Handels- und Gesellschaftsrecht

Einschränkung des Einsichtsrechts der Kommanditisten im Gesellschaftsvertrag

Aktenzeichen  8 HK O 14233/16

Datum:
5.7.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 140616
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
HGB § 87a Abs. 5, § 87c Abs. 5, § 166 Abs. 1, § 173 Abs. 2
GmbHG § 51a Abs. 3

 

Leitsatz

Im Gesellschaftsvertrag einer Kommanditgesellschaft kann das Einsichtsrecht nach § 166 Abs. 1 HGB wirksam eingeschränkt werden. (Rn. 27 – 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen samtverbindlich die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 31.469,96 € festgesetzt.

Gründe

A.
Die Klage erweist sich im vollen Umfang als unbegründet. Den Klägern steht das in Klageantrag Ziffer I. geltend gemachte Einsichtsrecht aus keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt zu. Klageantrag II ist mangels Feststellungsinteresses unzulässig.
I.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf Einsicht in die in Klageantrag I genannten Geschäftsunterlagen.
1. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 166 I HGB, denn diese Regelung ist nach Ansicht der Kammer im streitgegenständlichen Fall wirksam durch § 13 Ziffer 5 des Gesellschaftsvertrags abbedungen.
a. Gemäß § 13 Ziffer 5 des Gesellschaftsvertrags können die Gesellschafter Einsicht in Bücher und Papiere der Gesellschaft zur Prüfung des Jahresabschlusses gemäß § 166 I HGB dann nicht mehr verlangen, wenn ein Wirtschaftsprüfer die Richtigkeit des Jahresabschlusses uneingeschränkt bestätigt hat. Dies ist bei den streitgegenständlichen Jahresabschlüssen für die Geschäftsjahre 2009 bis einschließlich 2015 unstreitig jeweils der Fall.
b. Die Regelung in § 13 Ziffer 5 des Gesellschaftsvertrags ist nach Ansicht der Kammer wirksam.
aa. Nach der Systematik des HGB handelt es sich bei § 166 I HGB nicht um eine schlechthin unabdingbare Regelung, da das HGB diesbezüglich – anders als beispielsweise in den §§ 87 a V, 87 c V oder 173 II HGB – kein Verbot einer abweichenden vertraglichen Regelung enthält.
bb. Die Unabdingbarkeit ergibt sich nach Ansicht der Kammer auch nicht aus dem 1980 in das GmbHG eingefügten § 51 a III, der unter anderem bestimmt, dass einem GmbH-Gesellschafter das Recht auf Einsicht in Bücher und Schriften der Gesellschaft nicht durch eine Regelung im Gesellschaftsvertrag genommen werden kann. Zwar hat der Bundesgerichtshof in BGH NJW 89, 225 die Frage aufgeworfen, ob sich aufrechterhalten lässt, dass § 166 HGB nachgiebiges Recht ist, nachdem § 51 a GmbHG dem GmbH-Gesellschafter ein nicht abdingbares Informationsrecht zubilligt. Der BGH hat diese Frage jedoch ausdrücklich offengelassen.
Da § 166 HGB jedoch seit dieser Entscheidung, also seit immerhin 27 Jahren, nicht geändert bzw entsprechend angepasst wurde und es sich nach der Systematik des HGB bei § 166 I HGB mangels einer dem § 51 a III GmbHG vergleichbaren Regelung grundsätzlich um nachgiebiges Recht handelt, kann man nach Ansicht der Kammer die für den GmbH-Gesellschafter geltende Regelung des § 51 a GmbHG nicht auf den Kommanditisten einer KG übertragen, zumal der Grundsatz der Vertragsautononomie im Personengesellschaftsrecht von fundamentaler Bedeutung ist. Damit gilt: Wenn man sich für die Rechtsform einer KG entscheidet, richten sich die Rechte der Gesellschafter nach §§ 161 ff HGB, wenn man sich für die Rechtsform einer GmbH entscheidet, nach dem GmbHG.
c. Der Kern des Informations- und Kontrollrechts eines Kommanditisten, der nach allgemeiner Meinung auch bei einer Einschränkung im Gesellschaftsvertrag erhalten bleiben muss (Baumbach/Hopt, HGB, 37. Auflage, 2016, § 166 HGB, Rn. 18), ist im streitgegenständlichen Fall nicht berührt, denn zum einen nimmt § 13 Ziffer 5 den Kommanditisten ihr Einsichtsrecht nicht komplett, sondern nur für den Fall der uneingeschränkten Bestätigung der Richtigkeit des Jahresabschlusses durch einen Wirtschaftsprüfer und zum anderen kann nach § 12 des Gesellschaftsvertrags das Einsichtsrecht durch den Verwaltungsrat ausgeübt werden. Da dieser wiederum durch die Gesellschafterversammlung aus dem Kreis der Gesellschafter gewählt wird, stellt dies nach Ansicht der Kammer angesichts der großen Anzahl der Kommanditisten eine praktikable, den Kommanditisten zumutbare Regelung dar, die den Kernbereich ihres Informationsrechts nicht einschränkt. Die in § 5 des Gesellschaftsvertrags geregelten Zustimmungsbefugnisse des Verwaltungsrats stehen dem nicht entgegen, da diese Ausfluss der Kontrollfunktion des Verwaltungsrats sind. Zu berücksichtigen ist ferner, dass das Recht der Kommanditisten, bei Vorliegen wichtiger Gründe nach § 166 III HGB vorzugehen und die Anordnung der Vorlegung von Büchern oder Papieren zu beantragen, durch die Regelungen im Gesellschaftsvertrag nicht eingeschränkt wird.
2. Obwohl es für die Entscheidung nach Ansicht der Kammer aus den unter obiger Ziffer 1 ausgeführten Gründen nicht mehr erheblich ist, sei noch folgendes ausgeführt:
Selbst wenn man wegen § 51 a GmbHG den Anspruch aus § 166 I, 2. Alt. HGB als unabdingbar ansähe, lägen dessen Voraussetzungen im streitgegenständlichen Fall nicht vor.
a. Hinsichtlich der Unterlagen aus den Geschäftsjahren 2009 bis einschließlich 2013 scheitert ein Einsichtsrecht bereits daran, dass die Kläger es versäumt haben, dieses rechtzeitig geltend zu machen. § 166 I HGB gewährt nämlich kein permanentes Einsichtsrecht, sondern lediglich ein Einsichtsrecht, um die Richtigkeit des jeweiligen Jahresabschlusses zu überprüfen. Daraus folgt, dass das Einsichtsverlangen innerhalb einer vertretbaren Zeitspanne nach Vorlage des Jahresabschlusses geltend gemacht werden muss. Gemäß Casper in Großkommentar, HGB, 5. Auflage, 2015, Anmerkung 11 zu § 166 HGB ist das Einsichtsrecht auf einen Zeitraum von 3 Monaten nach Vorlage des Jahresabschlusses zu beschränken. Dem folgt die Kammer. Da das Einsichtsrecht erstmals im Oktober 2015 geltend gemacht wurde, wurde die Frist im Hinblick auf die Jahresabschlüsse 2009 bis 2013 jedenfalls nicht eingehalten. Dass die Unterlagen aus den Jahren 2009 bis 2013 aus Gründen der Bilanzkontinuität für die Überprüfung der Jahresabschlüsse 2014 und 2015 erforderlich wären, hat die Klagepartei nicht substantiiert dargetan. Im Übrigen ist die Bilanzkontinuität ist kein passendes Argument, um Positionen in der Gewinn- und Verlustrechnung nachvollziehen zu können.
b. Was die Unterlagen aus den Geschäftsjahren 2014 und 2015 angeht, so scheitert das Einsichtsrecht daran, dass die Kläger unstreitig die Jahresabschlüsse 2014 und 2015 als verbindlich anerkannt und damit nach Ansicht der Kammer auf ihr Einsichtsrecht verzichtet haben. Zwar ist nach allgemeiner Meinung in der schlichten Stimmabgabe für den Jahresabschluss kein Verzicht auf das Prüfungsrecht aus § 166 I HGB zu sehen, sondern die Frage, ob ein Verzicht auf das Einsichtsrecht vorliegt, ist unter Würdigung aller Umstände zu beantworten. Im vorliegenden Fall haben die Kläger jedoch unstreitig nicht nur bei Feststellung der Jahresabschlüsse 2014 und 2015 mit „ja“ gestimmt, sondern sie haben zusätzlich auch für die Entlastung der Geschäftsführung gestimmt. Hinzu kommt, dass ihnen bei der jeweiligen Abstimmung unstreitig die jeweiligen Jahresabschlüsse schon seit Wochen vorlagen. Angesichts dieser zusätzlichen Umstände geht die Kammer von einem Verzicht aus.
3. Schließlich ergibt sich das streitgegenständliche Einsichtsrecht auch nicht aus § 51 a I GmbHG analog, denn das Recht aus § 51 a I GmbHG hat nach herrschender Ansicht, der die Kammer folgt, nur der GmbH-Gesellschafter.
4. Ein Anspruch aus § 166 III HGB, für den die Kammer überdies nicht zuständig wäre, wurde nicht geltend gemacht.
II.
Die in Antrag II erhobene Feststellungsklage ist mangels Feststellungsinteresses unzulässig.
B.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.


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