Europarecht

Erfolgreiche Klage auf Übertragung einer Agentenmarke

Aktenzeichen  4 HK O 7984/16

Datum:
24.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2019, 54802
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
MarkenG § 4 Nr. 2, § 17, § 21 Abs. 2 bis 4, § 118
UMV Art. 7, Art. 18, Art. 21, Art. 59 Abs. 1a, Art. 128
PVÜ Art. 6 septies
UWG § 3 Abs. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, Anhang Nr. 13

 

Leitsatz

1. Ein Agentenverhältnis kann sich aus dem praktizierten Unterordnungsverhältnis, der Interessenbindung und der Funktion beim Warenabsatz ergeben. Das Fehlen eines Distributionsvertrages, von Berichts- und Umsatzverpflichtungen steht dem in einem solchen Fall nicht entgegen.  (Rn. 38 – 39) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Einrede der Nichtbenutzung steht einem Markenübertragungsanspruch nicht entgegen. (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Beklagte zu 2) wird verurteilt,
a. die … Marke … im Umfang der im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis für diese Marke aufgeführten Klassen … auf die Klägerin zu übertragen und gegenüber dem DPMA der Eintragung der Klägerin als Rechtsnachfolgerin zuzustimmen;
b. die internationale Marke … im Umfang der im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis eingetragenen Klassen … in Bezug auf Deutschland auf die Klägerin zu übertragen und gegenüber der WIPO der Eintragung der Klägerin als Rechtsnachfolgerin zuzustimmen.
II. Die Klage wird in den Anträgen 2.a und 2.c im Übrigen sowie in Antrag 5. abgewiesen.
III. Auf die Widerklage werden die Unionsmarken … für nichtig erklärt.
IV. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
V. Das Urteil ist für die Klägerin gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 60.000,- € und für die Beklagten gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
I. Das Verfahren über die Klageanträge Ziffern 1, 3, 4 und 6 wird bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Widerklage … ausgesetzt.
II. Der Streitwert wird für die Klage auf 250.000,00 € festgesetzt.
Für die Widerklage verbleibt es bei dem auf 100.000,00 € festgesetzten Streitwert.

