Aktenzeichen 23 U 2430/16
Leitsatz
1. Bei Temperaturschwankungen auf einem Seetransport von China nach Europa, die zur Kondensation von Wasser innerhalb transportierter Container führen, handelt es sich auch um „gewöhnliche“ Temperaturschwankungen iSd Ziff. 2.5.1.4 DTV-Güter 2000. (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist Sache des Absenders, sicherzustellen, dass die in den Containern befindliche Ware unter den zu erwartenden Transportverhältnissen den sich aus ihrer Beschaffenheit und der gespeicherten Luftfeuchtigkeit ergebenden Gefahren standzuhalten vermag (Anschluss KG BeckRS 1999, 12185). (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
12 HK O 10874/15 2016-04-28 Endurteil LGMUENCHENI LG München I
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 28.04.2016, Az. 12 HK O 10874/15, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 15.11.2016.
Gründe
Das Landgericht hat die Klage zutreffend abgewiesen. Die Rügen der Berufung greifen demgegenüber nicht durch. Die Beklagte ist nicht zum Ersatz des der Klägerin entstandenen Schadens verpflichtet. Die von der Klägerin behaupteten Schäden, die Schimmelbildung an den Wannen, sind durch eine nicht versicherte Gefahr nach Ziff. 2.5.1.4. DTV-Güter 2000 (Anlage K 2) entstanden.
1. Nach dem Vortrag der Klägerin beginnt der versicherte Zeitraum ab dem Zeitpunkt, an dem die Ware an Bord gebracht wurde. Nach Ziff. 4.4 des Versicherungsscheins (Anlage K 1) besteht Versicherungsschutz, soweit der Versicherungsnehmer die Gefahr trägt. Nach dem Vortrag der Klägerin wurde zwischen ihr und ihrer Lieferantin in China „FOB C. “ vereinbart. Nach B 5 i.V.m. A 4 FOB (abgedruckt in Baumbach / Hopt, HGB, 37. Aufl, S. 1864 ff) geht die Gefahr auf den Käufer, mithin die Klägerin ab Lieferung an Bord über. Die Verpackung bzw. Verladung in Container durch die Verkäuferin in China sind damit auch nach dem Vortrag der Klägerin vom versicherten Zeitraum nicht umfasst.
2. Die Schimmelbildung an den Wannen beruht auf normaler Luftfeuchtigkeit oder gewöhnlichen Temperaturschwankungen i.S. der Ziff. 2.5.1.4 DTV-Güter 2000.
2.1. Das Landgericht geht aufgrund der von Kläger- und Beklagtenseite vorgelegten Sachveständigengutachten davon aus, bei der Verladung der Waren sei warme feuchte Luft über die hygroskopische Verpackung, die verwendete Wellpappe, in die Container gelangt und infolge der Temperaturschwankungen auf See innerhalb der Container kondensiert. Da den Sendungen kein Trocknungsmittel zugefügt worden und keine ausreichende Luftzirkulation im Container möglich gewesen sei, habe dies zur Schimmelbildung bei den Wannen geführt.
Konkrete Anhaltspunkte i.S. des § 529 Abs. 1 ZPO, aus denen sich Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der insoweit festgestellten Tatsachen ergeben könnten, hat die Klägerin nicht dargetan und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Soweit die Klägerin darlegt, die Ware, mithin die Wannen selbst seien nicht feucht gewesen, hat dies das Landgericht zutreffend als nicht entscheidungserheblich angesehen (s. dazu unten 2.3). Der Vortrag der Klägerin, auch die Verpackung sei nicht „vernässt“ gewesen und eine Vernässung sei vom angebotenen Zeugen R. bei der Endabnahme auch nicht festgestellt worden, kann als wahr unterstellt werden. Dass die hygroskopische Wellpappe infolge der hohen Umgebungsluftfeuchtigkeit in China selbst Feuchtigkeit gespeichert hatte, bedeutet nicht, dass diese „vernässt“ gewesen sei oder als feucht zu erkennen war.
