Europarecht

Dublin-Verfahren (Kroatien)

Aktenzeichen  M 8 S 17.50649

Datum:
15.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 34a Abs. 1 S. 1
Dublin III-VO Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2, Art. 18 Abs. 1 lit. b, Art. 23 Abs. 2, Art. 25 Abs. 2

 

Leitsatz

Es bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, in Kroatien bestünden systemische Mängel des Asylverfahrens oder des Flüchtlingsaufnahmesystems. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Der am *.April 1985 geborene Antragsteller ist iranischer Staatsangehöriger und reiste unerlaubt in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 12.02.2017 Asylantrag. Er wurde durch die Bundespolizei in … angetroffen, ohne im Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels zu sein.
Bei seiner Befragung durch das Bundesamt zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens gab der Antragsteller an, er wolle in Deutschland bleiben, da seine Schwester hier lebe.
Da Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedsstaats der Europäischen Union vorlagen richtete das Bundesamt am 15. Februar 2016 ein Wiederaufnahmeersuchen an Kroatien. Mit Schreiben vom 28. Februar 2017 erklärten die dortigen Behörden ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages gem. Dublin III-VO.
Mit Bescheid vom 28. Februar 2016, zugestellt am 3. März 2017, ordnete das Bundesamt die Abschiebung nach Kroatien an. Weiter wurde eine 6-monatige Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots ausgesprochen. Auf die Bescheidsbegründung wird Bezug genommen.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers erhob mit Schreiben vom 8. März 2017, eingegangen am 9. März 2017, Klage gegen den Bescheid vom 28.Februar 2017 (M 8 K 17.50650) und beantragte weiter, die aufschiebende Wirkung der Klage des Klägers gegen den Bescheid vom 28.Februar 2017 anzuordnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass laut dem Antrag der Bundespolizei auf Verlängerung der Anordnung der Freiheitsentziehung vom 13.02.2017 der Antragsteller sich in Slowenien einem laufenden Asylverfahren entzogen habe. Somit sollen nach dem Vortrag der Antragsgegnerin sowohl in Slowenien als auch in Kroatien Asylverfahren anhängig sein. Es frage sich weshalb die slowenischen Behörden den Antragsteller nicht bereits nach Kroatien abgeschoben hätten. Der Antragsteller gebe an, er habe in Kroatien kein Asyl beantragt. Das Bundesamt legte mit am 15. März 2017 die Behördenakten vor und äußerte sich nicht weiter.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008, zuletzt geändert durch Art. 6 G v. 31.7.2016 (BGBl I S. 1939) ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedsstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31). Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt, wenn ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsanordnung sind nach der im Eilverfahren vorzunehmenden summarischen Überprüfung gegeben. Danach ist Kroatien aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Kroatien hat das Übernahmeersuchen vom 15. Februar 2017 mit Schreiben vom 28. Februar 2017 akzeptiert. Damit ist Kroatien nach Art. 18 Abs. 1 lit.b Dublin-III-VO zuständiger Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags des Antragstellers. Entgegen der Behauptung der Antragspartei ist Kroatien auch zuständig. Der Antragsteller hat bei seiner Vernehmung bei der Bundespolizei am 12. Februar 2017 ausgesagt, dass ihn die slowenischen Behörden nach Kroatien abschieben wollten. Damit hat er eingeräumt, dass Anhaltspunkte für eine Zuständigkeit Kroatiens bestanden. Auch ergibt sich aus der Akte der Antragsgegnerin, dass ein entsprechendes Übernahmeersuchen von Slowenien zurückgewiesen wurde. Damit besteht kein ernsthafter Zweifel an der Zuständigkeit Kroatiens. Somit steht grundsätzlich fest, dass die Abschiebung nach Kroatien durchgeführt werden darf.
Die Überstellung an Kroatien ist auch nicht rechtlich unmöglich im Sinn des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO.
Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der EU den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte i.S.v. Art. 6 Abs. 1 EUV entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für die Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtscharta) ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH v. 21.12.2011 a.a.O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris).
Ausgehend hiervon stehen der Rückführung des Antragstellers nach Kroatien systemische Mängel des kroatischen Asylverfahrens und des dortigen Flüchtlingsaufnahmesystems i.S.d. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO nicht entgegen. Hierzu wird weder konkret vorgetragen noch sind der erkennenden Kammer Erkenntnismittel ersichtlich, aus denen sich systemische Mängel ableiten ließen.
Soweit der Antragsteller vorträgt, er sei von der kroatischen Polizei mit Schlägen gezwungen worden, Fingerabdrücke abzugeben, ergibt sich daraus, dass der Antragsteller die Abgabe der Fingerabdrücke verweigert hat, und sich dieser Verpflichtung erst unter Anwendung unmittelbaren Zwangs gebeugt hat. Systemische Mängel des Asylverfahrens sind darin nicht zu erkennen.
Damit ist die in Nummer 1 des verfahrensgegenständlichen Bescheids auf Grundlage von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG angeordnete Abschiebung nach Kroatien ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Ein der Abschiebung nach Kroatien entgegenstehendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, das im Rahmen einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34 Abs. 1 AsylG ausnahmsweise von der Antragsgegnerin auch noch nach Erlass der Abschiebungsanordnung zu berücksichtigen wäre (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 – AuAS 2014, S. 244 ff. – juris Rn. 11 f.; OVG NRW, B.v. 30.8.2011 – 18 B 1060/11 – juris Rn. 4), ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Die im streitgegenständlichen Bescheid unter Nummer 4 gemäß § 11 AufenthG ausgesprochene Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 6 Monate ist nach Maßgabe des § 114 VwGO ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.

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