Aktenzeichen BayAGH I 3/15
Leitsatz
Ein Vermögensverfall des Rechtsanwalts iSv § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wird dann vermutet, wenn über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. (redaktioneller Leitsatz)
Die Vermögensverhältnisse können aber trotz eines Insolvenzverfahrens als geordnet anzusehen sein, wenn dem Rechtsanwalt die Restschuldbefreiung angekündigt wurde. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
IV.
Der Geschäftswert des Verfahrens wird auf 25.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der am ….1944 geborene Kläger ist seit 15.01.1975 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und seit 10.08.1998 Fachanwalt für Familienrecht. Seine Einzelkanzlei betreibt er unter der Anschrift …
Mit Beschluss des Amtsgerichts München – Insolvenzgericht – vom 03.06.2014, Az.: 1508 IN 1610/14, wurde am 03.06.2014 um 12.00 Uhr das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet. Dem Insolvenzverfahren liegt eine Forderung des Finanzamts M. in Höhe von 626.689,44 Euro zugrunde. In einem Schreiben an das Insolvenzgericht vom 25.05.2014 führte der Kläger aus: „Steuerschulden infolge einer Betriebsprüfung für die Jahre 2003 – 2012, die ausschließlich aus meiner freiberuflichen Tätigkeit kommen (Umsatz- u. Einkommensteuer). …“
Mit Schreiben der Beklagten vom 20.11.2014, dem Kläger am 25.11.2014 durch Einlegen in den Briefkasten der Geschäftsräume (…) zugestellt, wurde der Kläger zum beabsichtigten Widerruf der Zulassung wegen Vermögensverfalls gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO angehört.
Mit Schreiben vom 11.12.2014 nahm der Kläger Stellung. Er legte ein Schreiben des Finanzamts M. vom 22.05.2014 mit einer Zusammenstellung fälliger Steuern vor (Summe samt den Säumniszuschlägen: 610.551,83 Euro), ferner das im Rahmen seines Eigenantrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgegebene Vermögensverzeichnis vom 25.05.2014, ferner Kontoauszüge seines Geschäftskontos vom 30.06.2014 bis 08.12.2014 sowie die gegen die geänderten Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheide des Finanzamts München für die Jahre 2003, 2004, 2005, 2006, 2007, 2008, 2009, 2010, 2011 und 2012 von ihm eingelegten Einsprüche.
Aus den vorgelegten Unterlagen ergaben sich folgende Vermögenswerte:
– Sparbrief der … im Wert vom 31.900,77 Euro
– Sparkonto bei der …, Filiale A.: 5.035,00 Euro
– Geschäftskonto bei der …: 12.694,79 Euro (Stand 08.12.2014)
– Der Kläger trug ferner vor, eine gesetzliche monatliche Rente von 203,57 Euro zu beziehen und monatlich ca. 2.100,00 Euro netto einzunehmen.
Auf der Passivseite gab der Kläger folgende Verpflichtungen an:
– monatliche Miete für die Privatwohnung: 791,08 Euro
– monatliche Miete für die Kanzleiräume: 2.565,44 Euro
– monatliche Beiträge für die Krankenversicherung: 401,38 Euro
Ferner brachte der Kläger in seiner Stellungnahme vor, die zur Insolvenzverwalterin bestellte Rechtsanwältin Dr. … habe mir Schreiben vom 16.06.2014 gemäß § 35 Abs. 2 InsO das Vermögen aus einer selbstständigen Tätigkeit als Rechtsanwalt freigegeben. Mit Schreiben vom 15.07.2014 habe die Insolvenzverwalterin sein zwischenzeitlich eröffnetes Pfändungsschutzkonto bei der … freigegeben. Im Hinblick darauf könne der Kläger seitdem uneingeschränkt seine berufliche Tätigkeit ausüben, ohne dass irgendwelche wirtschaftlichen Risiken für seine Mandanten bestünden. Bezogen auf seine berufliche Tätigkeit könne daher von einem Vermögensverfall keine Rede sein.
