Europarecht

Antrag auf Zulassung von Berufung – Rechtmäßigkeit einer Gewerbeuntersagung gegen GmbH

Aktenzeichen  22 ZB 18.807

Datum:
7.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NWB – 2019, 784
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO § 1, § 35
GmbHG § 62
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 S. 4

 

Leitsatz

1. Eine Gewerbeuntersagung kann nicht nur gegen natürliche Personen, sondern auch gegen eine GmbH als rechtsfähige juristische Person als solche gerichtet werden. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Stellvertretererlaubnis gemäß § 35 Abs. 2 GewO ist kein milderes, gegenüber einer Gewerbeuntersagung abzuwägendes Mittel; sie setzt vielmehr eine wirksame Untersagungsverfügung voraus und kann frühestens zeitgleich mit der Gewerbeuntersagung verfügt werden. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 16 K 17.4151 2018-03-20 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 20.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin, eine GmbH, wehrt sich gegen die mit Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2017 gegen sie verfügte erweiterte Gewerbeuntersagung (mit Nebenentscheidungen). Die Anfechtungsklage der Klägerin wies das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 20. März 2018, zugestellt am 4. April 2018, ab; über die Anfechtungsklage gegen eine zusätzlich gegenüber der Geschäftsführerin der Klägerin persönlich ausgesprochene erweiterte Gewerbeuntersagung (gleichfalls vom 28.7.2017) hat das Verwaltungsgericht mit gesondertem Urteil entschieden, das nicht Gegenstand des vorliegenden Berufungszulassungsverfahrens ist. Die Klägerin hat durch ihren Bevollmächtigten am 18. April 2018 gegen das die GmbH betreffende Urteil die Zulassung der Berufung beantragt und mit der am 4. Juni 2018 eingereichten Begründung ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend gemacht.
II.
1. Über den Antrag auf Zulassung der Berufung kann ohne Anhörung der Beklagten entschieden werden, weil sich aus dem fristgerechten Vortrag der Klägerin (auf dessen Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist, vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) auch ohne Äußerung der Beklagten nicht ergibt, dass ein Grund für die Zulassung der Berufung vorliegt. Die Frist zur Begründung des Zulassungsantrags hat mit Ablauf des 4. Juni 2018 geendet. Neuer Vortrag, der über eine bloße Ergänzung bereits hinreichend geltend gemachter Zulassungsgründe hinausginge, könnte nicht mehr berücksichtigt werden.
2. Die Klägerin spricht in ihrer Antragsbegründung vom 4. Juni 2018 durchgängig von der Rechtswidrigkeit des Bescheids und macht auch geltend, aus den dargelegten Umständen ergäben sich ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen „Bescheids“ im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Trotz dieses Wortlauts (Zweifel an der Richtigkeit des „Bescheids“) kann aber zugunsten der Klägerin angenommen werden, dass sie ernstliche Zweifel (auch) an der Richtigkeit des Urteils meint. Denn das Verwaltungsgericht hat im angegriffenen Urteil den Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2017 als rechtmäßig angesehen und aus diesem Grund die Anfechtungsklage vollständig abgewiesen.
Diese der Klägerin günstige Deutung führt aber nicht dazu, dass die Anforderungen an eine ausreichende Darlegung der Zulassungsgründe geringer würden. Vorliegend kommt nur der Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO in Betracht; einen anderen der in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Gründe hat die Klägerin weder ausdrücklich benannt noch in der Antragsbegründung wenigstens sinngemäß geltend gemacht.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem andern Grund richtig ist (Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 124 Rn. 7 bis 7d, m.w.N.). Diese schlüssigen Gegenargumente müssen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO innerhalb offener Frist vorgebracht werden. Der Rechtsmittelführer muss darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (BVerfG, B.v. 8.12.2009 – 2 BvR 758/07 – NVwZ 2010, 634; Happ in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 62 f.).
3. Die Klägerin meint, der angefochtene Bescheid (und das diesen Bescheid bestätigende angegriffene Urteil) seien rechtlich falsch, weil sich vorliegend die Untersagung des zulassungsfreien Gewerbes „Gebäudereinigung und Baureinigung“ gegen eine juristische statt gegen eine natürliche Person richte. Für eine solche Untersagung biete die Gewerbeordnung keine Rechtsgrundlage; einer Gewerbeuntersagung bedürfe es auch nicht, weil die Behörde gemäß § 62 GmbHG die Auflösung der Gesellschaft erzwingen könne, was sie vorliegend aber nicht getan habe; für eine gegen eine GmbH gerichtete Gewerbeuntersagung gehe § 62 GmbHG als Spezialnorm dem § 35 GewO vor. Andere gesetzliche Normen, mit denen die hier vorliegende Beschränkung der in § 1 GewO garantierten Gewerbefreiheit gerechtfertigt werden könnte, gebe es nicht. Außerdem dürfe eine juristische Person nicht als solche, sondern nur nach den Personen beurteilt werden, die Vertretungsbefugnis hätten. Es genüge daher, zur Wiederherstellung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit der Gesellschaft zu verlangen, dass (nur) die unzuverlässige Person von der Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen werde. Eine Gewerbeuntersagung gegenüber der juristischen Person dagegen sei unverhältnismäßig, wie sich auch aus der Möglichkeit gemäß § 35 Abs. 2 GewO ergebe, den Gewerbebetrieb durch einen zuverlässigen Stellvertreter fortführen zu lassen. Diese Möglichkeit wäre vorliegend ebenso effektiv, aber in der Eingriffsintensität weniger schwerwiegend als die Gewerbeuntersagung gegen die GmbH gewesen.
Damit kann die Klägerin nicht durchdringen. Aus keinem der vorgetragenen Umstände ergeben sich ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils.
3.1. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann eine Gewerbeuntersagung (auch eine erweiterte Gewerbeuntersagung) nach § 35 Abs. 1 Satz 1 (bzw. Satz 2) GewO nicht nur gegen natürliche Personen, sondern auch gegen eine GmbH als rechtsfähige juristische Person als solche gerichtet werden. Der Begriff des Gewerbetreibenden ist bei § 35 GewO der gleiche wie im gesamten Gewerberecht; die von der Klägerin vertretene gegenteilige Ansicht wird – soweit ersichtlich – in der Rechtsprechung und im Schrifttum nirgends vertreten (statt vieler vgl. OVG NW, B.v. 28.8.2017 – 4 A 2233/15 – juris Rn. 2 und 8; BayVGH, B.v. 17.1.2012 – 22 CS 11.1972 – juris Rn. 1 und 10 ff., BayVGH, B.v. 29.3.2017 – 22 ZB 17.244 – juris Rn. 1 und 18 ff.; jeweils m.w.N.; Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Aufl. 2011, § 35 Rn. 138; Friauf, GewO, § 35 GewO Rn. 90 und 92; Landmann-Rohmer, GewO, § 35 GewO Rn 65; Pielow, GewO, 2. Aufl. 2016, § 35 Rn. 27; jeweils m.w.N.). Mit § 35 GewO ist entgegen der Ansicht der Klägerin auch die von § 1 Abs. 1 GewO vorausgesetzte gesetzliche Grundlage gegeben, um in die Gewerbefreiheit eingreifen zu dürfen, die in § 1 Abs. 1 GewO zwar einfachgesetzlich gewährleistet, aber unter den Vorbehalt einer abweichenden gesetzlichen Regelung gestellt wird („…soweit nicht…“).
3.2. Eine andere Beurteilung lässt sich entgegen der Ansicht der Klägerin weder aus § 35 Abs. 2 GewO noch aus § 62 GmbHG noch daraus ableiten, dass die Behörde (auch oder alternativ) gegen diejenige (natürliche oder juristische) Person vorgehen kann, durch welche die gewerbetreibende juristische Person im Rechts- und Geschäftsverkehr vertreten wird (z.B. die Geschäftsführerin) und bei der die „eigentlichen“, ggf. auf die Gesellschaft als solche durchschlagenden Unzuverlässigkeitsgründe liegen:
3.2.1. Die Stellvertretererlaubnis gemäß § 35 Abs. 2 GewO ist kein milderes, gegenüber einer Gewerbeuntersagung gegen die GmbH abzuwägendes Mittel. Sie setzt vielmehr eine wirksame Untersagungsverfügung gerade voraus und kann frühestens zeitgleich mit der Gewerbeuntersagung verfügt werden. Abgesehen davon ist eine solche Erlaubnis antragsbedürftig; dass vorliegend die Klägerin einen solchen Antrag überhaupt gestellt hätte, ergibt sich aus ihrem Vortrag nicht (zu allem vgl. statt vieler z.B. Tettinger/Wank/Ennuschat, a.a.O., § 35 Rn. 176 und 177 m.w.N.).
3.2.2. Für sich genommen zutreffend weist die Klägerin zwar darauf hin, dass bei Anhaltspunkten für die Unzuverlässigkeit einer rechtsfähigen juristischen Person (hier der GmbH) – ungeachtet des gleichbleibenden Umstands, dass die (einfache) Gewerbeuntersagung stets eine gebundene Entscheidung ist – aus Gründen der Verhältnismäßigkeit unterschieden werden muss, ob (a) die Unzuverlässigkeitsgründe (ausschließlich) in der Person eines (ggf. eines von mehreren) Vertretungsberechtigten liegen oder ob sie (b) der juristischen Person zuzurechnen sind und somit auch zu deren Unzuverlässigkeit führen oder ob (c) unabhängig von den in der Person des Vertretungsberechtigten liegenden Unzuverlässigkeitsgründen andere Unzuverlässigkeitsgründe (z.B. eine zu prognostizierende anhaltende wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit) gerade bei der juristischen Person gegeben sind. Im erstgenannten Fall (a) ist zu prüfen, ob aus Verhältnismäßigkeitsgründen eine gegen die juristische Person als solche ausgesprochene Gewerbeuntersagung entbehrlich ist und ob es ausreicht, die unzuverlässige Person von der Vertretungsbefugnis auszuschließen (vgl. BayVGH, B.v. 17.1.2012 – 22 CS 11.1972 – juris Rn. 10 m.w.N.; Pielow, GewO, 2. Aufl. 2016, § 35 Rn. 27; Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Aufl. 2011, § 35 Rn. 95 bis 97; Marcks in: Landmann-Rohmer, GewO, 48. EL, § 35 GewO Rn. 65 und 67; jeweils m.w.N.). Zu den Untersagungsgründen, die eine juristische Person selbst verwirklichen kann und die somit der juristischen Person direkt zuzurechnen sind, wird auch die mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit mit den Unterformen der Steuerschulden und der Verletzung sozialversicherungsrechtlicher Pflichten gezählt (Marcks in: Landmann-Rohmer, GewO, 48. EL, § 35 GewO Rn. 65).
Die Klägerin macht zwar geltend, es hätte vorliegend genügt, nur die geschäftsführende natürliche Person von der Vertretung der GmbH auszuschließen. Außer dieser Behauptung fehlt es aber an jeglichem urteilsbezogenen Vortrag; die Darlegungsanforderungen nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO werden damit nicht erfüllt. Das Verwaltungsgericht hat im Einzelnen (Urteilsabdruck S. 6 und 7) begründet, dass im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses die Geschäftsführerin der Klägerin selber wegen rechtskräftig geahndeter gewerbebezogener Straftaten und wegen der Nichtabgabe der Vermögensauskunft und der Eintragung im Schuldnerverzeichnis (auch wenn die Einträge im Vollstreckungsportal nicht im Zusammenhang mit der Geschäftsführertätigkeit stünden) nicht die Gewähr für die ordnungsgemäße künftige Ausübung des Gewerbes geboten habe, und dass die Geschäftsführerin über die – hier nicht inmitten stehende Leistungsunfähigkeit hinaus – auch leistungsunwillig sei; dies schlage auf die die Klägerin (GmbH) betreffende Prognose durch, weil es erwarten lasse, dass die Geschäftsführerin auch in dieser Funktion mangelnden Leistungswillen zeigen und sich ihre Unzuverlässigkeit damit auf die ordnungsgemäße Führung des Gewerbes auswirken werde. Mit diesen Ausführungen setzt sich die Klägerin in der Begründung des Zulassungsantrags nicht auseinander.
Hinzu kommt der von der Klägerin nicht thematisierte, allerdings auch vom Verwaltungsgericht nur angesprochene, aber nicht gewürdigte Umstand, dass die Beklagte die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit der Klägerin (der GmbH selbst) auch auf die anhaltende wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit der GmbH gestützt hat (vgl. Bescheid vom 28.7.2017 S. 4 unten) und in der Sachverhaltsdarstellung des Bescheids auf telefonische Auskünfte des Finanzamts und von Sozialversicherungsträgern hingewiesen hat, denen zufolge – im Widerspruch zu Angaben der Klägerin vom 28. Mai 2017 – Schulden beim Finanzamt (ca. 20.100 €), bei der AOK (ca. 17.900 €), bei der BIG (ca. 11.900 €), bei der BKK (ca. 1.300 €) und bei der BG Bau (ca. 1.500 €) bestünden.
3.2.3. Die Ansicht, § 62 GmbHG sei für den Fall einer gegenüber einer GmbH erwogenen, auf § 35 Abs. 1 GewO gestützten Gewerbeuntersagung eine dem § 35 GewO vorgehende Spezialnorm oder es ergäben sich aus § 62 GmbHG zumindest gewisse Einschränkungen bei der Anwendung von § 35 GewO, ist falsch. § 62 Abs. 1 GmbHG bestimmt, dass dann, wenn eine Gesellschaft das Gemeinwohl dadurch gefährdet, dass die Gesellschafter gesetzwidrige Beschlüsse fassen oder gesetzwidrige Handlungen der Geschäftsführer wissentlich geschehen lassen, ohne Anspruch auf Entschädigung durch die zuständige Behörde aufgelöst werden kann. Aus den in § 35 GewO einerseits und § 62 Abs. 1 GmbHG anderseits enthaltenen gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen, aus den dort geregelten Rechtsfolgen und aus der Gesamtschau der einschlägigen Vorschriften ergibt sich offensichtlich, dass die Gewerbeuntersagung einen völlig anderen Zweck verfolgt als die Auflösung der GmbH und dass der Gesetzgeber mit § 35 GewO ein anderes – erheblich differenzierteres – Instrumentarium geschaffen hat. Die Untersagung eines Geschäftsbetriebs (eines Gewerbes), z.B. nach § 35 GewO, ist keine Auflösung der Gesellschaft, sie beseitigt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht die Existenz der juristischen Person. Sie kann zwar die Erreichung des Gesellschaftszwecks unmöglich machen und Anlass für einen Auflösungsbeschluss der Gesellschafter (§ 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG) oder eine Auflösungsklage (§ 61 GmbHG) sein, aber sie löst die Gesellschaft nicht unmittelbar auf; die Untersagung selbst ist auch kein Auflösungstatbestand (Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 62 Rn. 18). Die Gewerbeuntersagung gegen eine GmbH hat mit deren Auflösung nach § 62 Abs. 1 GmbHG nur insoweit etwas zu tun, als in Betracht kommt, dass die Umstände eines besonders krassen und schwerwiegenden Falls einer gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit einer GmbH zugleich auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 62 Abs. 1 GmbHG erfüllen können. Von einem Vorrang von § 62 Abs. 1 GmbHG als lex specialis gegenüber § 35 GewO in dem Sinn, dass § 62 Abs. 1 GmbH nur einen weniger einschneidenden Eingriff erlaube (wie die Klägerin anscheinend meint), kann bei einer entschädigungslosen Auflösung der GmbH nicht die Rede sein. Eher wäre im Hinblick auf das Verhältnismäßigkeitsgebot an eine umgekehrte Rangfolge (§ 35 GewO vor § 62 Abs. 1 GmbHG) zu denken (vgl. Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 62 Rn. 6).
3.3. Soweit die Klägerin im Hinblick auf Nr. 4 des Bescheidtenors, in dem u.a. beispielhaft die Wegnahme von Geschäftsausstattung angedroht wird, das Fehlen einer Rechtsgrundlage für „einen solchen Verwaltungszwang“ in der Gewerbeordnung bemängelt, geht ihr Einwand deswegen fehl, weil Nr. 4 des Bescheidtenors nicht den Grundverwaltungsakt (die Gewerbeuntersagung) betrifft, sondern dessen ggf. erforderliche zwangsweise Durchsetzung. Die Rechtsgrundlagen für die Androhung unmittelbaren Zwangs in Nr. 4 des Bescheidtenors finden sich im zweiten Hauptteil des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG).
3.4. Ohne rechtliche Subsumtion und lediglich sinngemäß klingt in der Antragsbegründung an, das angegriffene Urteil habe rechtsfehlerhaft verkannt, dass der angefochtene Bescheid insgesamt unverhältnismäßig sei, weil nicht anstelle der gegenüber der Klägerin als GmbH verfügten Gewerbeuntersagung mildere, aber ausreichende Mittel gewählt worden seien.
Dem ist nicht zu folgen. Bei Bejahung der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit (des Gewerbetreibenden als natürliche oder rechtsfähige juristische Person) ist – ohne dass Ermessen ausgeübt werden dürfte – die „einfache“ Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO die zwingende Folge („ist…zu untersagen“); Ermessen darf und muss nur bei der erweiterten Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO ausgeübt werden („…kann…erstreckt werden, soweit…“); diesbezüglich fehlt es aber an einem substantiierten Vortrag der Klägerin. Dem Anliegen, den Gewerbebetrieb durch eine andere, vom Gewerbetreibenden vorgeschlagene zuverlässige Person fortführen zu lassen, trägt § 35 Abs. 2 GewO Rechnung; dies setzt aber – wie oben ausgeführt – zunächst oder zumindest zeitgleich eine Gewerbeuntersagung und außerdem einen Antrag des Gewerbetreibenden voraus. Nach Aktenlage ist die Geschäftsführerin der Klägerin, gegen die ein gesonderter Untersagungsbescheid ergangen ist, aktuell bzw. im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses die einzige Vertretungsberechtigte der GmbH (gewesen), eine weitere geschäftsführende Person (N. V.) war am 28. Februar 2012 ausgeschieden (vgl. Registerauszug vom 27.7.2017 auf Bl. 376 der Behördenakte). Es ist daher auch nicht ersichtlich, was einer Zurechnung der in der Person der (einzigen) Geschäftsführerin liegenden Unzuverlässigkeitsgründe an die GmbH entgegenstehen sollte.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in den Nrn. 54.2.1 und 54.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

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