Europarecht

Disziplinarrecht

Aktenzeichen  15 B 14/21 MD

Datum:
14.2.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG Magdeburg 15. Kammer
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:VGMAGDE:2022:0214.15B14.21MD.00
Spruchkörper:
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Leitsatz

Zu den Voraussetzungen einer wirksamen Delegierung der Zuständigkeit nach § 34 Abs. 2 Satz 2 DG LSA zur Erhebung der Disziplinarklage bzw. dem Ausspruch der vorläufigen Dienstenthebung und Einbehaltung von Teilen der Dienstbezüge

Tenor

Die Verfügung des Landesschulamtes vom 01.07.2021 zur vorläufigen Dienstenthebung und Einbehaltung von Dienstbezügen wird aufgehoben.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Mit der streitbefangenen Verfügung des Landesschulamtes vom 01.07.2021 wurde der Antragsteller als verbeamteter Lehrer (Studienrat) gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA vorläufig des Dienstes enthoben und die Einbehaltung von 50 % der monatlichen Dienstbezüge gemäß § 38 Abs. 2 DG LSA angeordnet. Dem Antragsteller wird vorgeworfen, eine sexuelle Belästigung gegenüber der minderjährigen Schülerin B. vorgenommen zu haben.
II.
Der zulässige Antrag nach § 61 Abs. 2 DG LSA ist begründet. Die vom Disziplinargericht vorzunehmende Prüfung ergibt, dass die vorläufige disziplinarrechtliche Dienstenthebung und die Einbehaltung von Dienstbezügen aufzuheben sind. Zur Überzeugung des Disziplinargerichts bestehen ernstliche Zweifel an deren Rechtmäßigkeit. Denn der Antragsgegner ist nicht zum Erlass der streitbefangenen Verfügungen berechtigt. Der Direktor des Landesschulamtes ist nicht für den Erlass der vorläufigen Dienstenthebung und Einbehaltung von Teilen der Dienstbezüge zuständig. Diese Maßnahmen obliegen nach § 38 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 DG LSA der „für die Erhebung der Disziplinarklage zuständigen Behörde“, also dem Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt als „oberste Landesbehörde“ nach § 34 Abs. 2 Satz 1 DG LSA. Eine Aufgabenübertragung nach § 34 Abs. 2 Satz 2 DG LSA ist nicht erkennbar und wird vom Antragsgegner auch nicht angeführt. Der RdErl. des MK v. 09.01.2012 (33.1/03000) genügt nicht den Anforderungen nach § 34 Abs. 2 Satz 2 DG LSA.
Nach § 34 Abs. 2 Satz 2 DG LSA kann die oberste Dienstbehörde ihre Befugnisse zur Klageerhebung – und hier zur Suspendierung und Einbehaltung von Dienstbezügen nach § 38 DG LSA – durch allgemeine Anordnung ganz oder teilweise auf die unmittelbar nachgeordneten Dienstvorgesetzten für deren Aufgabenbereich übertragen; die Anordnung ist zu veröffentlichen.
Die einzige dem Disziplinargericht bekannte mögliche Aufgabenübertragung durch den RdErl. des MK v. 09.01.2012 (33./03000) erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Dort werden dem Landessschulamt einzelne genannte „personalrechtliche Befugnisse“ übertragen. Explizit findet das DG LSA und deren Übertragungsmöglichkeiten dort keine Erwähnung. Soweit es dort unter Nr. 3. heißt:
„Soweit dem Ministerium einzelne personalrechtliche Befugnisse durch Gesetz oder Verordnung vorbehalten sind und diese Vorschriften eine Delegationsmöglichkeit vorsehen, werden diese Befugnisse übertragen“,
wird diese „Generalklausel“ den disziplinarrechtlichen Besonderheiten nicht gerecht. Eine solche „unbestimmte“ Übertragung widerspricht dem klaren und eindeutigen Gesetzeswortlaut nach § 34 Abs. 2 Satz 2 DG LSA, wonach die jeweilige Aufgabenübertragung und auch der „unmittelbar nachgeordnete Dienstvorgesetzte“ in der Übertragung genannt sein muss. Eine Übertragung auf das „Landesschulamt“ als Behörde steht nicht der Übertragung auf den „unmittelbar nachgeordneten Dienstvorgesetzten“ nach § 34 Abs. 2 Satz 2 DG LSA gleich. Zudem weist das Disziplinargericht darauf hin, dass die in mehreren Runderlassen verschiedener Ministerien im Land Sachsen-Anhalt zu findende und auf Art. 70 Satz 2 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt i. V. m. der Anordnung des Ministerpräsidenten über die Ausübung personalrechtlicher Befugnisse v. 07.06.1994 basierende allgemeine „Übertragung personalrechtlicher Befugnisse“ nicht „disziplinarrechtliche Befugnisse“ nach dem Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt beinhalten dürften. Denn insoweit ist der grundlegende Unterschied zwischen dem allgemeinen beamtenrechtlichen aus den Beamtengesetzen resultierenden Personalrecht und dem besonderen aus dem eigenständigen Disziplinargesetz des Bundes und der Länder resultierenden Disziplinarrecht zu beachten.
Daher ist die Verfügung bereits wegen formeller Rechtswidrigkeit aufgrund fehlender Zuständigkeit aufzuheben.
Das Disziplinargericht weist aber zwecks Vermeidung weiterer Rechtsstreitigkeiten darauf hin, dass das Kultusministerium als zuständige oberste Dienstbehörde die streitbefangene Verfügung erneut aussprechen könnte. Das Disziplinargericht verweist daher auf die richterliche Verfügung vom 22.09.2021, wo einzelne mögliche Lösungen aufgezeigt wurden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 72 Abs. 4, 73 Abs. 1 DG LSA, 154 Abs. 1 VwGO.


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