Aktenzeichen II ZB 28/14
§ 511 Abs 2 Nr 1 ZPO
Leitsatz
Der (Zuständigkeits- oder Rechtsmittel-)Streitwert einer Auskunftsklage richtet sich nach dem wirtschaftlichen Interesse, das die klagende Partei an der Erteilung der Auskunft hat. Dieses ist nach § 3 ZPO nach freiem Ermessen zu schätzen. Dabei bildet der Leistungsanspruch, zu dessen Durchsetzung die Auskunft benötigt wird, einen Anhaltspunkt.
Verfahrensgang
vorgehend LG München I, 10. November 2014, Az: 32 S 2792/14vorgehend AG München, 7. Januar 2014, Az: 213 C 26586/13
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 32. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 10. November 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 1.500 € festgesetzt.
Gründe
1
I. Die Klägerin ist über eine Treuhandkommanditistin an der Beklagten zu 1, einer Fondsgesellschaft, mit einer Einlage in Höhe von 15.000 € beteiligt. Die Beklagte zu 2 ist die geschäftsführende Kommanditistin des Fonds. Die Klägerin verlangt von den Beklagten, ihr die Namen und Adressen ihrer Mitgesellschafter einschließlich der Treugeber-Kommanditisten mitzuteilen. Während des Prozesses hat sie die Klage auf die Beklagte zu 3, die Treuhandkommanditistin, erweitert. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie wolle sich mit ihren Mitgesellschaftern über das weitere Vorgehen der wirtschaftlich notleidenden Gesellschaft beraten.
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In der Klageschrift hat die Klägerin den Streitwert mit 600 € angegeben. Dazu hat sie ausgeführt, der Streitwert werde auf 300 € für jedes Auskunftsbegehren beziffert, da für den Streitwert allein der Zeit- und Kostenaufwand für die Auskunft maßgeblich sei.
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Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin verworfen mit der Begründung, ihre Beschwer überschreite nicht den Betrag von 600 € (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Dagegen wehrt sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde.
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II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2, Alt. 2 ZPO). Die Entscheidung des Berufungsgerichts verletzt die Klägerin in ihrem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip), das es den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. BGH, Beschluss vom 4. November 2014 – II ZB 15/13, ZIP 2015, 424 Rn. 5 mwN).
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II. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
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1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Die Berufung sei nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO unzulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € nicht übersteige. Das Auskunftsersuchen solle nach dem Vortrag der Klägerin der Vorbereitung der Wahrnehmung ihrer Gesellschafterrechte dienen. Für dieses Interesse gebe es keinen festen Wert. Die Klägerin habe in der ersten Instanz angegeben, dass die Auskunft für sie 600 € wert sei. Daran müsse sie sich festhalten lassen.
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2. Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern.
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a) Der (Zuständigkeits- oder Rechtsmittel-) Streitwert einer Auskunftsklage richtet sich gemäß der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach dem wirtschaftlichen Interesse, das die klagende Partei an der Erteilung der Auskunft hat. Dieses ist nach § 3 ZPO nach freiem Ermessen zu schätzen. Dabei bildet der Leistungsanspruch, zu dessen Durchsetzung die Auskunft benötigt wird, einen Anhaltspunkt. Er ist ebenfalls nach § 3 ZPO zu schätzen, wobei anhand des Tatsachenvortrags der klagenden Partei von ihren Vorstellungen auszugehen ist, die sie sich über den Wert ihres Leistungsanspruchs gemacht hat. Der Wert des Auskunftsanspruchs ist allerdings nicht identisch mit dem Leistungsanspruch, sondern in der Regel nur mit einem Teilwert des Anspruchs zu bemessen, dessen Durchsetzung die verlangte Information dienen soll. Dabei werden üblicherweise 1/4 bis 1/10 angesetzt (BGH, Beschluss vom 4. Februar 2014 – III ZB 75/13, juris Rn. 9 mwN).
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Das Berufungsgericht hat mit seiner Annahme, die Klägerin habe in der Klageschrift den wirtschaftlichen Wert, den die begehrte Auskunft für sie habe, auf nur 600 € beziffert, den Vortrag der Klägerin missverstanden. Die Klägerin hat in der Klageschrift – offenbar aufgrund einer falschen Rechtsansicht – den Aufwand, der mit der Auskunft für die Beklagten verbunden ist, auf 300 € je Beklagter geschätzt. Auf diesen Aufwand kommt es aber nur an, wenn der Auskunftsklage stattgegeben wird und die beklagte Partei dagegen Berufung einlegen will.
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b) Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis richtig.
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Nach § 511 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 ZPO hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstandes glaubhaft zu machen. Zwar hat das Gericht diesen Wert selbstständig nach freiem Ermessen zu ermitteln (Althammer in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 511 Rn. 40). Das enthebt den Berufungsführer aber nicht von seiner Obliegenheit, für die Schätzung erforderliche Tatsachen vorzutragen und glaubhaft zu machen.
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Die Klägerin hat in der Klagebegründung vorgetragen, es gehe ihr bei der Auskunft um die Möglichkeit, sich mit ihren Mitgesellschaftern im Rahmen einer einzuberufenden außerordentlichen Gesellschafterversammlung über das weitere Vorgehen der wirtschaftlich notleidenden Gesellschaft zu beraten. In der Berufungsbegründung heißt es, das wirtschaftliche Interesse an der begehrten Auskunft richte sich nach der Bedeutung des Anspruchs, dessen Vorbereitung die Auskunft diene, und werde typischerweise mit einem Bruchteil dieses Anspruchs beziffert. Den gleichen Vortrag hat die Klägerin in ihrer Stellungnahme zu dem Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts gehalten. Die Beklagten haben sich dazu nicht geäußert.
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Bei dieser Sachlage kann der Wert des Beschwerdegegenstandes nach dem bisherigen Vortrag der Parteien nicht auf den Betrag von 600 € festgesetzt werden. Der von der Klägerin begehrten Auskunft liegt zwar kein Leistungsanspruch zugrunde, sondern die Ausübung ihrer Gesellschafterrechte. Das ändert an der Ermittlung des Werts des Beschwerdegegenstandes aber nichts. Der Wert der Gesellschafterrechte und der darauf bezogenen Auskunft ist durch zwei Schätzungen zu bestimmen. Dabei erscheint es jedenfalls nicht von vornherein unzutreffend, bei der ersten Schätzung auf den Wert der Einlage abzustellen und im Rahmen der zweiten Schätzung für die Auskunft einen Bruchteil davon anzusetzen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung kommt es nicht entscheidend darauf an, welchen Wert die Beteiligung der Klägerin an dem “notleidend gewordenen Fonds” bei Einlegung der Berufung noch hatte. Den aktuellen Wert ihrer Beteiligung wird die Klägerin im Zweifel nicht zuverlässig abschätzen können, während das für die Beklagten deutlich einfacher möglich wäre. Diese haben sich aber im Berufungsverfahren nicht zu dem Wert geäußert. Im Übrigen verfolgt die Klägerin mit ihren Bemühungen das Ziel, die wirtschaftliche Schieflage der Gesellschaft zu beseitigen. Ob das Aussicht auf Erfolg hat, ist für die Bewertung des Beschwerdegegenstandes ohne Bedeutung.
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3. Danach ist der angefochtene Beschluss aufzuheben, und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um ihm Gelegenheit zu geben, den Wert des Beschwerdegegenstandes unter Beachtung der dargelegten Grundsätze erneut zu bestimmen und gegebenenfalls dem Berufungsverfahren Fortgang zu geben.
Bergmann Strohn Caliebe
Reichart Sunder