Handels- und Gesellschaftsrecht

Insolvenz eines Gewerberaummieters: Abgesonderte Befriedigung des Vermieters aus einem ihm verpfändeten Sparguthaben hinsichtlich seines Schadensersatzanspruchs wegen vorzeitiger Beendigung des Vertragsverhältnisses

Aktenzeichen  IX ZR 44/21

Datum:
27.1.2022
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2022:270122UIXZR44.21.0
Normen:
§ 50 Abs 1 InsO
§ 50 Abs 2 InsO
§ 109 Abs 1 S 3 InsO
§ 1273 BGB
§§ 1273ff BGB
§ 1279 BGB
Spruchkörper:
9. Zivilsenat

Leitsatz

1. Hat ein gewerblicher Mieter ein Sparguthaben für alle Ansprüche des Vermieters aus dem Mietverhältnis und seiner Abwicklung wirksam verpfändet und macht der Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Mieters von seinem Sonderkündigungsrecht Gebrauch, sichert das vertragliche Pfandrecht auch den Schadensersatzanspruch des Vermieters wegen vorzeitiger Beendigung des Vertragsverhältnisses. Der Vermieter ist zur abgesonderten Befriedigung berechtigt.
2. Die Vorschrift des § 50 Abs. 2 InsO ist auf ein vertraglich vereinbartes Pfandrecht nicht entsprechend anwendbar.

Verfahrensgang

vorgehend OLG Koblenz, 16. März 2021, Az: 3 U 1141/20vorgehend LG Mainz, 26. Juni 2020, Az: 3 O 116/19

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 16. März 2021 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Die S.                 GmbH (künftig: Schuldnerin) mietete für den Zeitraum vom 1. März 2016 bis zum 31. Januar 2021 von der Beklagten Gewerberäume nebst dazugehöriger Stellplätze für monatlich 3.509,46 € brutto. Ausweislich des Mietvertrags hatte die Schuldnerin der Beklagten “für die Einhaltung der (ihr) aus diesem Vertrag obliegenden Verbindlichkeiten eine Sicherheit in Geld in Höhe von 8.225,88 €” zu gewähren. In Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtung verpfändete sie der Beklagten “als Sicherheit für alle gegenwärtigen und künftigen Ansprüche des Vermieters gegen den Mieter aus dem bestehenden Mietverhältnis” das auf einem Sparkonto bei der D.           “unterhaltene Guthaben in Höhe von 8.225,88 €” zuzüglich der darauf anfallenden Zinsen “mit der Maßgabe, dass der Vermieter ohne besonderen Nachweis der Fälligkeit der gesicherten Ansprüche berechtigt ist, unter der Vorlage der über die Spareinlage ausgestellten Urkunde jederzeit Auszahlung des verpfändeten Guthabens von der Bank zu verlangen”. Die Schuldnerin übergab der Beklagten das Sparbuch und zeigte der Bank die Verpfändung an. Am 1. Februar 2019 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser kündigte noch am gleichen Tag nach § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO das Mietverhältnis “fristgerecht zum 30. April 2019, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin”. Die Mietsache wurde der Beklagten am 20. Mai 2019 zurückgegeben und von ihr jedenfalls bis Dezember 2019 nicht anderweitig vermietet. Die Beklagte ließ sich am 5. Juli 2019 das Sparguthaben in Höhe von inzwischen 8.227,90 € auszahlen.
2
Diesen Geldbetrag verlangt der Kläger nebst Zinsen von der Beklagten zurück. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte an der Mietsicherheit ein Recht auf abgesonderte Befriedigung hatte und ob sie das Sparguthaben für Schadensersatzansprüche gemäß § 109 Abs. 1 Satz 3 InsO wegen der vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses, hilfsweise für etwaige Schadensersatzansprüche wegen unterlassener Reparaturen von Laminat, Decken und Wänden oder höchst hilfsweise für etwaige Schadensersatzansprüche wegen der Entfernung einer Telefon- und Serveranlage verwerten durfte. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt dieser sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

3
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
4
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen der Verwertung der Mietsicherheit gemäß § 275 Abs. 1, § 280 Abs. 1 und 3, § 283 Satz 1, § 249 BGB. Die Beklagte habe die Mietsicherheit zur Befriedigung der Schadensersatzansprüche aus § 109 Abs. 1 Satz 3 InsO in Anspruch nehmen dürfen. Sie habe mit der Verpfändung des Sparguthabens ein rechtsgeschäftliches Pfandrecht an einem Gegenstand der Insolvenzmasse erlangt, was ihr ein Recht auf abgesonderte Befriedigung gemäß § 50 Abs. 1, § 173 Abs. 1 InsO gewähre. Die Mietsicherheit erstrecke sich auch auf den Schadensersatzanspruch aus § 109 Abs. 1 Satz 3 InsO. Der Schadensersatzanspruch der Beklagten sei nicht durch ein Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 1 BGB beschränkt. Der Kläger habe zum Mitverschulden der Beklagten, nachdem diese hinreichend zu ihren Vermietungsbemühungen vorgetragen habe, nicht substantiiert vorgetragen und sei zudem beweisfällig geblieben. Die von der Beklagten vorgetragenen Vermietungsbemühungen seien ausreichend gewesen.
II.
5
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch wegen unberechtigter Verwertung des verpfändeten Sparguthabens zu. Vielmehr hatte die Beklagte wegen der vorzeitigen Kündigung des Mietverhältnisses durch den Kläger einen Schadensersatzanspruch aus § 109 Abs. 1 Satz 3 InsO oder aus §§ 280 ff BGB in Verbindung mit § 109 Abs. 1 Satz 3 InsO, welcher durch das ihr von der Schuldnerin an dem Sparguthaben eingeräumte vertragliche Pfandrecht (§§ 1279, 1273, 1274, 1205 BGB) abgesichert war. Die Beklagte war deswegen gegenüber dem Kläger nach § 50 Abs. 1 InsO zur abgesonderten Befriedigung aus dem ihr verpfändeten Sparbuch und gemäß § 1283 Abs. 1, § 1282 Abs. 1 Satz 1, § 1284 BGB in Verbindung mit § 173 Abs. 1 InsO zur Kündigung und Einziehung des Sparguthabens in voller Höhe berechtigt. Pfandreife nach § 1282 Abs. 1 Satz 1, § 1228 Abs. 2 oder nach § 1284 BGB war eingetreten, als die Beklagte am 5. Juli 2019 das Sparguthaben eingezogen hat.
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1. Der Beklagten stand aus § 109 Abs. 1 Satz 3 InsO beziehungsweise aus §§ 280 ff, § 314 Abs. 4 BGB in Verbindung mit § 109 Abs. 1 Satz 3 InsO gegen den Kläger ein Schadensersatzanspruch wegen der von dieser ausgesprochenen Kündigung des Mietverhältnisses zu.
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a) Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO bestehen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Mietverhältnisse des Schuldners über unbewegliche Gegenstände oder Räume mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. Doch kann der Insolvenzverwalter gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO ein Mietverhältnis über einen unbeweglichen Gegenstand oder über Räume, das der Schuldner als Mieter eingegangen war, ohne Rücksicht auf die vereinbarte Vertragsdauer oder einen vereinbarten Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung kündigen; die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Monatsende, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist. Kündigt der Verwalter, so kann der Vermieter nach § 109 Abs. 1 Satz 3 InsO wegen der vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses als Insolvenzgläubiger Schadenersatz verlangen.
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Die Rechtsnatur des in § 109 Abs. 1 Satz 3 InsO angesprochenen Anspruchs ist in der Literatur umstritten. Einige meinen, der Vermieter habe gegen den Schuldner wie in § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO einen Differenzanspruch (Tintelnot in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2020, § 109 Rn. 68 f). Andere sehen in § 109 Abs. 1 Satz 3 InsO einen eigenständigen insolvenzrechtlichen Schadensersatzanspruch (Jaeger/Jacoby, InsO, 2. Aufl., § 109 Rn. 27 f). Wieder andere vertreten die Ansicht, § 109 Abs. 1 Satz 3 InsO begründe nicht selbst einen Schadensersatzanspruch, sondern qualifiziere nur den sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch ergebenden Schadensersatzanspruch als Insolvenzforderung (HmbKomm-InsO/Pohlmann-Weide, 9. Aufl., § 109 Rn. 15; vgl. auch MünchKomm-InsO/Eckert/Hoffmann, 4. Aufl., § 109 Rn. 28; Uhlenbruck/Wegener, InsO, 15. Aufl., § 109 Rn. 10). Die Frage nach der Rechtsnatur dieses Anspruchs muss nicht beantwortet werden, weil es im Streitfall nicht darauf ankommt, ob er auf bürgerlich-rechtlichen Vorschriften beruht oder auf insolvenzrechtlichen Bestimmungen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 1977 – VII ZR 85/76, BGHZ 68, 379, 380).
