Aktenzeichen 4 BV 15.1540
BayKAG BayKAG Art. 18
BayVwVfG BayVwVfG Art. 1, Art. 2, Art. 57
BGB BGB § 387, § 388
GG GG Art. 108 Abs. 4 S. 2
GewStG GewStG § 20 Abs. 3
Leitsatz
1. Bei der Erhebung von Gewerbesteuern durch Kommunen sind Verrechnungsvereinbarungen grundsätzlich formfrei möglich. Lässt sich der Abschluss einer Verrechnungsvereinbarung jedoch nicht nachweisen, trifft die sich hierauf berufende Gemeinde die materielle Beweislast. (amtlicher Leitsatz)
2 Rechtsfragen, die Realsteuern – wie zB die Gewerbesteuer – betreffen, sind allein anhand der Abgabenordnung zu beantworten. Ein Rückgriff auf das Bayerische Verwaltungsverfahrensgesetz kommt nicht in Betracht. (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine Gemeinde kann gegenüber der Gewerbeerstattungsforderung einer Persoenen- oder Kapitalgesellschaft auch dann nicht mit einer Forderung gegenüber einem anderen Gesellschaft aufrechnen, wenn an den Gesellschaften die gleichen Persoenen beteiligt sind. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
10 K 14.4547 2015-04-30 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1. Die Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht zur Zahlung von 40.193,10 Euro zuzüglich Zinsen an den Kläger verurteilt. Zwar geht der Senat – anders als das Verwaltungsgericht – davon aus, dass die streitgegenständlichen Rechtsfragen allein anhand der Abgabenordnung zu beantworten sind und ein Rückgriff auf das Bayerische Verwaltungsverfahrensgesetz, insbesondere auf das darin für öffentlich-rechtliche Verträge geregelte Schriftformerfordernis, nicht in Betracht kommt (dazu a). Auch unter Zugrundelegung des – insoweit abschließenden – Rechtsregimes der Abgabenordnung ist der dem Grund und der Höhe nach unstreitig entstandene Gewerbesteuererstattungsanspruch des Klägers jedoch nicht erloschen. Insbesondere kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht vom Zustandekommen einer Verrechnungsvereinbarung zwischen den Beteiligten ausgegangen werden (dazu b).
a) Die streitgegenständlichen Rechtsfragen sind allein anhand der Abgabenordnung und nicht unter Rückgriff auf das Bayerische Verwaltungsverfahrensgesetz zu beantworten (dazu aa). Die Zulässigkeit der im Streit stehenden Auf- bzw. Verrechnung beurteilt sich daher nach § 226 AO sowie anhand der von der finanzgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze für Zustandekommen und Wirksamkeit von Verrechnungsvereinbarungen (dazu bb).
aa) Nach § 1 Abs. 2 AO gelten für die Realsteuern, soweit ihre Verwaltung kraft Landesrechts (siehe Art. 108 Abs. 4 Satz 2 GG) den Gemeinden übertragen worden ist, die im Einzelnen benannten Vorschriften der Abgabenordnung entsprechend. Zu den Realsteuern zählt gemäß § 3 Abs. 2 AO die Gewerbesteuer, deren Verwaltung in Bayern nach Art. 18 KAG mit Ausnahme des Messbetrags- und des Zerlegungsverfahrens den Gemeinden übertragen ist. Die durch § 1 Abs. 2 AO angeordnete entsprechende Anwendung der Abgabenordnung dient der Rechtseinheit; sie soll gewährleisten, dass die Steuerpflichtigen im Verwaltungsverfahren der Gemeinden auf dem Gebiet der Realsteuern nicht anders behandelt werden als diejenigen Steuerpflichtigen, die der Steuerverwaltung einer Bundes- oder Landesbehörde unterliegen (BVerwG, U. v. 20.8.1986 – 8 C 89.84 – NVwZ 1987, 55/56; Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Loseblatt, § 1 AO Rn. 60). Der Vorschriftenkatalog des § 1 Abs. 2 AO umfasst den weit überwiegenden Teil der Regelungen der Abgabenordnung, unter anderem die allgemeinen Verfahrensvorschriften (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 AO) und die Vorschriften des Fünften Teils der Abgabenordnung über das Erhebungsverfahren (§ 1 Abs. 2 Nr. 5 AO). Hierzu gehören etwa die Bestimmung über die Aufrechnung nach § 226 AO ebenso wie die von der finanzgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze für Zulässigkeit und Wirksamkeit von Aufrechnungs- bzw. Verrechnungsverträgen.
Die streitgegenständlichen Rechtsfragen betreffend die Gewerbesteuerverrechnung sind somit ausschließlich anhand des Rechtsregimes der vom Bundesgesetzgeber für maßgeblich erklärten Abgabenordnung zu beurteilen (vgl. auch Art. 1 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 BayVwVfG). Diese genießt bereits aufgrund der bundesgesetzlichen Anordnung den Vorrang vor landesrechtlichen Regelungen (vgl. BVerwG, U. v. 20.8.1986 – 8 C 89.84 – NVwZ 1987, 55/56; Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 2 Rn. 58). Die vom Verwaltungsgericht thematisierte Frage einer Ausnahme vom Anwendungsbereich des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG stellt sich daher ebenso wenig wie die Frage der Reichweite der (landesrechtlichen) Verweisung auf die Abgabenordnung nach Art. 13 KAG, die sich auf die Kommunalabgaben nach Art. 10 KAG und nicht auf die in der Verwaltungskompetenz der Gemeinden liegenden Steuern nach Art. 18 KAG bezieht. Eine (subsidiäre) Anwendung des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes, etwa des für öffentlich-rechtliche Verträge geltenden Schriftformerfordernisses nach Art. 57 BayVwVfG, kommt nach alledem nicht in Betracht.
bb) Die (einseitige) Aufrechnung mit Ansprüchen bzw. gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ist in § 226 Abs. 1 AO geregelt, der auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Aufrechnung nach §§ 387 ff. BGB verweist (vgl. speziell zur Gewerbesteuer auch § 20 Abs. 3 GewStG). Davon zu unterscheiden ist die (zwei- oder mehrseitige) vertragliche Vereinbarung zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Steuergläubiger über die Verrechnung wechselseitiger Forderungen in Form eines Aufrechnungs- oder Verrechnungsvertrags (vgl. hierzu und zum Folgenden Rozek in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 226 AO Rn. 150 ff. m. w. N.). Die Zulässigkeit eines solchen Verrechnungsvertrags ist nach ständiger finanzgerichtlicher Rechtsprechung auch für die Verrechnung öffentlich-rechtlicher Ansprüche anerkannt, und zwar namentlich dann, wenn es an den Voraussetzungen für eine Aufrechnung nach § 226 AO – etwa an der Gegenseitigkeit der Forderungen – fehlt (vgl. BFH, U. v. 13.1.2000 – VII R 91/98 – BFHE 191, 5 Rn. 28). Anders als im Steuerfestsetzungsverfahren (dazu etwa Wünsch in Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 78 Rn. 22) sind im Erhebungsverfahren nach §§ 218 ff. AO, das die Verwirklichung des festgesetzten Steueranspruchs betrifft, derartige Vereinbarungen grundsätzlich möglich.
Nach ständiger Rechtsprechung kann Vertragspartner des Finanzamts – bzw. hier der Gemeinde – der Steuerpflichtige selbst, aber auch ein dritter Forderungsinhaber sein, so dass mittels Verrechnungsvertrags im Ergebnis der in § 48 Abs. 1 AO geregelte Fall der Zahlung von Steuerschulden durch einen Dritten erreicht werden kann (vgl. BFH, U. v. 21.2.1989 – VII R 42/86 – BFH/NV 1989, 762). Die Umbuchung kann ein Angebot zum Abschluss eines Verrechnungsvertrags darstellen, das der Annahme des Berechtigten bedarf (vgl. BFH, U. v. 26.7.2005 – VII R 72/04 – BFHE 210, 8 Rn. 17). Im bloßen Schweigen des Steuerpflichtigen auf ein solches Verrechnungsangebot liegt allein noch keine Annahme des Vertragsangebots (BFH, U. v. 18.7.1989 – VII R 46/86 – BFH/NV 1991, 69). Der Abschluss eines Verrechnungsvertrags unterliegt keiner besonderen Form; schon zur Vermeidung von Beweisnachteilen empfiehlt sich aber eine schriftliche Fixierung (Rozek in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 226 AO Rn. 153).