2.2. Ursächlich für die Schimmelbildung waren die Temperaturschwankungen auf dem Seetransport, die zur Kondensation des Wassers innerhalb der Container führten. Dabei handelt es sich auch um „gewöhnliche“ Temperaturschwankungen i.S. des Ziff. 2.5.1.4 DTV-Güter 2000. Maßgeblich sind die bei einem Transport der vereinbarten Art übliche Luftfeuchtigkeit und die zu erwartenden Temperaturschwankungen (Koller in Prölss / Martin, VVG, 29. Aufl, Ziff. 2 DTV-Gü VolleDeckung Rz. 5). Somit kommt es auf die übliche Luftfeuchtigkeit und die gewöhnlichen Temperaturschwankungen zwischen dem Verladeort in China und der Ankunft in Europa an. Dass es in Bezug gerade auf diese Route ungewöhnliche Wetter- oder Temperaturverhältnisse gegeben hätte, ist nicht dargetan. Vielmehr verweist die Klägerin selbst darauf (Berufungsbegründung S. 4, Bl. 263 d.A.) mit starken Temperaturschwankungen sei beim Transport von China nach Europa zu rechnen.
2.3. Die Klägerin hat auch nicht dargelegt und bewiesen, dass der Schaden durch eine andere, versicherte Gefahr herbeigeführt wurde. Nach Ziff. 2.6 DTV-Güter 2000 kann der Versicherungsnehmer auch dann Entschädigung vom Versicherer verlangen, wenn er darlegt und beweist, dass der Schaden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht durch die vom Versicherer dargelegte und bewiesene, nicht versicherte Gefahr bzw. Ursache, sondern durch eine andere – versicherte – Gefahr oder Ursache entstanden ist (Koller, a.a.O., Rz. 6). Entscheidend ist die mit hoher Wahrscheinlichkeit wirksamste, in ihrer Ursächlichkeit erheblichste Ursache (sog. causa proxima) (BGH, NJW-RR 2002, S. 1102, 1103; KG, Urteil vom 02.07.1999, 6 U 8103/97, BeckRS 1999, 12185 Tz. 5).
Vorliegend kommen als weitere Schadensursachen in Betracht, dass in den Containern keine Trocknungsmittel beigefügt waren und eine ausreichende Luftzirkualtion in den Containern aufgrund der engen Stapelung nicht mehr möglich war. Insoweit hat die Klägerin dargetan und unter Beweis gestellt, der Versicherungsausschluss nach Ziff. 2.5.1.5 DTV-Güter 2000 greife wegen Ziff. 3.2 und Ziff. 3.4 des Versicherungsscheins nicht. Sie habe die Verpackung bzw. Verladung nicht zu vertreten, habe diesbezüglich keine Weisungen erteilt und die Verpackung sei handelsüblich. Auch wenn man diesen Vortrag als wahr unterstellt, ergibt sich keine andere Bewertung, so dass es nicht darauf ankommt, ob das Landgericht von einem Verladefehler ausgeht und hierauf hätte hinweisen müssen. Zum einen ändert die unzureichende Verpackung oder Verladung in die Container nichts daran, dass es gerade aufgrund der Temperaturschwankungen zu der Kondenswasserbildung innerhalb der Container kam (zum Versicherungsausschluss bei Kondenswasserbildung im Container auch Koller, a.a.O., Rz. 5). Ohne die Temperaturschwankungen wäre der Schaden nicht eingetreten. Zum anderen waren bei Beginn des versicherten Transports die Wannen samt Wellpappe und Umkartons bereits durch den Absender im Container verstaut. Das Fehlen der Trocknungsmittel und die mangelnde Luftzirkulation innerhalb der Container konnte bei Beginn des Seetransports nicht mehr beseitigt werden. Es ist Sache des Absender sicherzustellen, dass die in den Containern befindliche Ware unter den zu erwartenden Transportverhältnissen den sich aus ihrer Beschaffenheit und der gespeicherten Luftfeuchtigkeit ergebenden Gefahren standzuhalten vermag (vgl. KG, a.a.O, Tz. 8). Auch hat die Klägerin nicht dargetan, dass sich allein durch den Transport – abgesehen von den zu erwartenden Temperaturschwankungen auf See – weitere Gefahren ergeben oder realisiert hätten.
Soweit die Klägerin behauptet, die Wannen und die Verpackung würden vorliegend gerade keine Einheit bilden, da die Verpackung anders als etwa beim Transport von Kaffeebohnen hier nicht von wesentlicher Bedeutung sei, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Ob die hohe Luftfeuchtigkeit durch die Wannen selbst in den Container eingebracht wurde, oder in der hygroskopischen Wellpappe gespeichert war oder durch die während der Verladung offenstehenden Containertüren ins Innere des Containers gelangt ist, macht keinen Unterschied. In jedem Fall waren die Temperaturschwankungen auf See die maßgebliche Schadensursache, die zur Kondensation des Wassers im Container führte.
Einer Erhebung der von der Klägerin angebotenen Beweise bedurfte es daher nicht.
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, wird aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung empfohlen.