Handels- und Gesellschaftsrecht

Kein Freistellungsanspruch des Anfechtungsgegners gegen den Schuldner einer anfechtbar erfüllten Forderung

Aktenzeichen  23 U 1547/17

Datum:
26.10.2017
Fundstelle:
ZInsO – 2017, 2620
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 267, § 280 Abs. 1, § 362
InsO InsO § 144 Abs. 1
ZPO ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 321, § 513 Abs. 2, § 524 Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

1 Entscheidet das erstinstanzliche Gericht bewusst nicht über einen Anspruch, weil dieser nach Ansicht des Gerichts nicht – mehr – anhängig ist, kommt eine Urteilsergänzung nach § 321 ZPO nicht in Betracht, sondern allenfalls eine Anfechtung im Rechtsmittelweg. Nimmt der Kläger die Entscheidung des Landgerichts hin, indem er kein (Anschluss-) Rechtsmittel einlegt, entfällt die Rechtshängigkeit. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die bloße Ankündigung der Zahlung auf einen Anfechtungsanspruch führt nicht zum Wiederaufleben der anfechtbar erfüllten Forderung. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

2 HK O 3463/16 2017-04-13 Urt LGMUENCHENII LG München II

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 13.04.2017, Az. 2 HK O 3463/16 aufgehoben.
II. Die Klage wird abgewiesen.
III. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Das soeben verkündete Endurteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO wie folgt zu Protokoll begründet:

Gründe

I. Die Parteien streiten um einen Freistellungsanspruch. Die Klägerin versandte im Jahr 2014 an die Beklagte diverse Angebote über Druckleistungen und nach Erbringung der Druckleistungen Rechnungen in Höhe von insgesamt 173.804,37 Euro. Zahlungen in Höhe der Rechnungen erfolgten durch die D. Kunststoff- und M.etallwaren GmbH, über deren Vermögen seit 01.08.2015 das Insolvenzverfahren eröffnet ist. Der Insolvenzverwalter verlangt von der Klägerin jedenfalls einen Betrag in Höhe von 173.804,37 Euro zurück.
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 173.804,37 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 9% über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 26.05.2016 zu bezahlen,
hilfsweise die Klägerin von einer Forderung des Insolvenzverwalters der D. Kunststoff- und Metallwaren GmbH, Herrn J. L., in Höhe von 173.804,37 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 26.05.2016 freizustellen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 10.03.2017 (Bl. 83 d.A.) teilte die Klägerin mit, dass nur der Hilfsantrag gestellt werde.
Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen nach § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO Bezug genommen wird, hat nur über den Freistellungsantrag entschieden und diesem stattgegeben. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten.
Sie beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
hilfsweise die Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Gericht des ersten Rechtszugs.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.10.2017 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg, der Klägerin steht kein Freistellungsanspruch gegen die Beklagte zu.
1. Der Senat hat nur noch über den vom Landgericht zugesprochenen Freistellungsanspruch zu befinden. Der in erster Instanz gestellte Zahlungsantrag ist nicht mehr rechtshängig.
Zwar lag in erster Instanz keine wirksame Klagerücknahme vor, da der Zahlungsantrag in der mündlichen Verhandlung gestellt wurde und danach weder eine erneute mündliche Verhandlung stattfand noch im schriftlichen Verfahren entschieden wurde. Zudem fehlte es an einem Einverständnis der Beklagten zur Klagerücknahme, § 269 Abs. 1 ZPO. Nur ergänzend sei darauf verwiesen, dass auch kein Fall des § 264 Nr. 2 ZPO vorgelegen hätte. Der Zahlungsanspruch bezieht sich auf die Erfüllung der vertraglichen Leistungspflicht im Verhältnis der Klägerin zur Beklagten. Der Freistellungsanspruch der Klägerin ist hingegen gerichtet auf die Befreiung von einem Rückforderungsanspruch wegen insolvenzrechtlicher Anfechtung oder einem Bereicherungsanspruch im Verhältnis der Klägerin zur insolventen D. Kunststoff- und Metallwaren GmbH.
Jedoch ist die Rechtshängigkeit des Zahlungsantrags spätestens mit Ablauf der Frist für eine Anschlussberufung der Klägerin nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO entfallen. Soweit das erstinstanzliche Gericht bewusst über einen Anspruch nicht entscheidet, weil er nach Ansicht des Gerichts nicht – mehr – anhängig ist, kommt eine Urteilsergänzung nach § 321 ZPO nicht in Betracht, sondern allenfalls eine Anfechtung im Rechtsmittelweg. Nimmt der Kläger die Entscheidung des Landgerichts hin, indem er kein (Anschluss-) Rechtsmittel einlegt, entfällt die Rechtshängigkeit (BGH, NJW 2010, S. 227, 232 Tz. 70 ff; OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.05.2014, I – 2 U 22/13, BeckRS 2014, 14415 Entscheidungsgründe II E; Elzer in BeckOK ZPO, 26. Edition, § 321 Rz. 9). Eine Entscheidung des Berufungsgerichts hinsichtlich des übergangenen Anspruchs ist nicht möglich, da Ansprüche, über die das angefochtene Urteil nicht entschieden hat, in der Berufungsinstanz nicht anfallen (BGH NJW 1991, S. 1683, 1684; OLG Düsseldorf, a.a.O.).
Vorliegend hat das Landgericht im Hinblick auf den Schriftsatz der Klägerin vom 10.03.2017 bewusst nicht über den Zahlungsantrag entschieden, wie sich auch aus dem handschriftlichen Vermerk „keine Rücknahme, sondern Beschränkung nach § 264 Nr. 2“ (Bl. 83 d.A.) ergibt. Die Klägerin hat weder Berufung noch Anschlussberufung eingelegt.
2. Der Freistellungsantrag ist zulässig, die örtliche Zuständigkeit bedarf nach § 513 Abs. 2 ZPO keiner Prüfung mehr. Das Rechtsschutzbedürfnis für den Klageantrag entfällt nicht aufgrund der als Anlage K 39 vorgelegten Vereinbarung der Klägerin mit dem Insolvenzverwalter. Auch wenn sich die Klägerin gegenüber dem Insolvenzverwalter zur Weiterleitung etwa von der Beklagten erlangten Zahlungen bzw. zur Geltendmachung eines Freistellungsanspruchs verpflichtet hat, kann sie den Freistellungsanspruch als behaupteten und von der Beklagten bestrittenen eigenen Leistungsantrag geltend machen. Der Freistellungsantrag ist auch hinreichend bestimmt i.S. des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
3. Der Freistellungsantrag ist jedoch unbegründet.
3.1. Ein Freistellungsanspruch könnte sich allenfalls als Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 280 Abs. 1 BGB ergeben. Indessen ist eine Pflichtverletzung der Beklagten, die zu einem derartigen Schadensersatzanspruch führen könnte, nicht ersichtlich:
Wenn, wie von der Klägerin behauptet, die jeweiligen Verträge zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossen wurden, könnten die Zahlungen der D. Kunststoff- und Metallwaren GmbH auf die Rechnungen Leistungen eines Dritten i.S. des § 267 BGB darstellen. In diesem Fall wären die vertraglichen Zahlungsansprüche der Klägerin gegenüber der Beklagten nach § 362 BGB erloschen. Wenn die Klägerin die Zahlungen der D. Kunststoff- und Metallwaren GmbH an diese aufgrund einer insolvenzrechtlichen Anfechtung durch den Insolvenzverwalter tatsächlich zurückerstattet hätte, wären ihre ursprünglichen vertraglichen Forderungen gegen die Beklagte nach § 144 Abs. 1 InsO wieder aufgelebt (BGH NJW-RR 2013, S. 163, 165). Die bloße Ankündigung der Rückzahlung genügt hierfür nicht (Kirchhof in Münchener Kommentar zur InsO, 3. Aufl, § 144 Rz. 7; Hirte / Ede in Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl, § 144 Rz. 2). In jedem Fall aber fehlt es an einer Pflichtverletzung der Beklagten, die zu einem Freistellungsanspruch der Klägerin führen könnte.
Sollten die Zahlungen der D. Kunststoff- und Metallwaren GmbH keine Leistungen auf Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte darstellen, wären diese nicht nach § 362 BGB erloschen. Die Klägerin könnte gegen die Beklagte ihre vertraglichen Zahlungsansprüche geltend machen, der Insolvenzverwalter über das Vermögen der D. Kunststoff- und Metallwaren GmbH einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 BGB gegen die Klägerin.
Gab es, wie die Beklagte behauptet, von vornherein oder infolge späterer Vereinbarung keine vertraglichen Beziehungen zwischen der Klägerin und der Beklagten, sondern nur zwischen der Klägerin und der D. Kunststoff- und Metallwaren GmbH, scheidet ein Anspruch gegen die Beklagte aus § 280 BGB ohnehin aus.
3.2. Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus § 812 Abs. 1 S. 1 2.Alt BGB ist entgegen der Ansicht des Landgerichts weder ersichtlich noch würde sich daraus ein Freistellungsanspruch der Klägerin ergeben.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen.
Ende der Verhandlung: 16:38 Uhr
Das Protokoll wurde mittels PC erstellt.   

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel