Handels- und Gesellschaftsrecht

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Aktenzeichen  4 Sa 457/21

Datum:
14.2.2022
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 5944
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

5 Ca 2534/20 2021-06-10 Endurteil ARBGREGENSBURG ArbG Regensburg

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 10.06.2021, Az: 5 Ca 2534/20, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
I.
Die Berufung ist zulässig.
Sie ist nach § 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG angesichts eines Beschwerdewerts von € 4.915,84 statthaft und mit den Schriftsätzen vom 14.07.2021 und 09.08.2021 innerhalb der Fristen des § 66 Abs. I S. 1 ArbGG eingelegt und begründet, die angesichts der Zustellung des Urteils am 16.06.2021 gem. §§ 64 Abs. VI ArbGG, 222 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB am 16.07.2021 bzw. 16.08.2021 abliefen.
II.
Die Berufung ist unbegründet: Die Klägerin hat einen Anspruch auf Ersatz ihres Schadens in Höhe von € 4.915,84 gegen die Beklagte aus §§ 280 Abs. 1, 282 BGB. Die Berufungskammer folgt der ausführlichen und sorgfältigen Begründung des angefochtenen Urteils gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG. Das Berufungsvorbringen der Beklagten veranlasst lediglich folgende Ergänzungen:
1. Die Beklagte hat die ihr nach § 241 Abs. 2 BGB obliegende Fürsorgepflicht gegenüber der Klägerin als ihrer Arbeitnehmerin durch ihren Geschäftsführer verletzt, indem dieser trotz Erkältungssymptomen seit seiner Rückkehr aus Italien am 18. und 20.08.2020 mit der Klägerin zusammen längere Zeit in einem Auto fuhr.
Damit verstieß sie gegen die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel (in der Fassung vom 10.08.2020), nach deren Ziffer 4.2.1. die Arbeitsumgebung so zu gestalten war, dass Sicherheitsabstände von 1,5m eingehalten werden konnten, und jede Person bei Krankheitssymptomen zuhause bleiben sollte. Wenn Herr Z daher mit der Klägerin zusammen im Auto fuhr, missachtete er damit die von ihm zu sichernden Abstandsregeln; insofern hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass für derartige Fahrten ein Konzept gefehlt habe. Und wenn er trotz Erkältungssymptomen zur Arbeit kam, wahrte er nicht die vorgegebenen Hygienevorschriften.
Soweit die Beklagte in ihrer Berufung gerügt hat, das Erstgericht habe ihr Bestreiten der Erkältungssymptome nicht zur Kenntnis genommen, so ist dieser Vortrag unbeachtlich, weil er nicht zum übrigen Vorbringen der Beklagten passt, wonach der Geschäftsführer sehr wohl seit 10.08.2020 gehüstelt und leichte Erkältungssymptome gezeigt habe und am 18.08.2020 während der Eigentümerversammlung von einem Teilnehmer unter Berufung darauf abgerückt sei. Dass er, wie er angibt, am 15.08.2020 eine Fahrradtour unternommen habe, ändert an dieser Beurteilung nichts, weil Erkältungssymptome nicht notwendig sportliche Aktivitäten ausschließen.
2. Die Pflichtverletzung war ursächlich für den entstandenen Schaden. Wäre der Geschäftsführer der Beklagten nicht ins Büro gekommen oder hätte er wenigstens den notwendigen Abstand zur Klägerin durch getrennte Autofahrten gewahrt, wäre gegen die Klägerin keine Quarantäneanordnung ergangen und die geplante Hochzeit samt Feier hätte stattfinden können.
Soweit die Beklagte darauf rekurriert ist, dass Herr Z vor dem 20.08.2020 nicht an Corona erkrankt sei, eine Gefährdungslage vor diesem Datum daher nicht bestanden habe, ist dies aus zweifachem Grund unbeachtlich.
Zum einen liegt die Pflichtverletzung (auch) in der mangelnden Einhaltung der Abstandsvorschriften durch die Arbeitgeberin und ist insofern unabhängig von dem Umgang mit den Erkältungssymptomen des Geschäftsführers.