Gründe

Die Klage ist hinsichtlich des Übertragungsanspruchs weitgehend begründet, hinsichtlich Klageantrag Ziffer 5. ist die Klage abzuweisen.
Die Widerklage ist begründet.
1. Der Übertragungsanspruch gemäß Ziffern 2.a und c der Klageanträge ergibt sich aus § 17 MarkenG und Artikel 6 septies PVÜ.
a) Die Bestellungen des Beklagten zu 2) bei der Klägerin begannen Anfang … und am … wurde die … Wortmarke … angemeldet. Die Beklagten erhielten neben den etikettierten … Behältnissen auch unetikettierte Behältnisse, um ihr eigenes Etikett verwenden zu können.
Am … sandte der Beklagte zu 2) folgende Mail (…) Der Vertrieb durch die Beklagten erfolgte in Abstimmung mit der Klägerin, die das letzte Wort hinsichtlich des Ablaufs der National Sellings hatte. Es gab eine Zusammenarbeit bei der Erstellung von Vorträgen, Seminaren und Broschüren.
Bereits vor … vertrieb die Klägerin über Distributoren in Deutschland und Europa.
Zwischen den Parteien gab es keine Berichtsplicht, keine Umsatzverpflichtung, keine Werbungskostenbeteiligung. Die Lieferungen endeten dadurch, dass keine Bestellungen mehr erfolgten.
b) Die erforderliche Interessenwahrungspflicht des Agenten genügt in Form einer vertraglichen Nebenpflicht. Auch eine einseitige Interessenbindung des Anmelders reicht aus.
Allerdings ist eine über den bloßen Güteraustausch hinausgehende Geschäftsbeziehung erforderlich, der reine Kauf von Produkten durch den Markenanmelder genügt nicht. Der Markenanmelder muss eine Funktion im Warenabsatzbereich des Geschäftsherrn besitzen und es muss ein Unterordnungsverhältnis bzw. ein Abhängigkeitsverhältnis bestehen (BGH GRUR 2008, 611).
Auch nach Beendigung des Agentenverhältnisses eingereichte Anmeldungen können erfasst werden, wenn noch ein Verstoß gegen fortwirkende Verpflichtungen aus dem Agentenverhältnis besteht, was allgemein für eine angemessene Zeit nach dem Ende des Vertragsverhältnisses anzunehmen ist.
Ein Schutz durch Artikel 18 UMV erfolgt auch, wenn das jüngere Zeichen das ältere im Wesentlichen wiedergibt und die Waren/Dienstleistungen zumindest wirtschaftlich gleichwertig sind. Auch § 11 MarkenG erstreckt sich auf verwechslungsfähige Zeichen.
Vorliegend beinhalten die deutsche Marke und die IR-Marke des Beklagten zu 2) das dominierende Element der beiden Unionsmarken der Klägerin, nämlich den Bestandteil …. Die beiden Unionsmarken der Klägerin werden durch den Bestandteil … geprägt, da sie im Übrigen beschreibende Angaben enthalten. Dabei ist davon auszugehen, dass der Verkehr die Marken der Klägerin auf den Bestandteil … verkürzt (BGH GRUR 2008, 719; BPatG GRUR 2010, 437). Dabei ist zu berücksichtigen, dass … nur aus drei Buchstaben, besteht, während bei einer Aneinanderreihung aller vier Anfangsbuchstaben die Bezeichnung … entstünde; daher liegt die Annahme einer eigenen Bedeutung von … im deutschen Verständnis nahe, EuGH GRUR 2012, 616, Tz. 34 f.).
Nach alledem ist von einem Agentenverhältnis im Sinne des § 17 MarkenG bzw. Artikel 6 septies PVÜ bzw. Artikel 21 UMV auszugehen. Insbesondere aus dem Inhalt der Anlage … ergibt sich das erforderliche Unterordnungsverhältnis und die Funktion der Beklagten beim Warenabsatz. Insbesondere kam es auch zu ständigen Abstimmungen zwischen den Parteien hinsichtlich der Etikettengestaltung. Der Vortrag der Beklagten, ihr eigenes … sei mit Einverständnis von … verwendet worden, zeigt, dass die Beklagten es für erforderlich gehalten haben, die Zustimmung der Klägerin einzuholen; hierin offenbart sich die Interessenbindung (OLG Hamm, Az. 4 U 149/13, Tz. 60).
Das Fehlen eines Distributionsvertrages sowie das Fehlen von Berichtspflichten, Umsatzverpflichtungen, etc. steht in einem solchen Falle der Bejahung eines Agentenverhältnisses nicht entgegen.
c) Die Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe den Markenanmeldungen zugestimmt, wurde bestritten; Beweis haben die Beklagten hierfür nicht angeboten.
Eine Zustimmung der Klägerin kann daher nicht angenommen werden.
d) Auch der Beklagte zu 2) als Geschäftsführer ist als Agent zur Übertragung zu verurteilen (Ingerl/Rohnke, § 11 MarkenG, Rn. 9; OLG Düsseldorf, Az. 20 U 182/00, Tz. 21; Thiering/Lambrecht, GRUR-RR 2014, 425).
Die Mitinhaberschaft …, hindert die Verurteilung nicht, § 265 II ZPO.
e) Verjährung ist nicht eingetreten.
Die Klägerin hat frühestens im Dezember … Kenntnis erhalten …. Die Klage wurde am … zugestellt.
Davon abgesehen beginnt die Verjährung mit Abschluss der Dauerhandlung Markeneintragung (Ströbele/Hacker, § 20 MarkenG, Rn. 29).
f) Die Voraussetzungen einer Verwirkung liegen nicht vor.
Die §§ 21 Abs. 2 bis Abs. 4 MarkenG, 242 BGB sind auf Unionsmarken nicht anwendbar (BeckOK Markenrecht, § 125 b MarkenG, Rn. 12). Zur Beurteilung hinsichtlich der beiden anderen Marken ist wohl von einer Dauerhandlung auszugehen (Markeneintragung). Im Übrigen ist ein berechtigtes Vertrauen der Beklagten nicht ersichtlich. Ein Anlass zur Annahme, die Klägerin bemerke die Markeneintragung und habe nichts dagegen, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Auch ein schutzwürdiger Besitzbestand ist nicht substantiiert dargelegt. Insoweit liegt die Beweislast beim Verletzer. Das Zeugenangebot auf Seite 16 der Klageerwiderung ist unsubstantiiert und wäre eine Ausforschung.
Jedenfalls könnte eine Verwirkung für die letzten drei bis vier Jahre nicht angenommen werden (Ströbele/Hacker, § 21 MarkenG, Rn. 82).
g) Die Übertragung des deutschen Anteils der IR-Marke richtet sich nach deutschem Recht (Ströbele/Hacker, § 27 MarkenG, Rn. 66). Weitere Regelungen hierzu finden sich in § 118 MarkenG, Artikel 9 ter MMA.
h) Die Einrede der Nichtbenutzung steht dem Übertragungsanspruch nicht entgegen (BeckOK Markenrecht, § 25 MarkenG, Rn. 5.1; Ströbele/Hacker, § 25 MarkenG, Rn. 14).
i) Zu erfolgen hat eine Teilübertragung der beiden Marken, da diese auch für andere Waren als Nahrungsergänzungsstoffe eingetragen sind (Ströbele/Hacker, § 17 MarkenG, Rn. 9).
2. Der Unterlassungsanspruch gemäß Antrag Ziffer 5. ist abzuweisen.
Die geltend gemachten Ansprüche aus Nr. 13 des Anhangs zu § 3 UWG bzw. aus § 5 UWG greifen nicht durch, da die Klägerin nicht dargelegt hat, von wann die als einziges Beweismittel vorgelegte Anlage … stammt. Es steht allein fest, dass diese Anlage mit Schriftsatz vom … vorgelegt wurde, also spätestens am … existiert haben muss. Hierzu machen die Beklagten geltend, die Anlage … stamme aus alten Zeiten und müsste längst beseitigt sein. Das bloße Bestreiten der Klägerin hierzu in der Replik genügt nicht, zumal auch die weiter vorgelegten Anlagen … die streitgegenständlichen Behauptungen nicht enthalten.
Ist die Anlage … längere Zeit vor dem … ausgedruckt worden, so kann nicht angenommen werden, dass sie nicht die Originalware der Klägerin bewirbt.
Zwar hat die Zeugin … erklärt, sie gehe davon aus, dass bei den von ihr genannten Zahlen für … keine Lieferungen von Firma … mehr dabei gewesen seien, normalerweise sei eine Lieferung nach einem Vierteljahr, spätestens nach einem halben Jahr, abverkauft gewesen. Angesichts der letzten Lieferung durch Firma … und des nicht feststehenden Datums des Ausdrucks der Anlage … kann nicht davon ausgegangen werden, dass die angegriffene Bewerbung andere als von der Klägerin bzw. Firma … gelieferte Produkte betrifft.
Daher ist dieser Klageantrag abzuweisen.
3. Die Widerklage ist begründet, Artikel 128, 59 Abs. 1a, 7 UMV.
Es fehlt bei den beiden Unionsmarken an der erforderlichen Unterscheidungskraft, Artikel 7 Abs. 1b UMV.
Artikel 7 Abs. 1 UMV erfasst eine Wortmarke, die aus der Zusammenfügung einer beschreibenden Wortkombination und einer – isoliert betrachtet – nicht beschreibenden Buchstabenfolge besteht, wenn die Buchstabenfolge vom Verkehr als Abkürzung der Wortkombination wahrgenommen wird, weil sie die Anfangsbuchstaben jedes Wortes dieser Wortkombination wiedergibt, und die Marke in ihrer Gesamtheit betrachtet damit als eine Kombination beschreibender Angaben oder Abkürzungen verstanden werden kann, der infolgedessen die Unterscheidungskraft fehlt (EuGH GRUR 2012, 616).
Zwar stellt sich die Frage, ob … als Abkürzung für die Anfangsbuchstaben von … verstanden wird, da bei … nur ein … enthalten ist. Aber … hat selbst die Buchstabenfolge … als Abkürzung für … verwendet …, ebenso die Beklagten ….
Daher ist davon auszugehen, dass jedenfalls in Großbritannien die Bedeutung unmittelbar greifbar ist und … als Abkürzung von … aufgefasst bzw. verstanden wird.
Ein Eintragungshindernis in einem Teil des einheitlichen Marktes genügt.
4. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Widerklage sind die Klageanträge Ziffer 1., 3., 4. und 6. auszusetzen. Die Entscheidung über diese Anträge ist davon abhängig, ob die Marken der Klägerin als Anspruchsgrundlage zur Verfügung stehen. Dies gilt auch für den Anspruch in Ziffer 6., da bei einer Abnehmerverwarung zu prüfen ist, ob eine Marke der Klägerin verletzt wurde.
Demnach ist insoweit Aussetzung anzuordnen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.07.2017, Az. 6 W 60/17; Klawitter: Kein Schutz für funktional bedingte Desginmerkmale, GRUR-Prax 2016, 221).
5. Die Kostenentscheidung ist der Endentscheidung vorzubehalten.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.


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