Handels- und Gesellschaftsrecht

Filmfonds in Form einer Publikums-KG – Höhe eines Abfindungsguthabens

Aktenzeichen  31 O 19797/17

Datum:
24.6.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 56605
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 91 f., § 256 Abs. 1, § 356, § 431, § 708 Nr. 11, § 711
HS 2 BGB § 319 Abs. 1 S. 2
BGB § 133, § 157

 

Leitsatz

Sinn und Zweck einer Schiedsgutachtervereinbarung ist es ohne vermeidbarer Zeitverzögerung tatsächliche Feststellungen zu treffen, welche dann die Grundlage für das weitere Vorgehen der Vertragsbeteiligten bilden (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 14.02.2002, Az.: 3 U 8/01). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 5.972,00 € festgesetzt.

Gründe

Hinsichtlich des Hauptantrags und ersten Hilfsantrags ist die zulässige Klage ist derzeit unbegründet. Der zweite Hilfsantrag auf Feststellung ist bereits unzulässig.
I.
Die Klage ist derzeit bezüglich der o.g. Anträge unbegründet, weil über die Höhe des Abfindungsguthabens entgegen § 23 Ziffer 6 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages (Anlage K 4) kein Schiedsgutachten durch ein von der Wirtschaftsprüferkammer M. zu benennenden Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater eingeholt worden ist.
1. Der Beklagte beruft sich ausdrücklich auf die Schiedsgutachterklausel, so dass das Gericht die Höhe der Abfindung nicht in entsprechender Anwendung von § 319 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB bestimmen kann. Ansonsten würde die zwischen den Parteien vereinbarte Schiedsgutachterabrede unterlaufen.
2. Die Klägerin hat trotz bestrittener Höhe des Abfindungsguthabens ein entsprechendes Schiedsgutachten bislang nicht vorgelegt.
3. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Schiedsgutachterklausel hier anwendbar. Diese ist nicht so zu verstehen, dass ein Schiedsgutachten über die streitige Höhe des Abfindungsguthabens nur eingeholt werden muss, wenn dem Grunde nach Einigkeit über den Anspruch besteht.
Die gebotene Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB ergibt keine derartige Einschränkung der Schiedsgutachterabrede. Der Wortlaut „kann über die Höhe der Abfindung … kein Einvernehmen erzielt werden“ trifft in wörtlicher Hinsicht allein eine Regelung bezüglich der Höhe, ohne eine Verknüpfung zum Grund des Anspruches herzustellen. Eine derartige Einschränkung in wörtlicher Hinsicht ist aus dem Wortlaut der Regelung nicht ersichtlich. Auch unter systematischer beziehungsweise teleologischer Betrachtung der Regelung kann nicht angenommen werden, dass Voraussetzung für die Einholung eines Schiedsgutachtens die Einigkeit über den Anspruch dem Grunde nach ist. Denn Sinn und Zweck einer Schiedsgutachtervereinbarung ist es ohne vermeidbarer Zeitverzögerung tatsächliche Feststellungen zu treffen, welche dann die Grundlage für das weitere Vorgehen der Vertragsbeteiligten bilden (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 14.02.2002, Aktenzeichen 3 U 8/01, RdNr. 20, juris). Diesem Sinn und Zweck wird die Regelung auch im Fall des streitigen Anspruchsgrundes gerecht, da das Schiedsgutachten im Rahmen eines ordentlichen Verfahrens verbindlich Tatsachen zur Höhe feststellt, § 23 Ziffer 6 letzter Satz des streitgegenständlichen Gesellschaftsvertrags.
4. Die streitgegenständliche Schiedsgutachterabrede verstößt auch nicht gegen § 242 BGB. Grundsätzlich hat jeder Beklagte das Recht, sich sowohl hinsichtlich seines Anspruchs dem Grunde als der Höhe nach zu verteidigen. Allein die Tatsache, dass die Beklagte vorprozessual keine Anstrengungen zur Einholung eines Schiedsgutachtens unternommen hat, begründet kein treuwidriges Verhalten. Denn aus der Natur der Sache ergibt sich bereits, dass bei Uneinigkeit derjenige das Schiedsgutachten erholt, welcher einen Anspruch geltend macht und damit die Beweislast trägt.
5. Von der Setzung einer Frist zur Einholung des Schiedsgutachtens sieht das Gericht ab, weil das Gutachten bislang nicht beauftragt worden ist und mit seiner Fertigstellung angesichts der Komplexität der Materie auch nicht alsbald gerechnet werden kann (vgl. Oberlandesgericht München, Urteil vom 27.10.1999, Az.: 7 U 3147/99, Beck RS 19930079301, Entscheidungsgründe II 4). Dem Zweck der Vorschrift des § 356 ZPO würde es widersprechen, in Fällen wie dem hiesigen, eine Frist nach § 356 ZPO zu setzen. Denn hier hat die Klägerin als Beweisführerin das Hindernis geschaffen, in dem sie das Gutachten nicht beauftragt hat. Nach Überzeugung des Gerichts kann der Klägerin daher kein schutzwürdiges Interesse daran zugebilligt werden, die Entscheidung des Rechtsstreits aufzuschieben.
II.
Der Hilfsantrag festzustellen, dass die gegenüber der Beklagtenpartei geltend gemachte Einlageforderung der Klägerin in Höhe von 2.400,00 € als unselbstständiger Rechnungsposten zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen ist, ist unzulässig, da es insoweit an einem Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO fehlt. Denn mit der Kündigung der Beklagten tritt die Einlageforderung als unselbständiger Abrechnungsposten in die Berechnung der Abfindung ein. Gegenstand einer Feststellungsklage kann aber nur das Bestehen von Rechtsverhältnissen sein. Einzelne Elemente oder bloße Grundlagen für die Berechnung eines einheitlichen Anspruchs sind keine Rechtsverhältnisse in diesem Sinne.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben