Handels- und Gesellschaftsrecht

Vertragsschluss, Abfindung, Schadensersatzanspruch, Honorar, Gegenstandswert, Anspruch, Individualvereinbarung, Vereinbarung, Herausgabe, Rechtsschutzversicherung, Anlage, Zahlung, Zahlungsanspruch, Verpflichtung, Treu und Glauben, Abschluss der Vereinbarung, kraft Gesetzes

Aktenzeichen  4 O 10692/20

Datum:
22.4.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 46630
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 8.694,18 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.07.2020 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
5. Der Streitwert wird auf 8.694,18 € festgesetzt.

Gründe

Der Kläger hat gegen den Beklagten gem. § 667 BGB Anspruch auf Herausgabe des vollständigen Betrages, den der Beklagte im Rahmen der Abwicklung des mit der ehemaligen Arbeitgeberin geschlossenen Vergleiches für den Kläger erlangt hat, da der Beklagte aus der Vergütungsvereinbarung vom 28.01.2020 keine Ansprüche mehr herleiten kann.
I. Der Beklagte hat für den Kläger einen Betrag in Höhe von € 39.623,90 als Fremdgeld vereinnahmt. Hiervon hat er bislang lediglich € 29.742 und weitere € 1.187,72 an den Kläger ausbezahlt, so dass sich ein noch offener Restbetrag von € 8.694,18 ergibt.
II. Der Beklagte hat gegen den Kläger keinen Anspruch auf Zahlung ein Pauschalhonorars in Höhe von € 12.000,- (brutto), den er gegen den klägerischen Zahlungsanspruch aufrechnen könnte.
Es kann dahinstehen bleiben, ob – wofür manches spricht – die Pauschalvergütungsvereinbarung bereits gem. § 138 Abs. 1 BGB als sittenwidrig und damit nichtig anzusehen ist, da sie den gesetzlichen Honoraranspruch um ein Vielfaches übersteigt. Jedenfalls steht dem Pauschalhonoraranspruch des Beklagten ein Schadensersatzanspruch des Klägers entgegen, der daraus resultiert, dass der Beklagte den Kläger bei Verhandlung und Abschluss der Vereinbarung nicht über den tatsächlich angefallenen Zeitaufwand und damit das abrechenbare Zeithonorar aufgeklärt hat. Hierzu war der Beklagte jedoch vertraglich verpflichtet.
1. Da der anwaltliche Vergütungsanspruch nach herrschender Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1998, 126, 137) durch einen Vertragsschluss kraft Gesetzes entsteht, kein Mandant ein unentgeltliches Tätigwerden des Fachberaters erwarten darf und die gesetzlichen Gebühren allgemein zu erfahren sind, muss ein Rechtsanwalt ungefragt grundsätzlich nicht auf die gesetzliche Vergütungspflicht nach dem RVG hinweisen, vgl. BGH NJW 2007, 2332. Allerdings ist anerkannt, dass ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben eine Verpflichtung bestehen kann, auch ohne ausdrückliche Frage des Mandanten diesen vor Vertragsschluss über die voraussichtliche Höhe der Vergütung aufzuklären. Letztlich hängt die anwaltliche Pflicht, den Auftraggeber vor Vertragsschluss über die voraussichtliche Höhe der Vergütung aufzuklären, entscheidend davon ab, ob der Rechtsanwalt nach den Umständen des Einzelfalls ein entsprechendes Aufklärungsbedürfnis des Mandanten erkennen konnte und musste (BGH, NJW 1998, 3486).
Ob und ggf. in welchem Umfang während des laufenden Mandatsverhältnisses bei nachträglichen Vergütungsvereinbarungen Hinweis-, Aufklärungs- und/oder Belehrungspflichten bestehen, war – soweit ersichtlich – noch nicht Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung.
2. Vor Abschluss der hier verfahrensgegenständlichen Vergütungsvereinbarung bestand eine Aufklärungspflicht des Beklagten gegenüber dem Kläger, ihn über das bislang angefallene Stundenhonorar zu informieren.
Die Situation bei Abschluss der Pauschalvergütungsvereinbarung stellte sich so dar, dass die geschuldete anwaltliche Tätigkeit fast vollständig erbracht war. Ausstehend war im Wesentlichen nur noch die Abwicklung der Abfindungszahlung über das Anderkonto des Beklagten.
Die bestehende Vergütungsvereinbarung sah zwar ein auf Stundenhonorarbasis zu berechnendes Entgelt vor, zu zahlen hatte der rechtsschutzversicherte Kläger jedoch nur den Betrag, der über dem nach RVG zu berechnenden (Mindest-)Honorar liegen würde. Ob und ggf. in welcher Höhe er überhaupt in Anspruch zu nehmen sein würde, konnte dem Kläger, der keinen Einblick in den vom Beklagten erbrachten Arbeitsaufwand hatte, ohne weitere Mitteilungen des Beklagten nicht bekannt sein. Eine Abrechnung des Zeitaufwandes hatte noch nicht stattgefunden.
Die bei anfänglicher Vereinbarung eines Pauschalhonorars übliche Unsicherheit über den Umfang des mit der Mandatsbearbeitung verbundenen Aufwands war nicht vorhanden, das Honorar des Beklagten war ohne Weiteres berechenbar.
