Aktenzeichen M 24 K 15.31229
Leitsatz
Aus dem Untertauchen eines Klägers, dessen Klage darauf gerichtet ist, weiter im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen, ist der Schluss zu ziehen, dass er an der Weiterverfolgung des gerichtlichen Verfahrens kein Interesse mehr hat (ebenso VGH München BeckRS 2014, 49132). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
1. Das Gericht konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2016 entscheiden, obwohl weder der Kläger noch ein Vertreter der Beklagten zur mündlichen Verhandlung erschienen war. Denn in den Ladungsschreiben vom 9. Dezember 2015 war darauf hingewiesen worden, dass bei Nichterscheinen eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Der Beklagten wurde das Ladungsschreiben am 15. Dezember 2015 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. Die Zustellung des an den Kläger adressierten Ladungsschreiben gilt nach § 10 Abs. 2 Satz 4 AsylG mit der Aufgabe zur Post als bewirkt, auch wenn das Ladungsschreiben vom 9. Dezember 2015 mit dem Vermerk „unbekannt verzogen“ und „freiwillige Ausreise“ am 14. Dezember 2015 zum Gericht zurückgekommen ist. Ein Ausländer hat während der Dauer seines Asylverfahrens vorzusorgen, dass ihn Mitteilungen des Bundesamtes, der zuständigen Ausländerbehörde und der angerufenen Gerichte stets erreichen können; insbesondere hat er jeden Wechsel seiner Anschrift den genannten Stellen unverzüglich mitzuteilen (§ 10 Abs. 1 AsylG). Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 AsylG muss der Ausländer Zustellungen unter der letzten Anschrift, die der jeweiligen Stelle, hier dem Gericht, aufgrund seiner Mitteilung, hier den Angaben der Kläger bei der Klageerhebung, bekannt ist, gegen sich gelten lassen, wenn er für das Verfahren weder einen Bevollmächtigten bestellt noch einen Empfangsberechtigten benannt hat oder diesen nicht zugestellt werden kann. So verhält es sich hier. Der Kläger ist nach unbekannt verzogen; seine neue Adresse hat er dem Gericht nicht mitgeteilt.
Über die Zustellungsvorschriften des § 10 AsylG wurde der Kläger ausweislich der Asylakte des Bundesamtes am 9. Juni 2015 in mazedonischer Sprache belehrt.
2. Das Verwaltungsgericht München ist zur Entscheidung über die Klage örtlich zuständig, weil der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit seine Aufenthalt nach dem Asylgesetz im Regierungsbezirk Oberbayern und damit im Gerichtsbezirk zu nehmen hatte (§ 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO). Aufgrund des Kammerbeschlusses vom 8. Dezember 2015 ist der Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung über die Klage berufen (§ 76 Abs. 1 AsylG).
3. Die Klage hat keinen Erfolg, da ihr zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) das erforderliche Rechtsschutz-bedürfnis fehlt und sie damit bereits unzulässig ist.
In Einklang mit Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) setzt jede an einen Antrag gebundene gerichtliche Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis voraus. Nur derjenige, der mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt, hat einen Anspruch auf die gerichtliche Sachentscheidung. Fehlt es daran, so ist das prozessuale Begehren als unzulässig abzuweisen (BVerfG, B. v. 27.10.1998 – 2 BvR 2662/95 – juris Rn. 16 m. w. N.).
Das erforderliche Rechtsschutzinteresse kann im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens entfallen. Vom Wegfall eines ursprünglich gegebenen Rechtsschutzbedürfnisses kann das Gericht im Einzelfall ausgehen, wenn das Verhalten eines rechtsschutzsuchenden Verfahrensbeteiligten Anlass zu der Annahme bietet, dass ihm an der Sachentscheidung des Gerichts nicht mehr gelegen ist (OVG NRW, B. v. 1.2.2002 – 21 A 1550/01.A – juris Rn. 5; BVerfG, B. v. 27.10.1998 – 2 BvR 2662/95 – juris Rn. 17; BayVGH, B. v. 20.12.1999 – 10 ZC 99.1418 – juris Rn. 3). Aus dem Untertauchen eines Klägers, dessen Klage darauf gerichtet ist, weiter im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen, ist der Schluss zu ziehen, dass er an der Weiterverfolgung des gerichtlichen Verfahrens kein Interesse mehr hat (BayVGH, B. v. 6.3.2014 – 10 ZB 13.1862, juris Rn. 4 m. w. N.).
So verhält es sich hier. Der Kläger ist unbekannt verzogen. Sein Aufenthaltsort ist dem Gericht nicht bekannt. Er hat damit zu erkennen gegeben, dass er an einer gerichtlichen Entscheidung über einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht interessiert ist.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff der Zivilprozessordnung (ZPO).