Insolvenzrecht

Voraussetzungen für den Erlass einer Sicherungsanordnung

Aktenzeichen  32 W 628/21

Datum:
13.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 18100
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 283a

 

Leitsatz

1. Zweck des § 283a ZPO ist es, die Klageseite vor dem Ausfall der während des Räumungsprozesses auflaufenden und fällig werdenden Forderungen zu schützen. Die Räumungsklage muss daher – ggf. auch nachträglich – mit einer Zahlungsklage aus demselben Rechtsverhältnis verbunden worden sein. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zahlungsrückstände mit der Folge eines Liquiditätsengpasses beim Vermieter rechtfertigen alleine keine Sicherungsanordnung iSd § 283a ZPO. Dass der Vermieter ein Darlehen zu bedienen hat, genügt für sich ebenfalls nicht, da die Sicherungsanordnung nicht dazu führt, dass dieses Darlehen bedient werden könnte. Zudem wäre in einem solchen Fall eine Sicherungsanordnung jedenfalls bei noch nicht abbezahlten Mietobjekten der Normalfall, obwohl die Sicherheit allein das Erfordernis der Bedienung der Darlehensraten aus anderen Mitteln des Vermieters nicht abwenden kann. Im Übrigen soll § 283a ZPO weder allein vor dem Risiko einer Zahlungsunfähigkeit des Mieters noch einem bloßen Liquiditätsengpass des Vermieters schützen, da dies jeden Gläubiger betreffen kann. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

53 O 3087/20 2021-03-03 Bes LGLANDSHUT LG Landshut

Tenor

Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Landshut vom 3.3.2021 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer Sicherungsanordnung gemäß § 283a ZPO abgewiesen.

Gründe

I.
Der Kläger und die Beklagte waren hälftig Miteigentümer eines bebauten Grundstücks, das an die Beklagte zum Betrieb eines Boardinghauses verpachtet war. Wegen Mietrückständen kündigte der Kläger gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 14.1.2020 das Mietverhältnis fristgerecht zum 1.5.2020 und nach weiteren Zahlungsrückständen mit Anwaltsschreiben vom 12.5.2020 fristlos.
Mit Klage vom 12.10.2020 macht der Kläger gegen die Beklagte die Herausgabe des Boardinghauses sowie die Zahlung von Mietrückständen sowie eine Nutzungsentschädigung bis zur Herausgabe des Anwesens an die Grundstücksgemeinschaft geltend. Auch als Miteigentümer sei der Kläger allein zur Kündigung und Geltendmachung von Ansprüchen der Grundstücksgemeinschaft berechtigt.
Zudem beantragt der Kläger eine Sicherungsanordnung nach § 283a ZPO. Es bestünden hohe Erfolgsaussichten der Klage, auch sei die wirtschaftliche Bedeutung des Zahlungsausfalles immens, da eine Tilgung des für den Grundstückskauf aufgenommenen Darlehens zwar zeitweise ausgesetzt sei, dadurch aber erhebliche Zinsnachteile bestünden.
Die Beklagte beantragt Klageabweisung. Der Kläger sei als Miteigentümer allein nicht zur Geltendmachung von Forderungen der Grundstücksgemeinschaft und zur Prozessführung befugt. Die geltend gemachten Forderungen bestünden nicht in der eingeklagten Höhe. Zudem wendet sich die Beklagte gegen eine Sicherheit nach § 283a ZPO, da der Kläger einen besonderen Nachteil nicht glaubhaft gemacht habe.
Mit Beschluss vom 3.3.2021 hat das Gericht erster Instanz eine Sicherheitsanordnung erlassen, wonach die Beklagte verpflichtet wird, einen Betrag von 27.823,53 € beim Amtsgericht Landshut zur Sicherheit zu hinterlegen.
Dagegen wendet sich die Beklagte mit der sofortigen Beschwerde vom 16.3.2021. Zum einen sei die Sicherheit nach § 283a ZPO eine materiellrechtliche nach § 232 ff BGB, so dass die Beklagte die Wahl der Leistung der Sicherheit habe. Zudem habe der Kläger nicht hinreichend zum Nachteil vorgetragen, insbesondere auch nicht dargelegt, aus welchen Gründen die Darlehensgeber eine Sicherheit als ausreichend ansähen. Im Übrigen sei das Boardinghaus herausgegeben, so dass eine maßgebliche Tatbestandsvoraussetzung der Sicherungsanordnung gemäß § 283a ZPO entfallen sei.
Im Beschwerdeverfahren macht die Klagepartei ergänzend geltend, dass eine Zahlungsunfähigkeit der Beklagten jedenfalls aufgrund der erheblichen Zahlungsrückstände zu vermuten sei.
Diesem Vortrag ist die Gegenseite mit dem Hinweis entgegengetreten, die Zahlungsunfähigkeit sei nicht glaubhaft gemacht. Zudem habe die Beklagte ihren Mieteigentumsanteil veräußert.
II.
1. Das Rechtsmittel ist nach § 283a Abs. 1 Satz 3 ZPO als sofortige Beschwerde statthaft und auch im Übrigen in zulässiger Weise eingelegt.
2. Die sofortige Beschwerde hat Erfolg. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob die Herausgabe des Mietobjektes schon den Grund für eine Sicherungsanordnung nach § 283a ZPO entfallen lässt, da jedenfalls die Interessenabwägung nicht zum Ergebnis führt, dass die Anordnung zur Abwendung besonderer Nachteile für den Kläger gerechtfertigt ist.
Nach § 283a Abs. 1 ZPO ordnet das Prozessgericht auf Antrag der Klagepartei an, dass die beklagte Partei wegen der Geldforderungen, die nach Rechtshängigkeit der Klage fällig geworden sind, Sicherheit zu leisten hat, soweit die Klage auf diese Forderungen hohe Aussicht auf Erfolg hat und die Anordnung nach Abwägung der beiderseitigen, glaubhaft gemachten Interessen zur Abwendung besonderer Nachteile für die Klagepartei gerechtfertigt ist.
a) Nicht zu beanstanden und nicht angegriffen ist die Feststellung des Landgerichts zur hohen Erfolgsaussicht der Klage.
b) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Herausgabe der Mietsache während des Verfahrens die Möglichkeit einer Anordnung entfallen lässt.
Zweck des § 283a ZPO ist es, die Klageseite vor dem Ausfall der während des Räumungsprozesses auflaufenden und fällig werdenden Forderungen zu schützen (Thole in Stein/Jonas ZPO 23. Aufl. § 283a Rn. 1). Die Räumungsklage muss daher – ggf. auch nachträglich – mit einer Zahlungsklage aus demselben Rechtsverhältnis verbunden worden sein (Foerste in Musielak/Voit ZPO 15. Aufl. § 283a ZPO Rn. 3). Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Räumung noch bis zur Entscheidung über die Sicherungsanordnung Ziel der Klage sein muss. Dagegen spricht allerdings, dass § 283a ZPO immer dann ins Leere laufen würde, wenn zumindest kurz vor der Entscheidung über die Sicherungsanordnung – gegebenenfalls erst im Beschwerdeverfahren – das Mietobjekt herausgegeben würde. Auch bis zu diesem Zeitpunkt können der Klagepartei jedoch besondere Nachteile entstehen, die allein mit der Herausgabe nicht enden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber für diese Nachteile keine Sicherheit für erforderlich hielt.
