Aktenzeichen 1 AR 7/20
BGB § 269 Abs. 1, § 270 Abs. 4
Brüssel-Ia-VO Art. 18 Abs. 2
Leitsatz
1. Das zuständige Gericht kann in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ausnahmsweise bereits vor Rechtshängigkeit bestimmt werden, wenn nicht erwartet werden kann, dass die beteiligten Gerichte den Kompetenzstreit ohne Entscheidung in absehbarer Zeit beilegen. (Rn. 13)
2. Das Gericht, bei dem in einer bürgerlichen Rechtsstreitigkeit eine Klageschrift eingereicht wird, hat über einen damit verbundenen Antrag auf Bewilligung der öffentlichen Zustellung ohne Rücksicht auf seine örtliche und internationale Zuständigkeit für das Hauptsacheverfahren zu entscheiden. (Rn. 17)
3. Vor Rechtshängigkeit der Streitsache steht es der Klagepartei frei, ihre getroffene Gerichtswahl noch zu revidieren. (Rn. 19)
4. Ist nach nationalem materiellen Recht gemäß § 270 Abs. 4, § 269 Abs. 1 BGB als Leistungsort für Rückzahlungsansprüche aus einem Bankdarlehen der Wohnsitz des Bankkunden im Zeitpunkt der Kreditgewährung anzusehen, so bewirkt eine spätere Wohnsitzverlegung auch dann keine Änderung des Erfüllungsorts für nach dem Wegzug fällig gewordene Ansprüche, wenn das Vertragsverhältnis als Verbraucherdarlehen zu qualifizieren ist. (Rn. 30 – 31)
Tenor
Örtlich zuständig für das weitere Verfahren ist das Landgericht Mainz, das an einer erneuten Überprüfung seiner Zuständigkeit aufgrund neuen Sachvortrags nach Rechtshängigkeit nicht gehindert ist.
Gründe
I.
Die Klägerin, ein Bankinstitut, erhob unter dem 12. April 2019 zum Landgericht Passau Klage gegen den Beklagten, verbunden mit dem Antrag auf deren öffentliche Zustellung. Sie gab an, gegen den Beklagten einen fälligen Zahlungsanspruch aus einem gekündigten Darlehensvertrag zu haben. Die letzte bekannte Anschrift des Beklagten liege im Bezirk des angerufenen Gerichts. Da die monatlich geschuldeten Ratenzahlungen eingestellt worden seien und der aktuelle Aufenthalt trotz Einschaltung einer Detektei nicht habe ermittelt werden können, sei die mit Schreiben vom 9. Januar 2019 erklärte Kündigung des Vertrags durch öffentliche Zustellung erfolgt. Auch die Zustellung der Klage müsse durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen.
Das Landgericht Passau überprüfte diese Angaben durch telefonische Anfrage vom 17. April 2019 beim Einwohnermeldeamt und erteilte sodann Hinweise an die Klägerin, dass eine öffentliche Zustellung derzeit mangels ausreichender Klärung der Wohnsitzsituation durch die Klägerin ausscheide, die Wirksamkeit der Kündigung fraglich sei und die Zuständigkeit des Landgerichts Passau in Frage stehe. Auf die Frage, wie weiter verfahren werden solle, bat die Klägerin mit Schriftsatz vom 24. April 2019 darum, den Vorgang zunächst zurückzustellen.
Mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2019, dem als Anlage K 8 eine amtliche Meldeauskunft vom 9. Juli 2019 beigefügt war, beantragte die Klägerin sodann die Abgabe des Verfahrens an das Landgericht Mainz. Aus der Meldeauskunft ergibt sich, dass der Beklagte vom 5. Dezember 2018 bis zum Auszugsdatum am 18. April 2019 eine Wohnanschrift in Mainz unterhalten und sich von dort an eine nicht näher bezeichnete Anschrift in Tunesien abgemeldet hat. Das Landgericht Mainz sei nach § 16 ZPO örtlich zuständig, weil die letzte bekannte Anschrift des Beklagten in dessen Bezirk liege. Eine mit Schreiben vom 6. August 2019 nochmals ausgesprochene Kündigung des Darlehensvertrags sei über das Amtsgericht Mainz öffentlich zugestellt worden.
Daraufhin hat sich das Landgericht Passau mit der Klägerin mitgeteiltem Beschluss vom 28. Oktober 2019 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Mainz abgegeben. Weil der aktuelle Wohnsitz des Beklagten nicht bekannt sei und die letzte bekannte inländische Wohnanschrift im Bezirk des Landgerichts Mainz liege, sei dessen örtliche Zuständigkeit begründet. Das Landgericht Passau sei hingegen nicht zuständig, weil der allgemeine Gerichtsstand des Beklagten bereits im Zeitpunkt der Darlehenskündigung und damit der Fälligstellung des Rückzahlungsanspruchs nicht mehr im Gerichtsbezirk gelegen habe.
Ohne vorherige Anhörung der Klägerin hat das Landgericht Mainz mit der Klägerin bekanntgegebenem Beschluss vom 27. November 2019 die Übernahme abgelehnt und die Sache an das abgebende Gericht zurückgesandt. Zur Begründung hat das Landgericht Mainz ausgeführt, die formlose Abgabe binde nicht. Das abgebende Landgericht habe eine eindeutig bei ihm selbst gegebene Zuständigkeit übergangen. Aus dem der Klage in Kopie beigelegten Darlehensvertrag ergebe sich, dass der Beklagte bei Vertragsschluss im Bezirk des abgebenden Gerichts wohnhaft gewesen sei. Dort sei daher der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsorts eröffnet, der sich durch den Wegzug des Darlehensnehmers nach Mainz nicht geändert habe. Die ohne Anhörung des Beklagten erfolgte Abgabe verletze außerdem den Beklagten in dessen Anspruch auf rechtliches Gehör.
Mit Beschluss vom 8. Januar 2020 hat das Landgericht Passau die Sache dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Zuständigkeitsbestimmung nach „§ 36 I Ziffer 5, 2, 3 ZPO, 9 EGZPO“ vorgelegt. Leistungsort sei nach § 270 BGB zwar grundsätzlich der Wohnsitz des Schuldners zum Zeitpunkt der Entstehung des Schuldverhältnisses. Zum Schutz des Verbrauchers sei jedoch ein in Raten rückzahlbarer Verbraucherkreditvertrag dahin auszulegen, dass Erfüllungsort der jeweilige Wohnsitz des Darlehensnehmers zum Zeitpunkt der Fälligkeit von Leistungen sei. Die Rückzahlungsforderung sei erst zu einem Zeitpunkt fällig geworden, als der Beklagte nicht mehr im Bezirk des Landgerichts Passau wohnhaft gewesen sei.
Die Klägerin hat Gelegenheit zur Äußerung im Bestimmungsverfahren erhalten. Sie hat hiervon keinen Gebrauch gemacht. II.
Auf die statthafte Vorlage des Landgerichts Passau ist auszusprechen, dass das Landgericht Mainz für das weitere Betreiben des Verfahrens örtlich zuständig ist.
1. Zunächst bedarf die Vorlage des Landgerichts Passau der Auslegung. Mit Blick auf den Akteninhalt und das im Tenor des Beschlusses geäußerte Ziel wird die Vorlage als Gesuch um Entscheidung des negativen Kompetenzkonflikts verstanden, § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO. Dass der Vorlagebeschluss auf andere, indes nicht einschlägige Varianten des § 36 ZPO Bezug nimmt, steht nicht entgegen.
Zuständig für die Entscheidung des Kompetenzstreits ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO das Bayerische Oberste Landesgericht, weil die Bezirke der beteiligten Landgerichte zu den Zuständigkeitsbereichen unterschiedlicher Oberlandesgerichte (München und Koblenz) gehören und das mit der Sache zuerst befasste Gericht in Bayern liegt.
2. Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts liegen im Ergebnis vor.
a) Zwar setzt eine Entscheidung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO nach dem Gesetzeswortlaut voraus, dass sich verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, „rechtskräftig“ für unzuständig erklärt haben. In einem zivilprozessualen Klageverfahren kommt eine Bestimmung der Zuständigkeit danach grundsätzlich erst in Betracht, wenn Rechtshängigkeit der Streitsache durch Zustellung der Klage (§ 261 Abs. 1, § 253 Abs. 1 ZPO) eingetreten ist, denn vor dem Eintritt der Rechtshängigkeit können keine rechtskräftigen Entscheidungen über die Unzuständigkeit im Sinne der Vorschrift erlassen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Oktober 1995, XII ARZ 18/95, NJW-RR 1996, 254 [juris Rn. 1]; Beschluss vom 5. März 1980, IV ARZ 8/80, NJW 1980, 1281 [juris Rn. 7 f.]; Schultzky in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 36 Rn. 36). Im Stadium der Anhängigkeit kommt regelmäßig nur eine Abgabe der Sache an ein anderes Gericht in Betracht, wie sie hier auf Antrag der Klägerin ausgesprochen wurde. Sie stellt, auch wenn sie Ausführungen zur Zuständigkeit enthält, keine Entscheidung über die Zuständigkeit dar (BGH, NJW 1980, 1281 [juris Rn. 7]; Foerste in Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 281 Rn. 5).
b) Nach ständiger Rechtsprechung kann allerdings mit Blick auf den Justizgewährleistungsanspruch der Partei(en) das zuständige Gericht in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ausnahmsweise bereits vor Rechtshängigkeit bestimmt werden, wenn nicht erwartet werden kann, dass die beteiligten Gerichte den Streit ohne Zuständigkeitsbestimmung in absehbarer Zeit beilegen (BGH, Beschluss vom 2. Dezember 1982, I ARZ 586/82, NJW 1983, 1062 [juris Rn. 5]; BayObLG, Beschluss vom 21. Juni 1991, AR 1 Z 49/91, NJW-RR 1992, 569 [juris Rn. 6]; KG, Beschluss vom 31. Oktober 2019, 2 AR 52/19, NJ 2020, 22 [23]; OLG München, Beschluss vom 8. August 2013, 34 AR 219/13, NJW-RR 2014, 80 [juris Rn. 5]; Toussaint in BeckOK, ZPO, 35. Ed. Stand: 1. Januar 2020, § 36 Rn. 40 m. w. N.).
Ein solcher Ausnahmefall ist hier gegeben. Beide mit der Sache befassten Gerichte haben eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie sich für nicht zuständig halten und deshalb die gebotene Verfahrensförderung nicht vornehmen werden. In der bereits vor mehr als zehn Monaten anhängig gewordenen Sache ist noch nicht einmal über den Antrag auf öffentliche Zustellung gemäß § 186 Abs. 1 ZPO entschieden; beide mit der Sache befassten Gerichte haben mit Entschiedenheit geäußert, die anstehenden Verfahrensschritte mangels Zuständigkeit nicht vorzunehmen.
3. Das Landgericht Mainz ist für das weitere Betreiben des Verfahrens örtlich zuständig.
a) Zu entscheiden ist zunächst über den Antrag auf öffentliche Zustellung der Klage, §§ 185, 186 ZPO. Das für die Bewilligung oder deren Ablehnung zuständige Prozessgericht im Sinne des § 186 Abs. 1 ZPO ist dasjenige Gericht, bei dem das Verfahren, in dem zugestellt werden soll, schon oder noch anhängig ist (Wittschier in Musielak/Voit, ZPO, § 186 Rn. 3; Häublein in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 186 Rn. 2; Dörndorfer in BeckOK, ZPO, § 186 Rn. 1).
