Europarecht

Einbürgerung, Ausschluss der Einbürgerung, Unterstützung der PKK, Kein Abstandnehmen von sicherheitsgefährdendem Tun

Aktenzeichen  M 25 K 19.3159

Datum:
28.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 23860
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StAG § 8
StAG § 11

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist nicht begründet.
1. Der Bescheid des Beklagten vom 5. Juni 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die beantragte Einbürgerung in den deutschen Staatsverband nach § 8 StAG (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Maßgeblich für die von der Klägerin beantragte Einbürgerung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (BVerwG, U.v. 5.6.2014 – 10 C 2/14 -juris – Rn. 10). Abzustellen ist mithin auf das StAG vom 22. Juli 1913 in der Fassung vom 4. August 2019 (BGBl I S. 1124 zuletzt geändert durch Art. 4 G. v. 19.6.2020, BGBl. I S. 1328)
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Einbürgerung im Ermessenswege nach § 8 StAG. Auch der hilfsweise gestellte Antrag führt nicht zum Erfolg.
Denn der Einbürgerung der Klägerin steht der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegen, der auch im Rahmen der Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG anwendbar ist (vgl. Schneider in: Decker/Bader/Kothe: BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, 8. Edition, Stand 1.5.2021, zu § 8 Rn 2).
a. Nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ist die Einbürgerung u.a. ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat. Unterstützen ist dabei jede Handlung des Ausländers, die für Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG objektiv vorteilhaft ist, d. h. sich in irgendeiner Weise für diese positiv auswirkt. Tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme der Unterstützung von Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG können sich nicht nur aus entsprechenden Handlungen des Ausländers ergeben, sondern auch aus dessen Zugehörigkeit zu einer Organisation und/oder aktiven Betätigung für eine Organisation, die ihrerseits Ziele i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG verfolgt. Hierfür reicht jede Tätigkeit, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung auswirkt, namentlich deren innere Organisation und den Zusammenhalt fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer durch Nr. 1 inkriminierten Ziele fördert und damit ihre potentielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotential stärkt (vgl. Berlit in: GK StaR, Stand: Oktober 2014, § 11 Rn. 96). Dies muss für den Ausländer erkennbar sein. Er muss zudem zum Vorteil der genannten Bestrebung handeln wollen (st. Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 2.12.2009 – 5 C 24.08 – juris Rn. 16).
Der Ausschlussgrund der Unterstützung von Bestrebungen nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG führt zu einer Vorverlagerung des Sicherheitsschutzes. Es genügt der durch konkrete Tatsachen begründete Verdacht einer solchen Unterstützung. Eines Nachweises, dass es zu einer Unterstützung derartiger Bestrebungen gekommen ist, bedarf es nicht. Ebenso wenig ist erforderlich, dass das Verhalten des Ausländers tatsächlich Erfolg hatte oder für einen Erfolg ursächlich war. Das Verhalten, dessen der Ausländer verdächtig ist, muss für den Fall, dass sich der Verdacht bestätigt, ein Unterstützen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG darstellen. Einzelne Unterstützungshandlungen hindern als tatsächliche Anhaltspunkte die Einbürgerung zudem nur und erst dann, wenn sie nach Art und Gewicht geeignet sind, eine dauernde Identifikation des Ausländers mit diesen Bestrebungen zu indizieren. Ob nach diesen Grundsätzen eine tatbestandsmäßige Unterstützung gemäß § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vorliegt, ist auf Grund einer wertenden Betrachtung der gesamten Begleitumstände einschließlich vergangener Handlungen oder Erklärungen zu beurteilen (BVerwG, U.v. 20.3.2012 – 5 C 1/11 m.w.N.; vgl. auch BayVGH, B.v. 14.10.2015 – 5 ZB 15.808 – juris Rn. 14).
Bei der Beurteilung, ob die Anknüpfungstatsachen je für sich oder in ihrer Gesamtschau nach Inhalt, Art und Gewicht für die Annahme ausreichen, dass der Ausländer Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG unterstützt oder unterstützt hat, steht der Einbürgerungsbehörde kein Beurteilungsspielraum zu. Das Vorliegen dieses Ausschlussgrundes, einschließlich der Frage der glaubhaften Abwendung von verfassungsfeindlichen Bestrebungen, unterliegt vielmehr in vollem Umfang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (BVerwG, U.v. 2.12.2009 – 5 C 24.08 – juris Rn. 17).
Gemessen hieran hat die Klägerin bei wertender Gesamtbetrachtung in der Vergangenheit auf Grund verschiedener Aktivitäten die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen unterstützt.
Bei der PKK und deren Nachfolgeorganisationen handelt es sich um eine terroristische bzw. den Terrorismus unterstützende Vereinigung (VGH Mannheim, U.v. 13.1.2016 – 11 S 889/15 – juris; U.v. 2.3.2016 – 11 S 1389/15 mit ausführlicher Begründung, auf die Bezug genommen wird; BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3/16; U.v. 25.7.2017 – 1 C 12/16 – juris).
