Familienrecht

Feststellung der Elternschaft einer Mit-Mutter

Aktenzeichen  528 F 12176/20

Datum:
29.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NJ – 2021, 504
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 1591, § 1592
EGBGB Art. 5 Abs. 1 S. 2, Art. 6

 

Leitsatz

1. Eine nach dem anwendbaren ausländischen Recht kraft Gesetz bestehende Elternstellung der Ehefrau der Mutter für das aufgrund einer gemeinsamen Entscheidung mittels einer reproduktionsmedizinischen Maßnahme geschaffene Kind ist im Inland anzuerkennen.  (Rn. 12)
2. Das Familiengericht kann sich unmittelbar oder durch Vermittlung der deutschen Verbindungsrichter im Europäischen Justiziellen Netz für Zivil- und Handelssachen an den jeweiligen ausländischen Verbindungsrichter wenden und um Auskunft zu dem in der Sache anwendbaren ausländischen Recht und dessen Anwendung in der ausländischen Rechtspraxis bitten. (Rn. 10)
1. Nach dem Recht von England und Wales ist die Mit-Mutter als zweiter Elternteil anzusehen, wenn sie im Zeitpunkt der Kinderwunschbehandlung mit der Mutter verheiratet und mit der Kinderwunschbehandlung einverstanden war. (Rn. 9) (red. LS Axel Burghart)
2. Nach dem Günstigkeitsprinzip ist die Rechtsordnung anzuwenden, welche dem Kind am schnellsten einen zweiten rechtlichen Elternteil verschafft. (Rn. 11) (red. LS Axel Burghart)
3. Eine gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern zugewiesene Elternstellung kann für sich genommen keine Verletzung des ordre public zur Folge haben. (Rn. 12) (red. LS Axel Burghart)

