Aktenzeichen 3 C 2735/15
Leitsatz
Der Ausgleichsanspruch ist nach Art. 5 Abs. 1 c VO (EG) Nr. 261/2004 ausgeschlossen, wenn die Flugpassagiere mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit über die Annullierung informiert wurden. Dabei ist es unerheblich, ob der Flugpassagier nicht unmittelbar vom Luftfahrtunternehmen, sondern von seinem Reisebüro über die Annullierung informiert wurde, denn das mit dem Erlass der Verordnung verfolgte gesetzgeberische Ziel eines weitreichenden Schutzes der Flugpassagiere wurde durch die Mitteilung des Reisebüros über die Annullierung gewahrt. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 °% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
1. Beschluss
Der Streitwert wird auf 2.858,90 € festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 2.400,00 Euro aus der Verordnung (EG) Nr. 261/2004. Zwar haben Flugpassagiere nach Art. 4 Abs. 3, 7 Abs. 1 S. 1c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 im Falle einer Annullierung grundsätzlich einen Ausgleichsan spruch in Höhe von 600,00 Euro pro Flugstrecke. Dem Kläger und seinem Mitreisenden wurde gegen seinen Willen die Beförderung auf dem gebuchten Flug verweigert. Nach Art. 2 j) der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 ist Nichtbeförderung die Weigerung, Fluggäste zu befördern, obwohl sie sich unter den in Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden haben. Von dem Erfordernis, am Flugsteig zu erscheinen, macht Art. 3 Abs. 2 b) der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 eine Ausnahme. Nach dieser Vorschrift gilt die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 auch, wenn Fluggäste von einem Flugunternehmen von einem Flug, für den sie eine Buchung besaßen, auf einen anderen Flug verlegt wurden, ungeachtet des Grundes hierfür. Der Ausgleichsanspruch ist nach Art. 5 Abs. 1 c der Verordnung Nr. 261/2004 jedoch ausgeschlossen, wenn die Flugpassagiere mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit über die Annullierung informiert wurden. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Flüge der Beklagten bereits am 21.04.2015 (Anlage K 4) und damit mehr als zwei Wochen vor Abflug annulliert wurden. Für den vorliegenden Sachverhalt ist es unerheblich, dass der Kläger nicht unmittelbar von der Beklagten, sondern von seinem Reisebüro über die Annullierung informiert wurde. Denn das mit dem Erlass der Verordnung verfolgte gesetzgeberische Ziel eines weitreichenden Schutzes der Flugpassagiere wurde durch die Mitteilung des Reisebüros über die Annullierung gewahrt. Der Kläger hatte durch die frühzeitige Mitteilung die Möglichkeit, bei einer anderen Fluggesellschaft Ersatzflüge zu buchen. Die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 will verhindern, dass Fluggäste kurzfristig Mitteilung erhalten und keine Möglichkeit haben, sich auf die geänderten Umstände rechtzeitig einzustellen. Das Berufen des Klägers auf die fehlende Information durch die Beklagte selbst erscheint vor diesem Hintergrund rechtsmissbräuchlich (vgl. Be-schluss des Landgerichts Stuttgart, Aktenzeichen 5 S 192/12).
Die Frage der Passivlegitimation der Beklagten musste nicht weiter erörtert werden. Es konnte damit offen bleiben, ob die Beklagte selbst ausführendes Luftfahrtunternehmen werden sollte oder ob es sich um einen sog. Codeshare-Flug handelte, welcher von US-Airways durchgeführt wurde.
Weitergehende Schadensersatzansprüche stehen dem Kläger ebenfalls nicht zu. Ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB ist nur dann gegeben, wenn der Gläubiger dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist gesetzt hat. Zwar hat der Kläger im Schriftsatz vom 23.02.2016 vorgetragen, sich mehrfach telefonisch mit der Beklagten auseinandergesetzt zu haben, das Tatsachenvorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 23.02.2016 war jedoch nicht mehr zu berücksichtigen, da dieses nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgte (§ 296a ZPO). Im Übrigen ist das Vorbringen auch nicht hinreichend substantiiert. Es wird insbesondere nicht vorgetragen, dass der Beklagten ausdrücklich eine Frist zur Erbringung der vertrag lich geschuldeten Leistungen gesetzt wurde. Eine endgültige Erfüllungsverweigerung kann in der E-Mail vom 21.04.2015 nicht gesehen werden, da die Beklagte dem Kläger unstreitig eine Ersatzbeförderung angeboten hat.
Der Ersatz der Vermittlungsprovision in Höhe von 69 Euro ist schon deshalb nicht ersatzfähig, da es sich um „Sowieso-Kosten“ handelt. Denn der Kläger hätte auch dann die Vermittlungsprovision aufwenden müssen, wenn die Flüge von der Beklagten wie geplant durchgeführt worden wären.
Ein Schadensersatzanspruch folgt auch nicht aus § 826 BGB. Es wurden keine konkreten Anhaltspunkte für vorsätzliches oder gar sittenwidriges Handeln der Beklagten vorgetragen. Es ist gerichtsbekannt, dass es im internationalen Flugverkehr zu Verzögerungen und Annullierungen kommen kann. Weshalb die Beklagte vorsätzlich und sittenwidrig gehandelt haben soll, erschließt sich dem Gericht nicht.
Entgegen dem klägerischen Hilfsantrag (vgl. Schriftsatz vom 23.02.2016) war das Verfahren auch nicht gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV dem Europäischen Gerichtshof im Rahmen eines Vor-abentscheidungsverfahrens vorzulegen. Nationale Gericht sind nur dann vorlagebefugt i.S.d. Art. 267 Abs. 3 AEUV, wenn die Auslegungsfrage entscheidungserheblich ist (vgl. Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Aufl. 2016, Art. 267 AEUV Rn. 19). Denn die aufgeworfene Auslegungsfrage ist aus den oben genannten Gründen für die Entscheidung nicht von Bedeutung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11,711 ZPO.