Europarecht

Wettbewerbsrecht: Regelung über die Vertragslaufzeit zwischen einem Verbraucher und einem Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdienstleistungen als Marktverhaltensregelung; Angebot eines Anschlusses an ein Kabelfernsehnetz durch den Vermieter einer Vielzahl von Wohnungen; Pflicht des Vermieters zur Ermöglichung einer Kündigung des Anschlusses zum Ablauf von 24 Monaten – Kabel-TV-Anschluss

Aktenzeichen  I ZR 106/20

Datum:
18.11.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:181121UIZR106.20.0
Normen:
§ 3a UWG
§ 3 Nr 17a TKG
§ 3 Nr 24 TKG
§ 43b S 1 TKG
§ 43b S 2 TKG
Art 2 Buchst c EGRL 21/2002
Art 2 Buchst i EGRL 21/2002
Art 30 Abs 5 EGRL 22/2002
Art 105 Abs 1 EURL 2018/1972
§ 2 Nr 15 Buchst b BetrKV
Spruchkörper:
1. Zivilsenat

Leitsatz

Kabel-TV-Anschluss
1. Bei § 43b Satz 1 und 2 TKG handelt es sich um Regelungen, die im Sinne von § 3a UWG auch dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.
2. Der Vermieter einer Vielzahl von Wohnungen, der seinen Mietern einen Anschluss an ein Kabelfernsehnetz zum Empfang von Fernseh- und Hörfunkprogrammen zur Verfügung stellt und die ihm hierfür entstehenden Kosten im Rahmen der Betriebskostenabrechnung auf seine Mieter umlegt, ist ein Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten im Sinne von § 43b TKG.
3. Ein solcher Vermieter ist nicht nach § 43b Satz 1 TKG verpflichtet, seinen Mietern bei fortbestehendem Mietverhältnis eine Kündigung des Anschlusses an das Kabelfernsehnetz zum Ablauf von 24 Monaten zu ermöglichen, wenn der Wohnraummietvertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen und nach den gesetzlichen Regelungen vor Ablauf von 24 Monaten kündbar ist.

Verfahrensgang

vorgehend OLG Hamm, 28. Mai 2020, Az: I-4 U 82/19, Urteilvorgehend LG Essen, 31. Mai 2019, Az: 45 O 72/18

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 28. Mai 2020 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Die Beklagte ist eine kommerzielle Wohnungsanbieterin und bewirtschaftet in rund 100 Kommunen in Nordrhein-Westfalen mehr als 120.000 Mietwohnungen, in denen etwa 300.000 Menschen leben. Etwa 108.000 dieser Wohnungen sind mit einem Anschluss an ein Kabelfernsehnetz ausgestattet, über den Fernseh- und Hörfunkprogramme empfangen werden können und der darüber hinaus den Bezug von Internet- und Telefoniediensten erlaubt.
2
Zum Zweck der Versorgung dieser Wohnungen mit Fernseh- und Hörfunkprogrammen über das Kabelnetz besteht ein Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und der M.              GmbH, die bei der Bundesnetzagentur als gewerbliche Betreiberin öffentlicher Telekommunikationsdienste gemeldet ist. Die M.             GmbH ist nach dem Vertrag mit der Beklagten für die grundstücks- und gebäudeinterne Netzinstallation zwischen den auf den jeweils versorgten Grundstücken gelegenen Hausübergabepunkten und den Kabelanschlussdosen in den einzelnen Wohnungen verantwortlich (Netzebene 4). Sie hat die Wohnungen mit Fernseh- und Hörfunkprogrammen zu versorgen, die von dem Anbieter U.       über die vorgelagerte Netzebene 3 herangeführt werden. Für diese Leistungen entrichtet die Beklagte an die M.                 GmbH ein pauschales Entgelt, das sie gemäß dem von ihr vorgelegten Muster-Wohnraummietvertrag als Betriebskosten auf ihre Mieter umlegt. Für die Dauer des Mietverhältnisses haben die Mieter von Wohnungen der Beklagten keine Möglichkeit, sich durch eine einseitige Erklärung von dieser Versorgung zu lösen.
3
In einem im Juni 2018 von der Beklagten im Internet veröffentlichten Exposé für eine ihrer Mietwohnungen wird erwähnt, dass dort ein Multimediaanschluss für Internet, Telefonie sowie eine Vielzahl in- und ausländischer Fernsehsender zur Verfügung stehe. Die Beklagte teilte einem Interessenten für diese Wohnung durch E-Mail vom 14. Juni 2018 mit, kurzfristig solle das Objekt mit “U.       ” ausgestattet werden. Die TV-Grundversorgung sei in den Nebenkosten enthalten und könne nicht gekündigt werden. Es sei möglich, ergänzend Internet und Telefonie über U.      zu beziehen. Am 14. August 2018 informierte die Beklagte in ihrem Internetauftritt über ihr Multimedia-Angebot für ihre Mieterinnen und Mieter. Dort wies sie unter anderem darauf hin, dass die digitale Grundversorgung als Standardausstattung zur Wohnung gehöre und eine Vielzahl an digitalen Fernseh- und Rundfunkprogrammen, einen Basis-Internet-Anschluss als Flatrate mit 1 Mbit/s und die kostenfreie Buchung eines internationalen Programmpakets nach Wahl umfasse.
4
Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, ist der Ansicht, dass die Beklagte dadurch, dass sie ihre Mieter für die gesamte Dauer des Mietverhältnisses an den Kabel-TV-Anschluss und den Basis-Internet-Anschluss binde, gegen die Regelungen in § 43b Satz 1 und 2 TKG verstoße. Sie hat die Beklagte deswegen erfolglos abgemahnt.
5
Die Klägerin hat mit ihrem Klageantrag 1 beantragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, geschäftlich handelnd,
1a) Wohnraummietverträge mit Verbrauchern abzuschließen und/oder abschließen zu lassen, die die kostenpflichtige Bereitstellung eines Kabel-TV-Anschlusses und/oder Kabel-Internet-Anschlusses beinhalten, wenn diese kostenpflichtige Bereitstellung für den Verbraucher nicht wenigstens zum Ablauf von 24 Monaten Laufzeit kündbar ist,
und/oder
1b) sich im Rahmen eines bestehenden Wohnraummietverhältnisses mit einem Verbraucher auf die Unkündbarkeit einer vertraglich vereinbarten kostenpflichtigen Bereitstellung eines Kabel-TV-Anschlusses und/oder Kabel-Internet-Anschlusses zu berufen, wenn die kostenpflichtige Bereitstellung dieses Anschlusses bereits 24 Monate angedauert hat,
und/oder
1c) Verbrauchern den Abschluss von Wohnraummietverträgen anzubieten und/oder anbieten zu lassen, die die kostenpflichtige Bereitstellung eines Kabel-TV-Anschlusses und/oder Kabel-Internet-Anschlusses mit einer Laufzeit von mehr als 12 Monaten beinhalten, ohne alternativ die Möglichkeit einer auf höchstens 12 Monate Laufzeit begrenzten Bereitstellung anzubieten und/oder anbieten zu lassen;
6
Außerdem hat sie die Erstattung von Abmahnkosten begehrt (Klageantrag 2).
7
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (OLG Hamm, GRUR-RR 2021, 130 = K&R 2020, 550 = MMR 2020, 545).
