Europarecht

Kosten für die Unterbringung und tierärztliche Versorgung; Aufwendungsersatz für Fundtier

Aktenzeichen  3 C 6/16

Datum:
26.4.2018
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2018:260418U3C6.16.0
Spruchkörper:
3. Senat

Verfahrensgang

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 27. November 2015, Az: 5 BV 15.1284, Urteilvorgehend VG München, 16. April 2015, Az: M 10 K 14.5098, Urteil

Tatbestand

1
Der klagende Tierschutzverein begehrt von der beklagten Gemeinde den Ersatz von Kosten für die Unterbringung und medizinische Grundversorgung einer Katze.
2
Die Katze wurde von Frau S. im Gemeindegebiet aufgefunden und drei Tage später beim Kläger abgegeben. Dieser zeigte der Beklagten den Fund an und stellte nachfolgend Kosten für die Unterbringung und eine medizinische Grundversorgung in Rechnung. Die Beklagte lehnte es ab, die Rechnung zu begleichen, insbesondere weil sie nicht habe überprüfen können, ob es sich um ein Fundtier gehandelt habe. Dem Angebot, über eine pauschale Vergütung für Tierhilfsmaßnahmen zu verhandeln und in diesem Zuge auch eine Lösung des Falles zu suchen, folgte der Kläger nicht. Er hat Klage erhoben mit dem Antrag, die Beklagte zum Ersatz der Kosten einschließlich Zinsen zu verurteilen.
3
Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Es sei davon auszugehen, dass es sich bei der Katze um ein Fundtier gehandelt habe. Mit ihrer Verwahrung habe der Kläger ein Geschäft der Beklagten als Fundbehörde geführt. Zwar entstehe eine Verwahrungspflicht der Fundbehörde grundsätzlich erst, wenn diese das Fundtier entgegengenommen habe. Werde ein Fundtier einer fachkundigen Stelle überantwortet, so sei diese Voraussetzung jedoch bereits mit der Fundanzeige und dem Angebot erfüllt, das Fundtier selbst aufzubewahren. Das folge aus dem verfassungsrechtlichen Tierschutzgebot. Ein Umweg über die Fundbehörde laufe einer möglichst raschen artgerechten Versorgung und damit dem Tierschutzgebot zuwider.
4
Der Verwaltungsgerichtshof hat das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über eine Geschäftsführung ohne Auftrag seien zwar im öffentlichen Recht entsprechend anwendbar. Es sei aber nicht ersichtlich, weshalb die Katze nicht zunächst zur Beklagten hätte gebracht werden können, weshalb die erforderliche Dringlichkeit nicht gegeben gewesen sei (§ 679 BGB). Mit der Unterbringung und Versorgung der Katze habe der Kläger auch kein Geschäft der Beklagten geführt, weil die Beklagte hierzu nicht verpflichtet gewesen sei. Das Fundrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs, das auf Tiere entsprechend anzuwenden sei, verpflichte den Finder, die Fundsache zu verwahren. Finderin sei Frau S., die die Katze an sich genommen und in das Tierheim des Klägers gebracht habe. Die Unterbringung eines Fundtieres bei einem Dritten entbinde den Finder nicht von seinen Pflichten. Diese endeten, wenn es bei der zuständigen Fundbehörde abgeliefert werde. Die Anzeige des Fundes ersetze die Ablieferung auch nicht deshalb, weil der Kläger der Beklagten die Katze zur Aufbewahrung angeboten habe. Die Beklagte habe hierauf nicht reagieren müssen. Das Tierschutzrecht gebiete keine andere Auslegung. Mit einer Ablieferung der Katze wäre kein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz verbunden gewesen, da es auch von der Fundbehörde zu beachten sei. Wie sie das organisiere, sei ihr zu überlassen. Aus § 90a BGB und der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG ergebe sich nichts anderes. Der Gesetzgeber habe auf spezielle fundrechtliche Vorschriften für Tiere verzichtet und damit die entsprechende Anwendung der Vorschriften über Sachen vorgesehen (§ 90a BGB). Er bleibe damit innerhalb des weiten Gestaltungsspielraums, den Art. 20a GG ihm lasse.
5
