Handels- und Gesellschaftsrecht

12 U 967/21

Aktenzeichen  12 U 967/21

Datum:
28.3.2022
Gerichtsart:
OLG Koblenz 12. Zivilsenat
Dokumenttyp:
Urteil
Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

1. Kommt es beim Kauf eines neuen Fahrzeugs zur Inzahlungnahme des reparaturbedürftigen Altfahrzeugs, stellt es den Regelfall dar, dass der Ankauf in dem Zustand erfolgt, in dem sich das Altfahrzeug zu diesem Zeitpunkt befindet.
2. Hatte der Käufer zuvor bereits einen Reparaturauftrag für sein Altfahrzeug erteilt, wird dieser gegenstandslos; soll der Reparaturauftrag fortbestehen, also der Käufer noch für die Kosten der Reparatur des bereits veräußerten Altfahrzeugs einstehen müssen, bedarf dies einer ausdrücklichen Regelung zwischen den Parteien.

Verfahrensgang

vorgehend LG Koblenz, 19. Mai 2021, 8 O 351/19

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 19.05.2021, Az.: 8 O 351/19, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.
Mit ihrer Klage macht die Klägerin Ansprüche aus einem mit dem Beklagten abgeschlossenen Reparaturauftrag hinsichtlich eines ehemals in seinem Eigentum stehenden Wohnmobils geltend. Der Reparaturauftrag datiert auf den 22.02.2017. Mit „Verbindlicher Bestellung“ vom 19.04.2017 erwarb der Beklagte von der Klägerin ein neues Wohnmobil, wobei in der verbindlichen Bestellung die Inzahlungnahme des alten, zu diesem Zeitpunkt unfallbeschädigten Wohnmobils vereinbart wurde. Die Parteien streiten darüber, ob der Reparaturauftrag vom 22.02.2017 auch noch nach Abschluss der „Verbindlichen Bestellung“ vom 19.04.2017 Fortgeltung haben sollte.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 20.635,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.03.2019 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der Sachverhaltsdarstellung im Übrigen wird auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Mit seinem am 19.05.2021 verkündeten Urteil hat das Landgericht den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 20.635,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.03.2019 zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem Beklagten sei es nicht gelungen zu beweisen, dass der zwischen den Parteien unstreitig abgeschlossene Vertrag über die Reparatur des alten Wohnmobils des Beklagten einvernehmlich aufgehoben worden sei. Auch habe der Abschluss des Kaufvertrages über das neue Wohnmobil (“Verbindliche Bestellung“) mit der darin vereinbarten Inzahlungnahme des alten Wohnmobils nicht zum Fortfall des Reparaturauftrages geführt.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung.
Der Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Koblenz vom 19.05.2021 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Der Senat hat den Beklagten persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen …[A]. Hinsichtlich des Beweisergebnisses wird auf das Sitzungsprotokoll vom 07.03.2022 Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache vollumfänglich Erfolg.
Nach Durchführung der Beweisaufnahme ist der Senat der Überzeugung, dass der Klägerin der mit der Klage geltend gemachte Anspruch aus dem Reparaturauftrag vom 22.02.2027 nicht zusteht.
Der Verurteilung des Beklagten durch das Landgericht liegt die Erwägung zugrunde, dass die Parteien drei selbständige, voneinander unabhängige Verträge (Reparaturauftrag, Kaufvertrag über das neue Wohnmobils, Ankauf des alten Wohnmobils) abgeschlossen haben und der Reparaturauftrag nicht durch den Abschluss des Kaufvertrages über das neue Wohnmobil gegenstandslos geworden ist. Dieser Erwägung folgt der Senat nicht.
Aufgrund der Besonderheiten des hier zu entscheidenden Einzelfalles (Kauf eines neuen Fahrzeuges unter Inzahlunggabe eines Altfahrzeugs bei bereits erteiltem Reparaturauftrag hinsichtlich des beschädigten Altfahrzeugs) erscheint es dem Senat nicht sachgerecht, die von dem Landgericht vorgenommene isolierte Betrachtung der zwischen den Parteien abgeschlossenen Verträge anzustellen. Vielmehr ist vorliegend von einem „einheitlichen Vertragsgebilde“ auszugehen, wobei der von dem Beklagten ursprünglich erteilte Reparaturauftrag im Rahmen dieses einheitlichen „Vertragsgebildes“ (Kauf des neuen Wohnmobils unter gleichzeitiger Inzahlungnahme des beschädigten alten Wohnmobils) gegenstandslos geworden ist.
Nach der Überzeugung des Senats stellt es den Regelfall dar, dass wenn es bei dem Ankauf eines neuen Fahrzeugs zur Inzahlungnahme des reparaturbedürftigen Altfahrzeugs kommt, der Ankauf in dem Zustand erfolgt, in dem sich das Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt befindet. Einen absoluten Ausnahmetatbestand bildet es hingegen, wenn der Käufer bei Inzahlunggabe seines reparaturbedürftigen Altfahrzeugs (weiterhin) verpflichtet sein soll, die entsprechenden Reparaturmaßnahmen nach Übertragung des Eigentums an dem Altfahrzeug auf den Verkäufer des Neufahrzeugs vornehmen zu lassen und insoweit zahlungspflichtig zu sein. Unter anderem würde diese Vorgehensweise für den Käufer nämlich ersichtlich das Risiko beinhalten, nach dem Ankauf des neuen Fahrzeugs mit unerwarteten Nachforderungen konfrontiert zu werden. Dies zum Beispiel im Falle einer (unvorhergesehenen, wobei hier der vom Beklagten eingeschaltete Sachverständige bereits ausdrücklich auf dieses Risiko hingewiesen hatte, da erst nach Demontage der beschädigten Bereiche mögliche weitere verdeckte Schäden am Mobiliar erkennbar werden könnten) Verteuerung der Reparaturmaßnahmen.
Aufgrund der obigen Erwägungen sieht der Senat die Darlegungs- und Beweislast vorliegend dergestalt verteilt, dass es hier an der Klägerin war darzulegen und zu beweisen, dass der ursprünglich erteilte Reparaturauftrag auch nach dem Zustandekommen des Kaufvertrages (verbindliche Bestellung) über das neue Wohnmobil (mit der darin vereinbarten Inzahlungnahme des alten beschädigten Wohnmobils) Bestand haben sollte. Diesen Beweis hat die Klägerin nicht führen können.
Der Senat hat bei dieser Einschätzung zunächst einmal berücksichtigt, dass sich in der verbindlichen Bestellung vom 19.04.2017, einem von der Klägerin stammenden und ausgefüllten Formular, keinerlei Hinweise auf eine fortbestehende Reparaturverpflichtung bzw. auf eine entsprechende fortbestehende Bezahlpflicht des Beklagten finden. Die Klägerin hat dort maschinenschriftlich ausgeführt, dass das alte Wohnmobil „mit Unfallbeschädigung“ in Zahlung genommen werden sollte. Der Aufzahlungsbetrag von 27.700,00 € sollte dann in bar bezahlt werden. Dies spricht bereits massiv dafür, dass es mit der Inzahlunggabe des unreparierten Wohnmobils und der Zahlung des Aufzahlungsbetrages für den Beklagten sein Bewenden haben sollte, zumal es im Fahrzeughandel auch ungewöhnlich gewesen wäre, den Käufer eines Neufahrzeuges ohne finanzielle Sicherungsmaßnahmen „vom Hof fahren zu lassen“, wenn – wie hier – noch ein Betrag von mehr als 20.000 € zur Zahlung offen stand. Das gilt auch für die Klägerin als professionelle und geschäftserfahrene Verkäuferin von Wohnwagen und Wohnmobilen.
Zum gleichen Ergebnis gelangt man bei einem Blick auf die Eigentumsverhältnisse. Der Beklagte hatte hier nämlich im Zuge des Austauschs der beiden Wohnmobile nicht nur das Volleigentum am Neufahrzeug übertragen bekommen, sondern auch seinerseits das Altfahrzeug auf die Klägerin übereignet. Damit war die ursprüngliche Grundlage des Werkauftrages, nämlich Instandsetzung eines eigenen Fahrzeugs des Beklagten, in Wegfall geraten, so dass es einer ausdrücklichen neuen Regelung bedurft hätte, dass der Beklagte trotz des Eigentumswechsels auf vertraglicher Grundlage für die Reparaturkosten eines (ihm nunmehr) fremden Fahrzeugs aufkommen sollte. Die sich aus der verbindlichen Bestellung vom 19.04.2017 für den Senat ergebende Sach- und Rechtslage (Ankauf des alten Wohnmobils mit Unfallbeschädigung) ist auch durch die Angaben des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 07.03.2022 bestätigt worden. Der – wenn auch altersbedingt in seinem Erinnerungsvermögen teilweise etwas eingeschränkt wirkende – Beklagte hat insoweit angegeben, in dem mit ihm geführten Gespräch bezüglich des Kaufs des neuen Wohnmobils sei zu keinem Zeitpunkt die Rede von der Beschädigung des alten Wohnmobils bzw. einer Inanspruchnahme seiner Versicherung gewesen. Es sei vielmehr so gewesen, dass er mit dem Verkäufer über den Preis für das neue Wohnmobil geredet habe und über den Preis, dem man ihm noch für sein altes Wohnmobil geboten habe. Darauf habe sich das Gespräch beschränkt. Für ihn sei die Sache insoweit auch eindeutig gewesen. Er habe noch den vereinbarten Differenzbetrag mitbringen müssen, damit sei alles erledigt gewesen. Anders gesagt, die Klägerin habe sein beschädigtes Wohnmobil gekauft, damit habe er dann nichts mehr zu tun gehabt. Hierbei sei es aus seiner Sicht auch so gewesen, dass sein altes Wohnmobil, in unrepariertem Zustand jene 50.500,00 € wert gewesen sei, die man ihm dafür gezahlt habe. Diese Angaben des Beklagten sind für den Senat gut nachvollziehbar, da es – wie bereits oben ausgeführt – aus Sicht des Beklagten als „durchschnittlichen Käufers“ ein erhebliches Risiko dargestellt hätte, den ursprünglich erteilten Reparaturauftrag nach dem Abschluss des Vertrages über den Ankauf des neuen Wohnmobils mit der entsprechenden Inzahlungnahme des beschädigten Wohnmobils weiterlaufen zu lassen und somit unter Umständen das Risiko einzugehen, später eventuell mit erheblichen, nicht einkalkulierten Nachforderungen konfrontiert zu werden.
Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus der Aussage des Zeugen …[A] in der mündlichen Verhandlung vom 07.03.2022. Auch durch diese Aussage vermag die Klägerin nicht den Beweis dafür zu erbringen, dass der Beklagte vereinbarungsgemäß die Reparaturkosten auch noch nach Abschluss des Kaufvertrages über das neue Wohnmobil bezahlen sollte. Entscheidend ist hierbei, dass der Zeuge …[A] zwar ausgesagt hat, dass ihm, nach Rücksprache mit der Werkstatt, damals klar gewesen sei, dass er dem Beklagten 50.500,00 € für das reparierte Fahrzeug geboten habe. Der Zeuge musste aber einräumen, dass er nicht mehr wisse, ob er dies so auch dem Beklagten mitgeteilt habe. Er sei sich sogar sicher, dass er nicht ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass er ihm für das Fahrzeug zwar 50.500,00 € bieten könne, der Beklagte aber natürlich noch den Werkstattauftrag bezahlen müsse. Für ihn sei dies allerdings klar gewesen. Sicher sei er sich wiederum darüber, dass der dem Beklagten nach dem – nicht in Anwesenheit des Beklagten geführten – Gespräch mit der Werkstatt mitgeteilt habe, dass der unterschriebene Werkstattauftrag vorliege. Was mit diesem Auftrag geschehe, sei hingegen nicht mit dem Beklagten besprochen worden. Er meine sich nur zu erinnern, dass die Rede davon gewesen sei, dass die Reparatur irgendwann begonnen werde, aber sie noch nicht abgeschlossen sei, bis er das neue Fahrzeug abholen könne. Ihm sei hierbei klar gewesen, dass der Beklagte die Versicherungsleistung nutzen werde, um damit den Reparaturauftrag zu bezahlen. Ausdrücklich erklärt worden sei das von Seiten des Beklagten aber nicht. Der Zeuge …[A] hat dem Senat einen uneingeschränkt glaubwürdigen Eindruck vermittelt. Der Senat hat keinen Anlass an der Richtigkeit der Angaben des Zeugen …[A] zu zweifeln. Allerdings war der Zeuge …[A] im Ergebnis nur in der Lage dem Senat seine eigenen (damaligen) Vorstellungen hinsichtlich der Abwicklung des Vertrages bzw. der Verträge mit dem Beklagten mitzuteilen. Der Zeuge konnte hingegen in keiner Weise bestätigen, dass zwischen den Parteien ausdrücklich vereinbart worden ist, dass die Reparatur tatsächlich noch nach Ankauf des neuen Wohnmobils auf Kosten des Beklagten durchgeführt werden sollte und sich der Betrag von 50.500,00 € tatsächlich auf das Wohnmobil in repariertem Zustand bezog. Weiterer Beweis ist durch die Klägerin nicht angetreten worden. Diese ist somit beweisfällig geblieben.
Mit Abschluss der verbindlichen Bestellung vom 19.04.2017 ist damit der zuvor von dem Beklagten erteilte Reparaturauftrag hinfällig geworden. Werklohnansprüche stehen der Klägerin insoweit nicht mehr zu.
Die Klage war damit insgesamt abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 20.635,93 € festgesetzt.


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