Vor Rechtshängigkeit der Streitsache, die erst mit Klagezustellung bewirkt wird, § 261 Abs. 1 i. V. m. § 253 Abs. 1 ZPO, ist danach das Gericht zur Entscheidung über die Bewilligung der öffentlichen Zustellung berufen, bei dem die Klage eingereicht ist (Schultzky in Zöller, ZPO, § 186 Rn. 1; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 40. Aufl. 2019, § 186 Rn. 1; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2016, § 186 Rn. 3). Seine örtliche Zuständigkeit für das Hauptsacheverfahren hat es nicht zu prüfen (so bereits RGZ 46, 391 f.; Roth in Stein/Jonas, ZPO, § 186 Rn. 3 m. w. N.). Nichts anderes gilt in Bezug auf die internationale Zuständigkeit (OLG Köln, Beschluss vom 5. September 2002, 16 W 27/02, MDR 2003, 230 [juris Rn. 5]).
Vorliegend allerdings handelte das zunächst angerufene Landgericht Passau nicht verfahrensfehlerhaft, als es auf entsprechendes Ersuchen der Klägerin eine Entscheidung über die öffentliche Zustellung der Klage zurückgestellt und lediglich eine Wiedervorlage der Akte in sechs Monaten verfügt hat. Im Stadium der Anhängigkeit der Klage steht es der Klägerin frei, zu entscheiden, ob sie das Verfahren durchführen möchte.
Ohne Verfahrensfehler hat das Landgericht Passau sodann die Sache auf den Antrag der Klägerin an das Landgericht Mainz abgegeben. Mit der Abgabe hat das Gericht dem Willen der Klägerin Rechnung getragen, die mit ihrem Antrag zum Ausdruck gebracht hat, anstelle des zuerst angegangenen dieses andere Gericht (als das nach § 16 ZPO für zuständig erachtete Gericht) anrufen zu wollen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. August 2011, X ARZ 263/11, juris Rn. 13). Den geäußerten Gesinnungswandel hat das zuerst angerufene Gericht im hier gegebenen Verfahrensstadium – ungeachtet einer etwa nach § 29 Abs. 1 ZPO gegebenen eigenen Zuständigkeit – zutreffend als beachtlich behandelt. Denn vor Rechtshängigkeit der Streitsache durch Zustellung der Klageschrift (§ 261 Abs. 1, § 253 Abs. 1 ZPO) war die Klägerin an die zunächst getroffene Gerichtswahl nicht gebunden (vgl. Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, § 35 Rn. 3).
Mit der Abgabe an das Landgericht Mainz ist die Sache dort anhängig geworden. Damit ist das Landgericht Mainz für die Entscheidung über die öffentliche Zustellung zuständig geworden, § 186 Abs. 1 ZPO.
Zwar hat das Landgericht Mainz die Sache an das Landgericht Passau zurückgegeben, weshalb die Sache derzeit dort anhängig ist. Dem liegt jedoch keine entsprechende Willensäußerung der Klagepartei zugrunde, der es freigestanden hätte, ihre getroffene Wahl noch zu revidieren.
Auch im Verfahren der Zuständigkeitsbestimmung hat die Klägerin nicht geäußert oder sonst zu erkennen gegeben, dass sie von der Wahl des Landgerichts Mainz Abstand nehme.
Weil der ohne Anhörung und vor Rechtshängigkeit der Streitsache ergangene Beschluss des Landgerichts Mainz vom 27. November 2019 die Zuständigkeit des Landgerichts Passau nicht begründen kann, ist das Landgericht Mainz für das weitere Betreiben des Verfahrens örtlich zuständig, denn die Klagepartei hat sich mit ihrem Begehren (zuletzt) an dieses Gericht gewandt.
b) Bei diesem Gericht besteht zudem nach Aktenlage eine (internationale und) örtliche Zuständigkeit für das Hauptsacheverfahren.
aa) Die deutschen Gerichte sind nach dem Klagevortrag für das Streitverfahren international zuständig.
Weil nach den aktenkundigen Auskünften der Einwohnermeldeämter davon ausgegangen werden kann, dass sich der Beklagte seit dem 18. April 2019 in Tunesien aufhält und weder im Inland noch im EU-Ausland einen Wohnsitz unterhält, ist nichts dafür zu erkennen, dass eine unionsrechtliche Zuständigkeitsregelung, insbesondere diejenige für Klagen des „anderen“ Vertragspartners gegen den Verbraucher nach Art. 18 Abs. 2 Brüssel-Ia-VO, zur Anwendung käme.
Gemäß Art. 6 Abs. 1 Brüssel-Ia-VO folgt die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die hier vorliegende Streitigkeit aus einem Schuldvertrag mithin – in Ermangelung vorrangiger staatsvertraglicher Regelungen – aus den autonomen nationalen Bestimmungen über die örtliche Zuständigkeit (vgl. Hausmann in Staudinger, BGB, Neubearb. 2016, Verfahrensrecht für internationale Verträge Internationale Zuständigkeit für Vertragsklagen; Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen Rn. 12; Krümmel in Röhricht/Graf von Westphalen/Hass, HGB, 5. Aufl. 2019, Internationales Vertragsrecht Rn. 573, 578 f. und 581).
Die danach maßgeblichen Bestimmungen der Zivilprozessordnung über den Gerichtsstand verweisen nach Deutschland.
Zum einen kommt eine Zuständigkeit beim Landgericht Mainz als dem Gericht des letzten Wohnsitzes gemäß § 16 ZPO in Betracht, weil sich ein aktueller Wohnsitz des Beklagten aus den vorgelegten Bescheinigungen der Meldebehörden nicht ergibt (zu der grundsätzlich vom Kläger nachzuweisenden Wohnsitzlosigkeit nicht nur in Bezug auf das Inland: BGH, Beschluss vom 22. April 2010, IX ZB 217/09, juris Rn. 9; BayObLG, Beschluss vom 12. September 2019, 1 AR 67/19, juris Rn. 18 f.; Patzina in Münchener Kommentar zur ZPO, § 16 Rn. 5; Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, § 16 Rn. 2; Toussaint in BeckOK, ZPO, § 16 Rn. 4) und auch ein Aufenthaltsort im Inland nicht bekannt ist.
Daneben besteht beim Landgericht Passau der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsorts gemäß § 29 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 269 Abs. 1 BGB. Der in Deutschland zwischen im Inland ansässigen Parteien geschlossene Vertrag weist nach dem bisherigen Akteninhalt keine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten auf. Wurde er zwischen inländischen Parteien geschlossen, dürfte es sich vielmehr unbeschadet des späteren Wegzugs des Beklagten nach Tunesien um einen reinen Inlandssachverhalt handeln, für den der sachliche Anwendungsbereich der Rom I-VO nicht eröffnet ist. In diesem Fall kommt ohne weiteres das nationale materielle Recht zur Anwendung. Gemäß Ziff. 6 (1) der in den Darlehensvertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen gilt zudem kraft Vereinbarung deutsches Recht für die Geschäftsverbindung zwischen den Vertragsparteien. Leistungsort für Schulden aus einem Bankdarlehen ist nach allgemeiner Meinung gemäß § 270 Abs. 4, § 269 Abs. 1 BGB der Wohnsitz des Bankkunden im Zeitpunkt der Kreditgewährung, sofern sich aus den Umständen des Einzelfalls nichts anderes ergibt (vgl. BGH, Urt. v. 7. Dezember 2004, XI ZR 366/03, NJW-RR 2005, 581 [juris Rn. 26 f.]; BayObLG, Beschluss vom 31. Januar 1996, 1Z AR 62/95, NJW-RR 1996, 956 [juris Rn. 11]; Krüger in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2019, § 269 Rn. 25; Bittner/Kolbe in Staudinger, BGB, Neubearb. 2019, § 269 Rn. 42; Grüneberg in Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, § 269 Rn. 10; Schultzky in Zöller, ZPO, § 29 Rn. 25.16). Dieser bestand im maßgeblichen Zeitpunkt im Bezirk des Landgerichts Passau.
