Handels- und Gesellschaftsrecht

Berufung, Annahmeverzug, Rechtsmittel, Haftung, Verfahren, Hinweisbeschluss, Kommission, Offenbarungspflicht, Streitwert, Sicherung, Bedeutung, Kostenentscheidung, Kraftfahrtbundesamt, Klageantrag, Fortbildung des Rechts, Aussicht auf Erfolg, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung

Aktenzeichen  21 U 2293/21

Datum:
16.8.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 53809
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

64 O 3475/20 2021-03-25 LGINGOLSTADT LG Ingolstadt

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 25.03.2021, Aktenzeichen 64 O 3475/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Ingolstadt und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.085,02 € festgesetzt.

Gründe

I.
1. Die Parteien streiten um Ansprüche nach einem Pkw-Kauf im Zusammenhang mit dem sogenannten „Diesel-Abgasskandal“.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts sowie im Hinweisbeschluss des Senats vom 08.07.2021 (Bl. 211 ff. d.A.) Bezug genommen.
Im Berufungsverfahren beantragte die Klagepartei mit Schriftsatz vom 25.06.2021:
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Ingolstadt, Az.: 64 O 3475/20,verkündet am 25.03.2021:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei EUR 30.600,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.04.2020 abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von EUR 10.514,98 Zugum-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi A6 3.0 l mit der Fahrgestellnummer …16 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 30.04.2020 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 1.394,32 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.04.2020 zu zahlen.
Hilfsweise:
4. Das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 25.03.2021, Az: 64 O 3475/20, wird aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückverwiesen.
Hilfsweise:
5. Die Revision wird zugelassen.
Die Beklagte hat auf die Berufung bisher noch nicht erwidert.
2. Mit Schriftsatz vom 03.08.2021 (Bl. 227 ff. d.A.) hält die Klagepartei an ihrem Berufungsbegehren fest. Hierauf wird Bezug genommen. Die Klagepartei wiederholt ihre Ausführungen in Bezug auf eine Haftung der Beklagten wegen des Thermofensters, gibt das Temperaturfenster aber nunmehr mit 10°C zwischen 20°C und 30°C an. Aus dem Beschluss des BGH vom 19.01.2021, Az.: VI ZR 433/19, ergebe sich eine Offenbarungspflicht gegenüber der Typengenehmigungsbehörde in Bezug auf das Thermofenster. Sie behauptet nunmehr, die Beklagte habe zum Funktionieren der Abgasrückführung bei niedrigen Temperaturen unwahre Angaben gemacht unter Bezugnahme auf einen Mustertypengenehmigungsbogen der V. AG.
Sie bekräftigt, es seien hinreichend Anhaltspunkte vorgetragen, die eine Haftung der Beklagten nach § 826 BGB begründeten. Sie bezieht sich erneut auf ein Sachverständigengutachten aus einem Verfahren vor dem Landgericht Bielefeld und auf ein Anhörungsverfahren. Sie rügt erneut, auf etwaige Bewertungen durch das Kraftfahrtbundesamt könne es aus verschiedenen Gründen nicht ankommen. Die Klagepartei wendet ein, es sei nicht nachvollziehbar, dass der Vortrag zu einer Lenkwinkelerkennung und dem Warmlaufprogramm vom Senat als nicht tragend angesehen werde.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 25.03.2021, Aktenzeichen 64 O 3475/20, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Hinweisbeschluss vom 08.07.2021 Bezug, in dem bereits ausführlich dargelegt wurde, weshalb der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klagepartei durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. Die Ausführungen im Schriftsatz vom 03.08.2021 geben keine Veranlassung zu einer anderen Beurteilung. Ergänzend ist insofern auszuführen:
1. Die Ausführungen zum Thermofenster erschöpfen sich weitgehend in Wiederholungen des bisherigen Vortrags. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird Bezug genommen auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss, dort S. 6 ff. (Bl. 216 ff. d.A.). Die erneut abweichende Beschreibung des Thermofensters ist widersprüchlich und verspätet; die im Hinweisbeschluss insofern angestellten Erwägungen (Bl. 216 d.A. a.E.) gelten aber auch insoweit. Eine allgemeine Offenbarungspflicht zum Thermofenster ergibt sich – anders als die Klagepartei einwendet – nicht aus BGH, Beschluss vom 19.01.2021, Az.: VI ZR 433/19. Die von der Klagepartei insoweit zitierte Passage (Rdnr. 22 ff.) bezieht sich auf die Frage der Berücksichtigungsfähigkeit und damit Berücksichtigungspflicht von Sachvortrag in dem dort entschiedenen Verfahren. Inhaltlich ging es um den Vortrag, die Beklagte im dortigen Verfahren habe unzutreffende Angaben im Typengenehmigungsverfahren gemacht. Auch unter Berücksichtigung des nunmehrigen Vorbringens zu einem Mustertypengenehmigungsbogen der V. AG erfolgt die nunmehrige Behauptung der Klagepartei, die Beklagte habe unwahre Angaben gemacht bei den Angaben zum Funktionieren des Abgasrückrückführungssystems bei niedrigen Temperaturen, ersichtlich ins Blaue: Angaben der V. AG in einem Mustertypengenehmigungsbogen sind – unabhängig von der Frage der Verspätung des Vortrags – nicht geeignet, die Behauptung zu untermauern, die Beklagte habe unwahre Angaben gemacht in Bezug auf Fahrzeuge ihrer Produktion mit Motoren aus ihrer Entwicklung. Überdies ist die bloße Angabe zur Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems – zumal mit dem Hinweis auf die Anpassung/Optimierung der AGR-Rate u.a. hinsichtlich der Ansauglufttemperatur – und zum Funktionieren des AGR bei niedrigen Temperaturen, nicht geeignet, unwahre Angaben zum Thermofenster und der AGR herauszulesen (vgl. Art. 3 Nr. 9, 4. Absatz der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge, ABl. L 199 vom 28.07.2008, S. 1 ff.).
2. Zur Relevanz des Vortrags im Übrigen hat der Senat im Hinweisbeschluss ausführlich erläutert, warum die von der Klagepartei vorgetragenen Anhaltspunkte nicht genügen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hinsichtlich des Einwands zur Relevanz eines Sachverständigengutachtens in einem Verfahren vor dem Landgericht Bielefeld, zu einem Anhörungsverfahren und zur Frage der Maßgeblichkeit von Bewertungen des Kraftfahrtbundesamtes Bezug genommen auf den Hinweisbeschluss, dort S. 14, 13, 11 (Bl. 224, 223, 221 d.A.). Bereits im Beschluss vom 08.07.2021 (dort S.13 = 223 d.A.) hatte der Senat darauf hingewiesen, dass nach dem Klägervortrag mittlerweile mehr als ein Jahr seit der behaupteten Übersendung eines Anhörungsschreibens vergangen ist, ohne dass die Klagepartei einen Rückruf erhalten hätte. Anders als die Klagepartei einwendet, hat sie nicht nachgewiesen, dass die Untersuchungen in dieser Sache noch laufen, sondern mit der Berufung allgemein vorgetragen, dass das Kraftfahrtbundesamt nach wie vor die Motorsteuerungssoftware von noch nicht zurückgerufenen „3-Liter-Fahrzeugen der Beklagten unter die Lupe“ nehme. Den von der Klagepartei hierzu zweitinstanzlich vorgelegten Unterlagen lässt sich kein Hinweis entnehmen, inwieweit diese konkret vergleichbar sind mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug (BB1 und BB2). Letztlich stellt allein ein Anhörungsverfahren in Bezug auf das Emissionsverhalten eines Fahrzeugs kein Indiz für ein objektiv sittenwidriges Verhalten dar, da bereits nicht jede unzulässige Abschalteinrichtung ohne weiteres den Vorwurf objektiv sittenwidrigen Verhaltens trägt.
Zu dem Einwand, es sei nicht nachvollziehbar, dass der Vortrag zu einer Lenkwinkelerkennung und dem Warmlaufprogramm vom Senat als nicht tragend bewertet werde, wird auf die Ausführungen des Senats im Hinweisbeschluss Bezug genommen, dort S. 12 (Bl. 222 d.A.).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung von § 40, 47, 48 GKG, § 3 ZPO bestimmt.


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