Europarecht

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Aktenzeichen  15 O 46/20

Datum:
7.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 40341
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Aschaffenburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 15.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf die geltend gemachte Löschung und Wiederherstellung, so dass die Klage daher abzuweisen war.
I.
Die betroffene Person hat nach Art. 17 Abs. 1 EU – DSGVO das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, und der Verantwortliche ist verpflichtet, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, sofern unter anderem einer der folgenden Gründe zutrifft:
a) Die personenbezogenen Daten sind für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig.
c) Die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 1 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein und es liegen keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vor, oder die betroffene Person legt gemäß Artikel 21 Absatz 2 Widerspruch gegen die Verarbeitung ein.
d) Die personenbezogenen Daten wurden unrechtmäßig verarbeitet.
f) Die personenbezogenen Daten wurden in Bezug auf angebotene Dienste der Informationsgesellschaft gemäß Artikel 8 Absatz 1 erhoben.
Keiner der genannten Gründe liegt hier aber vor. Die Beklagte und deren Vertragspartner haben aufgrund der Interessenabwägungsklausel des Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO ein überwiegendes berechtigtes Interesse an der Verarbeitung, denn die Beklagte erteilt ihren Vertragspartnern Auskunft, wenn diese kreditrelevante Geschäfte mit einer Person abschließen wollen. Diese Auskünfte sind erforderlich, um die Informationsdisparitat zwischen Kreditgebern und Kreditnehmern auszugleichen. Andernfalls wären die Kreditgeber ausschließlich auf die Eigenangaben potentieller Kreditnehmer angewiesen. In der Rechtsprechung ist ein öffentliches Interesse der Allgemeinheit am Auskunfteiverfahren der Beklagten auch seit langem anerkannt (s. nur BGH, Urteil vom 07.07.1983 – III ZR 159/82; OLG Frankfurt, NZI 2016, 188; LG Heilbronn, ZinsO 2019, 1077). Die Interessen des Klägers überwiegen die Interessen der Beklagten und ihrer Vertragspartner nicht. Die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der Kläger durch die Restschuldbefreiung belegt hat, dass er titulierte Forderungen nicht begleichen wollte oder konnte. Obwohl der Kläger verpflichtet war, alles Mögliche zu unternehmen, um seine Schulden in der Wohlverhaltensphase gemäß §§ 287 b, 295 InsO abzuzahlen konnte er in dieser Zeit seine fälligen Forderungen nicht vollständig begleichen. Der Kläger wird durch die streitgegenständliche Information über seine Restschuldbefreiung auch nicht stigmatisiert. Vielmehr ist es das Recht und die Pflicht potentieller Kreditgeber, das Auswahlrisiko des Klägers objektiv zu beurteilen. Die Vermögenslosigkeit begründet ein erhebliches Risiko, wieder in die Schuldenfalle zu geraten. Der Kläger verlangt die Gleichstellung mit Personen, die niemals von einer Insolvenz betroffen waren. Diesen Anspruch hat er jedoch nicht. Wäre die Beklagte zur Löschung des streitgegenständlichen Eintrags verpflichtet, würde sie ihren Vertragspartnern die Auskunft geben, dass ihr aus der jüngeren Vergangenheit keine Kenntnisse über die Unzuverlässigkeiten des Klägers bei der Begleichung von Forderungen vorlagen, was jedoch objektiv falsch wäre (vgl. LG Wiesbaden, Urteil vom 19.02.20, 8 O 112/19, OLG Frankfurt, Urteil vom 14. Dezember 2015 – 1 U 128/15 -, juris; LG Heilbronn, ZinsO 2019, 1077).
Nach Art. 17 Abs. 1 a) EU – DSGVO besteht ein Löschungsrecht, sofern die personenbezogenen Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind. Damit setzt sich Buchst. b in Bezug zu den Zwecken im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Buchst. b. Die Vorschrift folgt dem Prinzip der Zweckbindung (→ Art. 5 Rn. 13 ff.) und darauf aufbauend dem Prinzip der Datenminimierung i.S.d. Art. 5 Abs. 1 Buchst. c (Begrenzung der Verarbeitung auf das für die Zwecke notwendige Maß; → Art. 5 Rn. 22 ff.) und des Prinzips der Speicherbegrenzung i.S.d. Art. 5 Abs. 1 Buchst. e (Verarbeitung nur so lange, wie es für die Zwecke der Verarbeitung erforderlich ist; → Art. 5 Rn. 25 ff.). Sie regelt den Fall, dass eine bestimmte Datenerhebung bzw. Verarbeitung ursprünglich rechtmäßig war, aber die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen wegen Zweckerreichung weggefallen sind. Es kommt grundsätzlich auf ein Entfallen jener Zwecke an, für welche die Datenerhebung bzw. -verarbeitung angestoßen wurde. Wann ein Zweckwegfall vorliegt, ist Sache des Einzelfalls (Ehmann/Selmayr/Kamann/Braun, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 17 Rn. 20, 21).
Ein solches Löschungsrecht besteht hier aus Sicht des Gerichts nicht. Die Beklagte hat hier nachvollziehbar dargetan, warum die zunächst rechtmäßig verarbeiteten Daten erforderlich sind, nämlich zur Information über Tatsachen, die zur Beurteilung einer Kreditwürdigkeit erforderlich sind. Insofern sind die Eintragungen auch notwendig, da der damit verfolgte Zweck fortbesteht.
Diese dreijährige Speicher – Frist stellt zudem auch keinen Widerspruch zur sechsmonatigen Speicherfrist in der Insolvenz – Internet – Bekanntmachungsverordnung dar. Denn die kürzeren Fristen der Insolvenz – Internet – Bekanntmachungsverordnung sind insbesondere vor dem Hintergrund einer deutlich höheren Eingriffsintensität zu sehen. Während eine Auskunftserteilung der Beklagten an Dritte nur bei Darlegung eines berechtigten Interesses und zudem gegen Entgelt erfolgt, ist die Einsicht in die Insolvenzbekanntmachungen jedermann kostenfrei und ohne größeren Aufwand durch Internetabruf möglich. Damit sind diese Bekanntmachungen nicht lediglich für potentielle Geschäftspartner des Betroffenen einsehbar, sondern auch für Nachbarn, Kollegen und Bekannte, die außer der Befriedigung persönlicher Neugier kein Interesse an der Informationserlangung haben. Damit ist die Eingriffsintensität der Speicherung und Veröffentlichung nach den unterschiedlichen Rechtsvorschriften nicht im Ansatz vergleichbar (OLG Karlsruhe, Urteil vom 1. März 2016 – 12 U 32/16).“ (Urteil des LG Heilbronn vom 11. April 2019, Az. I 3 O 140/18, ZinsO 2019, 1077).
Ein berechtigter Widerspruch hierzu liegt nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht zur Überzeugung des Gerichts vor.
Unbestritten befindet sich der Kläger aufgrund der gesundheitlichen Situation seiner Tochter in einer persönlich schwierigen Situation, die mit diversen Einschränkungen in der Lebensführung verbunden ist. Voraussetzung für die Löschung ist allerdings das Vorliegen eines Härtefalls, d.h. es müssten Gründe vorliegen, die eine atypische Konstellation begründen und den Interessen des Klägers ein besonderes Gewicht verleihen, wie zum Beispiel Gefahr für Leib und Leben.
Bloße wirtschaftliche Interessen zur Erlangung eines Kredits genügen hier nicht.
Im Übrigen hat der Kläger hier auch nicht hinreichend dargetan, inwiefern er tatsächlich in seinen Möglichkeiten zur Neuanmietung einer Wohnung etc. eingeschränkt war. Die Angaben des Klägers beschränkten sich auch auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung auf einzelne Versuche, zum Teil deutlich nach Klageerhebung, zur Erlangung eines Kredits für ein Fahrzeug oder eine Anfrage bei der Stadt. Schriftliches hierzu existiert lediglich vereinzelt oder gar nicht. Verstärkte Bemühungen sind weder dargelegt noch liegen hierzu Nachweise vor.
Soweit der Kläger Probleme bei der Wohnungssuche angesprochen hat, fehlt es an einer hinreichenden Darstellung. Hierzu war bereits zu beachten, dass eine behindertengerechte Wohnung schon per se nicht sehr einfach zu erlangen sein wird. Der Kläger hat sich hierzu bereits bei der Stadt auf eine Warteliste setzen lassen. Inwiefern andere Anstrengungen unternommen wurden, ist nicht hinreichend klar.
Der Umstand, dass der Kläger an Besichtigungsterminen teilgenommen haben will, ohne in die engere Wahl gekommen zu sein, belegt zwar, dass er zu Wohnungsbesichtigungen eingeladen wird. Soweit er anschließend aber nach Kenntnis des Eintrages direkt aus der Auswahl ausscheiden soll, wie er vorträgt, teilt er dieses Schicksal mit all denjenigen anderen Bewerbern mit negativen Schufa-Eintragen. Seine Situation ist nach diesem Vorbringen also gleichfalls nicht besonders, sondern eben gerade typisch für denjenigen, der eine Privatinsolvenz mit Restschuldbefreiung durchlaufen hat. Vor allem aber fehlt jeder konkrete Bezug zu den jeweiligen Wohnungsangeboten. Zu den konkreten Wohnungsangeboten, für welche er sich erfolglos beworben haben will, tragt der Kläger aber nichts vor. Auch kann keineswegs als gerichtsbekannt unterstellt werden, dass die Suche nach Wohnraum mit negativem Schufa-Eintrag von vorneherein und gleichsam allgemeingültig zum Scheitern verurteilt sei, wenn – wie der Kläger vorträgt – ein ausreichendes Einkommen vorliegt, um die Mietzahlungen auch zu gewährleisten.
Die besondere persönliche Situation folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger einen Kredit für ein neues Kraftfahrzeug aufnehmen wollte, der Ihm aber aufgrund der negativen Schufa-Eintrage verwehrt worden sein soll. Auch hierbei handelt es sich nicht um eine besondere, sondern vielmehr eine gerade typische Situation desjenigen, der aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten in der Vergangenheit eine Privatinsolvenz mit Restschuldbefreiung durchlaufen hat.
Maßgebliche Voraussetzung für den Löschungsgrund aus Art. 17 Abs. 1 d) Eu – DSGVO ist die unrechtmäßige Verarbeitung personenbezogener Daten. Die Datenverarbeitung ist dann unrechtmäßig, wenn für sie weder eine Einwilligung der betroffenen Person noch eine sonstige Rechtsgrundlage vorliegt (Art. 8 Abs. 2 S. 1 GRCh; vgl. auch EG 40 und Art. 6 Abs. 1; zum Grundsatz der Rechtmäßigkeit vgl. auch → Art. 5 Rn. 8 ff.). Andere Rechtsverstöße bei der Verarbeitung führen nicht zu einem Löschungsanspruch aus Art. 17 Abs. 1 lit. d; insbesondere genügt für sich genommen nicht ein Verstoß gegen Pflichten zum technischen und organisatorischen Datenschutz und auch nicht ein Verstoß gegen die Grundsätze des Art. 5 (abgesehen vom Grundsatz der Rechtmäßigkeit) (Kühling/Buchner/Herbst, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 17 Rn. 28).
Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.
Art. 17 Abs. 1f) EU – DSGVO greift hier bereits deshalb nicht ein, da nicht nach Art. 8 DS – GVO ein Kind von der Eintragung betroffen ist.
Allein die Erschwernis der Wohnungssuche kann also aus Sicht des Gerichts keinem Härtefall begründen. Diese Problematik dürfte für alle Personen mit einem entsprechenden Eintrag bestehen.
Im Übrigen hat der Kläger hier weder schriftsätzlich noch im Rahmen seiner persönlichen Anhörung konkret darlegen können, wo genau und bei wem er gerade wegen des gegenständlichen Eintrages als Vertragspartner abgelehnt worden ist. Der bloße Eindruck genügt hierzu aus Sicht des Gerichts nicht.
Anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der zweifelsohne schweren Erkrankung der Tochter des Klägers. Warum hier durch den Eintrag bei der Beklagten das Leben der Tochter gefährdet sein soll, hat sich dem Gericht nicht ohne Weiteres erschlossen. Auch mit dem Eintrag ist es nicht grundsätzlich verwehrt, in eine behindertengerechte Wohnung zu ziehen, soweit diese auch finanziert werden kann. Hierzu behauptete der Kläger selbst, über ein ausreichendes Einkommen zu verfügen.
Im Übrigen hat die Beklagte hier zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Löschung der Einträge zu objektiv falschen Auskünften führen würde gegenüber den eigenen Vertragspartnern, die sich gerade über die Gegebenheiten hinsichtlich der Kreditwürdigkeit informieren wollen. Insofern erscheint eine Gleichstellung mit anderen Personen, die in der Vergangenheit keine finanziellen Schwierigkeiten hatten auch unter Berücksichtigung der ohne Zweifel schwierigen persönlichen Situation des Klägers nicht gerechtfertigt.
Die Eintragungen werden zudem auch nur für einen bestimmten, verhältnismäßig überschaubaren Zeitraum gespeichert.
Gründe, diesen Zeitraum hier abzukürzen, liegen nicht vor. Insofern überwiegen hier die berechtigten Interessen der Beklagten gegenüber den vom Kläger gelten gemachten.
II.
Mangels Löschungsanspruchs bestand auch kein Anspruch auf die begehrte Wiederherstellung.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, der hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO und der Streitwert aus §§ 3 ff ZPO.


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