Hinzu kommt, dass die erste Vergütungsvereinbarung eine Klausel enthielt, aufgrund derer sich die Parteien verpflichtet hatten, eine bereits näher bestimmte Pauschalvergütung (das Dreifache des gesetzlichen Honorars) zu verhandeln. Insofern musste der Beklagte die naheliegende Gefahr vergegenwärtigen, dass der rechtsunkundige Mandant rechtsirrig von einer Verpflichtung zum Abschluss einer solchen Pauschalpreisvereinbarung ausgehen könnte.
Die Kammer folgt insofern nicht der Auffassung des Beklagten, die Pauschalvergütungsvereinbarung müsse losgelöst von der ersten Vergütungsvereinbarung gesehen werden. Die Verknüpfung ergibt sich bereits daraus, dass mit der vom Beklagten gestellten ersten Vereinbarung die Folgevereinbarung – auch der Höhe nach – vorbereitet wurde. Ob eine unverbindliche Absprache über spätere Verhandlungen im Allgemeinen rechtlichen Bedenken begegnet, ist im vorliegenden Verfahren irrelevant.
Der Annahme einer Hinweispflicht steht nicht die vom Beklagten zuletzt zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10.11.2014 (IV ZR 119/14) entgegen. Im dort zu entscheidenden Fall hatte der anwaltliche Bevollmächtigte sowohl vor Abschluss der ersten Vereinbarung über ein Stundenhonorar als auch später vor Abschluss der Pauschalhonorarvereinbarung den bereits angefallenen Stundenaufwand mitgeteilt bzw. abgerechnet. Es bestand daher für das Revisionsgericht keine Veranlassung, zur Annahme etwaiger Hinweispflichten auszuführen und/oder diese zu prüfen.
Schließlich greift auch nicht das Argument, tatsächlich handele es sich um ein nachträgliches Erfolgshonorar bzw. eine zulässige nachträgliche Honorierung besonderen anwaltlichen Erfolges. Es liegt bereits fern, in dem Verlust des Arbeitsplatzes einen „Erfolg“ zu erkennen, denn der Beklagte war zum Zweck des Kündigungsschutzes beauftragt, nicht zur Verhandlung einer Abfindung. Ein solches besonderes Erfolgshonorar wäre allenfalls dann denkbar, wenn der Beklagte aufgrund eines besonderen Verhandlungsgeschicks eine weit über dem Üblichen liegende Abfindung hätte erzielen können. Diesbezüglich ist jedoch nichts vorgetragen und nichts erkennbar.
Daher war der Beklagte verpflichtet, den Kläger vor Abschluss der Vereinbarung über die sich aus der ersten Vergütungsvereinbarung ergebenden finanziellen Folgen und insbesondere darüber aufzuklären, ob nach bestehendem Vergütungsrecht auf ihn überhaupt noch weitere Forderungen zukommen würden. Diese Verpflichtung bestand – aufgrund des groben Ungleichgewichts in der Verhandlungsposition – ungefragt und ohne dass es hierfür einer ausdrücklichen Erkundigung des Klägers bedurft hätte.
3. Gegen diese Aufklärungspflicht hat der Beklagte verstoßen. Unstreitig erfolgte keine Mitteilung des bisher entstandenen Zeitaufwandes, eine Berechnung der gesetzlichen Vergütung und/oder der bereits angefallenen Vergütung auf Stundenbasis.
4. Rechtsfolge des Pflichtenverstoßes ist ein aus § 280 Abs. 1 BGB resultierender Schadensersatzanspruch des Klägers, der darauf gerichtet ist, vom Beklagten so gestellt zu werden, wie wenn die Pauschalvergütungsvereinbarung nicht abgeschlossen worden wäre.
In diesem Fall hätte der Beklagte Stundenhonorar, höchstens das gesetzliche Honorar erhalten. Dass beim Beklagten ein Stundenaufwand angefallen wäre, der auch das von der Rechtsschutzversicherung übernommene gesetzliche Honorar erreicht hätte, ist nicht vorgetragen und angesichts der zeitnahen, vor Durchführung des Gütetermins bereits getroffenen, keine unüblichen Schwierigkeiten beinhaltenden Vergleichsvereinbarung trotz des Stundensatzes von € 340,- (netto) fernliegend.
Weitergehende Vergütungsansprüche als solche, die von der Rechtsschutzversicherung bereits beglichen wurden, bestehen daher nicht.
III. Der Zahlungsanspruch des Klägers verzinst sich gem. §§ 286 Abs. 1, Abs. 2, 288 Abs. 1 BGB.
IV. Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechsanwaltsgebühren besteht nicht. Es ist nicht erkennbar, dass sich der Beklagte bei Versendung des Anwaltsschreibens vom 15.07.2020 mit der Erfüllung des weitergehenden Herausgabeanspruchs aus § 667 BGB bereits in Verzug befand.
Der Beklagte trägt gem. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Kosten des Verfahrens, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
Der Streitwert bemisst sich anhand des Leistungsantrages in der Hauptsache.


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