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass zwischen der am 23.10.2020 in München geborenen Antragstellerin zu 1) A… W… und der Antragstellerin zu 3) J… E… W… ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht … am …
2. Von der Erhebung der Gerichtskosten wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert wird auf 2.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Gegenstand des Verfahrens ist die Feststellung des Bestehens eines Eltern-Kind-Verhältnisses.
Die Antragstellerin zu 2) (Mutter) und die Antragstellerin zu 3) (Mit-Mutter) sind seit 2017 verheiratet. Die Antragstellerin zu 3) hat sowohl die deutsche als auch die britische Staatsangehörigkeit. Am 23.10.2020 hat die Antragstellerin zu 2) die Antragstellerin zu 1) (Kind) geboren. Nach deutschem Recht ist sie deshalb die Mutter.
Die Schwangerschaft erfolgte nach dem übereinstimmenden Willen der Antragstellerinnen zu 2) und 3) mittels der sogenannten ROPA-Methode durch reziproke Befruchtung. Der Antragstellerin zu 3) wurde hierzu eine Eizelle entnommen, welche durch anonyme Spendersamen befruchtet und sodann der Antragstellerin zu 2) eingesetzt wurde. Die Antragstellerin zu 3) ist folglich genetisch mit der Antragstellerin zu 1) verwandt.
Die Antragstellerinnen haben die Feststellung beantragt, dass zwischen dem am 23.10.2020 in München geborenen Kind A… W… und Frau J… E… W… ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht. …, geboren …,
Das Gericht hat die Beteiligten des Verfahrens zur Abstammungssache angehört. Seitens des Jugendamtes wurden keine Bedenken gegen die beantragte Feststellung geäußert.
II.
1. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 20.04.2016, Az. XII ZB 15/15, über die Anerkennung einer Eltern-Kind-Zuordnung zur Ehefrau der Mutter nach südafrikanischem Recht folgendes ausgeführt:
„Nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegt die Abstammung eines Kindes dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Aufenthaltsstatut). Sie kann gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EGBGB im Verhältnis zu jedem Elternteil auch nach dem Recht des Staates bestimmt werden, dem dieser Elternteil angehört (Personalstatut), oder, wenn die Mutter verheiratet ist, gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 EGBGB nach dem Recht, dem die allgemeinen Wirkungen ihrer Ehe bei der Geburt nach Art. 14 Abs. 1 EGBGB unterliegen (Ehewirkungsstatut). Das Personalstatut und das Ehewirkungsstatut sind dem Aufenthaltsstatut grundsätzlich gleichwertige Zusatzanknüpfungen (Senatsurteil BGHZ 168, 79 = FamRZ 2006, 1745; MünchKommBGB/Helms, 6. Aufl., Art. 19 EGBGB Rdn. 12 m.w.Nachw.).
Der Senat hat bisher offengelassen, in welchem Verhältnis die Anknüpfungsalternativen zueinander stehen, wenn diese zu unterschiedlichen Eltem-Kind-Zuordnungen führen, und welcher Alternative im Konkurrenzfall der Vorrang gebührt (Senatsurteil BGHZ 168, 79 = FamRZ 2006, 1745). Diese Frage bedarf auch im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Denn Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB führt zur Anwendung des südafrikanischen Rechts und demzufolge – zumal eine Rückverweisung auf das deutsche Recht offensichtlich nicht in Betracht kommt – zu einer Zuordnung der Beteiligten zu 1) als rechtlichem Elternteil des Kindes. Die weiteren Anknüpfungsaltemativen können außer zu dem südafrikanischen Recht allenfalls noch zum deutschen Recht führen, das eine Co-Mutterschaft nicht kennt. Da sich mithin jedenfalls keine von Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EGBGB abweichende Zuordnung ergeben kann, stellt sich im vorliegenden Fall das Problem konkurrierender Eltem-Kind-Zuordnungen durch mehrere Abstammungsstatute nicht.“
Das deutsche Recht sieht die vorliegende Konstellation der mit Mit-Mutterschaft – auch während bestehender Ehe – nicht vor. Gemäß § 1591 BGB ist Mutter eines Kindes ausschließlich die Frau, die es geboren hat, im vorliegenden Fall die Antragstellerin zu 2). § 1592 BGB regelt hingegen ausschließlich die Vaterschaft. Nach Ziffer 1 ist Vater eines Kindes der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist.
Nach englischem Recht ist die Antragstellerin zu 3) qua Geburt der zweite rechtliche Elternteil der Antragstellerin zu 1).
Section 42 des Human Fertilsation and Embryology Act 2008 regelt die Elternschaft für die Ehefrau der Mutter. Danach ist die Mit-Mutter im vorliegenden Fall als zweiter Elternteil anzusehen, da sie im Zeitpunkt der Kinderwunschbehandlung mit der Mutter verheiratet und mit der Kinderwunschbehandlung einverstanden war.
Das Gericht hat im Hinblick auf die Frage der Auslegung ausländischen Rechts über das Europäische Justizielle Netz für Zivil- und Handelssachen (EJN) Kontakt mit einem britischen Verbindungsrichter aufgenommen. Der Honourable Mr Justice M…, Deputy Head of International Familiy Justice for England and Wales, Family Division Liasion Judge for the Nothem Curcuit, hat die seitens des Gerichts vorgenommen, rechtliche Würdigung bestätigt.
Die Anwendbarkeit des englischen Rechts ist vorliegend auch nicht gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB ausgeschlossen. Im Hinblick auf die Abstammung gilt das sogenannte Günstigkeitsprinzip. Zur Anwendung berufen ist das Recht, das für das Kindeswohl günstiger ist (Palandt, 79. Aufl., § 19 EGBGB Rn 26). Das heißt, es ist die Rechtsordnung anzuwenden, welche dem Kind am schnellsten einen zweiten rechtlichen Elternteil verschafft.
Die Anwendung englischen Rechts scheitert auch nicht wegen Verstoßes gegen den sogenannten ordre public. Danach wäre die Anwendung ausländischen Rechts ausgeschlossen, wenn dieses mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist (Art. 6 EGBGB). Der Bundesgerichtshof hat in der oben genannten Entscheidung über die Anerkennung einer Eltern-Kind-Zuordnung zur Ehefrau der Mutter nach südafrikanischem Recht ausgeführt, dass eine gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern zugewiesene Eltemstellung für sich genommen keine Verletzung des ordre public zur Folge haben kann. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Verhältnisse einer rechtlich verfestigten gleichgeschlechtlichen Partnerschaft das Aufwachsen von Kindern ebenso fördern könne wie einer (Anmerkung des Gerichts: verschiedengeschlechtlichen) Ehe. Das Kindeswohl stehe mithin der Anerkennung nicht entgegen.
Das Gericht teilt diese Argumentation vollumfänglich. …
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG und entspricht billigem Ermessen.
3. Der Verfahrenswert bestimmt sich nach § 47 Abs. 1 FamGKG.


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