c) Letztlich kann diese Frage aber dahingestellt bleiben, da zumindest keine besonderen Nachteile des Klägers im Sinne von § 283a ZPO glaubhaft gemacht sind. Solche liegen vor, wenn dem klagenden Vermieter besondere Nachteile durch das Unterbleiben der Räumung und der Zahlungen entstehen, die über das Normalmaß hinausgehen. Aus diesem Grund wird vertreten, dass entscheidend darauf abzustellen sei, ob die Zahlungsrückstände oder die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners über den rein finanziellen Aspekt hinaus für den Vermieter von Bedeutung sind. Das sei der Fall, wenn der Vermieter die Mietzahlungen für seinen Lebensunterhalt oder die Finanzierung der Immobilie benötige (Prütting in MüKo ZPO 5. Aufl. § 283a Rn. 8; Seiler in Thomas/Putzo ZPO 42. Aufl. § 283a Rn. 2; Thole in Stein/Jonas § 283a Rn. 15).
Nach anderer Ansicht kann allein der Tatsache, dass die Mietzahlungen für die Bedienung der Finanzierungsraten benötigt werden, durch die Sicherungsanordnung in aller Regel nicht abgeholfen werden, weil der Kläger über die geleistete Sicherheit nicht verfügen kann (Streyl in Schmidt-Futterer Mietrecht 14. Aufl. § 283a ZPO Rn. 29). Zahlungsrückstände mit der Folge eines Liquiditätsengpasses beim Kläger alleine rechtfertigen danach keine Sicherungsanordnung (Streyl in Schmidt-Futterer Mietrecht 14. Aufl. § 283a ZPO Rn. 28). Dass die Klagepartei mithin Darlehen zu bedienen hat, genüge für sich nicht, da die Sicherungsanordnung nicht dazu führe, dass diese Darlehen nun bedient werden könnten. Die Sicherungsanordnung schütze daher nur vor schon eingetretener oder zu befürchtender Zahlungsunfähigkeit (Streyl in Schmidt-Futterer § 283a ZPO Rn. 31). Allerdings müsse zur eingetretenen oder drohenden Zahlungsunfähigkeit noch die Auswirkung auf den Vermieter hinzukommen, aus der sich ein besonderer Nachteil ergebe.
Für die letztere Ansicht spricht, dass nach § 283a Abs. 1 ZPO nicht jegliche Nachteile genügen, sondern besondere Nachteile für den Kläger bestehen müssen, die durch die Sicherheitsleistung abgewendet werden können. Dies ist nicht allein schon dann anzunehmen, wenn der Vermieter die Einnahmen für die Finanzierung benötigt; denn in einem solchen Fall wäre eine Sicherungsanordnung § 283a ZPO jedenfalls bei noch nicht abbezahlten Mietobjekten der Normalfall, obwohl die Sicherheit allein das Erfordernis der Bedienung der Darlehensraten aus anderen Mitteln des Vermieters nicht abwenden kann. Im Übrigen soll § 283a ZPO weder allein vor dem Risiko einer Zahlungsunfähigkeit des Mieters noch einem bloßen Liquiditätsengpass des Klägers schützen, da dies jeden Gläubiger betreffen kann (Streyl in Schmidt-Futterer § 283a ZPO Rn. 29 und 32).
Mithin ist es erforderlich, dass neben einer schon eingetretenen oder befürchteten Zahlungsunfähigkeit der beklagten Seite der Vermieter, dem die Einnahmen zur Bedienung eines Darlehens nicht zur Verfügung stehen, ohne Sicherheitsanordnung weitere Nachteile entstehen, wie etwa die Gefahr der Kündigung des Darlehens oder drohende Insolvenz. Es kann auch Vortrag dazu genügen, dass der Vermieter nur aufgrund der Sicherheitsleistung eine Zwischenfinanzierung erhalten könnte oder durch den Nachweis der Sicherheit vom Darlehensgeber einen Zahlungsaufschub erhält.
Vorliegend hatte die Klagepartei zunächst nur darauf abgestellt, dass der gewährte Kredit nach einer Tilgungsaussetzung wieder zu bedienen sei, obwohl sich das Konto, von dem die Zahlung zu erfolgen habe, im Minus sei. Es entstünden daher Zinsnachteile. Erst im Beschwerdeverfahren wurde ergänzend vorgetragen, dass eine Zahlungsunfähigkeit der Beklagten jedenfalls aufgrund der erheblichen Rückstände zu vermuten sei. Dieser Vortrag ist jedoch zum einen nicht hinreichend glaubhaft gemacht, zum anderen hat die Gegenseite unbestritten die Veräußerung des Anteils der Beklagten vorgetragen. Auch wenn nun nicht auf die Liquidität des nunmehrigen Miteigentümers abzustellen ist, beinhaltet der Vortag der Beklagten, dass ihr Einnahmen aus der Veräußerung zuflossen, die gegen eine Zahlungsunfähigkeit sprechen. Dieser Vortrag wurde von der Klagepartei nicht widerlegt.
Besondere Nachteile im Sinne von § 283a Abs. 1 ZPO sind daher für den Kläger schon nicht ersichtlich, geschweige denn glaubhaft gemacht.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da die Beschwerde erfolgreich ist.


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