9
b) Die Schuldnerin hat mit der Beklagten einen ordentlich nicht kündbaren Mietvertrag mit einer Laufzeit bis zum 31. Januar 2021 abgeschlossen. Der Kläger hat von seinem Sonderkündigungsrecht nach § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO Gebrauch gemacht und den Mietvertrag zum 30. April 2019 gekündigt; die Kündigungsfrist des § 109 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 InsO lief allerdings erst zum 31. Mai 2019 ab. Diese Falschberechnung der Kündigungsfrist ist unschädlich; die Kündigung wurde zum zulässigen Termin am 31. Mai 2019 wirksam, weil der Kläger die Kündigung auf jeden Fall zum zulässigen Termin wollte, wie sich aus dem Kündigungsschreiben ergibt (vgl. OLG Karlsruhe, WuM 2012, 666, 667 unter II.1.c; Staudinger/Rolfs, BGB, 2021, § 573c Rn. 15). Tatsächlich hat der Kläger die vermieteten Räume auch erst im Mai 2019 der Beklagten zurückgegeben. Als Folge dieser Kündigung kann die Beklagte als Insolvenzgläubigerin (§ 109 Abs. 1 Satz 3, § 38 InsO) wegen der im Vergleich zur im Mietvertrag vereinbarten Mietdauer vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses Schadenersatz verlangen.
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2. Die zwischen den Mietvertragsparteien vereinbarte Mietkaution sicherte in der Insolvenz der Schuldnerin (Mieterin) grundsätzlich auch den Anspruch der Beklagten (Vermieterin) aus § 109 Abs. 1 Satz 3 InsO beziehungsweise aus §§ 280 ff, § 314 Abs. 4 BGB in Verbindung mit § 109 Abs. 1 Satz 3 InsO.
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a) Welche Vermieteransprüche gesichert werden sollen, ergibt sich primär aus der getroffenen Vereinbarung. Enthält die Vereinbarung keine Einschränkung, dient die Mietkaution der Sicherung aller – auch der noch nicht fälligen oder bedingten – Ansprüche des Vermieters, die sich aus dem Mietverhältnis und seiner Abwicklung ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2006 – VIII ZR 71/05, NJW 2006, 1422 Rn. 12; Schneider in Spielbauer/Schneider, Mietrecht, 2. Aufl., § 551 BGB Rn. 11; Jaeger/Henckel, InsO, § 50 Rn. 12; vgl. Tintelnot in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2020, § 109 Rn. 73; MünchKomm-InsO/Eckert/Hoffmann, 4. Aufl., § 109 Rn. 34; Jaeger/Jacoby, InsO, 2. Aufl., § 109 Rn. 35).
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Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Mieters beseitigt das Sicherungsbedürfnis des Vermieters nicht. Dieser darf eine vor Insolvenzeröffnung vom Schuldner geleistete Mietkaution daher auch weiterhin behalten (vgl. Uhlenbruck/Wegener, InsO, 15. Aufl., § 108 Rn. 32; Jaeger/Jacoby, InsO, 2. Aufl., § 108 Rn. 161; MünchKomm-InsO/Eckert/Hoffmann, 4. Aufl., § 109 Rn. 34). Endet das Mietverhältnis erst nach Insolvenzeröffnung und weist der Mietvertrag keine abweichenden Regelungen auf, kann der Vermieter sämtliche Forderungen aus dem Mietvertrag – unabhängig von ihrem Entstehungszeitpunkt – mit dem nach Vertragsende fälligen Anspruch auf Rückzahlung der Kaution verrechnen. Es kommt nicht darauf an, ob die Ansprüche des Vermieters als Masseverbindlichkeiten zu erfüllen sind oder ob es sich um Insolvenzforderungen handelt (Jaeger/Jacoby, aaO; Uhlenbruck/Wegener, aaO; Guhling/Günter/Geldmacher, Gewerberaummiete, 2. Aufl., Anhang zu §§ 562-562d Rn. 331). Bei der Abrechnung kann der Vermieter nach seiner Wahl darüber entscheiden, wegen welcher Forderungen er sich aus der Mietkaution befriedigt, unabhängig davon, ob es sich jeweils um Insolvenz- oder Masseforderungen handelt (Jaeger/Jacoby, aaO; Uhlenbruck/Wegener, aaO; BeckOK-InsO/Berberich, 2021, § 108 Rn. 54.1; vgl. auch OLG Hamburg, ZMR 2008, 714, 715 f).
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b) Ausweislich der mietvertraglichen Vereinbarung diente die Mietsicherheit der “Einhaltung der (der Schuldnerin) aus diesem Vertrag obliegenden Verbindlichkeiten”, mithin sollte die Mietkaution alle – auch noch nicht fälligen – Ansprüche des Vermieters, die sich aus dem Mietverhältnis und seiner Abwicklung ergeben, sichern, auch Schadensersatzansprüche wegen Vertragsverletzungen aus §§ 280, 281, 314 Abs. 4, § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB (vgl. OLG Brandenburg, NZM 2007, 402, 403; Schneider in Spielbauer/Schneider, Mietrecht, 2. Aufl., § 551 BGB Rn. 11, 20; Moeser in Lindner-Figura/Oprée/Stellmann, Geschäftsraummiete, 4. Aufl., Kap. 12 Rn. 50; vgl. auch von der Osten/Schüller in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., Kap. III Rn. 2033). Ein Schadensersatzanspruch aus § 109 Abs. 1 Satz 3 InsO ist eine solche Verbindlichkeit, welche durch die Kaution abgesichert werden sollte.
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Der Streit über die Rechtsnatur des in § 109 Abs. 1 Satz 3 InsO genannten Anspruchs (vgl. oben Rn. 8) ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Auch die Autoren, die sich für eine eigenständige insolvenzrechtliche Anknüpfung des Anspruchs aussprechen, gehen nicht davon aus, dass der Schadensersatzanspruch ein vom Mietvertrag zu trennender Anspruch mit abweichendem Rechtsgrund wäre. Vielmehr soll durch ihn der mietvertragliche Anspruch insolvenzrechtlich abgewickelt werden. Es wird betont, der insolvenzrechtliche Schadensersatzanspruch sei bereits im Mietvertrag angelegt (Jaeger/Jacoby, InsO, 2. Aufl., § 109 Rn. 28; vgl. Tintelnot in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2020, § 109 Rn. 68). Deswegen umfasst die Kaution, die als Sicherheit für alle – auch noch nicht fälligen – Ansprüche des Vermieters, die sich aus dem Mietverhältnis und seiner Abwicklung ergeben, gegeben wird, einen etwaigen Schadensersatzanspruch aus § 109 Abs. 1 Satz 3 InsO (aA für eine Bürgschaft, mit welcher sich der Bürge für sämtlichen Verpflichtungen des Mieters aus dem Mietverhältnis verbürgt hat: OLG Rostock, NZI 2016, 804 Rn. 59). Eine solche Sicherungsabrede wird im Hinblick darauf getroffen, dass der Mieter Zahlungsschwierigkeiten hat, mithin gerade auch für den Fall, dass über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Auch wenn der in § 109 Abs. 1 Satz 3 InsO angesprochene Anspruch auf Ersatz des Mietausfallschadens einen eigenständigen insolvenzrechtlichen Schadensersatzanspruch darstellen sollte, hat er eine mietvertragliche Grundlage und ist eine aus diesem Vertrag entstehende Verbindlichkeit (vgl. Tintelnot in Kübler/Prütting/Bork, aaO Rn. 73; Jaeger/Jacoby, aaO Rn. 28, 35; MünchKomm-InsO/Eckert/Hoffmann, 4. Aufl., § 109 Rn. 34).
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3. Die Beklagte war gemäß § 50 Abs. 1 InsO nach Maßgabe der § 166 bis § 173 InsO wegen des ihr eingeräumten vertraglichen Pfandrechts an dem Sparkonto für Hauptforderung, Zinsen und Kosten zur abgesonderten Befriedigung aus dem Sparguthaben berechtigt.
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a) Die Schuldnerin hat der Beklagten – entgegen der vertraglichen Vereinbarung – keine Barkaution gewährt, sondern ihr zur Sicherung der Ansprüche aus dem Mietvertrag die Forderung auf Auszahlung des Guthabens aus dem Sparvertrag mit der D.              gemäß §§ 1273, 1274, 1280, 1205, 398 BGB wirksam verpfändet. Die Mietvertragsparteien haben sich darüber geeinigt, dass die Forderung der Schuldnerin auf Auszahlung des Sparguthabens (einschließlich künftiger Zinsen) zur Sicherung der gegenwärtigen und künftigen Forderungen der Beklagten aus dem Mietverhältnis gegen die Schuldnerin mit einem Pfandrecht der Beklagten belastet sein soll. Die Verpfändung künftiger Forderungen (hier der Zinsansprüche) ist nach § 1273 BGB ebenso möglich, wie nach § 1273 Abs. 2 Satz 1, § 1204 Abs. 2 BGB ein Pfandrecht an einer bestehenden Forderung für künftige oder bedingte Forderungen bestellt werden kann (vgl. Staudinger/Wiegand, BGB, 2019, § 1273 Rn. 14 f). Sowohl die verpfändeten (künftigen) Zinsforderungen als auch die gesicherten (künftigen) Forderungen aus dem Mietverhältnis und seiner Abwicklung sind hinreichend bestimmt bezeichnet. Die Schuldnerin hat der Beklagten das Sparbuch wie vereinbart ausgehändigt und die Verpfändung ihrer Bank angezeigt (§ 1280 BGB).
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b) Der Verwertung des Pfandrechts stand § 50 Abs. 2 Satz 1 InsO nicht entgegen. Diese Regelung stellt eine nicht verallgemeinerungsfähige Ausnahmebestimmung für das gesetzliche Pfandrecht des Vermieters und Verpächters dar (vgl. Döderlein, ZMR 2016, 181, 182).
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aa) Das sich aus § 50 Abs. 1 InsO für das rechtsgeschäftliche Pfandrecht, für das durch Pfändung erlangte Pfandrecht und für das gesetzliche Pfandrecht ergebende Absonderungsrecht wird in § 50 Abs. 2 Satz 1 InsO für das Vermieter- und Verpächterpfandrecht beschränkt. Das gesetzliche Pfandrecht des Vermieters nach § 578 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1, § 562 BGB und das gesetzliche Pfandrecht des Verpächters nach § 581 Abs. 2, § 578 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1, § 562 BGB sichern aufgrund der ausdrücklichen Anordnung des § 50 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 InsO im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Mieters und des Pächters den Schadensersatzanspruch aus § 109 Abs. 1 Satz 3 InsO nicht.
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bb) In § 50 Abs. 2 Satz 1 InsO ist nur das gesetzliche Pfandrecht des Vermieters oder Verpächters genannt, nicht jedoch das dem Streitfall zugrundeliegende vertragliche Pfandrecht an Forderungen (§§ 1279 ff BGB). In der Literatur ist streitig, ob auf die Mietsicherheit § 50 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 InsO analog anzuwenden ist (einerseits Flöther/Wehner in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 4. Aufl., § 109 Rn. 30; wohl auch FK-InsO/Wegener, 9. Aufl., § 109 Rn. 25; Zeibig, Die Mietkaution, 2012, S. 431 f allerdings ausdrücklich für die Barkaution unter Hinweis auf § 51 Nr. 1 InsO, welcher auf § 50 Abs. 1 und Abs. 2 InsO verweise; Heinze, ZInsO 2010, 1073, 1076 ebenfalls für die Barkaution; andererseits LG Hamburg, ZMR 2008, 209, 210; MünchKomm-InsO/Eckert/Hoffmann, InsO, 4. Aufl., § 109 Rn. 34; Jaeger/Jacoby, InsO, 2. Aufl., § 109 Rn. 35 f; Tintelnot in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2020, § 109 Rn. 73; Schneider in Spielbauer/Schneider, Mietrecht, 2. Aufl., § 551 BGB Rn. 11; Guhling/Günter/Geldmacher, Gewerberaummiete, 2. Aufl., Anhang zu §§ 562-562d BGB Rn. 331; Döderlein, ZMR 2016, 181).
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(1) Für eine analoge Anwendung des § 50 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 InsO auf die Mietsicherheit ist jedenfalls dann kein Raum, wenn sie wie im Streitfall in der Form gewährt wird, dass der Mieter dem Vermieter ein Sparguthaben verpfändet. Es fehlt an einer tragfähigen Grundlage für eine Analogie. Eine solche setzt eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus. Ob eine derartige Lücke vorhanden ist, ist vom Standpunkt des Gesetzes und der ihm zugrundeliegenden Regelungsabsicht zu beurteilen. Die vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Lücke muss dabei aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden können, weil sonst jedes Schweigen des Gesetzgebers als planwidrige Lücke im Wege der Analogie von den Gerichten ausgefüllt werden könnte (BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2017 – IX ZB 100/16, NJW 2018, 954 Rn. 15; vgl. zu den weiteren Voraussetzungen auch BGH, Urteil vom 28. November 2019 – IX ZR 239/18, BGHZ 224, 177 Rn. 16). Diese Voraussetzung ist nicht gegeben.
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§ 50 Abs. 1 InsO regelt das Absonderungsrecht des Inhabers eines vertraglichen oder gesetzlichen Pfandrechts oder eines Pfändungspfandrechts. Wenn in diesem engen gesetzlichen Zusammenhang der Gesetzgeber die Einschränkung des § 50 Abs. 2 InsO allein für das gesetzliche Pfandrecht des Vermieters und Verpächters anordnet, kann von einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes nicht die Rede sein.
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(2) Das gesetzliche Vermieterpfandrecht und das Vertragspfandrecht sind zudem in Bezug auf die Beschränkung des § 50 Abs. 2 Satz 1 InsO nicht vergleichbar.
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(a) Der Umfang des Vermieterpfandrechts ist – anders als derjenige des vertraglichen Pfandrechts – zum Schutz der Mieter (BeckOGK-BGB/Reuschle, 2021, § 562 Rn. 13) und aus sozial- und kreditpolitischen Erwägungen (BeckOGK-BGB/Reuschle, 2021, § 562d Rn. 1) bereits im Bürgerlichen Gesetzbuch beschränkt. Nach § 562 Abs. 2 BGB (§ 578 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BGB) kann das Vermieterpfandrecht nicht für künftige Entschädigungsforderungen, also auch für Forderungen auf Ersatz des Mietausfalls wegen vorzeitiger Beendigung des Mietverhältnisses (BeckOGK-BGB/Reuschle, aaO § 562 Rn. 13), und für die Miete für eine spätere Zeit als das laufende und das folgende Mietjahr geltend gemacht werden. Nach § 562d BGB (§ 578 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BGB) setzt sich das Vermieterpfandrecht zudem gegenüber dem pfändenden Gläubiger zu dessen Schutz im Hinblick auf die Mietrückstände lediglich für das letzte Jahr vor der Pfändung durch. Der Regelung in § 562d BGB entspricht § 50 Abs. 2 Satz 1 Fall 1 InsO für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahren, welche an die Stelle der Pfändung tritt (BeckOGK-BGB/Reuschle, aaO § 562d Rn. 1). § 50 Abs. 2 Satz 1 InsO erweitert die auf künftige Entschädigungsforderungen bezogene Beschränkung des Vermieterpfandrechts nach § 562 BGB für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Kündigung durch den Verwalter auf den Schadensersatzanspruch aus § 109 Abs. 1 Satz 3 InsO (vgl. Döderlein, ZMR 2016, 181, 182).
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(b) Hinzu kommt, dass das als Mietkaution gewährte Vertragspfandrecht dem Vermieter lediglich den Zugriff auf einen begrenzten und von vornherein feststehenden Vermögensgegenstand gestattet, während das gesetzliche Vermieterpfandrecht bei unbeschränkter Geltung im Insolvenzverfahren dem Vermieter zum Nachteil der übrigen Gläubiger den wesentlichen Teil der Insolvenzmasse sichern könnte.
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c) Unerheblich ist, dass tatbestandliche Voraussetzung für die gesicherte Forderung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Mieters und die Wahrnehmung des Sonderkündigungsrechts durch den Insolvenzverwalter nach § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO ist. Selbst wenn es sich bei den Ansprüchen entweder aus § 109 Abs. 1 Satz 3 InsO oder den schuldrechtlichen Haftungsregelungen gemäß §§ 280 ff BGB (vgl. oben Rn. 8) um künftige Forderungen handelte, welche erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden, konnte an dem Sparguthaben zu ihrer Absicherung nach § 1204 Abs. 2 BGB ein Pfandrecht bestellt werden und entstand ein Absonderungsrecht nach § 50 Abs. 1 InsO.
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aa) Allerdings wird in der Literatur vertreten, dass trotz wirksam bestellten Pfandrechts kein Absonderungsrecht bestehe, wenn das Pfandrecht eine künftige Forderung absichere und diese Forderung erst nach Insolvenzeröffnung entstehe (Jaeger/Windel, InsO, § 91 Rn. 31; Uhlenbruck/Brinkmann, InsO, 15. Aufl., § 50 Rn. 3; Lüke in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2011, § 91 Rn. 42; Prütting in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2015, § 50 Rn. 11; Nerlich/Römermann/Kruth, InsO, 2018, § 91 Rn. 23; Schmidt/Sternal, InsO, 19. Aufl., § 91 Rn. 18; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 10.28). Andere meinen, der Pfandgläubiger sei absonderungsberechtigt, auch wenn die gesicherte Forderung erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehe. § 91 Abs. 1 InsO stehe nicht entgegen (Jaeger/Henckel, InsO, § 50 Rn. 12; MünchKomm-InsO/Ganter, 4. Aufl., Vorbemerkung vor §§ 49-52 Rn. 35; FK-InsO/Imberger, 9. Aufl., § 50 Rn. 12).
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bb) Das Absonderungsrecht nach § 50 Abs. 1 InsO entsteht auch mit der wirksamen Bestellung eines Pfandrechts an einer bestehenden Forderung zur Absicherung einer künftigen Forderung (im Unterschied zur Verpfändung einer künftigen Forderung). Der Gesetzeszweck gebietet, dass der Gläubiger – unabhängig vom Entstehen der gesicherten Forderung – schon mit der Pfandrechtsbestellung eine insolvenzfeste Stellung erwirbt. Eine Verwertung des Pfandes für eine künftige Forderung ist allerdings erst mit dem Entstehen und der Fälligkeit der Forderung möglich. Das Pfandrecht erlischt außerdem wieder, wenn feststeht, dass die Forderung nicht entstehen kann (MünchKomm-InsO/Ganter, aaO; Staudinger/Wiegand, BGB, 2019, § 1204 Rn. 26 f; Erman/Schmidt, BGB, 16. Aufl., § 1204 Rn. 16; Jaeger/Henckel, aaO; Becker-Eberhard, Die Forderungsgebundenheit der Sicherungsrechte, 1993, S. 268 ff, 305 ff; Obermüller/Kuder, Festschrift Gero Fischer, 2008, S. 385 f). Das folgt einerseits aus der Gleichstellung der künftigen Forderungen mit den bedingten in § 1204 Abs. 2 BGB, vor allem aber aus § 1209 BGB. Wenn der Rang des Pfandrechts für künftige Forderungen sich nach der Zeit der Pfandrechtsbestellung richtet, das Pfandobjekt also in diesem Zeitpunkt schon dem Pfandgläubiger ausschließlich als Haftungsgegenstand zugewiesen ist, muss diese Zuweisung auch gegenüber der Wirkung der Insolvenzverfahrenseröffnung Bestand haben (Jaeger/Henckel, aaO). Der Gesetzgeber hat die Akzessorietät beim Mobiliarpfandrecht für eine künftige Forderung gelockert. Bei diesen Rechten gehört das Entstehen der gesicherten Forderung gerade nicht zum Verfügungstatbestand (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 1983 – VIII ZR 257/81, BGHZ 86, 340, 346 ff; vom 29. November 1984 – IX ZR 44/84, BGHZ 93, 71, 75 f; vom 14. Dezember 2006 – IX ZR 102/03, BGHZ 170, 196 Rn. 14). Mit § 1204 Abs. 2, § 1209 BGB wurde die Möglichkeit geschaffen, mit sofort einsetzender Bindung des Sicherungsgebers bereits gegenwärtig für die Sicherung erst später entstehender Ansprüche Sorge zu tragen. Dies setzt voraus, dass das Sicherungsgeschäft als solches sofort wirksam wird, auch wenn die gesicherte Forderung noch nicht besteht, und das Pfandrecht sofort entsteht (Becker-Eberhard, aaO S. 284, 286 f), auch mit Wirkung für das Insolvenzverfahren (Becker-Eberhard, aaO S. 305).
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d) Die Beklagte durfte das Sparguthaben im Juli 2019 vollständig einziehen und auf ein eigenes Konto überweisen lassen, auch wenn ihr Anspruch aus § 109 Abs. 1 Satz 3 InsO oder aus §§ 280 ff, § 314 Abs. 4 BGB möglicherweise zu diesem Zeitpunkt nach allgemeinen Regeln erst in Höhe von zwei Nettomieten (2 x 2.949,13 € = 5.898,26 €) fällig war (zur Umsatzsteuer vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2018 – XII ZR 120/16, NZM 2018, 333 Rn. 25), mithin Pfandreife nach § 1282 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB in Verbindung mit § 1228 Abs. 2 Satz 1 BGB dann nur teilweise eingetreten war. § 1281 BGB steht dem nicht entgegen.
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aa) Wer eine eigenständige insolvenzrechtliche Anknüpfung des Anspruchs annimmt und den Anspruch so berechnet, dass die Miete für die fiktive Restlaufzeit nach § 41 Abs. 2 InsO abgezinst und dann der Wert der entfallenden Gebrauchsmöglichkeit geschätzt und dieser Betrag abgezogen wird (§ 45 Satz 1 InsO), kommt zu einer Fälligkeit des Anspruchs spätestens mit Ablauf der Sonderkündigungsfrist und mit Rückgabe der Räumlichkeiten in voller Höhe (Jaeger/Jacoby, InsO, 2. Aufl., § 109 Rn. 27 f, 33). Pfandreife wäre danach mit Ablauf des 31. Mai 2019 eingetreten.
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bb) Wer allerdings den Anspruch als zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch versteht (Flöther/Wehner in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 4. Aufl., § 109 Rn. 28; Uhlenbruck/Wegener, InsO, 15. Aufl., § 109 Rn. 11; Nerlich/Römermann/Balthasar, InsO, 1999, § 109 Rn. 12; HmbKomm-InsO/Pohlmann-Weide, 9. Aufl., § 109 Rn. 15; FK-InsO/Wegener, 9. Aufl., § 109 Rn. 26; MünchKomm-InsO/Eckert/Hoffmann, 4. Aufl., § 109 Rn. 28) oder zumindest die Maßstäbe der konkreten Schadensberechnung entsprechend anwendet (Tintelnot in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2020, § 109 Rn. 70), wird die zivilrechtlichen Grundsätze über den Kündigungsfolgeschaden anwenden. Der Anspruch entstünde erst sukzessiv mit den fiktiven Mieten (vgl. dazu mit weiteren Hinweisen Jaeger/Jacoby, InsO, 2. Aufl., § 109 Rn. 32; zum Kündigungsfolgeschaden, insbesondere auch zur Fälligkeit des Anspruchs: Staudinger/Emmerich, BGB, 2021, § 543 Rn. 61 ff; zur Fälligkeit des Mietausfallschadens: BGH, Urteil vom 11. Juli 1979 – VIII ZR 183/78, WM 1979, 1104, 1105; vom 20. Juni 2001 – XII ZR 20/99, juris Rn. 13). Danach wären zum Zeitpunkt der Auszahlung des Sparguthabens an die Beklagte am 5. Juli 2019 erst die Nettomieten für die Monate Juni und Juli 2019 in Höhe von insgesamt 5.898,26 € fällig gewesen, weil nach § 4 Nr. 1 des Mietvertrags die Miete spätestens am 3. Werktag eines jeden Monats zu zahlen war. Mithin waren zu diesem Zeitpunkt auch die Schadensersatzansprüche wegen der vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses in dieser Höhe fällig. Nur insoweit wäre nach § 1282 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 1228 Abs. 2 BGB Pfandreife eingetreten gewesen. Dass abweichend von § 1228 Abs. 2 BGB Pfandreife erst durch den Verzug der Schuldnerin hätte eintreten sollen (vgl. hierzu von der Osten/Schüller in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., Kap. III Rn. 2036), ergibt sich aus dem Vortrag der Parteien und den vorgelegten Urkunden nicht. Wegen des Differenzbetrages hätte eine Auszahlung allein an die Beklagte auf Grundlage der §§ 1281, 1282 BGB nicht erfolgen dürfen (vgl. BGH, Urteil vom 11. April 2013 – IX ZR 176/11, NZI 2013, 596 Rn. 17).
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Doch findet die Vorschrift des § 1281 BGB gemäß § 1284 BGB keine Anwendung, soweit der Pfandgläubiger und der Gläubiger (Verpfänder) ein anderes vereinbaren. Auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann vereinbart werden, dass der Pfandgläubiger die verpfändete Forderung schon vor Eintritt der Pfandreife kündigen und einziehen darf. Das stellt keine unangemessene Benachteiligung des Verpfänders im Sinne des § 307 Abs. 2 BGB dar (vgl. OLG Karlsruhe, Justiz 2010, 171, 173; Staudinger/Wiegand, BGB, 2019, § 1281 Rn. 8; BeckOGK-BGB/Henn, 2021, § 1281 Rn. 13; Moeser in Lindner-Figura/Oprée/Stellmann, Geschäftsraummiete 4. Aufl., Kap. 12 Rn. 122; Bieber in Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, 7. Aufl., § 551 Rn. 5a; von der Osten/Schüller in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl., Kap. III Rn. 2135; aA Soergel/Habersack, BGB, 13. Aufl., § 1281 Rn. 2). Überdies wurden die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von der Schuldnerin (Verpfänderin) gestellt, die ein Formular ihrer Bank verwendete (vgl. OLG Karlsruhe, aaO).
32
Schuldnerin (Verpfänderin) und Beklagte (Pfandgläubigerin) haben vereinbart, dass die Beklagte ohne besonderen Nachweis der Fälligkeit der gesicherten Ansprüche berechtigt war, unter Vorlage des Sparbuchs jederzeit Auszahlung des verpfändeten Betrags von der Bank zu fordern. Deswegen hat die Schuldnerin der Beklagten auch das Sparbuch ausgehändigt (§ 808 BGB). Damit haben die Mietvertragsparteien § 1281 BGB abbedungen und bestimmt, dass die Beklagte vor Pfandreife das Sparguthaben kündigen und einziehen darf. Im Umfang der fälligen Ansprüche der Beklagten gelten ihre Forderungen nach § 1288 Abs. 2 BGB als berichtigt. Entsprechendes gilt für die zu diesem Zeitpunkt noch nicht fälligen Forderungen (vgl. MünchKomm-BGB/Damrau, 8. Aufl., § 1284 Rn. 2).
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cc) Mithin durfte die Beklagte das Sparguthaben unabhängig davon in voller Höhe einziehen, ob die Schadensersatzforderung am 5. Juli 2019 schon in Gänze fällig war oder nicht. Deswegen muss auch an dieser Stelle die streitige Frage nach der Rechtsnatur des Schadensersatzanspruchs des Vermieters nach vorzeitiger Kündigung durch den Insolvenzverwalter nicht beantwortet werden.
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e) Der Verwertung durch die Beklagte standen auch nicht die Vorschriften der §§ 166 ff InsO entgegen; nach § 173 Abs. 1 InsO blieb das Recht der Beklagten zur Verwertung unberührt. Der Kläger war nicht nach § 166 Abs. 2 InsO einziehungsbefugt. Diese Vorschrift erlaubt dem Verwalter die Einziehung oder anderweitige Verwertung einer Forderung, welche der Schuldner zur Sicherung eines Anspruchs abgetreten hatte. Auf verpfändete Forderungen ist sie nicht, auch nicht entsprechend, anwendbar (BGH, Urteil vom 11. April 2013 – IX ZR 176/11, NZI 2013, 596 Rn. 15).
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4. Die Feststellungen der Vorinstanzen zur Höhe des Schadens wegen vorzeitiger Beendigung des Mietverhältnisses werden vom Kläger in der Revisionsinstanz nicht angefochten. Daher muss nicht entschieden werden, wie dieser Schaden im Einzelnen zu berechnen ist.
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