Die Klägerin hat insbesondere durch ihr Verhalten in den sozialen Medien und ihren Besuch im HDP Büro in E. die Ziele und die Belange der PKK unterstützt.
Dabei kann offenbleiben, ob die Umbenennung ihres Facebook Accounts von “M. T.” in “M. G.” allein zu Ehren ihrer Mutter erfolgte oder, wie der Beklagte meint, um auf einen gleichnamigen Film mit diesem Titel über PKKKämpferinnen Bezug zu nehmen. Denn die Klägerin hat unabhängig davon auf ihrem Account verschiedentlich “Likes” für die Vereinigungen YXK und Ciwanen Azad gesetzt. Bei der Vereinigung YXK handelt es sich laut Landesamt für Verfassungsschutz um den Verband der Studierenden aus Kurdistan, einer Massenorganisation des KONGRA GEL. Ziel des Verbandes ist es laut Verfassungsschutz, dass verschiedene Personen- und Interessensgruppen für die Ziele und Belange des KONGRA GEL eintreten. Der Verband führt regelmäßig Aktionen für die Freilassung von Ö. durch und gilt als der verbotenen Untergrundorganisation der PKK nahe stehend (vgl. Wikipedia, Verband der Studierenden aus Kurdistan; https://de.wikipedia.org/wiki/Verband_der_Studierenden_aus_Kurdistan; aufgerufen am 27. Juli 2021). Bei Ciwanen Azad handelt es sich um eine Jugendorganisation der PKK.
Ebenfalls “geliked'” hat die Klägerin ein Foto, auf dem ein Plakat mit Herrn Ö. und der Aufschrift “Freiheit für Ö.” zu sehen ist. Daneben steht Frau A., eine bekannte PKK Aktivistin.
Durch die von der Klägerin angebrachten “Likes” bringt sie zum Ausdruck, dass ihr ein Beitrag gefällt bzw. sie den Inhalt unterstützt. Dies wird anderen Facebook Nutzern mitgeteilt und ist für Besucher des Accounts sichtbar. Zudem nutzt Facebook die gesetzten “Likes” um den Nutzern mehr Inhalte anzuzeigen, die ihm ebenfalls gefallen könnten (vgl. Facebook verwenden; https://de-de.facebook.com/help/110920455663362/ aufgerufen am 27. Juli 2021). Durch jedes Like vergrößert sich damit die mediale Aufmerksamkeit für eine Gruppierung. Da die Klägerin Beiträge von Organisationen mit PKK-Bezug und ein Foto mit Ö. “geliked” hat, bringt sie zum Ausdruck, dass sie diese Inhalte unterstützt und sorgt durch ihr Tun für mehr mediale Aufmerksamkeit der PKK.
Weitere tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme der Unterstützung der PKK durch die Klägerin ergeben sich aus dem persönlichen Umfeld der Klägerin, mit dem sich die Klägerin fotografieren lässt und öffentlich im Internet zeigt. So zeigt die Klägerin auf ihrem Facebook Account ein Foto zusammen mit Herrn A., wie sie gemeinsam auf einer Veranstaltung am R.platz Köfte zubereiten.
Auf der Plattform Twitter veröffentlichte im Juni 2017 das Zentrum für politische Schönheit unter der Überschrift “Flugblatt-Workshop mit K. … M.” ein Foto, auf dem die Klägerin mit anderen Personen vor einem Transparent mit der Aufschrift “Wir lieben das Leben so sehr, dass wir bereit sind dafür zu sterben” und einer schwarz-weissen Zeichnung, auf der ein Arm mit geballter Faust zwischen Gitterstäben hindurchgestreckt wird, gezeigt wird. Unter den anderen auf dem Foto zu sehenden Personen befinden sich bekannte PKK-Aktivisten wie Herr B., Herr O. und Herr C.
Außerdem findet sich auf Twitter ein Post von Herrn S. vom November 2020 mit dem Hinweis, dass Herr B. und die Klägerin zusammen Spenden für bedürftige Kinder in M. und S. gesammelt haben.
Auch wenn die einzelnen Aktionen, wie beispielsweise die Spendenaktion, rein humanitären Zwecken dient, so verleiht doch die Klägerin allein durch ihr öffentlichkeitswirksames Auftreten mit bekannten PKK-Aktivisten diesen eine größere öffentliche Aufmerksamkeit bzw. Präsenz. Sie motiviert und mobilisiert dadurch nicht zuletzt insbesondere junge Leute, für die Ziele und Belange der PKK einzutreten.
Auch leistete sie Unterstützungshandlungen durch ihren Besuch bei Herrn Y. in E., über den vom Nachrichtensender …News am 10. März 2019 im Internet ein mit Fotos der Klägerin illustrierter Bericht veröffentlichet wurde. Hierzu hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass sie im Rahmen einer Studienreise zusammen mit … G., einem kurdischen Filmregisseur, den sich im Hungerstreit befindlichen Kurden Y. in einem Büro der HDP in E. besucht habe. Der von …News erstellte Bericht hierüber zeigt Fotos der Klägerin mit Y. und zitiert die Klägerin mit ihrer Forderung nach der Freilassung Ö.s. Die Angabe der Klägerin hierzu in der mündlichen Verhandlung, sie habe kein Statement abgegeben, hält das Gericht für nicht glaubhaft. Der Klägerin als gebildete und mit der politischen Situation der Kurden vertraute, junge Frau war die Bedeutung des Besuchs in E. sehr wohl bewusst, da sie in der mündlichen Verhandlung auch angegeben hat, dass der Besuch von mehreren Personen begleitet wurde, die auch Fotos gemacht haben. Nach Auskunft von Herrn D. in der mündlichen Verhandlung handelt es sich bei …News um einen Nachrichtenkanal, der für die PKK Propaganda macht. Durch das Erscheinen der Klägerin auf der Seite des Nachrichtenkanals und des dort erwähnten Besuchs der Klägerin in E. tritt sie für die Ziele der PKK ein und unterstützt so die PKK.
Schließlich bestärken die von der Klägerin bis zum Jahr 2018 besuchten Veranstaltungen im kurdischen G. M. sowie der von der NAV-DEM (jetzt KON-MED, Verfassungsschutzbericht Bayern 2020, S. 89) u.a. in K. organisierten Veranstaltungen in der Gesamtbetrachtung im Hinblick auf oben genannte Aktivitäten die Annahme, dass die Klägerin die Ziele der PKK unterstützt und gebilligt hat. Der Verein K. G. M. e.V. ist der Nachfolgeverein des M. K.s und ist nun Mitglied in der KON-MED. Dieser Verein, der sich nach außen als reiner Kulturverein darstellt, hat die Aufgabe, unter Anhängern die Ziele und Politik der PKK zu verbreiten und zu fördern. In den Räumlichkeiten dieser Vereine finden regelmäßig neben kulturellen Veranstaltungen auch solche mit PKK-Bezug statt (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2018 S. 85, Verfassungsschutzbericht Bayern 2020, S. 88, 89). Ihre Angaben, dass sie das k. G. nur für Tanz- und Sprachkurse besucht habe und die Veranstaltungen nur zum Treffen von Freunden und Verwandten genutzt habe, ist insoweit nicht glaubhaft.
Die oben genannten Tätigkeiten, welche für sich betrachtet wohl nicht für die Annahme der Unterstützung der verbotenen PKK ausreichen würden, rechtfertigen jedoch in ihrer Gesamtschau bei wertender Betrachtung die Annahme, dass die Klägerin zumindest in der Vergangenheit die PKK aktiv unterstützt hat.
b. Die Klägerin hat zumindest im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht vollumfänglich und glaubhaft von ihrem sicherheitsgefährdendem Handeln Abstand genommen, auch wenn gewichtige Ansätze bereits erkennbar sind. Ein Abstandnehmen in diesem Sinne setzt einen individuellen Lernprozess voraus, aufgrund dessen angenommen werden kann, dass mit hinreichender Gewissheit zukünftig ein sicherheitsgefährdendes Handeln des Betreffenden auszuschließen ist. Hierzu bedarf es eindeutiger Erklärungen und Verhaltensweisen, die zeigen, dass sich die Klägerin nunmehr von zurückliegenden Aktivitäten erkennbar und aus innerer Überzeugung distanziert.
Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie ihren Facebook Account seit 5-6 Jahren nicht mehr benutzt. Das K. G. besucht sie seit 2018 nicht mehr. Zudem distanzierte sie sich ausdrücklich und glaubhaft von der Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele, auch durch die PKK.
Die Klägerin hinterfragt damit kritisch ihre bisherige Einstellung zur PKK sowie ihr Erscheinungsbild in den sozialen Medien. Die Klägerin hat durch ihr Verhalten in den letzten Jahren gezeigt, dass sie sich von einer Unterstützung der PKK immer mehr abwendet und die humanitären und menschenrechtlichen Anliegen der Kurden in ihrem Engagement zunehmend in den Vordergrund treten. Sie hat damit den geforderten Lernprozess begonnen. Dies reicht zwar im jetzigen Zeitpunkt für die Annahme eines glaubhaften Abstandnehmens noch nicht aus. Das Gericht geht jedoch davon aus, dass die Klägerin auf Grund der Vorhaltungen des Gerichts in der mündlichen Verhandlung ihr vergangenes Handeln weiter kritisch prüfen wird und sie zukünftig ihr Verhalten in den sozialen Medien hinterfragen wird, so dass nach einer Wohlverhaltensfrist von zwei Jahren ein neuer Einbürgerungsantrag gestellt werden und die Frage des glaubhaften Abstandnehmens in einer erneuten sicherheitsrechtlichen Befragung überprüft werden kann.
2. Die Klage ist somit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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