Handels- und Gesellschaftsrecht

unbegründete Angriffe gegen erstinstanzliche Beweiswürdigung bei Rückzahlungsanspruch aus Zeitbürgschaft

Aktenzeichen  27 U 302/19

Datum:
6.8.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 46530
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 281 Abs. 1, § 323 Abs. 1

 

Leitsatz

Bei der Inanspruchnahme aus einer Zeitbürgschaft muss der Anspruch gegen den Hauptschuldner innerhalb des Befristungszeitraums der Bürgschaft fällig geworden sein (BGH BeckRS 2000, 7389). (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

27 U 302/19 2019-07-05 Hinweisbeschluss OLGMUENCHEN OLG München

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 13.12.2018, Aktenzeichen 35 O 1860/16, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Memmingen und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.250.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Memmingen vom 13.12.2018 und die einführende Darlegung im Hinweisbeschluss des Senats vom 5.7.2019 Bezug genommen.
Im Berufungsverfahren wird von der Klägerin beantragt,
1.Das Urteil des Landgerichts Memmingen, Az. 35 O 1860/16, vom 13.12.2018 wird aufgehoben.
2.Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 1.250.000,00 zzgl. Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 3.12.2016 zu bezahlen.
Im Berufungsverfahren wird von der Beklagten beantragt,
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 13.12.2018, Aktenzeichen 35 O 1860/16, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 5.7.2019 Bezug genommen.
Durch die Stellungnahme der Klägerin mit Schriftsatz vom 30.7.2019 hat sich keine Veränderung in der Sach- und Rechtslage ergeben.
Im Hinblick auf diesen Schriftsatz ist Folgendes auszuführen:
I.
1. Ein Rückzahlungsanspruch gegen die Insolvenzschuldnerin aufgrund Rücktritts scheitert an einer nicht vorliegenden Rücktrittserklärung der Klägerin innerhalb des Befristungszeitraums der Bürgschaften (Befristung bis 30.11.2016).
Unter Hinweis auf § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO war im Hinweisbeschluss ausgeführt worden, dass aufgrund der ausführlichen Beweiswürdigung des Erstgerichts eine Rücktrittserklärung nicht bewiesen war.
Soweit nun die Klägerin erneut darauf abhebt, dass der Zeuge E. (Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin) hinsichtlich des Ausschöpfens von Kreditlinien „schlicht die Unwahrheit gesagt“ habe, kann nur darauf hingewiesen werden, dass es zur Thematik der Rücktrittserklärung auf die diesbezüglichen Aussagen der Zeugen ankommt. Das Landgericht hat anschaulich herausgearbeitet, dass die Aussage des Zeugen E. (keine mündliche Rücktritterklärung) – im Gegensatz zur Aussage des bei der Klägerin beschäftigten Betriebswirts S. (telefonische Rücktrittserklärung) – in das Gesamtbild mit den Angaben der Zeugen R. und G. passe (Urt. S. 10). Im Übrigen hat der Zeuge E. keineswegs die „noch nicht ausgeschöpften Kreditlinien“ so definitiv dargestellt, wie es das Zitat der Klägerin suggerieren will. Dem Satz zu den Kreditlinien ging voraus, dass der Zeuge angab, er könne nicht beurteilen, ob man am 29.11.2018 noch genügend liquide Mittel zur Finanzierung und zur Vollendung des Auftrags der Klägerin zur Verfügung gehabt hätte (Prot. 22.11.2018, S. 7; Bl. 122).
Abgesehen davon, dass der Vortrag hinsichtlich des „vitalen wirtschaftlichen Eigeninteresses“ des Zeugen E. in der Berufungsbegründung fehlte, ist dieser Vortrag unsubstantiiert und auch nicht zielführend. Selbst wenn der Zeuge E. und sein Bruder Bürgschaften für die Insolvenzschuldnerin übernommen haben sollten, erschließt sich aus dem Vortrag der Klägerin nicht, wie dies im Zusammenhang mit den von der Beklagten übernommenen Bürgschaften stehen soll.
2. Es bestand im zeitlichen Geltungsbereich der befristeten Bürgschaften kein fälliger Schadensersatzanspruch gegen die Insolvenzschuldnerin.
Unter Ziffer I. 2. des Hinweisbeschlusses wurden die einzelnen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen abgehandelt.