Selbst bei Vorliegen eines hinreichenden Auslandsbezugs, für den allerdings die – hier nicht bekannte – Staatsangehörigkeit nur eine untergeordnete Rolle spielt (Magnus in Staudinger, BGB, Neubearb. 2016, Internationales Vertragsrecht 1, Art. 1 Rom I-VO Rn. 11), gilt im Ergebnis nichts anderes. Bedenken gegen die Wirksamkeit der im Darlehensvertrag vereinbarten Geltung deutschen Rechts sind nach den Bestimmungen der Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2, Art. 10, 11, 13 Rom I-VO (zum Grundsatz der universellen Anwendung, Art. 2 Rom I-VO: Martiny in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2018, Art. 2 Rom I-VO Rn. 1 – 3) nicht angezeigt. Selbst ohne wirksame Rechtswahl ist gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Rom I-VO, der auch Bankkreditverträge einschließlich Verbraucherkreditverträge erfasst (zur Einordnung von Bankkreditverträgen als Dienstleistungen im Sinne des Art. 6 Abs. 4 Buchst. a Rom I-VO: BGH, Urt. v. 28. Februar 2012, XI ZR 9/11, NJW 2012, 1817 Rn. 19 f.), der Erfüllungsort nach dem materiellen Recht Deutschlands zu bestimmen. Denn bei einem Darlehensvertrag wird die vertragstypische Leistung von der darlehensgebenden Seite erbracht (vgl. BGH, NJW 2012, 1817 Rn. 24), die in vorliegender Sache ihren Sitz in Deutschland hat und den Kreditbetrag in Deutschland ausbezahlt hat.
bb) Aus den Ausführungen unter aa) ergibt sich zugleich die örtliche Zuständigkeit. Zwischen den mehreren Gerichtsständen hat die Klagepartei die Wahl, § 35 ZPO, die sie hier – wie ausgeführt – dahin getroffen hat, dass sie nunmehr das Landgericht Mainz anrufen möchte.
c) Da eine Anhörung des Beklagten noch nicht stattgefunden hat und im Rahmen der Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit nicht veranlasst war, steht die Bestimmung des zuständigen Gerichts hinsichtlich des Hauptsacheverfahrens unter dem Vorbehalt, dass das Landgericht Mainz an einer erneuten Überprüfung seiner Zuständigkeit aufgrund neuen Sachvortrags nach Rechtshängigkeit nicht gehindert ist (vgl. BGH, NJW 1983, 1062 [juris Rn. 5]).
Weil das bestimmende Gericht zudem nicht über die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Streitverfahrens entscheidet, bleibt die Entscheidung darüber, ob die internationale Zuständigkeit tatsächlich gegeben ist, dem bestimmten Gericht der Hauptsache vorbehalten; sie wird nicht dadurch präjudiziert, dass ein örtlich zuständiges Gericht bestimmt wird (vgl. BayObLG, Beschluss vom 1. August 2019, 1 AR 12/19, FamRZ 2020, 41 [juris Rn. 31); Beschluss vom 20. Februar 2003, 1Z AR 160/02, juris Rn. 7; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. Dezember 2003, 15 AR 48/03, juris Rn. 12). Dies gilt hier, obwohl sich die Frage der örtlichen Zuständigkeit als Vorfrage für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit darstellt, weil die Gerichtsstandsbestimmung unter dem genannten Vorbehalt steht.