Aktenzeichen 20 B 16.933
Leitsatz
Eine Zwangsgeldandrohung, die trotz Bestehens eines gesetzlichen Handlungsverbots ergeht, verstößt gegen Art. 36 Abs. 1 S. 2 VwZVG. Besteht im Zeitpunkt des Erlasses ein gesetzliches Handlungsverbot, handelt es sich hierbei nicht lediglich um ein vorübergehendes Vollstreckungshindernis, sondern betrifft die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung an sich. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
W 4 K 14.990 2015-07-14 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg
Tenor
I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. Juli 2015 wird geändert. Ziffer 1.1 des Bescheids des Beklagten vom 27. August 2014 wird aufgehoben.
II. Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt die Klägerin zu 1/6 und der Beklagte zu 5/6.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die zulässige Berufung ist begründet.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 15. Juli 2015 wird geändert, weil Ziffer 1.1 des Bescheids des Beklagten vom 27. August 2014 rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt.
Die Zwangsgeldandrohung beruht auf Art. 36 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 29 Abs. 2 Nr. 1 VwZVG und ist ein gemäß Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG aufschiebend bedingter Leistungsbescheid (Art. 31 Abs. 3 Satz 2, Art. 23 Abs. 1 VwZVG). Gegenstand des Leistungsbescheids ist eine Zahlungsanordnung wegen einer Geldforderung, die entsteht und fällig wird (Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG). Nach Art. 36 Abs. 1 Satz 1 VwZVG müssen Zwangsmittel grundsätzlich schriftlich angedroht werden. Hierbei ist für die Erfüllung der Verpflichtung eine Frist zu bestimmen, innerhalb welcher dem Pflichtigen der Vollzug billigerweise zugemutet werden kann (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG). Die Fristsetzung soll dem Pflichtigen eine Gelegenheit bieten, unter dem Druck des angedrohten Zwangsmittels durch eigenes Tun den geschuldeten Erfolg herbeizuführen, und ihm genügend Zeit zur sachgerechten Disposition einräumen.
Um dem Adressaten der Verfügung die ihm zugedachte Erfüllungsmöglichkeit ungeschmälert zu erhalten, muss es hierbei dem Adressaten während des gesamten Zeitraums möglich sein, die ihn treffende vollziehbare Verpflichtung zu erfüllen (vgl. (BayVGH, B.v. 11.7.2001 – 1 ZB 01.1255 – BayVBl 2002, 275). Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – die Frist von der Behörde so bemessen wurde, damit die Klägerin ihre umfangreiche Beseitigungsverpflichtung während der gesamten Laufzeit der Frist nachkommen kann. Das Landratsamt hat nämlich bei der Bemessung der Frist von 20 Monaten eine täglich zu beseitigende Menge von 366,46 m³ pro Arbeitstag zu Grunde gelegt und damit zum Ausdruck gebracht, dass die so bemessene Frist ausreichend, aber auch erforderlich ist, um der Beseitigungspflicht innerhalb der Frist nachzukommen. Mit diesen Erwägungen ist jedoch nicht zu vereinbaren, dass dem Landratsamt bei Erlass der Zwangsgeldandrohungen bewusst war, dass zumindest in Teilbereichen der illegalen Deponie ein Zugriffsverbot nach § 44 Abs. 1 BNatSchG wegen des Nachweises der Kreuzkröte und der Zauneidechse bestanden hat. Hinzu kommt, dass dem Landratsamt zu diesem Zeitpunkt offensichtlich auch gegenwärtig war, dass hierfür eine Ausnahmegenehmigung nach § 45 Abs. 7 BNatschG und darauf folgend eine Modifizierung des zu vollstreckenden Grundverwaltungsaktes erforderlich würden. Als von ihrem Ergehen an rechtswidrig erweist sich danach schon die Androhung eines Zwangsmittels jedenfalls dann, wenn die Frist zu dessen Abwendung mit dem Zugang beim Empfänger beginnt, obwohl dieser rechtlich nicht in der Lage ist, die geforderte Handlung vorzunehmen. Denn die Handlungspflicht aus der ursprünglichen Beseitigungsanordnung war umfassend und hätte bei einer Befolgung zu einem Verstoß gegen § 44 Abs. 1 BNatSchG geführt. Eine solche Zwangsgeldandrohung, die trotz Bestehens eines gesetzlichen Handlungsverbotes ergeht, verstößt gegen Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG. Besteht im Zeitpunkt des Erlasses ein derartiges gesetzliches Handlungsverbot, handelt es sich hierbei nicht lediglich um ein vorübergehendes Vollstreckungshindernis, sondern betrifft die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung an sich. Der Einwand des Beklagten, die Klägerin, d.h. ihre vertretungsberechtigten Organe hätten sicherlich gewusst, dass nur Teilflächen der Deponie von der naturschutzrechtlichen Problematik erfasst seien, und entsprechend mit der Beseitigung hätten beginnen bzw. fortfahren können, greift nicht. Denn ohne die Erteilung der naturschutzrechtlichen Ausnahme durch die Regierung von Unterfranken durch Bescheid vom 27. Oktober 2014 und den Änderungsbescheid des Landratsamtes vom 10. November 2014 blieb die Zwangsgeld bedrohte Handlungspflicht unvollständig und unklar. Jedenfalls führt dieser Sachverhalt zur Rechtswidrigkeit der Fristsetzung nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG und ist nicht nur eine Frage eines vorübergehenden Vollstreckungshindernisses.
Erweist sich die Ziffer 1.1 des Bescheids des Beklagten vom 27. August 2014 bereits aus diesem Grund als rechtswidrig, kommt es auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Höhe des Zwangsgeldes nach Art. 31 Abs. 2 VwZVG, was aufgrund der zehnfachen Multiplikation des Höchstbetrags nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG durchaus zweifelhaft war und zur Zulassung der Berufung durch den Senat geführt hat, nicht mehr an. Aus demselben Grund kommt es auf die vom Beklagten gestellten Hilfsanträge ebenso wenig an, denn das streitgegenständliche Zwangsgeld ist bereits dem Grunde und nicht nur der Höhe nach rechtswidrig.