a) Der Senat hält daran fest, dass es für § 323 Abs. 1 BGB an einer Rücktrittserklärung fehlt (sh. 1.).
b) Bei den Darlegungen zur Anspruchsgrundlage § 281 Abs. 1 BGB stellte der Senat nicht darauf ab, wann eine Fristsetzung möglich wäre, sondern darauf, dass keine Fristsetzung zur Leistung erfolgt ist.
Die ausführlichen Darlegungen der Klägerin zur Rechtsprechung des BGH auf Seiten 2/5 des Schriftsatzes vom 30.7.2019 gehen ins Leere. Sie beziehen sich offensichtlich auf den Gesetzestext von § 326 BGB in der Fassung vor dem 1.1.2002 (vor der Schuldrechtsreform).
Es mag sein, dass eine Frist zur Erklärung über die Vertragstreue gesetzt werden konnte, aber diese Frist reicht – wie im Hinweis ausgeführt – nicht als Fristsetzung nach § 281 Abs. 1 S. 1 BGB.
3. Eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung seitens der Insolvenzschuldnerin konnte nicht nachgewiesen werden.
Es wird auf die Ausführungen im Hinweis unter Ziffer I. 2. c) verwiesen.
Die Klägerin will lediglich die eigene Beweiswürdigung an Stelle der Beweiswürdigung des Erstgerichts setzen. Die Gesamtwürdigung der Zeugen-Aussagen E., R., G. und S. ergab schlicht, dass eine Erfüllungsverweigerung seitens der Insolvenzschuldnerin nicht vorlag.
Dass es sich bei den Gesprächen der genannten Zeugen nicht um den bisherigen Auftrag, sondern um eine Übertragung des Vertrages auf einen neuen Vertragspartner gehandelt haben soll, ist durch die Beweisaufnahme – entsprechend der Beweiswürdigung des Landgerichts – eindeutig widerlegt.
Es wird hierzu auf die Ausführungen im Ersturteil S. 10, 2. Absatz verwiesen.
4. „Besondere Umstände“, die die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen würden, lagen bei einer Gesamtwürdigung aus neutraler Sicht nicht vor (vgl. Hinweis I. 2. d; 3.).
Was den Rücktritt anlangt, kann nur erneut darauf verwiesen werden, dass die Klägerin eine Rücktrittserklärung (im zeitlichen Geltungsbereich der befristeten Bürgschaften) nicht nachgewiesen hat.
II.
1. Es muss dabei verbleiben, dass es bis zur Inanspruchnahme der Beklagten mit Schreiben der Klägerin vom 28.11.2016 (und auch nicht bis zum Ende des Befristungszeitraums der Bürgschaften am 30.11.2016) keinen fälligen Anspruch der Klägerin gegen die Insolvenzschuldnerin gab (vgl. Hinweis I., II. 1.)
2. Die Ausführungen der Klägerin unter II. 2. des Schriftsatzes vom 30.7.2019 zum unmittelbaren Bevorstehen der Fälligkeit einer Hauptschuld bei der Inanspruchnahme der Zeitbürgschaft können im Hinblick auf die bereits im Hinweis genannte Entscheidung des BGH vom 24.6.2000, IX ZR 299/98 dahin stehen. Der BGH hat im Gegensatz zu den Ausführungen der Klägerin in der Berufungsbegründung klar entschieden, dass der Anspruch gegen den Hauptschuldner innerhalb des Befristungszeitraums der Bürgschaft fällig geworden sein muss.
III.
Wie bereits im Hinweis unter Ziffer III. näher ausgeführt, findet die Auffassung der Klägerin, es sei zu einer Verlängerung der Zeitbürgschaft gekommen, in den streitgegenständlichen Vorgängen keine Stütze.
IV.
Der Klägerin kann – wie im Hinweis unter Ziffer IV. dargelegt – nicht darin beigepflichtet werden, dass das Berufen der Beklagten auf den Zeitablauf treuwidrig sei. V.
Entgegen der (nochmals) unter Ziffer V. des Schriftsatzes vom 30.7.2019 dargestellten Auffassung der Klägerin wurde nicht mit Ablauf der im Schreiben vom 22.11.2016 auf den 25.11.2016 gesetzten Frist ein Rückzahlungsanspruch gegenüber der Insolvenzschuldnerin fällig (vgl. Hinweis I.).
Soweit die Klägerin darauf abstellen will, dass „die Inanspruchnahme der Beklagten“ fristgerecht erfolgt sei, ist dies für den Berufungserfolg nicht zielführend. Die Inanspruchnahme der Beklagten aus den befristeten Bürgschaften scheitert daran, dass innerhalb des Befristungszeitraums (30.11.2016) kein fälliger Anspruch der Klägerin gegenüber der Insolvenzschuldnerin bestand.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.

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