Aktenzeichen EnVZ 5/20
Verfahrensgang
vorgehend OLG Dresden, 4. Dezember 2019, Az: Kart 1/17
Tenor
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 4. Dezember 2019 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde einschließlich der notwendigen Auslagen der Landesregulierungsbehörde.
Der Gegenstandswert wird auf 10.800,45 € festgesetzt.
Gründe
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I. Die Antragstellerin betreibt ein Verteilernetz für Gas. Im Jahr 2011 erhielt sie Netzentgeltzahlungen unter anderem von der T. E. GmbH (nachfolgend: T. ), über deren Vermögen am 1. September 2011 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Insolvenzverwalter machte im Wege der Insolvenzanfechtung für von der T. gezahlte Netzentgelte einen Rückforderungsanspruch in Höhe von 23.368,24 € gegen die Antragstellerin gerichtlich geltend. In einem Vergleich vom 4. Dezember 2014 verpflichtete sich die Antragstellerin, davon 12.852,53 € an den Insolvenzverwalter zu zahlen.
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Unter dem 14. September 2015 begehrte die Antragstellerin von der Landesregulierungsbehörde die Berücksichtigung der aufgrund des Vergleichs geleisteten Zahlung als negativen periodenfremden Erlös beim Regulierungskonto für das Jahr 2014. Am 29. Juni 2017 beantragte sie die Genehmigung des ermittelten Saldos des Regulierungskontos zum 31. Dezember 2016 und die entsprechende Anpassung der Erlösobergrenze unter Berücksichtigung insolvenzanfechtungsbedingter Netzentgeltausfälle in Höhe von 12.852,53 €. Das lehnte die Regulierungsbehörde mit dem angegriffenen Bescheid vom 10. November 2017 ab.
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Das Beschwerdegericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde, der die Landesregulierungsbehörde entgegentritt.
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
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1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Regulierungsbehörde habe zu Recht die bereits vereinnahmten und von der Rückforderung durch den Insolvenzverwalter der T. betroffenen Entgelte als “unter Berücksichtigung der tatsächlichen Mengenentwicklung erzielbare Erlöse” im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 ARegV angesehen. Das ergebe sich aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Gesetzessystematik sowie Sinn und Zweck dieser Vorschrift. In den von der Antragstellerin zitierten Beschlüssen habe sich das Oberlandesgericht Düsseldorf nicht in ihrem Sinne positioniert.
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2. Diese Beurteilung wirft keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf und erfordert auch unter keinem anderen der in § 86 Abs. 2 EnWG aufgeführten Gesichtspunkte eine Klärung durch das Rechtsbeschwerdegericht. Der als einziger Zulassungsgrund von der Beschwerde formulierten Frage, ob Netzentgeltzahlungen, die ein Netzbetreiber von einem Netzkunden zunächst vereinnahmt, später aber nach einer Insolvenzanfechtung aufgrund eines Vergleichs mit dem Insolvenzverwalter zurückzahlt, als vom Netzbetreiber unter Berücksichtigung der tatsächlichen Mengenentwicklung erzielbare Erlöse im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 ARegV anzusehen sind, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Diese Frage ist nicht klärungsbedürftig.
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a) Zwar hat sich der Senat mit der von der Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfenen Frage bisher noch nicht befasst. Ihre Beantwortung im Sinne des Beschwerdegerichts ist aber nicht zweifelhaft; über Umfang und Bedeutung der Rechtsvorschrift bestehen keine Unklarheiten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Februar 2010 – II ZR 54/09, NJW-RR 2010, 1047 Rn. 3 und vom 26. Februar 2019 – EnVZ 77/18, juris Rn. 7). Die Nichtzulassungsbeschwerde zeigt nicht auf, dass andere Gerichte oder ein erheblicher Teil der Literatur eine abweichende Auffassung vertreten.
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b) Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass der Wortlaut des § 5 Abs. 1 Satz 1 ARegV als “erzielbare Erlöse” alle dem Netzbetreiber tatsächlich zugeflossenen Einnahmen erfasst, ohne Rücksicht darauf, ob sie endgültig vereinnahmt worden sind. Indem die Vorschrift dabei die “Berücksichtigung der tatsächlichen Mengenentwicklung” vorschreibt, macht sie ebenfalls deutlich, dass alle Erlöse, die ein Netzbetreiber aus der tatsächlich durchgeleiteten Energiemenge hätte beziehen können, die also erzielbar sind, grundsätzlich zu berücksichtigen sind. Anders als noch im Regierungsentwurf vorgesehen (vgl. Entwurf der Verordnung zum Erlass und zur Änderung von Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Energieregulierung, BR-Drs. 417/07, S. 5), knüpft § 5 Abs. 1 Satz 1 ARegV nicht an tatsächlich erzielte, sondern an tatsächlich erzielbare Erlöse an. Schließlich sprechen auch Sinn und Zweck des § 5 ARegV sowie die Ziele des EnWG (§ 1 Abs. 1 EnWG) und der Regulierung der Gasversorgungsnetze (§ 1 Abs. 2 EnWG) nicht für die Berücksichtigung insolvenzbedingter Erlösausfälle. Vielmehr setzt § 5 Abs. 1 Satz 1 ARegV die Vorgabe des § 21a Abs. 3 Satz 4 EnWG um, die Netzbetreiber von den Auswirkungen jährlich schwankender Verbrauchsmengen auf ihre Gesamterlöse zu entlasten. Danach ist es nicht geboten, auch insolvenzbedingte Einnahmeschwankungen auszugleichen.
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c) Das Beschwerdegericht weicht von keiner Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf ab.
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Soweit das Oberlandesgericht Düsseldorf in einem Beschluss vom 21. Mai 2014 (VI-3 Kart 21/13, juris Rn. 64) den Ausgleich insolvenzbedingter Forderungsausfälle über das Regulierungskonto als “vorstellbar” bezeichnet hat, handelt es sich schon nicht um eine diese Entscheidung tragende Aussage, die zudem zu einem mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbaren Sachverhalt erfolgte.
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Im Beschluss vom 4. Juli 2018 (VI-3 Kart 82/15, juris Rn. 237 ff.) hat es das Oberlandesgericht Düsseldorf ausdrücklich offengelassen, ob Forderungsausfälle im Regulierungskonto zu berücksichtigen sind.
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d) Die Beurteilung des Beschwerdegerichts steht auch im Einklang mit der ständigen Regulierungspraxis der Bundesnetzagentur und der Landesregulierungsbehörden, die von den Verbänden der Netzbetreiber für das geltende Recht akzeptiert wird (vgl. BDEW/VKU/GEODE-Leitfaden “Sicherheitsleistungen und Vorauszahlungen im deutschen Gasmarkt” vom 31. März 2020, S. 14; VKU-Position “Regulierungsbedingungen für Verteilnetzbetreiber in Deutschland”, 16. Mai 2014, S. 23).
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Soweit in der Literatur vereinzelt angenommen wird, Forderungsausfälle müssten zugunsten der Netzbetreiber im Regulierungskonto berücksichtigt werden, vermag dies die Klärungsbedürftigkeit der zweifelsfrei zu beantwortenden Rechtsfrage nicht zu begründen (vgl. MünchKommZPO/Krüger, 6. Aufl., § 543 Rn. 7).
14
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Satz 2 EnWG, die Fest-setzung des Gegenstandswerts auf § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GKG und § 3 ZPO.
Meier-Beck
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