Handels- und Gesellschaftsrecht

Arrestanordnung im Zusammenhang mit dem Wirecard-Skandal

Aktenzeichen  8 U 5670/21

Datum:
11.11.2021
Fundstelle:
WM – 2021, 2433
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 294
StPO § 111b, § 111e, § 111h Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1. Im Rahmen des Arrestverfahrens genügt es nach § 294 ZPO für die Glaubhaftmachung einer Behauptung, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft. An die Stelle des Vollbeweises tritt eine Wahrscheinlichkeitsfeststellung. (Rn. 11)
2. Die erforderliche überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung kann sich auch aus der Vorlage einer hinreichend substantiierten Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft jedenfalls dann ergeben, wenn aufgrund dieses Tatvorwurfs ein Haftbefehl gegen den Arrestbeklagten erlassen und somit ein dringender Tatverdacht bejaht wurde. (Rn. 14)
3. Zu den Schlüssigkeitsvoraussetzungen für die Höhe des Anspruchs bei einer Saldoklage über zahlreiche Kauf- und Verkaufsvorgänge. (Rn. 16 – 21)
4. Jedenfalls beim Kauf von Aktien spricht grundsätzlich ein sich aus der allgemeinen Lebenserfahrung ergebender Erfahrungssatz mit überwiegenden Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Anleger die Aktien in Kenntnis der verschwiegenen Machenschaften nicht gekauft hätten. Ob das auch für Investments mit rein spekulativem Charakter gilt, kann hier dahinstehen (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 16.11.2021, Gz. 8 W 1541/21). (Rn. 22)
5. Ein Arrestgrund kann nicht allein mit der Begründung verneint werden, dass sich ein Arrestbeklagter seit längerem in Untersuchungshaft befindet. (Rn. 27)
6. Die Beschlagnahme nach § 111b StPO oder der Vermögensarrest nach § 111e StPO beseitigen den Arrestgrund nicht. § 111h Abs. 2 Satz 1 StPO hindert grundsätzlich nur eine Vollstreckung des Arrests in die sichergestellten Vermögenswerte. Ob dies anders – z.B. im Sinne eines Rechtsmissbrauchs – zu beurteilen wäre, wenn ein Antragsteller wiederholt Arrestanträge gleichsam „ins Blaue“ stellt ohne jede Aussicht auf eine zulässige Pfändung, kann derzeit offen bleiben. (Rn. 28 – 31)

Verfahrensgang

27 O 8211/21 2021-07-08 Urt LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Auf die Berufung der Arrestklägerin wird das Urteil des Landgerichts München I vom 08.07.2021, Az. 27 O 8211/21, aufgehoben.
2. Wegen einer Schadensersatzforderung der Arrest- und Berufungsklägerin gegen den Arrest- und Berufungsbeklagten i.H.v. 12.014,44 € wird der dingliche Arrest in dessen gesamtes persönliches Vermögen angeordnet.
3. Die Vollziehung des Arrestes wird durch Hinterlegung von 12.014,44 € durch den Arrestbeklagten gehemmt.
4. Die Entscheidung über den Antrag auf Forderungspfändung obliegt dem Landgericht München I. 5. Der Arrestbeklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Zur näheren Darstellung wird sowohl bezüglich des Sachverhaltes als auch bezüglich der erstinstanzlichen Prozessgeschichte auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Ergänzend und zusammenfassend ist folgendes auszuführen:
Mit Schriftsatz vom 17.06.2021 beantragte die Arrestklägerin den Erlass eines dinglichen Arrestes gegen den Arrestbeklagten. Ihr stehe gegen diesen eine Schadensersatzforderung i.H.v. 12.014,44 € zu. Der Arrestbeklagte als Vorstandsvorsitzender der W. AG habe mit weiteren Mittätern bandenmäßigen Betrug und Fälschung der Geschäftsbilanzen seit mindestens 2015 sowie Marktmanipulation begangen. Die W. AG habe dadurch finanzkräftiger und für Investoren und Kunden attraktiver dargestellt werden sollen, um so regelmäßig Kredite von Banken und sonstigen Investoren zu erlangen und daraus fortwährend eigene Einkünfte zu generieren. Tatsächlich sei dem Arrestbeklagten jedoch klar gewesen, dass der Wirecard Konzern Verluste erziele. Zur Glaubhaftmachung nahm die Arrestklägerin u.a. auf eine Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft München I vom 22.07.2020 Bezug. Der Arrestbeklagte befindet sich aufgrund dieser Vorwürfe seit 22.07.2020 in Untersuchungshaft.
