Handels- und Gesellschaftsrecht

II ZR 164/20

Aktenzeichen  II ZR 164/20

Datum:
27.7.2021
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:270721UIIZR164.20.0
Normen:
§ 826 BGB
Spruchkörper:
2. Zivilsenat

Leitsatz

1. Die vorsätzliche Insolvenzverschleppung in der Absicht, das als unabwendbar erkannte Ende eines Unternehmens so lange wie möglich hinauszuzögern, erfüllt den Tatbestand einer sittenwidrigen Schädigung i.S.d. § 826 BGB, wenn dabei die Schädigung der Unternehmensgläubiger billigend in Kauf genommen wird.
2. Der Schutzbereich einer vorsätzlich sittenwidrigen Insolvenzverschleppung erfasst Personen, die vor Insolvenzreife in Vertragsbeziehungen mit einer GmbH getreten sind und durch einen gegen die mittlerweile unerkannt insolvenzreife Gesellschaft eingeleiteten Rechtsstreit oder ein gegen diese eingeleitetes selbständiges Beweisverfahren mit Kosten belastet werden, für die sie bei der Gesellschaft keinen Ersatz erlangen können.

Verfahrensgang

vorgehend OLG Karlsruhe, 9. September 2020, Az: 6 U 109/19, Urteilvorgehend LG Karlsruhe, 4. Oktober 2019, Az: 6 O 28/19

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 9. September 2020 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Beklagte.
Streitwert: bis 7.000 €
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Der Kläger beauftragte am 14. Januar 2015 die S.        GmbH, deren Geschäftsführer der Beklagte war, mit Fassadenarbeiten. Nach Abschlagszahlungen in Höhe von 13.000 € und ergebnislosen Fristsetzungen zur Erbringung der Werkleistung kündigte der Kläger den Vertrag mit Schreiben vom 22. August 2016 und forderte unter Fristsetzung zum 29. August 2016 die Beseitigung mehrerer behaupteter Mängel sowie die Rückzahlung von 11.000 € entsprechend dem seiner Ansicht nach erreichten Leistungsstand. Die Aufforderung blieb ohne Ergebnis.
2
Mit Schriftsatz vom 30. August 2016 beantragte der Kläger ein selbständiges Beweisverfahren gegen die S.          GmbH mit Beweisfragen zum Leistungsstand und dem darauf entfallenden Werklohn, zu behaupteten Mängeln der bislang erbrachten Werkleistungen und zu Gebäudeschäden. Das Landgericht ordnete mit Beschluss vom 16. November 2016 eine sachverständige Begutachtung an.
3
Am 5. Dezember 2016 erging gegen den Beklagten ein Strafbefehl wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung. Den dagegen eingelegten Einspruch hat der Beklagte auf die Rechtsfolgen beschränkt. Nach Eigenantrag vom 14. Dezember 2016 wurde über das Vermögen der S.       GmbH am 21. März 2017 das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt.
4
Am 11. Mai 2017 erstattete der Sachverständige im selbständigen Beweisverfahren ein schriftliches Gutachten, in dem er eine Leistungserbringung von lediglich ca. 5 % (900 € einschließlich Umsatzsteuer) und Mängel feststellte, deren Beseitigungskosten er auf 6.400 € schätzte.
5
Mit Schreiben vom 9. Juni 2017 äußerte sich erstmals der Insolvenzverwalter der S.        GmbH im selbständigen Beweisverfahren und gab bekannt, dass die Insolvenzmasse nicht in der Lage sei, Kosten für die Vergütung eines Sachverständigen zu tragen.
6
Der Kläger verlangt die Erstattung von Gerichtskosten des selbständigen Beweisverfahrens, die er mit 317 € angibt, Kosten der gerichtlich angeordneten Begutachtung durch den Sachverständigen, deren Höhe er mit 2.606,02 € beziffert, und Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.935,49 €. Daneben begehrt er die Feststellung, dass dem Zahlungsanspruch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung des Beklagten zugrunde liegt. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten wurde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten.


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