b) An diesen Vorgaben gemessen ist der in Höhe von 40.193,10 Euro entstandene Gewerbesteuererstattungsanspruch (dazu aa) weder durch einseitige Aufrechnung der Beklagten (dazu bb) noch durch eine dreiseitige Verrechnungsvereinbarung zwischen der Beklagten, der Insolvenzschuldnerin B. und der Drittschuldnerin G. (dazu cc) erloschen.
aa) Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass ein Gewerbesteuererstattungsanspruch für die Steuerjahre 2007 und 2008 in Höhe von insgesamt 40.193,10 Euro entstanden ist (§ 37 Abs. 1 und Abs. 2, § 38 AO). Dies ergibt sich, wie auch das Verwaltungsgericht festgestellt hat, aus den bestandskräftigen Bescheiden der Beklagten vom 7. April 2010 (Gewerbesteuerguthaben 2007 von 26.958 Euro, nämlich 25.488 Euro zuzüglich 1.470 Euro Zinsen) und vom 22. April 2010 (Gewerbesteuerguthaben 2008 von 6.836 Euro). Zu dem in Höhe von 33.794 Euro entstandenen Erstattungsanspruch kommen die Zinsen aus dem Bescheid vom 7. April 2010 (bis 31.7.2013) in Höhe von 5.039,10 Euro und die Zinsen aus dem Bescheid vom 22. April 2010 (bis 31.7.2013) in Höhe von 1.360 Euro hinzu, woraus sich die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Verurteilung zur Hauptforderung in Höhe von 40.193,10 Euro ergibt. Zu der darüber hinausgehenden Erstattungsforderung aus dem Bescheid vom 4. Juli 2011 betreffend das Gewerbesteuerguthaben 2009 über 10.609 Euro hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, dass dieser Betrag in Höhe von 5.009 Euro durch Auszahlung an den Rechtsvorgänger des Klägers und im Übrigen durch Aufrechnung bzw. Saldierung mit einem Vorjahresrest im Bescheid vom 4. Juli 2011 selbst erloschen ist. Dieser Betrag ist im Berufungsverfahren nicht mehr streitgegenständlich.
bb) Wie das Verwaltungsgericht weiter zutreffend ausgeführt hat, ist der sonach in Höhe von 40.193,10 Euro entstandene Erstattungsanspruch nicht durch einseitige Aufrechnung der Beklagten nach § 47 AO, § 226 AO i. V. m. §§ 387 ff. BGB erloschen. Die Beklagte konnte gegenüber den Gewerbesteuererstattungsforderungen der Insolvenzschuldnerin B. nicht mit einer Forderung aufrechnen, die ihr gegenüber der G. als Drittschuldnerin zustand. Diesbezüglich ermangelte es an der von § 387 BGB vorausgesetzten Aufrechnungslage im Sinn einer Gegenseitigkeit der Forderungen. Die Gegenseitigkeit fehlt nämlich auch, wenn Schuldner und Gläubiger verschiedene Personengesellschaften oder Kapitalgesellschaften sind, obwohl an den Gesellschaften die gleichen Personen beteiligt sind (Fritsch in Koenig, § 226 Rn. 10 f. m. w. N.). Dementsprechend bestand im Streitfall keine Schuldner- und Gläubigeridentität, auch wenn Herr G. Geschäftsführer sowohl der Insolvenzschuldnerin B. als auch der Drittschuldnerin G. war und die beide GmbHs ihren Geschäftssitz unter derselben Adresse hatten. Die Aufrechnungsmitteilungen der Beklagten jeweils in Höhe von 33.749 Euro an die Insolvenzschuldnerin und die Drittschuldnerin (mutmaßlich) vom 23. April 2010 (Ausdrucksdatum 22.4.2013) konnten daher nicht zu einem Erlöschen der Gewerbesteuererstattungsforderung der Insolvenzschuldnerin führen.
cc) Die grundsätzlich mögliche Behebung des Mangels der Gegenseitigkeit durch Abschluss eines Verrechnungsvertrags hat ebenfalls nicht stattgefunden. Das Zustandekommen einer dreiseitigen Verrechnungsvereinbarung zwischen der Beklagten, der Insolvenzschuldnerin B. und der Drittschuldnerin G. – die beiden letzteren vertreten durch den Geschäftsführer G. – konnte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Gerichts festgestellt werden. Angesichts der verbleibenden Zweifel am Zustandekommen einer derartigen Abrede trifft die sich hierauf berufende Beklagte insoweit die materielle Beweislast (vgl. Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 86 Rn. 2a).
(1) Vorab ist festzuhalten, dass es für den Abschluss einer derartigen Vereinbarung nicht auf etwaige Handlungen, Unterlassungen oder Äußerungen des Steuerberaters des Zeugen G. bzw. der Sachbearbeiter der Steuerkanzlei, sondern auf das Tätigwerden des Zeugen G. selbst ankommt. Wie der Zeuge G. und die Zeugin S. in der mündlichen Verhandlung insoweit übereinstimmend angegeben haben, war der Steuerberater nicht zum Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung ermächtigt. Der Zeuge G. ging nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung davon aus, dass sein Steuerberater einen derartigen Verzicht auf Ansprüche der B. zugunsten der G., die einer Vermischung der beiden Firmen gleichkomme, nicht ohne seine Zustimmung erklärt hätte. Die Zeugin S. hat angegeben, dass die der Beklagten vorgelegte Vollmacht der Steuerkanzlei eine Empfangsvollmacht darstellte, die keine Ermächtigung zum selbstständigen Abschluss eines Verrechnungsvertrags enthalten habe. Eine wirksame Verrechnungsvereinbarung mit der Beklagten konnte somit nur durch den Geschäftsführer G. selbst geschlossen werden.
(2) Nach dem Akteninhalt sowie dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 9. April 2010 (Gerichtsakte VG Bl. 28, Gerichtsakte VGH Bl. 35) zwar ein Angebot zum Abschluss einer Verrechnungsvereinbarung – bezogen auf das im Bescheid vom 7. April 2010 festgesetzte Gewerbesteuerguthaben 2007 in Höhe von 26.958 Euro – abgegeben hat. Eine Annahme dieses Angebots durch den Zeugen G. als Geschäftsführer der B. und der G. lässt sich jedoch nicht feststellen. Erst recht konnte keine wirksame Verrechnungsvereinbarung bezüglich des – erst mit Bescheid vom 22. April 2010 festgesetzten – Gewerbesteuerguthabens 2008 über 6.836 Euro zustande kommen. Für die Annahme eines Verrechnungsangebots ist nach den oben dargelegten Maßstäben der Abgabenordnung zwar keine schriftliche, wohl aber eine tatsächliche Annahmeerklärung in Form einer unzweideutigen Betätigung des Annahmewillens erforderlich. Eine bloße widerspruchslose Hinnahme – etwa in Anlehnung an das Rechtsinstitut des Schweigens im kaufmännischen Rechtsverkehr – kann im öffentlich-rechtlich geprägten (Steuer-)Rechtsverhältnis nicht zur Begründung einer Verrechnungsvereinbarung genügen (vgl. BFH, U. v. 18.7.1989 – VII R 46/86 – BFH/NV 1991, 69). Hiervon ging im Übrigen auch die Beklagte selbst in ihrem Angebotsschreiben vom 9. April 2010 aus, deren Passage („Mit Ihrem Einverständnis würden wir die beiden PKs miteinander verrechnen …“) ersichtlich auf eine Reaktion des Zeugen G. angelegt ist und aus den o.g. Gründen auch angelegt sein musste. Der formblattmäßige Hinweis in den maschinell erstellten Aufrechnungsmitteilungen (wohl) vom 23. April 2010 an die B. und die G. („Sollten Sie mit der von uns durchgeführten Aufrechnung nicht einverstanden sein, so setzen Sie sich bitte mit uns in Verbindung“) vermag daran nichts zu ändern und macht eine Annahme des Verrechnungsangebots nicht entbehrlich.