Mit Bescheid vom 24.02.2015, Az.: P 15253, widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Zulassung des Klägers sei gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu widerrufen. Der Kläger sei in Vermögensverfall geraten. Dadurch seien die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet. Die Voraussetzungen der Vermutung des Vermögensverfalls lägen vor, da der Kläger mit einem Insolvenzverfahren in das Verzeichnis des Amtsgerichts – Insolvenzgericht – München eingetragen sei. Der Kläger habe zwar in seiner Stellungnahme vom 11.12.2014 seine Vermögenslage dargestellt und einige Posten auf der Aktiva-Seite nachgewiesen. Jedoch habe er dadurch die Vermutung des Vermögensverfalls nicht widerlegen können. Zur Wiederherstellung geordneter Einkommens- und Vermögensverhältnisse könne es zwar auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommen. Es müsse aber die begründete Aussicht bestehen, dass das Insolvenzverfahren zu einer Konsolidierung der Vermögensverhältnisse des Rechtsanwalts führe. Dies sei nach dem vollständigen Abschluss der angekündigten Restschuldbefreiung der Fall, denn sie führe nach Ablauf der Wohlverhaltensphase gemäß § 301 InsO zum Erlöschen der angemeldeten Verbindlichkeiten gegenüber dem Schuldner. Schon vor diesem Zeitpunkt sei eine Bereinigung möglich; zwar nicht schon durch den bloßen Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung, wohl aber durch die förmliche Ankündigung der Restschuldbefreiung durch Beschluss des Insolvenzgerichts nach § 291 InsO oder durch die insolvenzgerichtliche Bestätigung eines Insolvenzplans nach § 248 InsO oder eines Schuldbereinigungsplans nach § 308 InsO. Durch die Erfüllung werde der Rechtsanwalt von seinen Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern befreit. Davor könnten die Vermögensverhältnisse jedoch nicht als geordnet angesehen werden. Auch soweit der Kläger vortrage, die Insolvenzverwalterin Dr. … habe gemäß § 35 Abs. 2 InsO das Vermögen aus seiner selbstständigen Tätigkeit freigegeben, beseitige dies nicht die Vermutung des Vermögensverfalls. Weder die Anordnung der Eigenverwaltung noch die Freigabe der Kanzlei durch den Insolvenzverwalter führe zu geordneten Verhältnissen. Die Freigabe der Kanzlei des Rechtsanwalts aus der Insolvenzmasse, zu der sich der Insolvenzverwalter nach § 53 Abs. 2, 3 InsO gegenüber dem Insolvenzgericht zu erklären habe, erfolge nicht wegen Eintritts geordneter Verhältnisse, sondern zur Entlastung der Masse. Solange die Kanzlei nicht freigegeben werde, bleibe sie Gegenstand der Masse, mit der Folge, dass auch die aus dem Fortbetrieb der Masse entstehenden Verbindlichkeiten Masseverbindlichkeiten seien. Das diene dem Interesse der Gläubiger nur, wenn die Kanzlei Erträge erwirtschafte, die über diese Verbindlichkeiten hinausgingen. Sei das nicht der Fall, würde der Fortbetrieb als Gegenstand der Masse dem Interesse der Gläubiger zuwiderlaufen. Die Freigabe der Kanzlei zeige deshalb normalerweise nur, dass der Kanzleibetrieb zur Schuldentilgung nicht beitragen könne. Ein Beleg für eine Besserung der Verhältnisse sei sie nicht. Auch eine Gefährdung der Rechtsuchenden könne vorliegend nicht ausgeschlossen werden. Werde über das Vermögen eines Rechtsanwalts das Insolvenzverfahren eröffnet, seien die Interessen der Mandanten regelmäßig schon deshalb gefährdet, weil diese – vorbehaltlich ihres guten Glaubens – das Honorar nicht befreiend an den Auftragnehmer zahlen könnten.
Mit Schriftsatz vom 24.03.2015, eingegangen beim Bayerischen Anwaltsgerichtshof am selben Tag, hat der Kläger Klage erhoben.
