Aktenzeichen L 12 KA 70/16
BMV-Ä § 52 Abs. 2 S. 1
Leitsatz
Wenn der Weg der Aufrechnung von Schadensersatzforderungen der Krankenkasse gegen Honorarforderungen des Vertragsarztes verschlossen ist, besteht gemäß § 52 Abs. 2 Satz 2 BMV-Ä die Möglichkeit, dass die Kassenärztliche Vereinigung den Anspruch auf Schadensersatz oder Regress an die Krankenkasse zur unmittelbaren Einziehung abtritt. Da die Kassenärztliche Vereinigung selbst nicht Inhaber der Forderung ist, sondern den Anspruch der Krankenkasse nur über die Aufrechnung erfüllen soll, kann die Krankenkasse die “Abtretung” nicht ablehnen. (Rn. 25)
Verfahrensgang
S 21 KA 1237/15 2016-07-06 GeB SGMUENCHEN SG München
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten vom 13. Juli 2016 gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München 6. Juli 2016 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Senat stimmt der erstinstanzlichen Entscheidung vom 06.07.2016 in vollem Umfang zu und weist die Berufung deshalb aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).
Dies gilt zunächst hinsichtlich des im Rahmen der Zulässigkeit der Klage bejahten Rechtsschutzbedürfnisses der Klägerin für die streitgegenständliche Zahlungsklage zur Erlangung eines vollstreckbaren Titels gegen den Beklagten. Aus den Regressbescheiden bez. Sprechstundenbedarf (Quartale 3/2001 und 1/2002) vom 13.07.2006 ergibt sich weder aus den Bescheidtenören noch aus den Entscheidungsgründen, wer Vollstreckungsgläubiger der Forderungen ist.
Im Rahmen der Begründetheit der Klage ist die Klägerin allein aktiv legimitiert.
Diesbezüglich ist zunächst festzustellen, dass der übliche Weg der Realisierung von Regressansprüchen, nämlich deren Verrechnung im laufenden Kontokorrentverfahren (vgl. § 10 Abs. 2 Gesamtvertrag Bayern sowie § 52 Abs. 2 Satz 1 BMV-Ä) vorliegend verschlossen war, weil die Zulassungsentziehung des Beklagten zur vertragsärztlichen Versorgung bereits im Jahre 2009 mit Rücknahme der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Senats vom 04.02.2009 (L 12 KA 492/07) erfolgte, während die Regressentscheidungen bez. Sprechstundenbedarf in den Quartalen 3/2001 und 1/2002 vom 13.07.2006 erst mit den Beschlüssen des BSG vom 11.02.2015 (B 6 KA 51/14 B, B 6 KA 52/14 B) bestandskräftig wurden.
Daher hat die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns zu Recht den in § 52 Abs. 2 Satz 2 BMV-Ä vorgesehenen Weg der Abtretung der Regressforderungen an die Klägerin beschritten. Da die KVB nicht selbst Inhaber der Regressforderungen war, sondern diese nur im Wege der Verrechnung durchsetzen wollte, kann die Krankenkasse die Abtretung nicht ablehnen. Vielmehr reicht es aus, dass die KV der Krankenkasse mitteilt, dass sie die Forderung nicht durch Aufrechnung erfüllen kann. Abgesehen davon ist das SG zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin die Abtretungserklärungen der KVB vom 11.05.2016 bez. der Regressforderung Sprechstundenbedarf für das Quartal 3/2001 in Höhe von 408.699,38 € und am 11.08.2016 bez. Regressforderung Sprechstundenbedarf für das Quartal 1/2002 in Höhe von 551.742,20 € jedenfalls durch Geltendmachung im Klagewege konkludent angenommen hat.
Hinzu kommt, dass gemäß Abschnitt I 1 und II 2 der Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung vom 01.04.1999 der Sprechstundenbedarf zu Lasten der für den Vertragsarztsitz zuständigen … zu verordnen ist und Rechnungen der Apothekenzentren und Apotheken durch die Klägerin sachlich und rechnerisch überprüft werden (§ 2 Abs. 2 der Vereinbarung über die Ermittlung und Aufteilung der Verwaltungskosten für die Abwicklung und die Umlage des Sprechstundenbedarfs). Dies umfasst auch die Stellung von Prüfanträgen wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise und das Führen von Widerspruchs- und Gerichtsverfahren. Entgegen der Auffassung des Beklagten sind Einwendungen oder Einreden gegen die bestandskräftig gewordenen Bescheide des Beschwerdeausschusses vom 13.07.2006 wegen § 77 SGG ausgeschlossen. Diese Einwendungen bez. Einreden konnte und hat der Beklagte bereits in den Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung – erfolglos – vorgetragen. Eine Verjährung der Forderungen aus den erst mit den Beschlüssen des BSG vom 11.02.2015 (Az.: B 6 KA 51/14 B und B 6 KA 52/14 B) bestandskräftig gewordenen Bescheiden des Beschwerdeausschusses vom 13.07.2006 liegt im Hinblick auf die 30-jährige Verjährungsfrist des § 52 Abs. 2 SGB X nicht vor.
Dem Beklagten kommt auch nicht die durch die Apothekerin W. erfolgte Zahlung von 639.000,00 € an die Klägerin zugute.
Hierzu hat das SG zunächst zutreffend darauf hingewiesen, dass diese Zahlung der Apothekerin W. zur Tilgung ihrer Schuld aus der Vereinbarung mit der Klägerin und anderen Krankenkassen vom 15.06.2005 diente und nicht etwa der Tilgung von Verpflichtungen des Beklagten aus Regressen wegen unwirtschaftlicher Verordnung von Sprechstundenbedarf. Die Zahlung der Apothekerin W. hat auch keine Gesamtwirkung unter dem Gesichtspunkt einer Gesamtschuldnerschaft zugunsten des Beklagten.
Es liegt hinsichtlich der Apothekerin W. und dem Beklagten weder ein Fall einer gesetzlich angeordneten Gesamtschuld (insb. § 840 Abs. 1 BGB) vor noch sind die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung der Regeln über die Gesamtschuld gegeben.
Abgesehen davon steht auch diesem Vorbringen die Bindungswirkung der bestandskräftigen Bescheide des Beschwerdeausschusses vom 13.07.2006 entgegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 3. Halbsatz i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).