8
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

9
A. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stünden die geltend gemachten Unterlassungsansprüche aus § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG nicht zu, weil die Beklagte nicht gegen § 43b Satz 1 und 2 TKG verstoßen habe. Aus diesem Grund sei die Beklagte auch nicht zur Erstattung von Abmahnkosten verpflichtet. Zur Begründung hat es ausgeführt:
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Gegenstand der vertraglichen Abreden zwischen der Beklagten und ihren Mietern sei allein die Versorgung der Wohnungen mit Fernseh- und Hörfunkprogrammen und die Umlage der hierfür anfallenden Betriebskosten auf die Mieter. Der Basis-Internet-Anschluss mit der vergleichsweise niedrigen Datenübertragungsgeschwindigkeit von 1 Mbit/s bedürfe eines gesonderten Vertrags des jeweiligen Mieters mit dem Anbieter U.      . Schon aus diesem Grund könnten die Anträge der Klägerin, soweit sie auf einen Kabel-Internet-Anschluss Bezug nähmen, keinen Erfolg haben.
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Die Unterlassungsanträge (Klageanträge 1a, 1b und 1c) seien nicht begründet. Ein Verstoß gegen § 43b Satz 1 TKG liege nicht vor. § 43b Satz 1 TKG sei im Verhältnis zwischen der Beklagten und ihren Mietern weder direkt noch analog anwendbar. Die Beklagte erbringe in diesem Verhältnis keine Telekommunikationsdienste. Es sei bereits fraglich, ob die im Rahmen des Mietverhältnisses erfolgende Versorgung der Wohnungen mit Fernseh- und Hörfunkprogrammen überhaupt ein Telekommunikationsdienst im Sinne des Telekommunikationsgesetzes sei. Zwar sei die Übertragung von Fernseh- und Hörfunksignalen als Übertragungsgegenstand für einen Telekommunikationsdienst ausreichend. Jedoch sei Kern der Leistungen der Beklagten die Gewährung des Gebrauchs der vermieteten Wohnung. Bei der geschuldeten Signalübertragung handele es sich lediglich um eine nachgeordnete Nebenleistung. Der in der Übertragung von Signalen bestehende Dienst der Beklagten sei jedenfalls nicht öffentlich zugänglich. Er stehe lediglich den Mietern der Wohnungen der Beklagten zur Verfügung und damit nicht der Öffentlichkeit. § 43b Satz 1 TKG könne im Verhältnis zwischen der Beklagten und ihren Mietern nicht analog angewendet werden, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Aus diesem Grund lägen auch die Voraussetzungen des § 43b Satz 2 TKG nicht vor.
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B. Die Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Die Klage ist zulässig (dazu B I), aber unbegründet (dazu B II).
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I. Die Klage ist entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung in vollem Umfang zulässig.
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1. Die Klägerin begehrt mit dem Klageantrag 1 die Unterlassung von drei verschiedenen geschäftlichen Handlungen, zum einen beim Abschluss von Wohnraummietverträgen (Klageantrag 1a und 1c) und zum anderen im Rahmen bestehender Wohnraummietverträge (Klageantrag 1b). Der Beklagten soll es untersagt werden, Wohnraummietverträge abzuschließen, die die kostenpflichtige Bereitstellung eines Kabel-Anschlusses, mit dem Fernseh- und Hörfunkprogrammen empfangen werden können (nachfolgend: Kabel-TV-Anschluss), und/oder Kabel-Internet-Anschlusses beinhalten, bei denen Verbrauchern (Mietern) keine Kündigungsmöglichkeit nach Ablauf von 24 Monaten Laufzeit eingeräumt wird (Klageantrag 1a). Weiter soll es der Beklagten verboten werden, sich im Rahmen eines bestehenden Wohnraummietverhältnisses nach Ablauf von 24 Monaten auf die Unkündbarkeit dieser Bereitstellung zu berufen (Klageantrag 1b). Schließlich soll die Beklagte das Angebot des Abschlusses von Wohnraummietverträgen mit Verbrauchern unterlassen, die die Bereitstellung solcher Dienste enthalten, ohne alternativ die Möglichkeit einer auf höchstens 12 Monate Laufzeit begrenzten Bereitstellung anzubieten und/oder anbieten zu lassen (Klageantrag 1c). Die unterschiedlichen Handlungen, auf die sich der Klageantrag 1 bezieht, sind dabei kumulativ und alternativ durch eine “und/oder”-Verknüpfung verbunden.
15
2. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung fehlt diesen Klageanträgen in der beantragten kumulativen Verknüpfung (“und-Verknüpfung”) nicht das Rechtsschutzbedürfnis.
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a) Das Rechtsschutzbedürfnis ist auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2020 – I ZR 85/19, GRUR 2020, 886 Rn. 19 = WRP 2020, 1017 – Preisänderungsregelung, mwN).
17
b) Die Revisionserwiderung macht ohne Erfolg geltend, es sei weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass in der Praxis ein Fall eintreten könne, in dem alle drei im Klageantrag 1a, 1b und 1c beschriebenen geschäftlichen Handlungen zugleich vorliegen könnten, so dass insoweit kein Rechtsschutzbedürfnis bestehe.
18
Den Klageanträgen 1a, 1b und 1c lässt sich in der kumulativen Verknüpfung nicht entnehmen, dass nur Verhaltensweisen untersagt werden sollen, die gleichzeitig stattfinden. Sie erfassen sprachlich vielmehr auch Fälle, in denen die beanstandeten Verhaltensweisen, die bei Vertragsabschluss unterlassen werden sollen (Klageantrag 1a und 1c), kumulativ mit einem mit dem Klageantrag 1b beanstandeten Verhalten nach Vertragsschluss zusammentreffen. Ein solcher Fall ist in derselben Vertragsbeziehung zwischen der Beklagten und einem Wohnungsmieter ohne Weiteres denkbar.
19
c) Die Revisionserwiderung beruft sich für ihre Ansicht, die Unterlassungsanträge seien in der kumulativen Verknüpfung unzulässig, ohne Erfolg auf das Senatsurteil “Hörgeräteversorgung II”. Der Senat hat dort eine in einem Unterlassungsantrag enthaltene “und-Verknüpfung” von zwei Handlungen mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig angesehen, wenn gleichzeitig die Untersagung in alternativer Form (“oder-Verknüpfung”) begehrt wird und der zweite Teil des Antrags vollständig von dem selbständigen ersten Teil des Antrags in der “oder-Verknüpfung” erfasst wird (BGH, Urteil vom 13. Januar 2011 – I ZR 111/08, GRUR 2011, 345 Rn. 53 = WRP 2011, 451 – Hörgeräteversorgung II; Urteil vom 13. Januar 2011 – I ZR 112/08, MPR 2011, 88, 94 [juris Rn. 51]). Damit ist die Antragsfassung im Streitfall nicht gleichzusetzen.
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II. Das Berufungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht insgesamt als unbegründet abgewiesen. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte die mit der Klage geltend gemachten Unterlassungsansprüche nicht zu. Zwar handelt es sich bei den für die Beurteilung des Streitfalls allein maßgeblichen Regelungen des § 43b Satz 1 und 2 TKG (dazu B II 1) um Marktverhaltensregelungen (dazu B II 2). Die Vorschrift des § 43b Satz 1 TKG ist jedoch im Verhältnis der Beklagten zu ihren Mietern weder direkt (dazu B II 3), noch analog (dazu B II 4), noch in unionsrechtskonformer Auslegung (dazu B II 5) anwendbar. Auch ein Verstoß gegen § 309 Nr. 9 Buchst. a BGB liegt nicht vor (dazu B II 6). Die Voraussetzungen des § 43b Satz 2 TKG sind ebenfalls nicht erfüllt (dazu B II 7). Damit scheidet auch der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten aus.