Eine derartige Angebotsannahme konnte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Gerichts festgestellt werden, und zwar unabhängig davon, ob die Aussage des Zeugen G., er könne sich an nichts erinnern, glaubhaft ist. Ausweislich des vorprozessualen Schriftverkehrs ging die Beklagte nämlich selbst davon aus, dass keine ausdrückliche Annahmeerklärung vorlag. So hat sie im Schreiben vom 11. Juli 2013 an den Rechtsvorgänger des Klägers mitgeteilt, man habe die Nicht-Antwort des Zeugen G. auf das Schreiben vom 9. April 2010 als stillschweigende Zustimmung gewertet. Dementsprechend hat auch die Zeugin S. in der mündlichen Verhandlung zunächst erklärt, die Beklagte habe – nachdem sich der Kläger 14 Tage lang nicht auf das Schreiben vom 9. April 2010 hin gemeldet habe – am 23. April 2010 die Verrechnung vorgenommen. Sie sei vom Einverständnis des Zeugen G. ausgegangen, weil er mehrmals in anderen Angelegenheiten bei ihr gewesen sei und der Verrechnung niemals widersprochen habe. Dieses bloße Schweigen genügt jedoch gerade nicht zur Begründung einer Verrechnungsvereinbarung. Soweit die Zeugin S. im weiteren Verlauf der Verhandlung erklärt hat, der Zeuge G. habe die Frage, ob die Verrechnung in Ordnung gehe, positiv bestätigt, handelt es sich um gesteigertes Vorbringen, das weder mit ihren Angaben zu Beginn der Befragung noch mit dem Akteninhalt in Einklang zu bringen ist.
(3) Die im Berufungsverfahren vorgelegte Bestätigung vom 19. Dezember 2013 (Eingangsdatum bei der Beklagten 17.2.2014, Gerichtsakte VGH Bl. 36), die der Zeuge G. nahezu vier Jahre nach dem streitgegenständlichen Geschehen unterzeichnet hat, führt zu keiner anderen Beurteilung. Darin hat der Zeuge B. erklärt, dass er mit der Verrechnung im April 2010 einverstanden gewesen sei und auch eine Verrechnungsmitteilung erhalten habe. In der mündlichen Verhandlung hat der Zeuge B. hierzu mitgeteilt, die Erklärung sei insoweit unzutreffend, als er schon bei ihrer Unterzeichnung nicht konkret gewusst habe, ob er sich mit einer solchen Verrechnung im Jahr 2010 einverstanden erklärt habe. Er habe die Vereinbarung unterschrieben, weil er zu dieser Zeit mit der Beklagten wegen der Gewährung einer Stundung hinsichtlich eines größeren Steuerbetrags in Kontakt gewesen sei. Unabhängig von der konkreten Unterzeichnungssituation ist das Schreiben nicht geeignet, das frühere Zustandekommen einer Verrechnungsvereinbarung mit hinreichender Sicherheit zu belegen. Dies ergibt sich letztlich aus der Zeugenaussage der Zeugin S. selbst, wonach sie die von ihr aufgesetzte Bestätigung vom Zeugen G. habe unterschreiben lassen, um für das laufende Gerichtsverfahren etwas Schriftliches in der Hand zu haben. Dies belegt, dass für die Beklagte nach ihrem Verständnis ersichtlich die Notwendigkeit bestand, in Ermangelung eines anderen Nachweises oder Hilfsmittels – etwa in Form eines Aktenvermerks – nachträglich einen Beleg für die von ihr vorgetragene Verrechnungsabrede zu kreieren.
(4) In Würdigung der Gesamtumstände des Falles verbleiben für den erkennenden Senat am Zustandekommen einer Verrechnungsvereinbarung erhebliche Zweifel, die sich zulasten der Beklagten auswirken. Diese trifft die materielle Beweislast für das Vorliegen einer derartigen Vereinbarung, auf die sie sich als Erlöschensgrund für den Gewerbesteuererstattungsanspruch des Klägers beruft. Dies gilt nicht zuletzt mit Blick auf die Tragweite und (finanzielle) Bedeutung einer derartigen Verrechnungsvereinbarung, die angesichts ihrer wirtschaftlichen Größenordnung und des zugrundeliegenden Dreiecksverhältnisses mit Insolvenz- und Drittschuldnerin für alle Beteiligten keine alltägliche Situation darstellt. In dieser Situation hätte es für die Beklagte – wenn sie schon nicht den nachweissicheren Weg einer klaren schriftlichen Vereinbarung wählt – zumindest nahegelegen, einen entsprechenden Aktenvermerk zu fertigen und diesen den Beteiligten zur Kenntnis zu geben. Da nach alledem nicht vom Erlöschen des Erstattungsanspruchs ausgegangen werden kann, kommt es auf die erstinstanzlich diskutierten Fragen einer insolvenzrechtlichen Anfechtung nach §§ 129 ff. InsO nicht mehr an.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).
3. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 40.193,10 Euro festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG).