Aktenzeichen 31 S 3728/16
Leitsatz
1. Für die Bestimmung des Gebührenstreitwerts einer Berufung sind die Anträge des Berufungsführers gem. § 47 Abs.1 S. 1 GKG grundsätzlich auch dann maßgebend, wenn diese den Wert des Beschwerdegegenstandes bzw. der Beschwer übersteigen. (amtlicher Leitsatz)
2 Nur dann, wenn ein Rechtsmittelantrag fehlt, ist nach § 47 Abs. 1 S. 2 GKG die Beschwer maßgebend. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
461 C 5657/15 2016-01-14 Endurteil AGMUENCHEN AG München
Tenor
I.
Der Streitwertbeschwerde der Klägerin vom 28.07.2016 wird nicht abgeholfen.
II.
Die Akten werden dem OLG München zur Entscheidung vorgelegt.
Gründe
Das Amtsgericht hat den Beklagten mit Endurteil vom 14.01.2016 verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 345,59 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.11.2014 zu zahlen.
Dort hatte die Klägerin beantragt: Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.040,77 Euro nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Hiergegen hat sie Berufung eingelegt mit folgendem Antrag:
Das Endurteil des Amtsgerichts München vom 29.01.2016 (Aktenzeichen: 461 C 5657/15) wird dahingehend abgeändert, als die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 1.040,77 Euro nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Berufung wurde aufgrund des Hinweises der Kammer vom 06.06.2016 im Hinblick auf die Unzulässigkeit wegen unzureichender Begründung zurückgenommen. Der Streitwert wurde mit Beschluss vom 30.06.2016 auf 1.040,77 Euro festgesetzt. Hiergegen hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 28.07.2016 Streitwertbeschwerde eingelegt. Sie ist der Ansicht, dass der Streitwert 695,18 Euro beträgt. Als Begründung wird lediglich auf das Endurteil des Amtsgerichts verwiesen.
Die Beschwerde ist zulässig (§ 68 Abs. 1 GKG), aber unbegründet. Denn der Gebührenstreitwert bestimmt sich im Rechtsmittelverfahren nach dem eindeutigen Wortlaut des § 47 Abs. 1 S. 1 GKG nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Ebenso eindeutig ist der Wortlaut des gestellten Berufungsantrages der Klägerin. Dieser enthält weder eine Beschränkung auf den abgewiesenen Teil, noch ist eine solche der Berufungsbegründung zu entnehmen. Vielmehr wird darin angeführt, dass das Ersturteil aufzuheben ist.
Dafür, dass sich der Streitwert für die Berufung etwa grundsätzlich nach der Differenz zwischen zugesprochener und beantragter Zahlung bemisst (so OLG Schleswig • Beschluss vom 19. Dezember 2013 • Az. 1 W 67/13 – ohne Begründung; unklar Doukoff, Die zivilrechtliche Berufung 3. Aufl. 2005 Rn. 85: „Wert des Beschwerdegegenstandes“; Rn. 180: „Der Streitwert des Berufungsverfahrens richtet sich gemäß § 47 I 1 GKG (= § 14 I 1 GKG a. F.) nach den Anträgen des Berufungsklägers“), spricht indes nichts. Im Gegensatz zu § 511 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO, wonach die Berufung nur zulässig ist, wenn „der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt“, spricht § 47 Abs. 1 S. 1 GKG gerade nicht von diesem Wert (vgl. auch Hartmann, Kostengesetze, 43. Aufl. 2013 § 47 GKG Rn. 3: Ein eindeutiger Antrag ist auch dann bindend, wenn seine Begründung eine in Wahrheit geringere Beschwer ergibt).
Nur dann, wenn ein Rechtsmittelantrag fehlt, ist nach § 47 Abs. 1 S. 2 GKG die Beschwer maßgebend. Der Grund für die – gesetzlich vorgegebene – unterschiedliche Wertberechnung dürfte dabei darin liegen, dass dem Gebührenstreitwert – im Gegensatz zur Wertbestimmung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels (vgl. auch § 2 ZPO) – eine eigenständige Zweckrichtung zukommt (vgl. BGH Urteil vom 10.12.1993 – V ZR 168/92).
Aufgrund dieser Gesichtspunkte kann für den Gebührenstreitwert bei der Berufung auch nicht allgemein das „Angreiferinteresse“ – wie bei einer Klage oder Widerklage – maßgebend sein (vgl. hierzu Wöstmann, Münchener Kommentar zur ZPO 4. Auflage 2013 § 3 Rn. 4ff.), auch wenn dieses in der Regel den Anträgen des Berufungsführers entspricht. Letztlich ist es eben dessen Angelegenheit, die Anträge, an welche das Gericht grundsätzlich auch gebunden ist (vgl. §§ 308, 528 ZPO), sachgerecht zu formulieren (vgl. § 520 S. 2 Ziff. 1 ZPO).