Aktenzeichen 41 O 2511/16
Leitsatz
Der Fall des Downgrading (hier von der Premium Economy Class in die Economy Class) im Sinne von Art. 10 Abs. 2 Fluggastrechte-Verordnung stellt unionsrechtlich keinen der Nichtbeförderung im Sinne des Art. 2 lit. j Fluggastrechte-Verordnung dar, auf den Art. 4 Abs. 3 Fluggastrechte-Verordnung abhebt. Ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 lit. c Fluggastrechte-Verordnung besteht im Falle des Downgrading daher nicht. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) EUR 10.587,36 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 16.04.2015 zu zahlen.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten von EUR 958,18 nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 06.05.2016 zu bezahlen.
III. Im Übrigen wird die Klage der Klägerin zu 1) abgewiesen.
IV. Die Klage der Klägerin zu 2) wird abgewiesen.
V. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerinnen samtverbindlich 15 % und die Beklagte 85 %. Die Klägerin zu 2) trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
VI. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Gründe
Die zulässige Klage der Klägerin zu 1) hat ganz überwiegend Erfolg. Diejenige der Klägerin zu 2) ist zwar zulässig, nachdem die Klägerin zu 2) durch ihre Eltern gesetzlich vertreten wurde, allerdings unbegründet.
I.
Die Klägerin zu 1) kann von der Beklagten den Ersatz des Nichtbeförderungsschadens wegen Erfüllungsverweigerung aus abgetretenem Recht verlangen.
1. Dem Ehemann der Klägerin zu 1. … der sämtliche Reiseleistungen bei der Beklagten gebucht hatte, stand wegen Nichtbeförderung ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte gem. §§ 631, 281 Abs. 1 und 2, § 280 Abs. 1 BGB zu, der auch durch Unionsrecht nicht ausgeschlossen ist.
a) Die Beklagte hat die von ihr vertraglich geschuldete Beförderungsleistung gegenüber dem Zedenten … und den Klägerinnen nicht erbracht und ist damit dem Zedenten … schadensersatzpflichtig geworden.
aa) Ausweislich ihrer Buchungsbestätigung (Anlage K 1) hat die Beklagte der Familie … die Beförderung in der sogenannten Premium Economy Class zugesagt. An dem damit geschuldenen Leistungsumfang hat sich durch die Mitteilung der Beklagten vom 26.02.2016 (Anlage K 3) nichts geändert, da diese lediglich die Frage der ausführenden Fluggesellschaft betraf.
bb) Das schriftliche Änderungsangebot der Beklagten („Änderung der Beförderungsklasse“) vom 19.03.2016 hat der Zedent … nicht angenommen. Dieses Dokument widerlegt zunächst die Einlassung der Beklagten, bei dem Wechsel von der Premium Economy Class auf die Economy Class handele es sich nicht um einen Wechsel der Buchungsklasse (downgrading), wie er etwa beim Wechsel von der Business Class auf die Economy Class gegeben sei. Aus dem Dokument ergibt sich das genaue Gegenteil: Es stellt gerade hinsichtlich des downgrading ausdrücklich die Business Class und die Premium Economy Class gleich.
Der Zedent … war auch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet, das Angebot der Beklagten auf ein downgrading anzunehmen.
cc) Aus dem unter bb) genannten Dokument ergibt sich ferner, dass die Beklagte der klägerischen Familie am Abflugtag die Beförderung in der geschuldeten Beförderungsklasse verweigert hat. Unter diesen Umständen war eine Fristsetzung gegenüber der Beklagten entbehrlich (§ 281 Abs. 2 BGB), und der Zedent … konnte von der Beklagten gem. § 280 Abs. 1 und 3 BGB seinen gesamten Nichterfüllungsschaden verlangen.
dd) Dieser Anspruch geht zwar über die Rechtsfolgen hinaus, die Art. 10 Abs. 2 der hier anwendbaren Fluggastrechte-Verordnung für den Fall des downgrading vorsieht. Die Fluggastrechte-Verordnung schließt jedoch insoweit gemäß ihrem Art. 12 Abs. 1 Satz 2 weitergehende Rechtsbehelfe mitgliedstaatlicher Rechtsordnungen nicht aus (vgl. Bollweg in: Staudinger/Keiler, Kommentar zur Fluggastrechte-Verordnung, Art. 12 Rn. 9).
b) Der Nichterfüllungsschaden des Zedenten … bestand zum Einen in dem bezahlten Flugpreis von insgesamt EUR 3.379,94 sowie in den Taxikosten von EUR 75,–. Zum anderen hat er die Unterbringungskosten (EUR 7.622,41) vergeblich aufgewandt. Den letztgenannten Schaden konnte er auch angesichts der für das Hotel geltenden Stornierungsbedingungen (vgl. zu diesen Anlage K 2) bei einer Stornierung am Anreisetag nicht mehr abwenden.
Sein Gesamtanspruch gegen die Beklagte belief sich folglich auf EUR 11.077,35; abzüglich der Zahlung der Beklagten von EUR 489,99 am 09.05.2016 verbleibt eine Restforderung von EUR 10.587,36.
2. Der zugehörige Zinsanspruch folgt aus dem Verzug der Beklagten am 16.04.2016 (§§ 286, 288 Abs. 1 BGB). Gleiches gilt für die geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten des Zedenten ….
3. Die vorbezeichneten Ansprüche hat der Zedent … mit Vertrag vom 01.08.2016 (Anlage zum klägerischem Schriftsatz vom 18.01.2017) an die Klägerin zu 1) abgetreten, die diese Abtretung angenommen hat. Die Klägerin zu 1) ist folglich in diesem Umfang aktivlegitimiert.
II.
Ansprüche auf eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 lit. c) Fluggastrechte-Verordnung stehen dagegen dem Zedenten … und den Klägerinnen nicht zu. Denn der Fall des downgrading (Art. 10 Abs. 2 Fluggastrechte-Verordnung) stellt unionsrechtlich gerade keinen der Nichtbeförderung im Sinne des Art. 2 lit j) Fluggastrechte-Verordnung dar (vgl. nur Keiler in: Staudinger/Keiler, Kommentar zur Fluggastrechte-Verordnung, Art. 10 Rn. 7), auf den Art. 4 Abs. 3 Fluggastrechte-Verordnung abhebt. Die Frage einer Konkurrenz mit nationalrechtlichen Schadensersatzansprüchen (vgl. dazu Art. 12 Abs. 1 Satz 2 Fluggastrechte-Verordnung) stellt sich damit vorliegend nicht.
Der unionsrechtliche Minderungsanspruch des Zedenten … wegen des downgrading (vgl. Art. 10 Abs. 2 lit. c) Fluggastrechte-Verordnung: 75 % des Flugpreises, hier EUR 1.267,48) wird vorliegend durch den umfassenden nationalrechtlichen Schadensersatzanspruch des Zedenten … nach §§ 281, 280 Abs. 1 BGB (vgl. oben Ziffer I.1.) konsumiert.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 1 ZPO.
Der Anspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.