21
1. Da die Klägerin den geltend gemachten Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr stützt (§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG), ist die Klage nur begründet, wenn das beanstandete Verhalten der Beklagten sowohl zum Zeitpunkt seiner Vornahme im Jahr 2018 rechtswidrig war als auch zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz rechtswidrig ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 25. Juni 2020 – I ZR 162/16, GRUR 2020, 1007 Rn. 16 = WRP 2020, 1306 – B-Vitamine II, mwN).
22
Eine für den Streitfall maßgebliche Rechtsänderung ist im maßgeblichen Zeitraum nicht eingetreten. Das Verhalten der Beklagten ist allein anhand der durch die TKG-Novelle 2012 neu in das Telekommunikationsgesetz eingefügten Vorschrift des § 43b Satz 1 und 2 TKG in der seit dem 10. Mai 2012 geltenden Fassung zu beurteilen. Diese Vorschrift dient der Umsetzung von Art. 30 Abs. 5 der Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie). Zwar ist die Richtlinie 2002/22/EG durch die Richtlinie (EU) 2018/1972 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation aufgehoben und durch diese Richtlinie mit Wirkung ab dem 20. Dezember 2018 ersetzt worden. Die Frist zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/1972 ist nach ihrem Art. 124 Abs. 1 auch bereits am 21. Dezember 2020 abgelaufen. Da das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/1972 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (Neufassung) und zur Modernisierung des Telekommunikationsrechts (Telekommunikationsmodernisierungsgesetz) vom 23. Juni 2021 (BGBl. I S. 1858) nach seinem Art. 61 Abs. 1 jedoch erst am 1. Dezember 2021 in Kraft treten und das Telekommunikationsgesetz in seiner bisherigen Fassung erst am 30. November 2021 außer Kraft treten wird, gilt § 43b TKG in seiner derzeit geltenden Fassung bis zum 1. Dezember 2021 unverändert fort und ist für die Entscheidung im Streitfall allein maßgeblich.
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2. Bei § 43b Satz 1 und 2 TKG handelt es sich um Regelungen, die im Sinne von § 3a UWG auch dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.
24
a) Nach § 43b Satz 1 TKG darf die anfängliche Mindestlaufzeit eines Vertrages zwischen einem Verbraucher und einem Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten 24 Monate nicht überschreiten. Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten sind gemäß § 43b Satz 2 TKG verpflichtet, einem Teilnehmer zu ermöglichen, einen Vertrag mit einer Höchstlaufzeit von zwölf Monaten abzuschließen.
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b) Eine Vorschrift, die dem Schutz von Rechten, Rechtsgütern oder sonstigen Interessen von Marktmitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern dient, stellt eine Marktverhaltensregelung dar, wenn das geschützte Interesse gerade durch die Marktteilnahme, also durch den Abschluss von Austauschverträgen und den nachfolgenden Verbrauch oder Gebrauch der erworbenen Ware oder in Anspruch genommenen Dienstleistung berührt wird. Nicht erforderlich ist dabei eine spezifisch wettbewerbsbezogene Schutzfunktion in dem Sinne, dass die Regelung die Marktteilnehmer speziell vor dem Risiko einer unlauteren Beeinflussung ihres Marktverhaltens schützt. Die Vorschrift muss aber zumindest auch den Schutz der wettbewerblichen Interessen der Marktteilnehmer bezwecken; lediglich reflexartige Auswirkungen zu deren Gunsten genügen daher nicht (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 2015 – I ZR 225/13, GRUR 2016, 513 Rn. 21 = WRP 2016, 586 – Eizellspende; Urteil vom 27. April 2017 – I ZR 215/15, GRUR 2017, 819 Rn. 20 = WRP 2017, 941 – Aufzeichnungspflicht, jeweils mwN).
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c) Die Bestimmungen des § 43b Satz 1 und 2 TKG sind danach Marktverhaltensregelungen im Interesse der Verbraucher und sonstiger Marktteilnehmer.
27
Die Regelungen in § 43 Satz 1 und 2 TKG dienen der Umsetzung von Art. 30 Abs. 5 der Richtlinie 2002/22/EG. Nach Art. 30 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2002/22/EG haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Verträge zwischen Verbrauchern und Unternehmen, die elektronische Kommunikationsdienste erbringen, keine anfängliche Mindestvertragslaufzeit beinhalten, die 24 Monate überschreitet. Die Mitgliedstaaten haben gemäß Art. 30 Abs. 5 Satz 2 der Richtlinie 2002/22/EG ferner sicherzustellen, dass die Unternehmen den Nutzern die Möglichkeit anbieten, einen Vertrag mit einer Höchstlaufzeit von 12 Monaten abzuschließen. Nach Art. 105 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie (EU) 2018/1972, der Art. 30 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2002/22/EG ersetzt hat, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Bedingungen und Verfahren für die Vertragskündigung nicht davon abschrecken, einen Anbieterwechsel vorzunehmen, und dass Verträge zwischen Verbrauchern und Anbietern öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste, bei denen es sich weder um nummernunabhängige interpersonelle Kommunikationsdienste noch um für die Bereitstellung von Diensten der Maschine-Maschine-Kommunikation genutzte Übertragungsdienste handelt, keine Mindestvertragslaufzeit enthalten, die 24 Monate überschreitet.
28
Wie sich aus der Überschrift von Art. 30 der Richtlinie 2002/22/EG “Erleichterung des Anbieterwechsels” ergibt, hat diese Regelung das Ziel, den Anbieterwechsel durch die Endnutzer zu erleichtern. Sie soll die potenzielle Wechselbereitschaft durch das Angebot von Verträgen mit kürzerer Laufzeit stärken und einen wettbewerbsfördernden Impuls setzen (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Regelungen, BT-Drucks. 17/5707, S. 65; Scholz in Fetzer/Scherer/Graulich, TKG, 3. Aufl., § 43b Rn. 2; BeckOK.Informations- und Medienrecht/Lueg, 33. Edition [Stand 1. August 2021], § 43b TKG Rn. 3; Schadow in Scheurle/Mayen, TKG, 3. Aufl., § 43b Rn. 1; Sodtalbers in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl., § 43b TKG Rn. 1). Dieses Ziel geht aus der Formulierung von Art. 105 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie (EU) 2018/1972 als der Nachfolgeregelung zu Art. 30 Abs. 5 der Richtlinie 2002/22/EG sprachlich noch deutlicher hervor. Darin heißt es, dass die “Bedingungen und Verfahren für die Vertragskündigung nicht davon abschrecken (sollen), einen Anbieterwechsel vorzunehmen”.
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d) Der Verfolgung eines Verstoßes gegen § 43 Satz 1 und 2 TKG als unlautere geschäftliche Handlung steht nicht entgegen, dass die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, die keinen mit § 3a UWG vergleichbaren Unlauterkeitstatbestand kennt, die Vorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern grundsätzlich vollständig harmonisiert (Art. 3 Abs. 1, Art. 4 der Richtlinie 2005/29/EG).