Zum anderen ist diese Einlassung als Behauptung ins Blaue hinein unbeachtlich. Die Beklagte bleibt jede Darlegung schuldig, warum es sich bei dem auch nach ihrer Schilderung aufgetretenen Hüsteln nicht um erste Anzeichen einer Covid-19-Infektion gehandelt haben soll. Die Aussage, es habe sich um eine bloße Erkältung durch eine Klimaanlage gehandelt, ist eine reine Annahme; eine Klärung, wie sie angesichts der gesamten Pandemiesituation notwendig gewesen wäre, hat gerade nicht stattgefunden. Die Tatsache, dass weder die Arbeitsumgebung noch die Freunde, mit denen Herr Z nach seinen Angaben eine Radtour gemacht habe, sich infiziert hätten, ist nicht aussagekräftig, weil dies auch an anderen Umständen wie ausreichend Abstand, Bewegung an der frischen Luft oder gutem Immunstatus der beteiligten Personen liegen konnte. Umgekehrt sprechen die Umstände dafür, dass bereits zu dieser Zeit die am 24.08.2020 diagnostizierte Coronainfektion vorlag: die Erkältungssymptome, die jedenfalls zunächst nicht die üblichen, Herrn Z bekannten waren, lagen innerhalb der Inkubationszeit der Covid -Erkrankung. Entsprechend war die Beurteilung durch das Gesundheitsamt.
Die Frage des rechtmäßigen Alternativverhaltens, die die Beklagte angesprochen hat, stellt sich nicht: nicht der Umstand, dass Herr Z keine Maske trug auf den Autofahrten, begründet den Vorwurf der Pflichtverletzung, sondern seine Anwesenheit im Büro und die Fahrt mit der Klägerin im selben Wagen.
3. Die Beklagte hat der Klägerin den durch die Pflichtverletzung entstandenen Schaden nach § 249 BGB zu ersetzen. Dieser besteht, wie das Arbeitsgericht ausgeführt hat, in den Aufwendungen, die infolge des schädigenden Ereignisses nutzlos geworden sind, und den Belastungen mit Verbindlichkeiten. Im vorliegenden Fall sind damit die nutzlos gewordenen Ausgaben für die Hochzeitsfeier abgedeckt.
Wenn die Beklagte darauf abstellen will, dieser Schaden sei nicht adäquat, weil die Kosten der Hochzeit nicht vom Schutzzweck der verletzten Coronaregelungen, die dem Gesundheitsschutz dienten, umfasst seien, verkennt sie, dass Gesundheitsschutz und Freiheitsentzug durch Quarantäne in der Pandemiebekämpfung unmittelbar zusammengehören. So kann die Einhaltung des durch die Arbeitsschutzregeln vorgegebenen Abstands die Infektion der Mitarbeiter selbst wie ihre Einstufung als Kontaktperson 1 und damit eine Quarantäneanordnung zugunsten des Gesundheitsschutzes Dritter vermeiden.
4. Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt kein Mitverschulden der Klägerin gem. § 254 BGB vor.
Soweit die Beklagte hier wiederholt, die Klägerin hätte, gerade weil sie Krankheitssymptome an Herrn Z wahrgenommen haben will, ihrerseits auf eine getrennte Fahrt bestehen müssen, kann dem mit dem Arbeitsgericht nicht gefolgt werden. Es konnte von der Klägerin nicht erwartet werden, dass sie gegenüber ihrem Vorgesetzten verlangte, ein zweites Auto zu nutzen. Dies wäre einem Hinweis der Angestellten gegenüber dem Geschäftsführer gleichgekommen, dass dieser seinen eigenen Gesundheitszustand nicht ausreichend beachte und nicht adäquat darauf reagiere. Ein solches Verhalten ist schwer vorstellbar und von der Mitarbeiterin, selbst wenn sie wie hier ein besonderes Interesse an der Einhaltung der Regelungen hatte, nicht zu verlangen.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO: Die Beklagte hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
IV.
Die Revision war nicht zuzulassen, insbesondere kommt dem Fall keine besondere über die Klärung der zwischen den Parteien streitigen Rechtsfragen hinausgehende Bedeutung i. S. d. § 72 Abs. II Nr. 1 ArbGG zu.
Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 a ArbGG wird hingewiesen.


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