Die Arrestklägerin habe in der Zeit vom 28.04.2020 bis 15.07.2020 insgesamt 12.014,44 € in die Aktie der W. AG investiert, wie durch Vorlage der Orderbelege glaubhaft gemacht. Bei Kenntnis der tatsächlichen Umstände hätte sie die Aktienanteile niemals erworben. Ein Arrestgrund liege vor, da die Vollstreckung eines Schadensersatzanspruches gegen den Arrestbeklagten aufgrund seiner österreichischen Staatsbürgerschaft und der zahlreichen Immobilien, welche dieser im Ausland besitze, wesentlich erschwert würde.
Mit Endurteil vom 08.07.2021 wies das Landgericht München I den Antrag auf Erlass eines Arrest- und Arrestpfändungsbeschlusses zurück, weil angesichts der Untersuchungshaft des Beklagten kein Arrestgrund bestehe. Dieses Endurteil wurde dem anwaltlichen Vertreter der Arrestklägerin am 20.07.2021 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 11.08.2021, eingegangen am 18.08.2021, legte die Arrestklägerin gegen das Endurteil des Landgerichts München I Berufung ein und begründete diese zugleich.
Sie beantragt,
1.Das Endurteil des Landgerichts München I vom 08.07.2021, Az. 27 O 8211/21 wird aufgehoben.
2.Wegen einer Schadensersatzforderung der Arrest- und Berufungsklägerin i.H.v. 12.014,44 € gegen den Arrest- und Berufungsbeklagten wird der dingliche Arrest in das gesamte persönliche Vermögen des Arrestbeklagten und Berufungsbeklagten angeordnet.
3.Die Vollziehung des Arrests wird durch Hinterlegung durch den Arrestbeklagten i.H.v. 12.014,44 € gehemmt.
4.In Vollziehung des Arrests werden die Ansprüche des Arrestbeklagten gegen die C. AG aus sämtlichen Kontenverbindungen, bis zum Höchstbetrag von 12.014,44 € gepfändet.
Der Beklagte beantragt,
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Zur Ergänzung wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.
II.
Die von der Arrestklägerin eingelegte Berufung ist zulässig und in der Sache begründet.
1. Dem Antrag auf Anordnung des Arrestes war nach §§ 916, 917, 923 ZPO stattzugeben. Die Arrestklägerin hat Arrestanspruch und Arrestgrund ausreichend glaubhaft gemacht.
a) An die im Rahmen des Sicherungsverfahrens nach § 294 ZPO ausreichende Glaubhaftmachung dürfen keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Es ist insbesondere kein voller Beweis zu erbringen. Für die Glaubhaftmachung einer Behauptung genügt es, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft. An die Stelle des Vollbeweises tritt eine Wahrscheinlichkeitsfeststellung (BGH NJW-RR 2007, 776).
b) Der Arrestanspruch folgt zumindest aus § 826 BGB. Es kann deshalb dahinstehen, ob daneben auch Ansprüche gemäß § 823 Abs. 2 i.V.m. § 331 Nr. 1, 4 HGB, § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG oder i.V.m. § 264 a StGB oder § 263 StGB bestehen.
(1) Nach übereinstimmender Auffassung der Kapitalanlagesenate des OLG München hat die Arrestklägerin durch Vorlage der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft M. vom 22.02.2020 schlüssig dargelegt und in diesem Sinne hinreichend glaubhaft gemacht, dass sie bei ihren Investitionen vom Arrestbeklagten über vermögensrelevante Tatsachen nicht aufgeklärt bzw. diesbezüglich sogar gezielt getäuscht wurde (vgl. u.a. Beschlüsse des OLG München vom 01.10.2020, 3 W 1384/20, und vom 19.05.2021, 13 W 667/21).
Bei Abstellen auf den Inhalt der Pressemitteilung ist es hinreichend wahrscheinlich, dass ein Schadensersatzanspruch der Arrestklägerin gegen den Arrestbeklagten insbesondere aus § 826 BGB, aber auch aus §§ 823 Abs. 2 i.V.m. § 263 StGB bzw. § 826 BGB besteht. Darin werden Verhaltensweisen des Arrestbeklagten beschrieben, welche als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung zum Nachteil von Kreditgebern und Investoren der W. AG zu werten sind. Hierzu gehört insbesondere das Vortäuschen tatsächlich nicht existenter Geschäfte und die Vorspiegelung nicht existierender Vermögenswerte in Höhe von 1,9 Milliarden Euro auf der Grundlage eines im Jahr 2015 gefassten Tatentschlusses mit dem Ziel, die W. AG nach außen hin als wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen darzustellen. Aus der Pressemitteilung geht auch hervor, dass das Amtsgericht M. Haftbefehl gegen den Arrestbeklagten erlassen und somit einen dringenden Tatverdacht bejaht hat. Im Hinblick darauf ist eine vorsätzliche Schädigungsabsicht bzw. eine vorsätzliche Täuschung durch den Arrestbeklagten zu Lasten von Anlegern bereits ab 2015 ausreichend wahrscheinlich.
Soweit seitens des Arrestbeklagten auf einen Beschluss des Senats vom 18.05.2021, 8 W 696/21, verwiesen wurde, in welchem der Senat einen Arrestanspruch nicht für hinreichend substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht erachtet hat, bezog sich dieses Verfahren auf eine andere Person als den hiesigen Arrestbeklagten. Dass der in diesem Falle erfolgte pauschale Verweis auf angebliche staatsanwaltschaftliche Ermittlungen dort für ungenügend erachtet wurde, besagt damit für den vorliegenden Fall nichts.
(2) Der Arrestklägerin ist durch die systematische Falschinformation seitens des Arrestbeklagten der geltend gemachte Schaden zumindest mit überwiegender Wahrscheinlichkeit entstanden.
(a) Die Arrestklägerin führt hierzu in der Antragsschrift allerdings nur aus, sie habe im Zeitraum 28.04.2020 bis 15.07.2020 12.014,44 Euro in Aktien der W. AG investiert, hierbei seien Käufe abzüglich Verkäufe berücksichtigt. Ergänzend hat sie pauschal auf ein Anlagenkonvolut K 2 verwiesen, das mehrere auf den Namen der Antragstellerin lautende (teilgeschwärzte) Kontoauszugsblätter der D. enthält.
Diese Kontoauszugsblätter listen zwar einzelne Kauf- und Verkaufsvorgänge für W.-Aktien auf, es fehlt dort aber ein Saldo sowohl für die Kauf- und Verkaufserlöse als auch für die Zahl der Aktien. Letzteres wäre insbesondere deshalb erforderlich gewesen, weil, soweit die Antragstellerin diese Aktien noch halten sollte, wohl allenfalls eine Zug-um-Zug-Anordnung in Betracht käme.
Ohne sich dazu verpflichtet zu sehen, hat der Senat zur Vermeidung eines Wiedereintritts in die mündliche Verhandlung das entsprechende Anlagenkonvolut ausnahmsweise selbst ausgewertet und festgestellt, dass der Saldo die Antragsforderung ergibt und dass die Summe der Aktien „0“ ist, die Klägerin also keine Aktien mehr hält.
Der Senat erwartet allerdings zukünftig, dass antragstellerseits eine tatsächlich und rechnerisch nachvollziehbare Darstellung erfolgt – ob in einem Schriftsatz oder als Anlage dazu -, aus der sich die einzelnen Aktienkäufe und -verkäufe sowie der Saldo – auch hinsichtlich der gehaltenen Aktien – ergeben. Dieser Hinweis gilt auch für die weiteren vom hiesigen Antragstellervertreter betriebenen Verfahren und wird nicht wiederholt. Der Senat behält sich vor, entsprechende Anträge künftig ohne weiteren Hinweis als unschlüssig anzusehen.
Zur Glaubhaftmachung war das Anlagenkonvolut Ast. 2 dagegen ohne weiteres ausreichend.
(b) Dafür, dass die streitgegenständlichen Investitionen im Vertrauen auf den dargelegten Sachverhalt getätigt wurden bzw. dass die Arrestklägerin bei Kenntnis der wahren Umstände hiervon Abstand genommen hätte, spricht grundsätzlich ein sich aus der allgemeinen Lebenserfahrung und der Art des zu beurteilenden Geschäfts ergebender Erfahrungssatz. Es erscheint unwahrscheinlich, dass ein Käufer eine Aktie erwirbt, wenn dem Emittenten die Insolvenz droht und zur Zeit des Erwerbs in keiner Weise absehbar ist, ob dieses Problem behoben werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, zu VW Diesel EA189). Daraus ergibt sich zumindest mit der hier ausreichenden überwiegenden Wahrscheinlichkeit, dass die Klägerin die Aktien in Kenntnis der oben dargelegten Machenschaften nicht gekauft hätte.
Zwar weist der Arrestbeklagte im Ansatz zutreffend darauf hin, dass bei Investments mit spekulativem Charakter die entsprechende Vermutung eingeschränkt oder aufgehoben sein kann (vgl. z.B. BGH vom 13.07.2004 – XI ZR 178/03, zum – damals – „Neuen Markt“). Er verkennt dabei aber, dass im vorliegenden Eilverfahren überwiegende Wahrscheinlichkeit ausreicht. Ob dies auch für das Regelbeweismaß des § 286 ZPO ausreicht (MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, BGB § 826 Rn. 56 mwN), ist ggf. erst im Hauptsacheverfahren zu klären.
c) Ein Arrestgrund ist ebenfalls gegeben.
(1) Der Arrestgrund wird durch das bisherige Verhalten des Arrestbeklagten indiziert.
So besteht regelmäßig ein Arrestgrund, wenn das dem Arrestanspruch zugrunde-liegende Verhalten eine vorsätzliche strafbare Handlung darstellt, die sich gegen das Vermögen des Arrestgläubigers richtet (BGH, Beschluss vom 24.03.1983 – III ZR 116/92, KG Berlin, Beschluss vom 07.01.2010 – 23 W 1/10, OLG München, Beschluss vom 13.10.2016 – 15 W 1709/16). Aufgrund der strafrechtlichen Ermittlungen ist eine vorsätzliche Straftat zulasten des Vermögens der Arrestklägerin hinreichend wahrscheinlich. Ob im Ergebnis ein Betrug nach § 263 BGB oder ein Anlagebetrug nach § 264 a StGB inmitten stehen wird, kann derzeit noch nicht abgeschätzt werden, ist jedoch für die Qualifizierung des Vorliegens einer Straftat zulasten der Arrestklägerin ohne Belang. Hat sich aber der Arrestbeklagte eines vorsätzlichen Vermögensdeliktes zu deren Lasten strafbar gemacht, ist auch die Annahme gerechtfertigt, er werde sein rechtswidriges Verhalten fortsetzen und daher die Vollstreckung vereiteln oder erschweren (KG a.a.O.). Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass diese Prognose unrichtig sein könnte, sind vorliegend nicht gegeben. Zwar hat sich der Arrestbeklagte dem Strafverfahren gestellt und verhält sich nunmehr kooperativ. Im Hinblick auf die Schwere der Vorwürfe, einem offenkundig über Jahre hinweg mit großer krimineller Energie erfolgten Verschleiern, Verschweigen und Beschönigen der wirklichen Unternehmenslage und angesichts der im Juni 2020 für den Arrestbeklagten bestehenden ausweglosen Lage, kann allein die Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden nicht zu einer abweichenden Beurteilung führen (so auch OLG München, Urt. v. 27.09.2021, 3 U 4456/21).