Der Kläger bringt im Wesentlichen vor: Die Widerrufsvoraussetzungen nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO lägen nicht vor. Die mit seinem Schreiben vom 11.12.2014 erläuterte Vermögenslage ergänze er nunmehr: Zwischenzeitlich habe sich die Kanzleimiete auf 915,00 Euro monatlich reduziert. Aus den Umsatzsteuervoranmeldungen (Anlagen K 2.1. und K 2.2) für das III. und IV. Quartal 2014 ergebe sich ein Nettoumsatz von 21.851,00 Euro (III. Quartal) bzw. 17.389,- Euro (IV. Quartal). Es werde informatorisch mitgeteilt, dass für das I. Quartal 2015 ein Nettoumsatz von 19.333,00 Euro erwirtschaftet worden sei. Aus dem Kontoauszug 011 vom 17.03.2015 ergebe sich ein Kontostand von 28.437,80 Euro und aus dem Kontoauszug 012 vom 20.03.2015 ein Kontostand von 28.737,80 Euro. Bevor die Höhe seiner Steuerverbindlichkeiten – derzeit stehe nicht fest, ob und in welcher Höhe die Forderungen des Finanzamts München über insgesamt 626.689,44 Euro überhaupt nur annähernd begründet seien – nicht bestands- oder rechtskräftig feststehe, sei es ihm bereits aus diesem Grund verwehrt, einen Tilgungsplan vorzulegen. Zudem sei die Frage des Tilgungsplans nunmehr Aufgabe der zuständigen Insolvenzverwalterin. Diese stehe kurz vor Vollendung ihres Abschlussberichts und werde beim Insolvenzgericht den Beschluss nach § 287 a InsO – nicht, wie die Beklagte meine, nach § 291 InsO, da diese Vorschrift aufgehoben sei – über die förmliche Ankündigung der Restschuldbefreiung beantragen. Die Interessen der Rechtsuchenden seien nicht gefährdet. Soweit die Beklagte die Interessen der Mandanten des Klägers regelmäßig schon deshalb als gefährdet beurteile, weil die Mandanten ihr Honorar nicht befreiend an den Auftragnehmer zahlen könnten, entbehre dieses Argument jeder Grundlage. Die Honoraransprüche des Klägers ab Insolvenzeröffnung gehörten nicht mehr zur Insolvenzmasse, da gemäß § 35 Abs. 2 InsO das Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit des Klägers nicht (mehr) zur Insolvenzmasse gehöre. Sämtliche Einnahmen oder sonstiger Vermögenserwerb aus der Tätigkeit des Klägers als selbstständiger Anwalt seien damit aus der Insolvenzmasse freigegeben. Dies bedeute für die Mandanten des Klägers gleichzeitig, dass die von ihnen geleisteten Honorarzahlungen an den Kläger selbstverständlich mit befreiender Wirkung erfolgten, da diese Honorarforderungen nicht zur Insolvenzmasse gehörten. Die Argumentation der Beklagten zur Gefährdung der Mandanten im Rahmen ihrer Honorarzahlungen an den Kläger gehe deshalb ins Leere.
Nach Klageerhebung wurde mit Beschluss des Amtsgerichts – Insolvenzgericht – München vom 06.08.2015, Az.: 1508 IN 1610/14, nach Abhalten des Schlusstermins im schriftlichen Verfahren, dem Vollzug der Schlussverteilung und der Ankündigung der Restschuldbefreiung das Insolvenzverfahren aufgehoben.
Ferner wurde nach Klageerhebung der Kläger mit Urteil des Amtsgerichts – Schöffengericht -München vom 10.09.2015, Az.: 1121 Ls 305 Js 133770/15, wegen Steuerhinterziehung in 7 Fällen, in 3 Fällen davon jeweils in Tateinheit mit jeweils einem weiteren Fall der Steuerhinterziehung, zur Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten 2 Wochen verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Das Urteil ist seit 10.09.2015 rechtskräftig. Das Amtsgericht München ging davon aus, dass der Kläger die Einkommensteuer und den Solidaritätszuschlag für 2008 bis 2012 um 110.689,76 Euro und die Umsatzsteuer für 2008 bis 2012 um 49.583,81 Euro verkürzt hat.
Der Kläger beantragt zuletzt:
I. Der Bescheid der … zu Aktenzeichen … vom 24.02.2015, dem Kläger zugestellt am 25.02.2015, wird aufgehoben.
II. Ein Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gem. § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO gegenüber dem Kläger findet nicht statt.
