Handels- und Gesellschaftsrecht

Amtshaftung, Ersatzbeschaffung, Verletzung, Zahlung, Gutachten, Probe, Beweisaufnahme, Untersuchung, Anspruch, Schlachtung, Landratsamt, Schaden, Zweifel, Amtspflichtverletzung, Ergebnis der Beweisaufnahme, Art und Weise, schriftliches Gutachten

Aktenzeichen  15 O 11285/19

Datum:
19.1.2022
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 838
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 14.608,00 € festgesetzt.

Gründe

A)
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf Zahlung von 14.608,00 € gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG im Rahmen der Amtshaftung noch aus anderem Rechtsgrund gegen den Beklagten zu. Der Kläger konnte weder zur Überzeugung des Gerichts nachweisen, § 286 ZPO, dass die … oder eine sonstige für den Beklagten tätig gewordene Person eine gegenüber dem Kläger bestehende Amtspflicht verletzt hat, noch das eine etwaige Amtspflichtverletzung den behaupteten Schaden kausal verursacht hat.
I)
Eine Verletzung von gegenüber dem Kläger bestehenden Amtspflichten konnten nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden. Auch nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht weder zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die … die Probenentnahme fehlerhaft, d.h. nicht fach- und sachgerecht, durchgeführt hat, insb. entweder den Obex nicht entnommen oder diesen im Rahmen der Entnahme in eine breiige Konsistenz überführt hat noch, dass eine Beprobung des gesamten Kopfes des streitgegenständlichen Bisonbullens hätte veranlasst werden müssen noch, dass im Rahmen des Transports die Probe beschädigt worden wäre.
1) Vorliegend trägt die Klagepartei die Darlegungs- und Beweislast für eine Amtspflichtverletzung des Beklagten, da es sich um eine für sie günstige Tatsache handelt. Jede Partei muss die tatsächlichen Voraussetzungen der für sie günstigen Rechtsnorm beweisen (vgl. Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 41. Auflage, § 284 Vorb. Rn. 23).
2) Eine Behauptung ist bewiesen, wenn das Gericht von ihrer Wahrheit überzeugt ist, ohne dabei unerfüllbare Anforderungen zu stellen. Hierfür genügt, da eine absolute Gewissheit nicht zu erreichen und jede Möglichkeit des Gegenteils nicht auszuschließen ist, ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 41. Auflage, § 286 Rn. 2).
3) Eine Amtspflichtverletzung konnte – unter Beachtung der obenstehenden Grundsätze – nicht zur Überzeugung des Gerichts festgestellt werden.
a) Eine Überzeugungsbildung dahingehend, dass eine nicht sach- und fachgerechte Probenentnahme durch die … am 29.01.20119 erfolgte, war vorliegend nicht möglich.
aa) Soweit der Kläger behauptet, dass die … nicht den Obex, sondern anderes Hirnmaterial entnommen habe, konnte diese Behauptung durch die Sachverständige nicht bestätigt werden. Zwar gab diese an, sie könne nicht mehr sagen, was … entnommen habe. Die Probe, die … damals entnommen hat, war nicht mehr vorhanden (Bl. 93 d. Akte). Jedoch führte die Sachverständige aus, dass das Gehirn des Bisons noch vorhanden war, soweit diese Teile im Schädel verblieben waren und dieser Rest sei mit dem konsistent, was normalerweise in einem Schädel verbleiben würde, wenn jemand eine entsprechende BSE-Probe entnimmt (Bl. 93 d. Akte). Konkrete Anhaltspunkte, dass die Amtstierärztin anderes Hirnmaterial entnommen hat, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Da unstreitig zwischen den Parteien ist, dass … Material aus dem Kopf des streitgegenständlichen Bisons entnommen hat und zudem nicht feststeht, dass Material aus dem Schädel fehlte, was