Aktenzeichen 3 OLG 7 Ss 88/17
Leitsatz
1. Die allgemeine strafmildernde Berücksichtigung eines zwischen Täter und Opfer geschlossenen förmlichen Vergleichs über die Verpflichtung zur Zahlung eines bestimmten Geldbetrages, dem per se eine friedensstiftende Funktion zukommt, kann die nach den tatrichterlichen Feststellungen gebotene Prüfung der Voraussetzungen eines vor allem dem immateriellen Ausgleich zwischen Täter und Opfer dienenden Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46a Nr. 1 StGB und damit die Erörterung einer Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB nicht ersetzen (u.a. Anschluss an BGH, Beschl. v. 21.09.2006 – 4 StR 386/06 = NStZ-RR 2006, 373 = StV 2007, 72; BGH, Urt. v. 19.10.2011 – 2 StR 344/11 = StV 2012, 150 = BGHR StGB § 46a Nr 1 Ausgleich 8; BGH, Urt. v. 12.01.2012 – 4 StR 290/11 = NStZ 2012, 439; BGH, Urt. v. 09.05.2017 – 1 StR 576/16 = NStZ-RR 2017, 198).
2. Das Tatgericht hat (deshalb) Feststellungen zu treffen, die bei wertender Betrachtung die Entscheidung erlauben, ob die vom Angeklagten im Rahmen eines – gegebenenfalls auch über den Verteidiger erfolgten – kommunikativen Prozesses zwischen Täter und Opfer erbrachten Leistungen Ausdruck seines ernsthaften Bemühens um einen umfassenden Ausgleich und von Übernahme von Verantwortung für die Folgen seiner Straftaten sind, die zugleich vom Tatopfer als friedensstiftender Ausgleich akzeptiert werden muss (u.a. Anschluss an BGH, Beschl. v. 21.09.2006 – 4 StR 386/06 = NStZ-RR 2006, 373 = StV 2007, 72; BGH, Urt. v. 12.01.2012 – 4 StR 290/11 = NStZ 2012, 439; BGH, Urt. v. 09.05.2017 – 1 StR 576/16 = NStZ-RR 2017, 198).
Gründe
I.
Die zulässige und auf Grund der wirksamen Beschränkungen der Berufungen auf den Rechtsfolgenausspruch nur noch diesen betreffende Revision des Angekl. hat mit der Sachrüge Erfolg.
1. Die Rechtsfolgenentscheidung weist einen grundlegenden Fehler bei der Strafrahmenwahl auf, weil die Berufungskammer die Möglichkeit einer Strafmilderung (§ 49 I StGB) aufgrund des vertypten Strafmilderungsgrunds des § 46a StGB nicht erörtert hat, obwohl nach den Feststellungen hierzu Anlass bestand. In Betracht zu ziehen war die Bestimmung des § 46a Nr. 1 StGB, der dem immateriellen Ausgleich zwischen Täter und Opfer dient (vgl. BGH, Urt. v. 12.01.2012 – 4 StR 290/11 = NStZ 2012, 439), welcher dem Vergleichsschluss vom 09.08.2016 in erster Linie zugrunde lag. Die Vorschrift verlangt, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gutgemacht hat, lässt es aber auch ausreichen, dass der Täter dieses Ziel ernsthaft erstrebt. Für die Anwendbarkeit des § 46a Nr. 1 StGB ist eine von beiden Seiten akzeptierte, ernsthaft mitgetragene Regelung Voraussetzung. Das ernsthafte Bemühen des Täters muss Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein, und das Opfer muss die Leistung des Täters als friedenstiftenden Ausgleich akzeptieren (vgl. BGH, Urt. v. 09.05.2017 – 1 StR 576/16 = NStZ-RR 2017, 198 m.w.N.). Dass es sich hier so verhält, kann nach den Feststellungen des LG nicht von vornherein ausgeschlossen werden.
a) Die Urteilsgründe belegen in noch ausreichender Weise, dass ein kommunikativer Prozess zwischen Täter und Opfer stattgefunden hat, welcher auch über den Verteidiger stattfinden kann (BGH StV 2002, 654). Der Angekl. und die Nebenklägerin haben einen Vergleich geschlossen, der ihn zur Zahlung eines Betrages von 5.850 Euro verpflichtet. Damit hat die Nebenklägerin eine förmliche Vereinbarung akzeptiert, die per se eine friedensstiftende Funktion besitzt (BGH, Urt. v. 19.10.2011 – 2 StR 344/11 = StV 2012, 150 = BGHR StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 8). Dafür, dass sie dies lediglich getan hat, weil sie sich etwa in einer Notlage befunden hätte (BGH a.a.O.) besteht nach den Urteilsfeststellungen kein Anhaltspunkt.
b) Den Urteilsfeststellungen kann auch nicht entnommen werden, dass es sich bei dem in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung geschlossenen Vergleich nicht um ein ernsthaftes Bemühen des Angekl. um Schadenswiedergutmachung im Sinne eines friedensstiftenden Ausgleichs zwischen den Beteiligten, sondern lediglich um ein taktisches Vorgehen in der Hoffnung auf eine mildere Strafe (BGH, Urt. v. 12.01.2012 – 4 StR 290/11 = NStZ 2012, 439) gehandelt hat. Zwar könnte insoweit der Umstand von Bedeutung sein, dass der Angekl. nur eine Woche nach Vergleichsschluss Insolvenzantrag hinsichtlich seines Büroausstattungsunternehmens und inzwischen auch hinsichtlich seines Privatvermögens gestellt hat. Das Urteil trifft aber keine Feststellungen zu der Frage, wie sicher die Erfüllung der übernommenen Verpflichtung ist. Trotz Insolvenz des Angekl. ist die Erfüllung der Verbindlichkeit nicht von vornherein auszuschließen, zumal ihm monatlich Zahlungen in Höhe von 1.500 Euro vom Insolvenzverwalter gewährt werden. Indiz für die Wahrscheinlichkeit der Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Vergleich könnte das bisherige Zahlungsverhalten des Angekl. sein, wozu das LG aber keine Feststellungen getroffen hat.
2. Da die allgemeine strafmildernde Berücksichtigung des Vergleichsschlusses die hier gebotene Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB nicht ersetzen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 21.09.2006 – 4 StR 386/06 = NStZ-RR 2006, 373 = StV 2007, 72), ist über die Strafen neu zu befinden. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und an eine andere Strafkammer des LG zurückzuverweisen, die auch über die Kosten der Revision zu befinden haben wird (§ 353 II StPO). Die tatsächlichen Feststellungen der Strafkammer können jedoch aufrecht erhalten bleiben, da sie lediglich ergänzungsbedürftig sind und durch die lückenhafte Erörterung nicht tangiert werden. Insoweit ist die Revision des Angekl. als unbegründet zu verwerfen (§ 349 II StPO).
3. Die von der Revision erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch. [wird ausgeführt]
II.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass das fehlende Einverständnis des Tatopfers mit den vorgenommenen sexuellen Handlungen nicht schulderhöhend wirkt (vgl. Fischer StGB 64. Aufl. § 176 Rn. 35).