Die Beklagte beantragt:
Die Klage vom 24.03.2015 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte bringt in der Klageerwiderung zunächst vor: Die Klage gegen den – dem Kläger am 25.02.2015 zugestellten – Bescheid sei zwar fristgerecht am 24.03.2015 beim Bayerischen Anwaltsgerichtshof eingegangen. Die Klage sei jedoch unbegründet. Die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgelöste Vermutungswirkung des Vermögensverfalls habe nicht widerlegt werden können. Weder liege ein genehmigter Schuldenbereinigungsplan vor, noch sei durch das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung angekündigt worden. Ebenso liege eine Gefährdung der Rechtsuchenden vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei im Falle eines Insolvenzverfahrens eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden lediglich im Falle der Anstellung eines Anwalts in einer größeren Kanzlei unter besonders engen Voraussetzungen auszuschließen. Anhaltspunkte hierfür lägen nicht vor. Es sei davon auszugehen, dass sich der Kläger weiterhin in ungeordneten, schlechten finanziellen Verhältnissen befinde, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen könne.
Mit den Schriftsätzen vom 20.08.2015 und vom 12.01.2016 trägt die Beklagte weiter vor: Obwohl mit Beschluss des Amtsgerichts – Insolvenzgericht – München vom 06.08.2015, Az.: 1508 IN 1610/14, die Restschuldbefreiung angekündigt worden sei, verbleibe es bei ihrem Widerrufsbescheid. Unter Berücksichtigung des Schlussberichts der Insolvenzverwalterin Dr. … vom 24.04.2015 dürften nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwar wieder geordnete Vermögensverhältnisse vorliegen. Ein möglicher Anspruch auf Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft in einem anschließenden Wiederzulassungsverfahren wegen Beseitigung des Vermögensverfalls sei aber wegen Unwürdigkeit des Klägers gemäß § 7 Nr. 5 BRAO zu verneinen. Der Kläger sei wegen Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten und 2 Wochen verurteilt worden. Ein steuerunehrliches Verhalten könne zur Unwürdigkeit nach § 7 Nr. 5 BRAO führen. Angesichts der erheblichen Höhe der Steuerverkürzung (ca. 160.000 Euro) werde die Beklagte einen Wiederzulassungsantrag wegen des Versagungsgrundes der Unwürdigkeit nach § 7 Nr. 5 BRAO zurückweisen.
II. 1. a) Für das Verfahren gelten nach § 112c Abs. 1 BRAO die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend.
Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben worden, § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Ein Vorverfahren nach § 68 VwGO war nach § 15 Abs. 2 BayAGVwGO nicht durchzuführen.
b) Es ist nur noch über den Klageantrag Ziffer I. zu entscheiden. Der Kläger hatte bei Klageerhebung zunächst die Klageanträge Ziffer I. und Ziffer II. gestellt. In der mündlichen Verhandlung des Senats vom 03.07.2015 nahm der Kläger die Klage mit Zustimmung der Beklagten gemäß § 92 Abs. 1 VwGO insoweit zurück (vgl. Seite 3 des Protokolls vom 03.07.2015, Bl. 18 d. A.). Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung des Senats vom 22.01.2016 dennoch den „Antrag aus dem Schriftsatz vom 24.03.2015“ stellte (vgl. Seite 2 des Protokolls vom 22.01.2016, Bl. 36 d. A.), ist dies dahin auszulegen, dass der Antrag aus dem Schriftsatz vom 24.03.2015 nach Maßgabe der Teilklagerücknahme vom 03.07.2015 gestellt wurde. Jeglicher Anhaltspunkt, dass der Kläger entgegen der zuvor erklärten Teilklagerücknahme den Klageantrag Ziffer II. neu erheben wollte, fehlt.
b) Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der streitgegenständliche Widerrufsbescheid der Beklagten vom 24.02.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO. Der Kläger ist zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids in Vermögensverfall geraten, und es konnte nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden, dass hierdurch die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet sind (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO).
a) Vermögensverfall ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und wenn er außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 07.02.2011 – AnwZ (B) 42/10, BeckRS 2011, 05177; BGH, Beschluss vom 29.06.2011 – AnwZ (BrfG) 11/10, NJW 2011, 3234). Vermögensverfall wird gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO unter anderem dann vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalt eröffnet worden ist (vgl. auch BGH, Beschluss vom 04.04.2012 – AnwZ (Brfg) 1/12.)
Dieser Vermutungstatbestand war bei Erlass des angefochtenen Widerrufsbescheids erfüllt. Über das Vermögen des Klägers ist mit Beschluss des Amtsgerichts München -Insolvenzgericht – vom 03.06.2014, Az.: 1508 IN 1610/14, das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Sowohl die Freigabe der selbstständigen Tätigkeit durch die Insolvenzverwalterin, als auch Renteneinkünfte und/oder Kanzleierträge beseitigen nicht den Vermögensverfall (vgl. BGH, Beschluss vom 16.03.2015 – AnwZ (Brfg) 47/14, BeckRS 2015, 07398). Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind die Vermögensverhältnisse u. a. zwar dann wieder geordnet, wenn dem Schuldner die Restschuldbefreiung angekündigt wurde. Mit Beschluss des Amtsgerichts – Insolvenzgericht – München vom 06.08.2015, Az.: 1508 IN 1610/14, war das auch der Fall. Dies führt jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit des Widerrufsbescheids der Beklagten und zur Begründetheit der Klage. Denn für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach der mit Wirkung ab 01.09.2009 erfolgten Änderung des Verfahrensrechts allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder – wenn, wie hier, das nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschrieben Vorverfahren entbehrlich ist – auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2011 – AnwZ (BrfG) 11/10).
Aus den unter I. dargestellten Erwägungen war die Beklagte nicht bereit, den Widerrufsbescheid im Hinblick auf die nach Ankündigung der Rechtschuldbefreiung (§ 287 a InsO) nachträglich aufzuheben, so dass keine anderweitige Verfahrenserledigung – wie etwa die übereinstimmende Erledigterklärung durch die Parteien – in Betracht kommt.
Die Beurteilung der nachträglich eingetretenen Entwicklungen ist vielmehr einem eventuellen neuen Wiederzulassungsverfahren vorbehalten.
b) Wie der Bestimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu entnehmen ist, geht der Gesetzgeber grundsätzlich von einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden aus, wenn sich der Rechtsanwalt in Vermögensverfall befindet. Diese Gefahr besteht insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff seiner Gläubiger. Anhaltspunkte dafür, dass eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall des Klägers ausnahmsweise hinreichend sicher verneint werden könnte, sind nicht ersichtlich.
Die Einrichtung eines Anderkontos genügt hierfür schon deswegen nicht, weil nicht sichergestellt werden kann, dass Fremdgelder nur auf dieses Konto eingezahlt werden. Auch das zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids laufende Insolvenzverfahren war nicht geeignet, die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden auszuschließen. Dies zeigt schon die Tatsache, dass das Gesetz gerade an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Vermutung des Vermögensverfalls und daran wiederum die Vermutung der Gefährdung der Rechtsuchenden knüpft. Die Argumentation des Klägers steht im Widerspruch zu der Entscheidung des Gesetzgebers.
Ein derartiger Ausnahmefall liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wie des Senats nur vor, wenn der betroffene Rechtsanwalt seine einzelanwaltliche Tätigkeit vollständig und nachhaltig aufgibt, seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern. Die Einhaltung der verabredeten Maßnahmen zum Schutz der Mandanten muss dabei dauerhaft und nachhaltig sichergestellt sein (vgl. BGH, Beschluss vom 04.03.2012 – AnwZ (Brfg) 62/11, BeckRS 2012, 10263). Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers schon deswegen nicht erfüllt, weil er seine Kanzlei als Einzelanwalt betreibt und dies weiterhin tun will. Im Übrigen fehlt hierzu jeder Sachvortrag des auch insoweit darlegungspflichtigen Klägers.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c BRAO, § 154 Abs. 1 VwGO, § 173 VWGO, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 709 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwerts erfolgt nach § 194 Abs. 2 Satz 2 BRAO. Vorliegend war vom Regelstreitwert in Höhe von 50.000 Euro gemäß § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO abzuweichen. Der Kläger hat besonders ungünstige Berufsaussichten und finanzielle Verhältnisse. Der Kläger ist 71 Jahre alt. Nach den Ausführungen der Beklagten kann er nicht mit einer Wiederzulassung zu Rechtsanwaltschaft rechnen. Der Kläger lebt in schlechten finanziellen Verhältnissen.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor, § 124 Abs. 2 VwGO. Insbesondere sind die entscheidungserheblichen Rechtsfragen höchstrichterlich geklärt.