üblicherweise nach einer Probenentnahme noch vorhanden sein müsste, hat das Gericht Zweifel, dass anderes Material als der Obex entnommen wurde. Diese Zweifel werden auch nicht dadurch ausgeräumt, dass der Obex im Rahmen der Untersuchung nicht mehr identifiziert werden konnte. Denn die Sachverständige gab insoweit an, dass dies durch eine fortgeschrittene Autolyse erklärbar ist. Schließlich werden die Zweifel auch nicht dadurch ausgeräumt, dass nach den Ausführungen der Sachverständigen ein Fortschreiten der Verwesung im Zeitraum vom 26.01.2019 bis 28.01.2019 nicht zu erwarten gewesen wäre. Denn selbst wenn man unterstellen würde, dass die klägerseits benannten Zeugen eine Schlachtung am 26.01.2019 glaubhaft und glaubwürdig schildern würden, würde eine andere plausible Erklärung für die breiige Konsistenz des entnommenen Hirnmaterials nicht bestehen. Zweifel würden daher auch weiterhin bestehen und können nicht auf andere Art und Weise ausgeräumt werden. Denn sonstige objektive Anhaltspunkte wurden nicht vorgetragen.
bb) Ferner bestehen auch Zweifel an der Behauptung der Klagepartei, die Amtstierärztin habe den Obex selbst in einen breiigen Zustand überführt, da die Sachverständige ausführte, dass der Hirnstamm von der Konsistenz einem weichen Stück Käse entsprechen würde, etwas nachgiebig, quasi gummiartig sei (Bl. 93 d. Akte). Die Sachverständige führte aus, dass bei einer unterstellten Schlachtung am 26.01.2019 und einer anschließenden Kühlung ein wesentlicher Verwesungsprozess noch nicht eingesetzt haben dürfte (Bl. 94 d. Akte). Wenn der Hirnstamm in mehreren Stücken, sofern diese nicht all zu stark zerkleinert sind, entnommen wird, wäre dies auch nicht so schlimm (Bl. 95 d. Akte). Auch sei aus eigener Erfahrung der Sachverständigen es an einem frischen Schädel auch für ungeübte Studierende problemlos möglich, den Hirnstamm am Stück oder in wenigen, anatomisch zuordenbaren Stücken zu entnehmen. Eine Überführung in breiige Konsistenz sei eher nicht vereinbar (Bl. 74 d. Akte). Eine schlüssige Erklärung für den breiigen Zustand ist für die Sachverständige lediglich, wenn der Zustand der Verwesung schon so weit fortgeschritten ist, dass das Material zu sehr zerfallen ist (Bl. 95 d. Akte). Dies wäre aber wiederum nicht vereinbar mit dem klägerseits behaupteten Ablauf.
Das Gericht hat daher Zweifel hinsichtlich der Behauptung, … habe den Obex selbst in eine breiige Konsistenz überführt. Dies ist mit den Ausführungen der Sachverständigen eher nicht vereinbar; auch bedürfe es nicht besonderer Erfahrung, um den Obex bei einem frischen Schädel zu entnehmen. Schließlich legt die Klagepartei auch nicht dar, dass sie gesehen habe, wie … den Obex in eine breiige Konsistenz überführt hat, sondern schlussfolgert dies lediglich daraus, dass die Entnahme ca. 15 Minuten gedauert habe.
b) Des Weiteren steht auch keine Amtspflichtverletzung zur Überzeugung des Gerichts fest, da … nicht den gesamten Schädel untersuchen ließ. Denn nach den Feststellungen der Sachverständigen war auch im Schädel der Obex nicht mehr vorhanden. Eine Untersuchung des Schädels hätte daher ebenfalls nicht dazu geführt, dass der Obex aufgefunden worden wäre. Ohne Obex hätte die BSE-Untersuchung jedoch nicht erfolgen können. Andere Teil aus dem Inneren des Kopfes sind für eine BSE-Untersuchung zudem auch nicht geeignet.
c) Schließlich steht auch nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Obex zwar in einem zur Untersuchung geeigneten Zustand entnommen wurde, dann jedoch auf dem Transport zur Untersuchung derart behandelt worden wäre, dass eine Untersuchung nicht mehr möglich wäre. Denn unstreitig war bereits das entnommene Material in einer breiigen Konsistenz. Eine Veränderung der Konsistenz bis zur tatsächlich durchgeführten Untersuchung wurde daher noch nicht einmal behauptet. Ferner kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass bereits bei der Probenentnahme – auch wenn dies mit dem von der Klagepartei geschilderten Ablauf nicht vereinbar wäre – die Verwesung bereits soweit fortgeschritten war, dass das Hirnstammmaterial bereits breiig geworden ist.
d) Das Gericht folgt den überzeugenden Ausführungen der gerichtlich bestellten Sachverständigen …. An der Kompetenz und Sachkunde der Sachverständigen, einer Inhaberin des Lehrstuhls für Lebensmittelsicherheit und -analytik, sowie Fachtierärztin für Fleischhygiene und Fachtierärztin für Lebensmittel, hat das Gericht keine Zweifel.
Die Sachverständige hat unter Auswertung aller Unterlagen, insbesondere der noch vorhandenen Teile im Bisonschädel, ihr schriftliches Gutachten erstellt. Dabei hat sie anschaulich, nachvollziehbar und sachlich begründet die zu beurteilende Situation, die Maßstäbe und die zu ziehenden Schlussfolgerungen dargestellt. Ihr Gutachten hat sie in der mündlichen Anhörung unter eingehender Stellungnahme zu den vom Gericht und den Parteien aufgeworfenen Fragen erläutert. Den widerspruchsfreien Ausführungen der Sachverständigen, in denen sie auf alle aufgeworfenen Fragen eingegangen ist, kann das Gericht ohne weiteren Aufklärungsbedarf folgen und sich dem Ergebnis ihres Gutachtens daher anschließen.
II)
Darüber hinaus konnte die Klagepartei auch nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen, dass – im Falle einer Amtspflichtverletzung – diese kausal für den behaupteten Schaden gewesen ist. Denn die Klagepartei konnte nicht nachweisen, dass auch im Falle einer erfolgreichen Untersuchung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Fleisch des geschlachteten Bisons nicht ebenfalls genussuntauglich gestempelt worden wäre.
III)
Ein Zahlungsanspruch aus einer anderen Anspruchsgrundlage ist ebenfalls nicht gegeben. Der Kläger kann insbesondere nicht nach den Grundsätzen des enteignungsgleichen Eingriffs eine Entschädigung verlangen, da bereits nicht feststeht, dass ein etwaiger Eingriff rechtswidrig erfolgt sei. Auf die oben stehenden Ausführungen wird Bezug genommen. Auch besteht kein Anspruch nach den Grundsätzen des enteignenden Eingriffs, da es an einem Sonderopfer des Klägers fehlt. Ein Sonderopfer ist zu bejahen, „wenn die Einwirkungen die Sozialbindungsschwelle überschreiten“, dh „im Verhältnis zu anderen ebenfalls betroffenen Personen eine besondere ‚Schwere‘ aufweisen oder im Verhältnis zu anderen nicht betroffenen Personen einen Gleichheitsverstoß bewirken“ (MüKoBGB/Papier/Shirvani, 8. Aufl. 2020, BGB § 839 Rn. 89). Diese Voraussetzungen liegen hier ebenfalls nicht vor. Es ist möglich, dass die breiige Konsistenz und damit letztlich die Ungeeignetheit des Materials für eine BSE-Beprobung auf anderen, nicht durch einen dem Beklagten zuzurechnenden Verhalten, beruht.
IV)
Das Schicksal der Nebenforderungen im Hinblick auf die Verzugszinsen folgt dem der Hauptforderung. Mangels Bestehen der geltend gemachten Hauptforderung hat der Kläger gegen den Beklagten insoweit keinen Anspruch auf Zahlung.
Die Klage war daher vollumfänglich abzuweisen.
B)
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 2 ZPO.
C)
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 GKG. Maßgeblich war der Zahlungsantrag des Klägers.


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