30
Nach Art. 3 Abs. 2 und Erwägungsgrund 9 Satz 2 der Richtlinie 2005/29/EG lässt diese Richtlinie das Vertragsrecht und insbesondere die Bestimmungen über die Wirksamkeit, das Zustandekommen und die Wirkungen eines Vertrags unberührt. Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG, die sich – wie hier – auf den Abschluss und den Inhalt von Verträgen beziehen, stehen daher grundsätzlich in Einklang mit der Richtlinie 2005/29/EG. Soweit das Vertragsrecht – wie hier – im sonstigen Unionsrecht geregelt ist, müssen Marktverhaltensregelungen allerdings auch mit den jeweiligen unionsrechtlichen Bestimmungen vereinbar sein (BGH, Urteil vom 21. Januar 2021 – I ZR 17/18, GRUR 2021, 752 Rn. 48 = WRP 2021, 746 – Berechtigte Gegenabmahnung).
31
3. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht den Klageantrag 1a abgewiesen, der auf Untersagung des Abschlusses von Wohnraummietverträgen gerichtet ist, die ohne Kündigungsmöglichkeit zum Ablauf von 24 Monaten Laufzeit die kostenpflichtige Bereitstellung eines Kabel-TV-Anschlusses und/oder Kabel-Internet-Anschlusses beinhalten. Die Abweisung des Klageantrags 1b, mit dem der Beklagten verboten werden soll, sich im Rahmen eines bestehenden Wohnraummietverhältnisses mit einem Verbraucher auf die Unkündbarkeit einer vertraglich vereinbarten kostenpflichtigen Bereitstellung eines Kabel-TV-Anschlusses und/oder Kabel-Internet-Anschlusses zu berufen, wenn die kostenpflichtige Bereitstellung dieses Anschlusses bereits 24 Monate angedauert hat, hält ebenfalls im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand. Die Beklagte hat mit dem Abschluss derartiger Wohnraummietverträge nicht gegen § 43b Satz 1 TKG verstoßen (zum Klageantrag 1c unter B II 7).
32
Im Streitfall kommt allein in Betracht, dass die Beklagte mit der Bereitstellung eines Kabel-TV-Anschlusses im Rahmen der von ihr geschlossenen Wohnraummietverträge gegen § 43b TKG verstoßen hat (dazu B II 3 a). Mit der Überlassung eines Kabel-TV-Anschlusses an die Wohnungsmieter werden zwar Telekommunikationsdienste erbracht (dazu B II 3 b). Die Beklagte ist auch Anbieterin dieser Telekommunikationsdienste (dazu B II 3 c). Diese Dienste sind darüber hinaus öffentlich zugänglich (dazu B II 3 d). Die Mieter der Beklagten sind außerdem Verbraucher (dazu B II 3 e). In den Mietverträgen, die die Beklagte mit ihren Mietern schließt, ist jedoch keine anfängliche Mindestlaufzeit vereinbart, die 24 Monate überschreitet (dazu B II 3 f).
33
a) Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte stelle nach den mietvertraglichen Vereinbarungen ihren Mietern allein einen kostenpflichtigen Kabel-TV-Anschluss, nicht dagegen auch einen Kabel-Internet-Anschluss zur Verfügung. Die Klageanträge 1a und 1b sind schon deshalb insoweit unbegründet, als sie sich auf die kostenpflichtige Bereitstellung eines Kabel-Internet-Anschlusses im Rahmen eines Wohnraummietverhältnisses beziehen.
34
aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, Gegenstand der vertraglichen Abreden zwischen der Beklagten und ihren Mietern sei allein die Versorgung der Wohnungen mit Fernseh- und Hörfunkprogrammen und die Umlage der hierfür anfallenden Betriebskosten. Der Basis-Internet-Anschluss bedürfe demgegenüber eines gesonderten Vertrags des Mieters mit dem Anbieter U.        . Der insoweit nicht ganz eindeutige Internetauftritt der Beklagten weise bereits auf die Kooperation der Beklagten mit U.       hin. Das im Rechtsstreit vorgelegte Exposé für eine Wohnung enthalte lediglich eine technische Information über den in der Wohnung vorhandenen Multimediaanschluss, ohne Auskunft darüber zu geben, auf welcher vertraglichen Grundlage ein Internetzugang erfolge. In der E-Mail der Beklagten vom 14. Juni 2018 an einen Wohnungsinteressenten heiße es ausdrücklich, dass die Internetversorgung über U.       erfolge. Außerdem habe die Beklagte Verträge zwischen ihren Mietern und U.       vorgelegt, aus denen sich ergebe, dass der Basis-Internet-Anschluss Gegenstand der vertraglichen Beziehungen zwischen den einzelnen Mietern und dem Anbieter U.       sei. Gegenstand des Mietverhältnisses sei damit lediglich die Versorgung der Wohnungen mit Fernseh- und Hörfunkprogrammen. Schon aus diesem Grund könnten die Klageanträge, soweit sie sich auf von der Beklagten bereitgestelltes Kabel-Internet bezögen, keinen Erfolg haben. Diese Beurteilung weist keine Rechtsfehler auf.
35
bb) Die Revision macht ohne Erfolg geltend, die Beklagte verpflichte sich gegenüber ihren Mietern nicht nur zur Versorgung mit Kabelfernseh- und Hörfunkprogrammen, sondern auch zur Bereitstellung eines Basis-Internet-Anschlusses. Dies ergebe sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung des Mustermietvertrags der Beklagten.
36
(1) Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke. Eine solche Regelungslücke liegt vor, wenn die Parteien einen Punkt übersehen haben. Eine ergänzende Vertragsauslegung ist außerdem möglich, wenn die Parteien eine Regelung bewusst unterlassen haben, jedoch davon ausgegangen sind, dass diese Regelung noch getroffen werden wird und diese Annahme sich nachträglich als unzutreffend herausstellt. Dabei kann von einer planwidrigen Regelungslücke nur gesprochen werden, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrundeliegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung des Vertrags eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen wäre (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2019 – I ZR 34/18, GRUR 2020, 57 Rn. 26 = WRP 2020, 74 – Valentins, mwN).
37
(2) Entgegen der Ansicht der Revision liegen die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung im Streitfall nicht vor. Das Berufungsgericht hat schon keine Feststellungen getroffen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Beklagte und die Wohnungsmieter übereinstimmend die Vorstellung hatten, es müsse im Wohnraummietvertrag eine Regelung zur Bereitstellung eines Kabel-Internet-Anschlusses getroffen werden. Es hat vielmehr festgestellt, dass die Beklagte in einer E-Mail vom 14. Juni 2018 einem Mietinteressenten mitgeteilt hat, dass die Internetversorgung über das Unternehmen U.      erfolge. Die Beklagte hatte danach nicht die Absicht, mit dem Abschluss von Wohnraummietverträgen ihren Mietern einen Kabel-Internet-Anschluss zu überlassen. Die Revision macht ohne Erfolg geltend, Mietinteressenten gingen aufgrund der Werbung der Beklagten auf ihrer Internetseite vom Gegenteil aus. Eine solche abweichende einseitige Sicht der Dinge nur einer Vertragspartei eröffnet nicht den Anwendungsbereich der ergänzenden Vertragsauslegung.
38
b) Die von den Mietern der Beklagten über den zur Ausstattung ihrer Mietwohnung gehörenden Kabel-TV-Anschluss bezogenen Dienste sind Telekommunikationsdienste im Sinne von § 43b Satz 1 TKG.
39
aa) Nach der Begriffsbestimmung in § 3 Nr. 24 TKG sind Telekommunikationsdienste in der Regel gegen Entgelt erbrachte Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen, einschließlich Übertragungsdienste in Rundfunknetzen. Diese Vorschrift beruht auf Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie), auf deren Begriffsbestimmungen die Richtlinie 2002/22/EG in Art. 2 Abs. 1 verweist. Nach Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2002/21/EG sind “elektronische Kommunikationsdienste” gewöhnlich gegen Entgelt erbrachte Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze bestehen, einschließlich Telekommunikations- und Übertragungsdienste in Rundfunknetzen, jedoch ausgenommen Dienste, die Inhalte über elektronische Kommunikationsnetze und -dienste anbieten oder eine redaktionelle Kontrolle über sie ausüben; nicht dazu gehören die Dienste der Informationsgesellschaft im Sinne von Art. 1 der Richtlinie 98/34/EG, die nicht ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze bestehen.
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bb) Die Bereitstellung eines Kabel-TV-Anschlusses ist ein Telekommunikationsdienst im Sinne von § 3 Nr. 24 TKG.
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(1) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union fällt ein aus der Verbreitung eines über Kabel zugänglichen Basisangebots bestehender Dienst, für den Übertragungskosten sowie die an Rundfunkanstalten und kollektive Verwertungsgesellschaften im Zusammenhang mit der Veröffentlichung ihrer Inhalte gezahlte Gebühren in Rechnung gestellt werden, unter den Begriff “elektronischer Kommunikationsdienst” im Sinne von Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2002/21/EG, sofern dieser Dienst in erster Linie die Übertragung von Fernsehinhalten über das Kabelnetz bis zum Empfänger des Endnutzers umfasst (EuGH, Urteil vom 7. November 2013 – C-518/11, GRUR Int. 2014, 78 Rn. 47 – UPC Nederland). Das gilt auch für einen Dienst, durch den entgeltlich die Zugangsberechtigung zu einem aus Radio- und Fernsehprogrammen bestehenden Programmpaket bereitgestellt wird, das über Satellit verbreitet wird (EuGH, Urteil vom 30. April 2014 – C-475/12, MMR 2015, 339 Rn. 40 bis 44 – UPC DTH).
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(2) Da der deutsche Gesetzgeber mit § 3 Nr. 24 TKG die Begriffsbestimmung aus Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2002/21/EG in das deutsche Recht umgesetzt hat, ist die deutsche Regelung trotz der leicht abweichenden Terminologie richtlinienkonform ebenso auszulegen wie der Gerichtshof der Europäischen Union die entsprechende Regelung der Richtlinie ausgelegt hat. Die Zurverfügungstellung eines Zugangs zum Kabelfernsehen ist damit ein Telekommunikationsdienst im Sinne von § 3 Nr. 24 TKG (Ricke in Spindler/Schuster aaO § 3 TKG Rn. 49).
43
cc) Diese Dienste werden gegen Entgelt erbracht. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen hat die Beklagte der M.                GmbH unter anderem für die Versorgung der über die Netzebene 4 an das Kabelnetz angebundenen Wohnungen der Beklagten mit Fernseh- und Hörfunkprogrammen, die vom Anbieter U.       über die Netzebene 3 herangeführt werden, ein Entgelt zu zahlen. Die Beklagte legt die ihr entstandenen Kosten auf die Mieter gemäß § 2 Nr. 15 Buchst. b BetrKV im Rahmen der Betriebskostenabrechnung um und verlangt von diesen damit ebenfalls ein Entgelt für die Überlassung des Kabel-TV-Anschlusses.
44
dd) Der mit der Bereitstellung eines Kabel-TV-Anschlusses durch die Beklagte erbrachte Dienst besteht “ganz oder überwiegend” in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze.
45
(1) Das Berufungsgericht hat es für fraglich gehalten, ob die Leistungspflicht der Beklagten “ganz oder überwiegend” in der Übertragung von Signalen bestehe, weil Hauptleistung der Beklagten gemäß § 535 Abs. 1, § 549 Abs. 1 BGB die Überlassung des Gebrauchs der Wohnungen an den jeweiligen Mieter für die Dauer der Mietzeit, die Erhaltung des vertragsgemäßen Zustands der Wohnung und die Tragung der auf ihr ruhenden Lasten sei und es sich bei der Zurverfügungstellung des Kabel-TV-Anschlusses um eine zur vereinbarten Überlassung des Gebrauchs von Wohnraum gehörige untergeordnete mietvertraglich geschuldete Nebenleistung handele.
46
(2) Diese Erwägung beruht auf einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab. Es kommt nicht darauf an, ob alle in den von ihr abgeschlossenen Wohnraummietverträgen vorgesehenen Leistungen der Beklagten “ganz oder überwiegend” in der Übertragung von Signalen bestehen. Maßgeblich ist vielmehr die Frage, ob über den von der Beklagten bereitgestellten Kabel-TV-Anschluss ganz oder überwiegend Signale übertragen werden. Das ist hier der Fall.
47
Bei dem einschränkenden Tatbestandsmerkmal “ganz oder überwiegend” handelt es sich um ein Korrektiv, das nur eingreift, wenn überhaupt Signale über Telekommunikationsnetze übertragen werden. Nicht jeder Dienst, durch den Signale übertragen werden, ist als “elektronischer Kommunikationsdienst” im Sinne von Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2002/21/EG einzuordnen. Dass der Erbringer eines internetbasierten E-Mail-Dienstes bei der Versendung und dem Empfang von Nachrichten aktiv wird und Signale überträgt, ohne selbst den Zugang zum Internet zu vermitteln, reicht deshalb nicht aus für die Annahme, dass dieser Dienst im Sinne von Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2002/21/EG “ganz oder überwiegend” Signale überträgt (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Juni 2019 – C-193/18, WRP 2019, 1001 Rn. 34 und 36 f. – Google; OVG NRW, K&R 2020, 382 [juris Rn. 42]).
48
Im Streitfall ist nicht zweifelhaft, dass die Beklagte mit der Bereitstellung eines Kabel-TV-Anschusses Dienste zur Verfügung stellt, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen bestehen (EuGH, GRUR Int. 2014, 78 Rn. 47 – UPC Nederland; MMR 2015, 339 Rn. 40 bis 44 – UPC DTH), und dass sie ihren Mietern außerdem den Zugang zum Kabelnetz vermittelt. Dies führt dazu, dass ihr Angebot als ein Telekommunikationsdienst im Sinne von § 3 Nr. 24 TKG und als ein elektronischer Kommunikationsdienst im Sinne von Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2002/21/EG anzusehen ist (vgl. EuGH, WRP 2019, 1001 Rn. 36 – Google).
49
c) Die Beklagte ist Anbieterin dieser Telekommunikationsdienste. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen weder selbst ein Kabelnetz betreibt noch ihren Mietern selbst die Signale für Fernseh- und Hörfunkprogramme über das Kabel zur Verfügung stellt.
50
Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geht zweifelsfrei hervor, dass die Beklagte ein Unternehmen ist, das im Sinne von Art. 30 Abs. 5 der Richtlinie 2002/22/EG – der Regelung, die der Vorschrift des § 43b TKG zugrunde liegt – elektronische Kommunikationsdienste erbringt. Der Umstand, dass die Übertragung des Signals über eine Infrastruktur erfolgt, die nicht dem Erbringer der Dienste gehört, ist für die Einordnung der Art der Dienstleistung unerheblich, da es nur darauf ankommt, dass der Erbringer gegenüber den Endnutzern für die Übertragung des Signals verantwortlich ist, die diesen die Bereitstellung des Dienstes gewährleistet, den sie abonniert haben (EuGH, MMR 2015, 339 Rn. 43 – UPC DTH). Die Beklagte ist danach als diejenige, die gegenüber ihren Mietern für die Bereitstellung des Kabel-TV-Anschlusses verantwortlich ist, als Anbieterin elektronischer Kommunikationsdienste im Sinne von Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2002/21/EG (vgl. EuGH, MMR 2015, 339 Rn. 58 – UPC DTH) und damit als Anbieterin von Telekommunikationsdiensten im Sinne von § 43b Satz 1 TKG zu betrachten.
51
d) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sind die von der Beklagten angebotenen Telekommunikationsdienste auch öffentlich zugänglich im Sinne von § 43b Satz 1 TKG.
52
aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, der in der Übertragung von Signalen bestehende Dienst der Beklagten sei nicht öffentlich zugänglich. Bei den Mietern eines Mehrfamilienhauses handele es sich nicht um einen unbestimmten Personenkreis, sondern um eine von der Öffentlichkeit durch ihre Eigenschaft als Mieter von Wohnungen in bestimmten Immobilien klar abgegrenzte Personengruppe. Die Leistung der Beklagten stehe nicht jeder Person, die als deren Nutzer in Frage komme, zur Verfügung, sondern nur den Mietern der Wohnungen der Beklagten. Dass die Beklagte ihre Wohnungen öffentlich auf dem Wohnungsmarkt anbiete, ändere hieran nichts, weil nicht jeder Fernseh- und Hörfunkinteressierte, sondern nur Mieter die Signalübertragungsleistung der Beklagten nutzen könnten. Diese Beurteilung ist nicht frei von Rechtsfehlern.
53
bb) Das Berufungsgericht ist im Ausgangspunkt mit Recht davon ausgegangen, dass § 43b TKG nur auf “öffentlich zugängliche” Telekommunikationsdienste anwendbar ist. Die Revision macht ohne Erfolg geltend, das Tatbestandsmerkmal der öffentlichen Zugänglichkeit der Telekommunikationsdienste in § 43b TKG entbehre einer unionsrechtlichen Grundlage.
54
Art. 30 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2002/22/EG soll nur für “öffentlich zugängliche” Telekommunikationsdienste gelten. Zwar ist in Art. 30 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2002/22/EG nur von Verträgen zwischen Verbrauchern und Unternehmen, die elektronische Kommunikationsdienste erbringen, die Rede. Nach der Begriffsbestimmung des Art. 2 Buchst. i der Richtlinie 2002/21/EG, die gemäß Art. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2002/22/EG auch für diese Richtlinie gilt, ist jedoch ein “Verbraucher” im Sinne von Art. 30 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2002/22/EG jede natürliche Person, die einen “öffentlich zugänglichen” elektronischen Kommunikationsdienst zu anderen als gewerblichen oder beruflichen Zwecken nutzt oder beantragt. In der neuen Richtlinie (EU) 2018/1972 ist die öffentliche Zugänglichkeit elektronischer Kommunikationsdienste in Art. 105 Abs. 1 Satz 1 – der Nachfolgeregelung zu Art. 30 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2002/22/EG – ausdrücklich aufgenommen. Es bestehen deshalb insoweit keine Zweifel an der Vereinbarkeit der Regelung des § 43b Satz 1 TKG mit dem Unionsrecht.
55
cc) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die von der Beklagten im Rahmen von Wohnraummietverhältnissen zur Verfügung gestellten Kabel-TV-Anschlüsse seien nicht “öffentlich” zugänglich, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
56
(1) Nach § 3 Nr. 17a TKG sind “öffentlich zugängliche Telekommunikationsdienste” der Öffentlichkeit zur Verfügung stehende Telekommunikationsdienste. In Art. 2 Buchst. i der Richtlinie 2002/21/EG, auf die Art. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2002/22/EG verweist, und in Art. 105 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie (EU) 2018/1972 ist von öffentlich zugänglichen “elektronischen Kommunikationsdiensten” die Rede. In der Sache besteht jedoch mit Blick auf das Merkmal der Öffentlichkeit kein Unterschied zwischen “der Öffentlichkeit zur Verfügung stehenden Telekommunikationsdiensten” und “öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdiensten”.
57
(2) Das Berufungsgericht ist im Ausgangspunkt zu Recht davon ausgegangen, dass maßgebliches Kriterium für die öffentliche Zugänglichkeit der Telekommunikationsdienste ist, ob die in Rede stehenden Dienstleistungen einem unbestimmten Personenkreis zugänglich sind oder nicht (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zu einem Telekommunikationsgesetz, BT-Drucks. 15/2316, S. 60; Schütz in Geppert/Schütz, TKG, 4. Aufl., § 6 Rn. 44).
58
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der mit der Bereitstellung von Kabel-TV-Anschlüssen erbrachte Dienst der Beklagten bei der Versorgung vermieteter Wohnungen mit Fernseh- und Hörfunksignalen öffentlich zugänglich (vgl. Busch/Riewerts, K&R 2017, 769, 772 f.). Das Wohnungsangebot der Beklagten und das damit verbundene Angebot zur Nutzung eines Kabel-TV-Anschlusses richten sich an jedermann. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vermietet die Beklagte in rund 100 Kommunen in Nordrhein-Westfalen mehr als 120.000 Mietwohnungen, in denen etwa 300.000 Menschen leben. Diese Wohnungen sind weit überwiegend mit einem Kabel-TV-Anschluss ausgestattet. 108.000 Wohnungen der Beklagten und die damit zur Verfügung gestellten Kabel-TV-Anschlüsse werden von einer Personenanzahl genutzt, die der Einwohnerzahl nach eine deutsche Großstadt bilden könnten. Jedenfalls bei einer solchen Größenordnung der Nutzer muss das Angebot der Beklagten als “öffentlich zugänglich” angesehen werden.
59
e) Die Beklagte schließt Verträge mit Verbrauchern im Sinne von § 43b Satz 1 TKG ab, wenn sie ihnen eine mit einem Kabel-TV-Anschluss ausgestattete Wohnung aus ihrem Bestand zu Wohnzwecken vermietet.
60
aa) Das Telekommunikationsgesetz sieht in seinem § 3 keine Begriffsbestimmung für den Verbraucher vor. Insoweit kann unmittelbar auf die Begriffsbestimmung in der Richtlinie 2002/22/EG zurückgegriffen werden, die in ihrem Art. 2 Unterabs. 1 auf Art. 2 der Richtlinie 2002/21/EG verweist. Nach Art. 2 Buchst. i der Richtlinie 2002/21/EG ist ein Verbraucher jede natürliche Person, die einen öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienst zu anderen als gewerblichen Zwecken nutzt oder beantragt. Nach Art. 2 Nr. 15 der Richtlinie (EU) 2018/1972 ist ein Verbraucher jede natürliche Person, die einen öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdienst zu anderen als gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Zwecken nutzt oder beantragt.
61
bb) Bei dem Abschluss von Wohnraummietverträgen handelt es sich um Rechtsgeschäfte, die bereits nach ihrem Inhalt von Verbrauchern abgeschlossen werden, weil die Anmietung von Wohnraum mit einem Kabel-TV-Anschluss zu Wohnzwecken erfolgt und nicht zu Zwecken, die überwiegend der gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.
62
f) In den von der Beklagten abgeschlossenen Wohnraummietverträgen, mit denen den Mietern ein Kabel-TV-Anschluss zur Verfügung gestellt wird, ist jedoch keine 24 Monate überschreitende anfängliche Mindestlaufzeit im Sinne von § 43b Satz 1 TKG vereinbart.
63
Die Wohnraummietverträge, die die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts mit ihren Mietern abschließt, sind ohne Vereinbarung einer Mindestmietzeit geschlossen. Ausweislich der Regelung in § 4 Abs. 1 des von der Beklagten vorgelegten Muster-Mietvertrags schließt sie Mietverträge auf unbestimmte Zeit. Diese Wohnraummietverträge sind nach ihrem § 4 Abs. 2 Satz 1 nach den gesetzlichen Bestimmungen ordentlich und außerordentlich kündbar. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 des Mustermietvertrags kann der Mieter den Mietvertrag bis zum dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Kalendermonats kündigen. Dies entspricht der gesetzlichen Regelung in § 573c Abs. 1 Satz 1 BGB.
64
Eine Vereinbarung über einen Ausschluss des Kündigungsrechts für mehr als 24 Monate ist dagegen in dem Mustermietvertrag nicht vorgesehen. Damit sind die Mieter der Beklagten nicht gehindert, ihre Wohnraummietverträge mit der darin vorgesehenen Verpflichtung zur entgeltlichen Inanspruchnahme eines Kabel-TV-Anschlusses vor Ablauf von 24 Monaten zu kündigen. Eine direkte Anwendung des § 43b Satz 1 TKG auf die von der Beklagten geschlossenen Mietverträge scheidet damit aus.
65
4. Eine analoge Anwendung von § 43b Satz 1 TKG im Verhältnis der Beklagten zu ihren Mietern scheidet mangels planwidriger Regelungslücke aus.
66
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, einer analogen Anwendung der Vorschrift stehe der Umstand entgegen, dass es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. § 43b TKG sei durch Art. 1 Nr. 35 des Gesetzes zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Regelungen vom 3. Mai 2012 (BGBl. 2012 I S. 958) in das Telekommunikationsgesetz eingefügt worden. Durch Art. 4 dieses Gesetzes sei § 2 Nr. 15 Buchst. b BetrKV, der die Umlage der laufenden monatlichen Grundgebühren für Breitbandanschlüsse auf die Mieter ermögliche, neu gefasst worden. Da der Gesetzgeber in demselben Gesetz sowohl den Kunden- und Verbraucherschutz im Anwendungsbereich des Telekommunikationsgesetzes als auch das miet- und betriebskostenrechtliche Umlageverhältnis geregelt habe, ohne im Mietrecht Schutzvorschriften einzuführen, die inhaltlich dem Regelungsgehalt des § 43b TKG entsprächen, bestehe keine planwidrige Regelungslücke. Diese Beurteilung ist rechtsfehlerfrei.
67
b) Nichts Anderes ergibt sich aus der bevorstehenden Änderung des Telekommunikationsgesetzes. Ersichtlich ist der Gesetzgeber bei der zukünftig geltenden Fassung des Telekommunikationsgesetzes davon ausgegangen, dass er nicht lediglich die bestehende Rechtslage fortschreibt, sondern eine Neuregelung trifft. Dies ergibt sich aus den vorgesehenen Übergangsregelungen. Sie lassen über die vom Berufungsgericht zutreffend zur Auslegung herangezogene Gesetzgebungsgeschichte hinaus mit der gebotenen Deutlichkeit erkennen, dass der Gesetzgeber bei der Einführung von § 43b TKG große Wohnungsbaugesellschaften, die von ihnen vermietete Wohnungen mit Kabel-TV-Anschlüssen versehen haben und ihren Mietern entgeltlich zur Verfügung stellen, den Regelungen in dieser Vorschrift nicht unterwerfen wollte.
68
Nach § 71 Abs. 2 Satz 1 und 3 in der ab dem 1. Dezember 2021 geltenden Fassung (TKG nF) können Verbraucher entsprechend § 56 Abs. 3 TKG nF gegenüber ihrem Vermieter oder Verpächter die Beendigung der Inanspruchnahme von Telekommunikationsdiensten im Rahmen des Miet- oder Pachtverhältnisses erklären, wenn das Miet- oder Pachtverhältnis bereits 24 Monate oder länger besteht, wenn der Vermieter oder Verpächter ihnen im Rahmen eines Miet- oder Pachtvertrages oder im Zusammenhang mit einem Miet- oder Pachtvertrag Telekommunikationsdienste zur Verfügung stellt, vereinbart, anbietet oder dem Verbraucher im Rahmen des Miet- oder Pachtvertrages oder im Zusammenhang mit einem Miet- oder Pachtvertrag Kosten für solche Dienste in Rechnung stellt. Nach § 56 Abs. 3 Satz 1 TKG nF kann der Endnutzer einen Vertrag mit einem Anbieter öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste nach Ablauf der anfänglichen Vertragslaufzeit jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat kündigen, wenn darin vorgesehen ist, dass er sich nach Ablauf der anfänglichen Vertragslaufzeit stillschweigend verlängert, wenn der Endnutzer den Vertrag nicht rechtzeitig kündigt.
69
Die Vorschrift des § 71 Abs. 2 TKG nF ist gemäß § 230 Abs. 4 TKG nF bis zum 30. Juni 2024 nicht anzuwenden, wenn der Telekommunikationsdienst im Rahmen des Mietverhältnisses erbracht wird und die Gegenleistung ausschließlich als Betriebskosten abgerechnet wird. Nach Art. 15 des Telekommunikationsmodernisierungsgesetzes tritt am 1. Juli 2024 außerdem eine Änderung der Betriebskostenverordnung in Kraft, die bestimmt, dass § 2 Nr. 15 BetrKV in den Buchstaben a und b für Anlagen, die vor dem 1. Dezember 2021 errichtet worden sind, dahin geändert wird, dass ein Nutzungsentgelt für eine nicht zu dem Gebäude gehörende Antennenanlage sowie laufende monatliche Grundgebühren für Breitbandanschlüsse nur noch bis zum 30. Juni 2024 umlagefähig sind.
70
Daraus ergibt sich, dass es der Gesetzgeber Mietern von Wohnraum erst ab dem 1. Juli 2024 ermöglichen will, gegenüber ihrem Vermieter eine Beendigung der Inanspruchnahme von Telekommunikationsdiensten im Rahmen des Wohnraummietverhältnisses zu erklären, wenn dieses Mietverhältnis 24 Monate oder länger besteht.
71
5. Die Regelung des § 43b Satz 1 TKG muss auch nicht unionsrechtskonform dahingehend ausgelegt werden, dass die Wohnraummieter der Beklagten berechtigt sind, den ihnen entgeltlich zur Verfügung gestellten Kabel-TV-Anschluss nach Ablauf von 24 Monaten Laufzeit unabhängig vom Wohnraummietvertrag zu kündigen. Art. 30 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie 2002/22/EG und die Nachfolgeregelung in Art. 105 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie (EU) 2018/1972 lassen nicht erkennen, dass die Mitgliedstaaten zwingend solche Regelungen schaffen müssen.
72
6. Die Revision macht ohne Erfolg geltend, die von der Beklagten in ihren Wohnraummietverträgen vorgesehene Vertragsgestaltung stelle einen Verstoß gegen das absolute Klauselverbot des § 309 Nr. 9 Buchst. a BGB dar.
73
a) Nach § 309 Nr. 9 Buchst. a BGB ist, auch wenn eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zulässig ist, eine den anderen Vertragsteil länger als zwei Jahre bindende Laufzeit des Vertrags unwirksam bei einem Vertragsverhältnis, das die regelmäßige Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand hat.
74
b) Die Regelung des § 309 Nr. 9 Buchst. a BGB entspricht inhaltlich § 43b Satz 1 TKG, bleibt aber insoweit hinter dem Regelungsgehalt des § 43b TKG zurück, als sich § 43b TKG nicht auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen beschränkt, sondern auch auf Individualvereinbarungen Anwendung findet (Ditscheid/Rudloff in Geppert/Schütz aaO § 43b Rn. 1; Sodtalbers in Spindler/Schuster aaO § 43b Rn. 2; Scholz in Fetzer/Scherer aaO § 43b Rn. 3; BeckOK.Informations- und Medienrecht/Lueg aaO § 43b TKG Rn. 2; Schadow in Scheurle/Mayen aaO § 43b Rn. 2). Sie ist – ebenso wie § 43b Satz 1 TKG (dazu B II 2) – eine Marktverhaltensregelung.
75
c) Es ist schon zweifelhaft, ob § 309 Nr. 9 BGB auf den Streitfall zur Anwendung gelangen kann. Diese Regelung erfasst lediglich Vertragsverhältnisse, die die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen durch den Verwender zum Gegenstand haben und findet deshalb auf Gebrauchsüberlassungsverträge grundsätzlich keine Anwendung (BGH, Urteil vom 8. Februar 2012 – XII ZR 42/10, NJW 2012, 1431 Rn. 16; vgl. zu § 11 Nr. 12 b AGBG auch BGH, Urteil vom 4. Dezember 1996 – XII ZR 193/95 – NJW 1997, 739, 740 [juris Rn. 15]). Wohnraummietverträge fallen damit nicht in den Anwendungsbereich des § 309 Nr. 9 Buchst. a BGB.
76
d) Selbst wenn man jedoch eine Anwendung dieser Vorschrift auf Wohnraummietverträge für möglich halten wollte, mit denen dem Mieter ein Kabel-TV-Anschluss entgeltlich zur Verfügung gestellt wird, läge im Streitfall ein Verstoß gegen das Klauselverbot des § 309 Nr. 9 Buchst. a BGB jedenfalls deshalb nicht vor, weil in den Mietverträgen der Beklagten mit ihren Mietern ausweislich des vorgelegten Mustermietvertrags keine den anderen Vertragsteil länger als zwei Jahre bindende Laufzeit des Vertrags vereinbart ist.
77
7. Die Klage ist ebenfalls unbegründet, soweit die Klägerin von der Beklagten verlangt, es zu unterlassen, Verbrauchern den Abschluss von Wohnraummietverträgen anzubieten und/oder anbieten zu lassen, die die kostenpflichtige Bereitstellung eines Kabel-TV-Anschlusses und/oder Kabel-Internet-Anschlusses mit einer Laufzeit von mehr als 12 Monaten beinhalten, ohne alternativ die Möglichkeit einer auf höchstens 12 Monate Laufzeit begrenzten Bereitstellung anzubieten und/oder anbieten zu lassen (Klageantrag 1c). Die Beklagte hat nicht gegen § 43b Satz 2 TKG verstoßen.
78
a) Der Klageantrag 1c ist insoweit unbegründet, als er sich auf einen Kabel-Internet-Anschluss bezieht. Die Beklagte stellt ihren Mietern keinen solchen Anschluss zur Verfügung (s. dazu oben B II 3 a).
79
b) Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten sind gemäß § 43b Satz 2 TKG verpflichtet, einem Teilnehmer zu ermöglichen, einen Vertrag mit einer Höchstlaufzeit von zwölf Monaten abzuschließen.
80
Diese Vorschrift setzt Art. 30 Abs. 5 Satz 2 der Richtlinie 2002/22/EG um. Die Mitgliedstaaten haben danach sicherzustellen, dass die Unternehmen den Nutzern die Möglichkeit anbieten, einen Vertrag mit einer Höchstlaufzeit von 12 Monaten abzuschließen. Eine Vorschrift, die der Regelung des Art. 30 Abs. 5 Satz 2 der Richtlinie 2002/22/EG entspricht, enthält die Richtlinie (EU) 2018/1972 nicht. Die Mitgliedstaaten können nach Art. 105 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie (EU) 2018/1972 jedoch Bestimmungen beschließen oder beibehalten, die kürzere maximale Mindestvertragslaufzeiten vorsehen. § 43b Satz 2 TKG steht damit auch nach Außerkrafttreten der Richtlinie 2002/22/EG mit dem Unionsrecht in Einklang. Dieses enthält in Art. 105 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie (EU) 2018/1972 eine Ermächtigung an die Mitgliedstaaten, kürzere als 24 Monate dauernde Mindestlaufvertragslaufzeiten vorzusehen.
81
c) Ein Verstoß der Beklagten gegen § 43b Satz 2 TKG liegt nicht vor.
82
aa) Die Beklagte ist zwar Anbieterin von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten. Die Mieter der Wohnungen der Beklagten sind auch Verbraucher und damit Teilnehmer im Sinne von § 43b Satz 2 TKG.
83
bb) Die Beklagte verstößt jedoch nicht gegen ihre Verpflichtung, es ihren Wohnungsmietern zu ermöglichen, einen Vertrag mit einer Höchstlaufzeit von zwölf Monaten abzuschließen.
84
(1) Der in dieser Vorschrift verwendete Begriff der “Höchstlaufzeit” ist dahin auszulegen, dass der Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten seinem Vertragspartner eine Tarifvariante anbieten muss, bei der die anfängliche Mindestlaufzeit 12 Monate nicht überschreitet (Scholz in Fetzer/Scherer/Graulich aaO § 43b Rn. 6; BeckOK.Informations- und Medienrecht/Lueg aaO § 43b TKG Rn. 4). Dem Vertragspartner muss es deshalb möglich sein, die vertragliche Beziehung, aufgrund derer ein Kabel-TV-Anschluss entgeltlich zur Verfügung gestellt wird, spätestens durch eine Kündigung mit Ablauf von 12 Monaten zu beenden.
85
(2) Die Beklagte vereinbart mit ihren Mietern ausweislich des vorgelegten Mustermietvertrags keine anfängliche Mindestvertragslaufzeit. Die Mieter der von der Beklagten vermieteten Wohnungen können sich vielmehr von der vertraglichen Vereinbarung, durch die ihnen neben der Überlassung von Wohnraum ein Kabel-TV-Anschluss entgeltlich zur Verfügung gestellt wird, durch eine Kündigung unter Einhaltung der für Wohnraummietverträge geltenden gesetzlichen Fristen vor Ablauf von 12 Monaten lösen.
86
III. Danach ist die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Koch     
      
Löffler     
      
Schwonke
      
Feddersen     
      
Odörfer     
      


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