(2) Dem Vorliegen eines Arrestgrundes steht hier entgegen der Auffassung des Erstgerichts auch nicht entgegen, dass sich der Arrestbeklagte seit 22.07.2020 in Untersuchungshaft befindet. Dieser Umstand hindert den Arrestbeklagten nämlich weder rechtlich noch tatsächlich daran, Vermögensverfügungen gegebenenfalls über beauftragte Personen zum Nachteil der Arrestklägerin vorzunehmen.
(3) Letztlich steht dem Vorliegen eines Arrestgrundes bzw. dem Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses am Erlass eines Arrestes nicht entgegen, dass sämtliche Vermögenswerte seitens der Staatsanwaltschaft arrestiert wären, d.h. kein Vermögen mehr vorhanden wäre, auf das zugegriffen werden könnte.
Die Beschlagnahme nach § 111b StPO oder der Vermögensarrest nach § 111e StPO beseitigen den Arrestgrund nicht. Allerdings hindert § 111h Abs. 2 Satz 1 StPO eine Vollstreckung des Arrests in die sichergestellten Vermögenswerte (MüKoZPO/Drescher, 6. Aufl. 2020 Rn. 21, ZPO § 917 Rn. 21). Haben die Strafverfolgungsorgane nach §§ 111e, 111f StPO den Vermögensarrest in einen Gegenstand des Schuldnervermögens vollzogen, hindert dies die Einzelzwangsvollstreckung in den so gepfändeten Gegenstand (§ 111h Abs. 2 StPO). Der durch die Straftat Verletzte kann zwar seine Ansprüche im Zivilrechtswege verfolgen und auch einen dinglichen Arrest beantragen, diesen jedoch wegen § 111h StPO nicht in den gepfändeten Gegenstand vollziehen (BeckOK ZPO/Mayer, 38. Ed. 1.9.2020, ZPO § 916 Rn. 17).
Das erscheint dem Senat auch sachgerecht. Denn es ist nicht von vornherein auszuschließen, dass der Arrestbeklagte innerhalb der Vollziehungsfrist weitere Vermögensgegenstände erwirbt oder der Arrestklägerin als Gläubigerin innerhalb dieser Frist weitere Vermögenswerte bekanntwerden. Außerdem greift § 111h Abs. 2 S. 1 StPO nur während der Dauer der Arrestvollziehung. Auch insoweit ist nicht auszuschließen, dass sich innerhalb der Vollziehungsfrist Änderungen ergeben (MüKoZPO/Drescher, 6.Aufl. 2020 Rn.21, ZPO § 917 Rn.21; BeckOK ZPO/Mayer, 38.Ed. 1.9.2020, ZPO § 916 Rn.17).
Ob dies anders – z.B. im Sinne eines Rechtsmissbrauchs – zu beurteilen wäre, wenn ein Antragsteller wiederholt Arrestanträge gleichsam „ins Blaue“ stellt ohne jede Aussicht auf eine zulässige Pfändung, kann hier offen bleiben.
2. Die Abwendungsbefugnis basiert auf § 923 ZPO.
3. Die Entscheidung über den Antrag auf Forderungspfändung bleibt dem Landgericht München I überlassen (§ 572 Abs. 3 ZPO, § 20 Abs. 1 Nr. 16 RpflG).
Zwar ist eine gleichzeitige Entscheidung auch über die Pfändung im Arrestbeschluss grundsätzlich möglich, dies gilt aber nicht in der Rechtsmittelinstanz (Vollkommer in Zöller, § 930, Rz. 3). Diese Ansicht ist zwar nicht unumstritten (zum Streitstand siehe Seiler in Thomas/Putzo, § 930, Rz. 2), ihr ist aber aus Rechtsschutzgründen zu folgen. Andernfalls würden die Rechtsschutzmöglichkeiten des Schuldners unangemessen eingeschränkt, da gegen einen Pfändungsbeschluss in der Beschwerdeinstanz nur noch die Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO statthaft wäre.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.


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