Zur Begründung seiner Revision macht der Kläger geltend, der Rechtsstreit betreffe ein zentrales Problem von Tierschutzvereinen und Gemeinden. Typischerweise wendeten sich diejenigen, die ein Tier auffinden, an den örtlichen Tierschutzverein. In zahlreichen Fällen werde von den Gemeinden problemlos ein Entgelt gezahlt, wenn ein aufgefundenes Tier in Verwahrung genommen werde. Diese Praxis werde durch das angefochtene Urteil ohne Not zum Nachteil des Tierschutzes in Frage gestellt. Der Verwaltungsgerichtshof nehme an, Frau S. sei Finderin der Katze. Ihr sei es jedoch darum gegangen, die Katze so schnell wie möglich in gute Hände zu geben. Deshalb fehle der Wille, Besitz zu begründen. Komme es darauf nicht an, so müsse man sich vor einem umfassenden Pflichtenkatalog hüten, der selbst einem Tierfreund nahe lege, sich einem verlorenen Tier nicht zuzuwenden. Im Kern gehe der Verwaltungsgerichtshof unzutreffend davon aus, dass die Beklagte vor der Ablieferung keine Verwahrungspflicht habe und die Versorgung der Katze deshalb nicht als Geschäft der Beklagten anzusehen sei. Die Verwahrungspflicht ergebe sich aufgrund einer Ermessensreduzierung aus dem Recht der Fundbehörde, die Ablieferung des Fundes zu verlangen. Mit Kenntnis vom Fund der Katze hätte sie die Ablieferung anordnen müssen, weil anderenfalls Frau S. ebenso wie jeder andere Finder in eine Situation gerate, der sie kaum oder gar nicht gewachsen sei. Sie müsse diverse tierschutzrechtliche Pflichten übernehmen, denen sie möglicherweise nicht gerecht werden könne. Das würde einen unzumutbaren Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit darstellen. Außerdem gebiete die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG, eine Verwahrungspflicht der Fundbehörde bereits anzunehmen, wenn ihr der Fund angezeigt und das Tier zur Aufbewahrung angeboten werde. Das gelte nicht nur für kranke oder verunfallte Tiere, sondern allgemein. Als Wertentscheidung müsse die Staatszielbestimmung bei der Auslegung des einfachen Rechts beachtet werden. Ein traditionelles Gesetzesverständnis könne dem nicht entgegengehalten werden, denn die Anpassung des geltenden Rechts an veränderte Verhältnisse gehöre zu den Aufgaben der Dritten Gewalt. Abliefern müsse nicht Hinbringen bedeuten. Die Ablieferungspflicht sei auf eine bloße Mitteilungspflicht zu reduzieren. Die entsprechende Anwendung des Fundrechts (§ 90a BGB) gebiete eine Auslegung, mit der den Tieren kein Schaden entstehen könne. Es stelle jedoch einen erheblichen Nachteil dar, wenn ein Tier zunächst zu einem Fundbüro gebracht werden müsse. Zudem dürfe der Blick nicht auf das Fundrecht verengt werden. Eine Behörde sei verpflichtet, gegen tierschutzwidrige Zustände einzuschreiten. Das gelte auch für die Beklagte als Sicherheitsbehörde. Entsprechend könne derjenige, der ein Tier auffinde, für sie tätig werden, etwa wenn die Behörde nicht erreichbar sei oder nicht tätig werden wolle. Auch müsse ohne Weiteres unterstellt werden, dass die Beklagte das Tier nicht tierschutzgerecht untergebracht hätte, nachdem sie auf Nachfragen nicht reagiert habe, keine Vertragsbeziehung zu einem Tierheim bestehe und sie im Berufungsverfahren als Handlungsoption erwähnt habe, das Tier am Fundort freizulassen. Außerdem habe die Beklagte die Kosten trotz mehrfacher Aufforderung nicht erstattet und sich damit konkludent geweigert, die Katze als Fundtier anzuerkennen. Entsprechend dem Rechtsgedanken des § 295 Satz 1 BGB könne sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass das Tier abgeliefert werden müsse; sie habe auf die Ablieferung verzichtet.
6
Die Beklagte tritt der Revision entgegen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts erkläre sich aus Verwaltungsvorschriften, nicht jedoch aus dem Gesetz. Eine Ermessensreduzierung, aufgrund der die Ablieferung anzuordnen sei, lasse sich nicht begründen. Die Belastung des Finders durch die Verwahrungspflicht gebiete sie nicht, denn von dieser könne er sich befreien, indem er die Sache abliefere. Auch bleibe der Kläger eine Erklärung schuldig, weshalb vorliegend die Finderin überfordert gewesen sein sollte. Zu Recht habe das Berufungsgericht festgestellt, dass die Ablieferung weder unmöglich noch erheblich erschwert gewesen sei. Auch die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG führe nicht weiter.
7
Die Landesanwaltschaft Bayern und der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligen sich am Verfahren.


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