorortkontrolle, sondern letztlich der Zeitpunkt, in dem alle für die Rücknahmeentscheidung maßgeblichen Tatsachen bei der Entscheidungsbehörde vorliegen (VG Augsburg, U.v. 21.7.2016 – Au 3 K 15.1770 – juris Rn. 29). Dieser Zeitpunkt war hier derjenige der Bestätigung der Kontrollfeststellungen durch die Untere Naturschutzbehörde am Landratsamt Miltenberg gegenüber dem AELF am 7. September 2018 (vgl. Bl. 90 der Behördenakte) nach Abschluss des Ordnungswidrigkeitenverfahrens, sodass die Rückforderung im Jahr 2018 ohne weiteres vor dem Hintergrund obiger Fristenregelungen erfolgen konnte.
Der Bescheid vom 12. November 2018 in Form des Widerspruchsbescheids vom 30. Juni 2020 ist auch im Übrigen, insbesondere hinsichtlich der erhobenen Gebühren, rechtlich nicht beanstanden.
Gemäß vorstehender Erwägungen war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708, 711 ZPO.


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